Das Oberlandesgericht Linz hat als Berufungsgericht durch Senatspräsident Dr. Wolfgang Seyer als Vorsitzenden und die Richter Dr. Stefan Estl und Mag. Hermann Holzweber in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **gasse **, **, vertreten durch Dr. Florian Johann Ernst Knaipp, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B* Limited , **, **, **, **, Malta, vertreten durch Mag. Patrick Bugelnig, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 33.001,60 samt Anhang, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 28. August 2025, Cg*-12, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 3.400,32 (darin EUR 566,72 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Die beklagte Partei hat ihren Sitz in Malta und bietet über die Internetseite ** Online-Glücksspiel in Österreich an. Sie verfügte (auch) im Zeitraum 24. Februar 2020 bis 25. Juni 2022 über keine österreichische Glücksspiellizenz.
Der Kläger erzielte über das von ihm in Österreich abgerufene Online-Glücksspielangebot der beklagten Partei im Zeitraum 24. Februar 2020 bis 25. Juni 2022 als Saldo aus Einzahlungen und Auszahlungen (ohne Berücksichtigung von Sportwetten) Verluste von € 33.000,00, wobei der Kläger ausschließlich Einzahlungen tätigte und keine Gewinne erzielte. Der Kläger hat bei der beklagten Partei auch Sportwetten in Anspruch genommen und dabei einen nicht ausbezahlten Gewinn von € 1,60 erzielt.
In diesem Zeitraum hatte der Kläger seinen Wohnsitz in **. Die Vertragsbeziehung zwischen dem Kläger und der beklagten Partei in dem angeführten Zeitraum entfaltete sich nicht im Rahmen einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Klägers.
Der Kläger begehrte die Rückzahlung seiner Verluste und die Zahlung seines Sportwettengewinns mit dem wesentlichen Vorbringen, wegen der fehlenden Konzession der Beklagten sei das von ihr angebotene und durchgeführte Glücksspiel illegal und nichtig. Um den verlorenen Betrag sei die Beklagte ungerechtfertigt bereichert. Er habe von 24. Februar 2020 bis 25. Juni 2022 Glücksspielverluste von € 33.000,00 erlitten. Dazu kämen nicht ausbezahlte Sportwettengewinne von € 1,60.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und wandte soweit wesentlich ein, sie habe im Spielzeitraum über eine maltesische Glücksspielkonzession verfügt, weshalb das angebotene Online-Glücksspiel nicht verboten gewesen sei. Das österreichische Glücksspielmonopol verstoße gegen Art 56 AEUV. Die Werbemaßnahmen der Konzessionärinnen würden sich nicht im Rahmen dessen halten, was der EuGH für zulässig erachte. Die österreichischen Glücksspielregelungen seien inkohärent; die Voraussetzungen für ein unionsrechtskonformes Monopol würden nicht eingehalten.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht der Klage in der Hauptsache zur Gänze und im Zinsenbegehren überwiegend statt. Es legte seiner Entscheidung den im angefochtenen Urteil auf den Seiten 6 und 7 festgestellten Sachverhalt zugrunde, der bereits oben – soweit für das Berufungsverfahren relevant - wiedergegeben wurde.
In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht die Rechtssache gemäß Artikel 6 Rom I-VO nach österreichischem materiellen Recht und führte aus: Gemäß § 3 GSpG sei das Recht zur Durchführung von Glücksspielen, soweit im GSpG nicht anderes bestimmt wird, dem Bund vorbehalten (Glücksspielmonopol). Bei den vom Kläger bei der beklagten Partei konsumierten Online-Glücksspielen handle es sich um elektronische Lotterien im Sinn des § 12a GSpG, bei denen die Spielteilnahme über elektronische Medien erfolge und die Entscheidung über das Spielergebnis zentral herbeigeführt und über elektronische Medien zur Verfügung gestellt werde. Ausgehend von der gesicherten Judikatur der drei nationalen Höchstgerichte, wie in 1 Ob 229/20p, 5 Ob 30/21d, 3 Ob 72/21s und 9 Ob 20/21p wiedergegeben und und den darin zitierten Ausführungen des Europäischen Gerichtshofes seien die zwischen dem Kläger und der beklagten Partei im Zeitraum 24. Februar 2020 bis 25. Juni 2022 abgeschlossenen Verträge über Online-Glücksspiele, woraus der Kläger Verluste von insgesamt € 33.000,00 erzielte, nichtig, weil die beklagte Partei in dem angeführten Zeitraum über keine Konzession nach dem GspG, welches nicht gegen Unionsrecht verstoße, verfügte.
Gemäß § 879 Abs 1 ABGB sei ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Nach ständiger Rechtsprechung sei, was auf der Grundlage eines unerlaubten und damit unwirksamen Glücksvertrages gezahlt wurde, rückforderbar. Verbotene Spiele erzeugen nicht einmal eine Naturalobligation. Der Verlierer könne die gezahlte Spielschuld zurückfordern, ohne dass dem die Bestimmung des § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB oder § 1432 ABGB entgegenstünde (6 Ob 124/16b, RS 0025607 [T1]).
Die beklagte Partei sei daher verpflichtet, dem Kläger die erhaltenen Einzahlungen, somit den Betrag von € 33.000,00, zurückzuzahlen. Aus diesem Betrag stünden dem Kläger bereicherungsrechtlich auch die geforderten gesetzlichen Verzugszinsen von 4 % pro Jahr ab dem 26. Juni 2022, dem Datum des letzten verlustbringenden Vertragsabschlusses zu.
Darüber hinaus habe die beklagte Partei dem Kläger den unbestrittenen Sportwettengewinn von € 1,60 zu zahlen. Ein Vorbringen zu einer allfällig vor Klagseinbringung erfolgten Forderung dieses Betrages gegenüber der beklagten Partei habe der Kläger nicht erstattet, weshalb ihm aus diesem Betrag die geforderten gesetzlichen Verzugszinsen ab dem Folgetag der Klagszustellung an die beklagte Partei, daher ab 29. April 2025, zustehen würden. Diesbezüglich sei das Zinsenmehrbegehren abzuweisen gewesen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten aus den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass die Klage zur Gänze abgewiesen werde.
Der Kläger erstattete eine Berufungsbeantwortung mit dem Antrag, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Das Berufungsgericht hält die Rechtsmittelausführungen für nicht stichhältig, hingegen die damit bekämpfte Begründung des angefochtenen Urteils für zutreffend, weshalb es sich mit einer kurzen Begründung begnügen kann (§ 500a ZPO).
1. Zur Verfahrensrüge:
Die Beklagte erblickt einen Verfahrensmangel darin, dass das Erstgericht das (in ON 3 S 22) beantragte Sachverständigengutachten „aus den Fachbereichen 04.60 Marktforschung und 04.50 Werbepsychologie, zum Beweis dafür, dass die Werbemaßnahmen der Casinos Austria AG sowie der Österreichischen Lotterien GmbH im klagsgegenständlichen Zeitraum Verbrauchern hohe Gewinne in Aussicht gestellt haben, die Risiken des Glücksspiels verharmlost haben und darauf ausgerichtet waren, insbesondere auch Neukunden zu akquirieren und somit den Glücksspielmarkt in Österreich zu erweitern ...“, nicht eingeholt hat. Die Berufungswerberin meint, dieses Beweisanbot hätte die Inkohärenz und damit die Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols erwiesen, und zwar wegen überschießender Werbemaßnahmen der Konzessionärinnen.
Ein primärer Verfahrensmangel iSd § 496 Abs 1 Z 2 ZPO könnte nur vorliegen, wenn das Erstgericht infolge des Unterlassens der beantragten Beweisaufnahme andere als die vom Beweisführer behauptete Tatsachen festgestellt hätte (vgl Pimmer in Fasching/Konecny 3 § 496 ZPO Rz 57). Hat das Erstgericht aber – wie hier - zu sämtlichen in der Verfahrensrüge genannten Themen keine Feststellungen getroffen, könnte im Unterlassen der Beweisaufnahme, vorausgesetzt die Beweisthemen wären rechtlich relevant, nur ein rechtlicher Verfahrensmangel iSd § 496 Abs 1 Z 3 ZPO liegen, der mit Rechtsrüge aufzugreifen ist (vgl Pimmer aaO Rz 55, 58).
Ein primärer Verfahrensmangel besteht damit nicht.
2. Zur Rechtsrüge:
Gegenstand der Rechtsrüge ist die Frage der von der Beklagten eingewandten Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols nach § 3 GSpG. Die Beklagte meint, das Erstgericht habe trotz der vom EuGH verlangten dynamischen Verhältnismäßigkeitsprüfung keinerlei tragfähige (eigene) Feststellungen zu den – nach ständiger einschlägiger Rechtsprechung des EuGH – zu prüfenden Kohärenzkriterien getroffen. Dies obwohl die beklagte Partei hierzu umfangreiches Vorbringen erstattet und Beweismittel vorgelegt habe. Ein Verweis auf andere Gerichtsentscheidungen könne keine Sachverhaltsfeststellungen ersetzen.
Sekundäre Feststellungsmängel würden auch im Zusammenhang mit einer inkohärenten Regelung vergleichbarer Formen des Glücksspiels (horizontale Kohärenz [betreffend Glücksspielautomaten und VLTs; ferner Onlinesportwetten und -glücksspiel]) vorliegen sowie im Zusammenhang mit einem nicht erfolgten Nachweis des Staates Österreich für die Erforderlichkeit des Monopols und der unterbliebenen Notifikation der durch das Budgetbegleitgesetz 2011 eingetretenen Änderungen des § 14 GSpG durch die Europäische Kommission gemäß der Richtlinie 98/34/EG vom 22. Juni 1998. Zudem gebiete das GSpG allenfalls ein Abschluss- und kein Inhaltsverbot. Glücksspielverträge seien grundsätzlich zulässig. Zinsen gebührten mangels Zahlungsaufforderung erst mit dem der Zustellung des „Europäischen Zahlungsbefehls“ folgenden Tag ab 28. April 2025.
Dazu ist auszuführen:
Es entspricht der gesicherten höchstgerichtlichen Rechtsprechung, dass auch zur Frage der Vereinbarkeit des österreichischen Glücksspielmonopols mit unionsrechtlichen Vorgaben kein Verbot für ein nationales Gericht besteht, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte (hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs) zu berufen (1 Ob 7/24x; 7 Ob 152/23p; 7 Ob 71/23a; 1 Ob 25/23t; jüngst 7 Ob 112/25h und 6 Ob 135/25h).
Der Oberste Gerichtshof hat – im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte – auf Basis der einschlägigen Judikatur des EuGH in mehreren aktuellen Entscheidungen neuerlich festgehalten, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre im hier relevanten Zeitraum nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt (RS0130636; 4 Ob 125/18p; 3 Ob 57/19g; 6 Ob 8/22b [Spielzeitraum 29. Juni 2018 bis 3. Mai 2019]; 7 Ob 96/22a [Spielzeitraum Oktober 2019 bis Oktober 2020]; 2 Ob 221/22x [Spielzeitraum Mitte 2020 bis 2021]; 1 Ob 171/22m je mwN; 5 Ob 90/23f [Rz 8]; 8 Ob 61/23p [Spielzeitraum 2021/2022]; 1 Ob 7/24x [Spielzeitraum 31. August 2020 bis 24. Februar 2023]; 1 Ob 46/24g [Spielzeitraum 24. Februar 2020 bis 16. August 2023] und jüngst 8 Ob 54/25m, 7 Ob 112/25h und 6 Ob 135/25h [Spielzeitraum 11. Juli 2023 bis 18. Juni 2024]). Die Beurteilung des Erstgerichts entspricht dieser Rechtsprechung.
Die behaupteten Feststellungsmängel liegen daher nicht vor.
Nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen hat der Kläger den Verlust im Zeitraum 24. Februar 2020 bis 25. Juni 2022 erlitten. Die Beurteilung der Unionsrechtskonformität des Glücksspielmonopols durch die höchstgerichtliche Rechtsprechung deckt diesen Zeitraum eindeutig ab.
Neue Aspekte hat die Beklagte nicht vorgebracht.
Zu der in der Berufung thematisierten Verpflichtung zur Notifikation der Bestimmung des § 14 GSpG idF des BudgetbegleitG 2011, BGBl I Nr 111/2010, nach Maßgabe der Richtlinie der Richtlinie 98/34/EG idF der Richtlinien 98/48/EG und 2006/96/EG („Transparenz-RL“; nunmehr Richtlinie 2015/1535/EU) nahm der OGH bereits in der Entscheidung 3 Ob 200/21i (EvBl LS 2022/11) Stellung und verneinte bereits mehrfach eine entsprechende Notifikationsverpflichtung (3 Ob 200/21i; 4 Ob 200/21b; 4 Ob 213/21h; 4 Ob 223/21d; 7 Ob 213/21f; 6 Ob 203/21b; 6 Ob 226/21k). Damit geht auch dieser Einwand ins Leere.
Gemäß § 2 Abs 1 und 4 iVm § 4 Abs 1 GSpG ist das konzessionslose Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder Zugänglichmachen von Glücksspiel durch einen Unternehmer verboten. Nach der Rechtsprechung sind jene Spiele iSd § 1174 Abs 2 ABGB verboten und damit nichtig iSd § 879 Abs 1 ABGB, die – wie hier – den in § 168 Abs 1 StGB und in § 1 Abs 1 GSpG angeführten Charakter haben, bei denen also Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen (7 Ob 102/22h [Rz 4]; 1 Ob 182/22d [Rz 5]; RS0102178; RS0038378; 6 Ob 50/22d). Die Durchführung einer Ausspielung durch die Beklagte ohne (inländische) Konzession stellt ein verbotenes Glücksspiel dar.
Verbotene Spiele – wie im vorliegenden Fall - erzeugen nicht einmal eine Naturalobligation. Der Verlierer kann nach gefestigter Rechtsprechung die gezahlte Wett- oder Spielschuld zurückfordern, ohne dass dem die Bestimmung des § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB oder § 1432 ABGB entgegenstünde, weil die Leistung nicht „zur Bewirkung“ der unerlaubten Handlung, sondern als „Einsatz“ erbracht wurde. Den Rückforderungsanspruch zu verweigern, widerspräche dem Zweck der Glücksspielverbote (6 Ob 216/23t [Rz 4]; 6 Ob 50/22d [Rz 19]; 1 Ob 182/22d [Rz 7]; 7 Ob 102/22h [Rz 4]; RS0025607 [T1]; 6 Ob 77/23a).
Die Zinsen aus dem bislang nicht ausgezahlten Sportwettengewinn hat das Erstgericht dem Kläger ohnehin erst ab 29. April 2025 (dem der Klagszustellung folgenden Tag) zugesprochen. Hinsichtlich der Zinsen aus dem rückabzuwickelnden Glücksspielvertrag ist auszuführen: Nach ständiger Rechtsprechung hat auch der redliche Bereicherungsschuldner die mit dem gesetzlichen Zinssatz pauschalierten Nutzungen eines vom ihm zu erstattenden Geldbetrags unabhängig vom Eintritt des Verzugs herauszugeben („Vergütungszinsen“; 4 Ob 43/13p mwN; 9 ObA 42/91; 1 Ob 315/97z; 4 Ob 149/06z ). Entscheidend ist, dass auch bei Redlichkeit des Bereicherten die Nutzungsmöglichkeit des Kapitals inter partes dem Bereicherungsgläubiger zugeordnet ist. Es wäre daher nicht zu rechtfertigen, wenn der Schuldner den Nutzungsvorteil bis zum Einlangen eines Rückzahlungsbegehrens behalten könnte. Jene Rechtsprechung, wonach dann, wenn ein Geldbetrag wegen absoluter Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zurückzuzahlen ist, Zinsen erst ab Klagszustellung zu zahlen sind, ist überholt (vgl RS0016316 [T1]; 9 Ob 62/16g).
3. Der Berufung war nicht Folge zu geben.
4. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf die §§ 50, 41 ZPO.
5. Die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO ist nicht zulässig, weil das Berufungsgericht den vorliegenden Fall nach einer gesicherten höchstgerichtlichen Rechtsprechung beurteilen konnte.
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