Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterin Mag. Hemetsberger als Vorsitzende, die Richterin Dr. Ganglberger-Roitinger und den Richter Mag. Grosser in der Strafsache gegen A* und einen weiteren Angeklagten wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 und Abs 3 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Berufung des Angeklagten B* wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe gegen das Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts Salzburg vom 20. Mai 2025, GZ Hv*-51, nach der in Anwesenheit des Ersten Staatsanwalts Mag. Neher als Vertreter des Leitenden Oberstaatsanwalts, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Krivanec durchgeführten Berufungsverhandlung am 11. September 2025 zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten B* auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Schuldspruch des Mitangeklagten A* und einen in Rechtskraft erwachsenen (Teil-)Freispruch des Angeklagten B* enthält, wurde B* des Vergehens der Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1 StGB und der Vergehen der Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1 und Abs 3 Z 1 StGB schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung der §§ 28 Abs 1, 39 Abs 1a StGB nach § 83 Abs 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünfzehn Monaten verurteilt.
Nach dem Schuldspruch hat er am 29. März 2024 in **
Nach Zurückziehung der angemeldeten Berufung wegen Nichtigkeit in der Berufungsverhandlung richtet sich gegen dieses Urteil noch die Berufung des B* wegen Schuld und Strafe, mit der er primär einen Freispruch anstrebt (ON 52).
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Der Schuldberufung ist vorauszuschicken, dass die freie Beweiswürdigung ein kritisch-psychologischer Vorgang ist, bei dem durch Subsumierung der Gesamtheit der durchgeführten Beweise in ihrem Zusammenhang unter allgemeine Erfahrungssätze logische Schlussfolgerungen zu gewinnen sind (RIS-Justiz RS0098390). Die Bewertung der Beweise hat unter Beachtung der Gesetze folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungswissens zu erfolgen. Nicht nur logisch zwingende, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse berechtigen das Gericht zu Tatsachenfeststellungen (vgl Kirchbacher , StPO 15 § 258 Rz 8; RIS-Justiz RS0098362, RS0098314). Die Frage der Glaubwürdigkeit von Angeklagten und Zeugen sowie der Beweiskraft ihrer Aussage ist der freien richterlichen Beweiswürdigung vorbehalten, wobei das Gericht nur zu einer gedrängten Darlegung seiner Gründe, nicht jedoch dazu verhalten ist, jedes Verfahrensergebnis im Einzelnen zu analysieren (RIS-Justiz RS0104976). Auch wenn neben den vom Erstgericht aus den vorliegenden Beweisergebnissen folgerichtig abgeleiteten Urteilsannahmen auch andere für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich sind, tut dies nichts zur Sache. Der Grundsatz „in dubio pro reo“ stellt nämlich keine negative Beweisregel dar, die das erkennende Gericht – im Falle mehrerer denkbarer Schlussfolgerungen – verpflichten würde, sich durchwegs für die dem Angeklagten günstigste Variante zu entscheiden (RIS-Justiz RS0098336).
Ausgehend von diesen Kriterien gelingt es dem Angeklagten in der Schuldberufung nicht, Zweifel an der Beweiswürdigung des Erstgerichts zu erwecken. Das Erstgericht hat in einer schlüssigen und nachvollziehbaren Beweiswürdigung (US 11 bis 13) dargelegt, weshalb es seinen entscheidenden Feststellungen insbesondere die Angaben der für glaubhaft befundenen (US 11) Zeugen C* D* und E* F* zugrunde legte und der leugnenden Verantwortung des Angeklagten hingegen nicht folgte. Dabei ist auch zu beurteilen, dass bei Würdigung der Angaben von Personen, die das Gericht selbst vernommen hat, oft der persönliche Eindruck der erkennenden Richter entscheidend ist. Dieser unmittelbare, persönliche Eindruck, der sich auf das Auftreten, die Sprache, die Ausdrucksweise und die Bewegungen einer Person stützen kann, lässt sich nicht immer erschöpfend in Worte kleiden und muss darum im Urteil nicht in allen Einzelheiten dargelegt und wiedergegeben werden ( Lendl in WK-StPO § 258 Rz 27).
Das Erstgericht, das sich sowohl vom Angeklagten als auch von den Zeugen einen unmittelbaren Eindruck verschaffen konnte, hat sich in seiner Beweiswürdigung mit sämtlichen Verfahrensergebnissen und mit der leugnenden Einlassung des Angeklagten auseinandergesetzt und diese einer lebensnahen Wertung unterzogen. Damit hat es alles erwogen, was erwägenswert war und kam auf Basis dieser Erwägungen zu dem Schluss, dass es sich beim Angeklagten um den Fahrgast vom 27. Februar 2025 und demzufolge um den Täter vom 29. März 2024 handelt. Auch wenn der Zeuge D* nicht mehr genau sagen konnte, ob es sich beim Angeklagten tatsächlich um den Täter handelt, wurde dieser Umstand vom Zeugen F* mehrfach und ausdrücklich versichert. Die Dauer des Zeitraums zwischen dem hier inkriminierten Vorfall und der Entdeckung des Zeugen F* lässt entgegen der Ansicht des Angeklagten weder auf die Unglaubwürdigkeit des Zeugen noch auf eine allfällige Unsicherheit schließen. Soweit dieser Zeuge – auf mehrmalige Nachfrage – angab, er würde jetzt nicht sagen hundert Prozent, weil hundert Prozent sei gar nichts (ON 50, 12), ist diese Aussage in den Kontext seiner gesamten Aussage zu stellen, demnach er sich zusammengefasst sicher sei, dass es sich um den Angeklagten handelt. Dieser Umstand wird auch durch seine eindrückliche Schilderung in Bezug auf das Wiedersehen am 27. Februar 2025 untermauert.
Zur vom Angeklagten in Frage gestellten Verletzung des Zeugen F* ist auszuführen, dass das Erstgericht in unbedenklicher Weise von deren Entstehung im Zuge des Vorfalls am 29. März 2024 ausgegangen ist. Die Verletzung an der Hand ist durch eine zeitnahe Verletzungsanzeige (ON 40.4.11) und die Angaben dieses Zeugen (ON 50, 10) objektiviert. Für die Zurechenbarkeit ist zudem irrelevant, ob die Verletzung unmittelbar durch den Angeklagten verursacht wurde, oder im Zuge der Tathandlung durch ein wie auch immer geartetes Anschlagen der Hand entstanden ist. Im übrigen wird mit diesem Vorbringen ohnehin keine entscheidende Tatsache angesprochen, weil sie lediglich für die Abgrenzung von Versuch und Vollendung maßgeblich ist (vgl RIS Justiz RS0122137).
Zum festgestellten Blutgerinnsel im Nackenbereich des Zeugen D* ist anzumerken, dass der Umstand, dass bei der Erstuntersuchung kein Blutgerinnsel im Nackenbereich vermerkt wurde, das Vorliegen eines solchen nicht zwingend ausschließt. In der Arztbestätigung des Zeugen D* (ON 40.2.5) ist unter anderem eine „ Distorsio grav. col. vert.“ vermerkt, sohin eine schwere Verstauchung bzw Zerrung der Wirbelsäule, weshalb eine Verletzung der Wirbelsäule jedenfalls objektiviert ist. Abgesehen von der die Verletzung konkretisierenden Schilderung dieses Zeugen in der Hauptverhandlung (ON 50, 7) ergäbe sich auch hier keine Änderung im Strafsatz bzw der anzuwendenden gesetzlichen Bestimmung, sodass auch diese Umstand letztlich als nicht entscheidungswesentlich anzusehen ist.
Aus dem objektiven Geschehen hat das Erstgericht auch die Feststellungen zur subjektiven Tatseite schlüssig und formal einwandfrei, der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechend abgeleitet.
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht den teilweisen Versuch mildernd und die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen mehrerer Vergehen im Sinne des § 28 StGB sowie den raschen Rückfall erschwerend.
Dieser Strafzumessungskatalog ist insofern zu präzisieren bzw korrigieren, als sich gegenständlich nicht ein rascher Rückfall sondern die Tatbegehung während eines anhängigen Berufungsverfahrens zum Nachteil des Angeklagten auswirkt. Weiters sind die Tatbegehung während offener Probezeit und die verstärkte Tatbestandsmäßigkeit aufgrund der Nötigung zweier Personen schuldaggravierend zu berücksichtigen.
Ausgehend davon und vor dem Hintergrund der allgemeinen Erwägungen nach § 32 StGB entspricht die vom Erstgericht verhängte Sanktion bei dem gegebenen Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe (§ 83 Abs 3 StGB iVm § 39 Abs 1a StGB) der personalen Täterschuld und dem Unrechtsgehalt der Tat. Der Verhängung einer geringeren Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe sowie der Anwendung (teil-)bedingter Nachsicht stehen insbesondere mit Blick auf die mehrfach einschlägige Delinquenz, die Tatbegehung während eines anhängigen Verfahrens trotz bereits verspürten Haftübels und die offenkundige Wirkungslosigkeit schon zuvor gewährter Resozialisierungshilfen spezialpräventive Gründe entgegen.
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