Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht hat durch den Senatspräsidenten Mag. Gerhard Hasibeder als Vorsitzenden sowie MMag. Andreas Wiesauer und Mag. Stefan Riegler in der Rechtssache der Klägerin A* B* , geboren am **, dzt ohne Beschäftigung, **-Gasse **, **, vertreten durch die Hochwimmer Horcicka Rechtsanwälte GbR in Salzburg, gegen den Beklagten C* B* , geboren am **, Lehrer, **platz **, **, vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen (zuletzt) EUR 400.073,02 sA , hier wegen des Antrags des Antragstellers E* B* , geboren am **, **gasse **, **, vertreten durch Mag. Johannes Rainer, Rechtsanwalt in Innsbruck, auf Akteneinsicht gemäß § 219 Abs 2 ZPO , über den Rekurs des Beklagten gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 22. Juli 2025, Cg*-85, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Der Antrag, dem Rekurs gemäß § 524 Abs 2 ZPO aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird zurückgewiesen.
Dem Rekurs wird keine Folge gegeben.
Der Beklagte hat die Kosten seines Rekurses, der Antragsteller die Kosten seiner Rekursbeantwortung selbst zu tragen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Begründung:
Gegenstand des Verfahrens sind Pflichtteilsergänzungsansprüche der Klägerin gegen den Beklagten als Erben der F* B*, der Mutter der Parteien. Das Verfahren endete durch den (rechtswirksamen) Vergleich vom 17. März 2025 (ON 74 und 75).
Nach dem Abschluss des Verfahrens begehrte der Antragsteller E* B* , der Bruder der Parteien, Akteneinsicht gemäß § 219 Abs 2 ZPO mit der Begründung, er habe – ungeachtet einer allfälligen Zustimmung der Parteien – ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht. Einerseits habe ihm die Klägerin den Streit verkündet, weshalb er überlege, dem Verfahren als Nebenintervenient beizutreten. Andererseits beabsichtige er selbst, Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen den Beklagten geltend zu machen. Insoweit befinde er sich in einer „spiegelbildlichen Situation“ wie die Klägerin. Es sei ihm bereits bekannt, dass im Verfahren Schätzgutachten über dem Beklagten geschenkte Liegenschaften eingeholt und offenbar auch die sonstigen Vermögensverhältnisse und andere Vorschenkungen „thematisiert“ worden seien. Schon aus prozessökonomischen Gründen werde es wenig sinnvoll sein, in einem separaten Prozess neue Gutachten einzuholen bzw zunächst eine Stufenklage einzubringen. Der Antragsteller habe als „aktenkundiger Pflichtteilsberechtigter“ daher ein rechtliches Interesse, in den Akt und insbesondere in die vorliegenden Schätzgutachten Einsicht zu nehmen. Zudem sei die Akteneinsicht auch deshalb erforderlich, um beurteilen zu können, ob ein Beitritt als Nebenintervenient erfolgen werde oder nicht.
Sowohl die Klägerin als auch der Beklagte sprachen sich gegen die Gewährung der Akteneinsicht aus (ON 80 und 82). Beide stehen im Wesentlichen auf dem Standpunkt, mit den von ihm angeführten „prozessökonomischen Gründen“ mache der Antragsteller bestenfalls wirtschaftliche, nicht aber rechtliche Interessen geltend. Der Beklagte führte außerdem aus, dass „bank- und datenschutzrechtliche Gründe“ dem „Einsichtsinteresse“ des Antragstellers entgegenstünden. Insbesondere überwiege das Interesse des Beklagten am „Schutz seiner Vermögenslage“ das Einsichtsinteresse des Antragstellers.
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Erstgericht dem Antrag mit der Maßgabe statt, dass es die Akteneinsicht erst nach Rechtskraft des Beschlusses gewährte.
In rechtlicher Hinsicht gelangte es zu dem Ergebnis, dass zwar die beabsichtigte Nebenintervention kein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht (mehr) begründen könne, da das Verfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen sei. Allerdings berühre der vorliegende Rechtsstreit insoweit die Rechtssphäre des Antragstellers, als die Ergebnisse dieses Verfahrens „abstrakt zu einer Verbesserung oder Verschlechterung seiner Rechtslage führen können“. Zudem könne die Akteneinsicht eine günstigere Beweislage für den Antragsteller ergeben (sei es gegenüber dem Beklagten oder gegenüber der Klägerin bei allfälliger Inanspruchnahme), was nach der Rechtsprechung bereits ein ausreichendes rechtliches Interesse begründe. Einer Akteneinsicht entgegenstehende überwiegende Interessen der Klägerin oder des Beklagten lägen nicht vor. Mit der Gewährung der Akteneinsicht sei jedoch jedenfalls bis zum Ende der Rekursfrist zuzuwarten, weil dadurch in das berechtigte Interesse der Prozessparteien irreparabel eingegriffen werde.
Dagegen richtet sich der Rekurs des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er beantragt, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der Antrag auf Akkteneinsicht abgewiesen werde. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag. Außerdem begehrt er, seinem Rekurs gemäß § 524 ZPO aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Der Antragsteller beantragt in seiner Rekursbeantwortung, dem Rekurs keine Folge zu geben.
Der Antrag, dem Rekurs aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, ist unzulässig. Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1. Zum Antrag, dem Rekurs gemäß § 524 ZPO aufschiebende Wirkung zuzuerkennen:
Nach § 524 Abs 2 ZPO hat über einen Antrag auf einstweilige Hemmung das Gericht erster Instanz zu entscheiden (RS0121085). Der ausdrücklich an das „OLG Linz als Rekursgericht“ gerichtete Antrag (S 7 des Rekurses) wurde damit bei einem funktionell unzuständigen Gericht gestellt und ist daher zurückzuweisen (vgl 2 Ob 118/06a mwN).
Abgesehen davon hat das Erstgericht die Akteneinsicht ohnehin erst nach Rechtskraft des Beschlusses bewilligt. Folglich kann der Beklagte in seiner Rechtssphäre durch die Vornahme der Akteneinsicht erst dann berührt sein, wenn über das Rechtsmittel bereits entschieden und der Beschluss in Rechtskraft erwachsen ist. Dann erübrigt sich aber eine Entscheidung über den Antrag auf aufschiebende Wirkung, weil der Überprüfung der Frage, ob einem Rechtsmittel aufschiebende Wirkung zuzuerkennen ist, nach dessen rechtskräftiger Erledigung nur mehr theoretisch-abstrakte Bedeutung zukommt, weshalb dem Beklagten insoweit das erforderliche Rechtsschutzinteresse, das stets im Zeitpunkt der Rechtsmittelentscheidung gegeben sein muss, fehlt (vgl RS0002495). Daher wäre der Antrag auch aus diesem Grund zurückzuweisen (vgl OLG Linz 1 R 140/10d).
2. Zum Rekurs:
Das Rekursgericht hält die Rechtsmittelausführungen für nicht stichhältig, hingegen die damit bekämpften Gründe des angefochtenen Beschlusses für zutreffend, weshalb eine kurze Begründung genügt (§ 500a iVm § 526 Abs 3 ZPO).
Das Erstgericht hat (ua) ausgeführt, dass bereits die Gewinnung einer günstigeren Beweislage für die Verfolgung eigener oder der Abwehr anderer Ansprüche ein rechtliches Interesses des Dritten an der Akteneinsicht im Sinn des § 219 Abs 2 ZPO zu begründen vermag.
Nach der Rechtsprechung kann einem Dritten Einsichtnahme in Prozessakten gestattet werden, wenn er ein rechtliches Interesse glaubhaft macht, wobei ein allgemeines öffentliches Interesse an Information sowie ein reines Informationsbedürfnis des Antragstellers selbst nicht ausreicht. Das rechtliche Interesse muss ein in der Rechtsordnung gegründetes und von ihr gebilligtes Interesse sein, das über ein bloß wirtschaftliches Interesse hinausreicht (vgl RS0079198). Die Einsichtnahme und Abschriftnahme muss Bedeutung für die rechtlichen Verhältnisse des Dritten haben. Die Kenntnis des betreffenden Akteninhalts muss sich auf die privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse des Dritten günstig auswirken, sei es auch nur dadurch, dass er instandgesetzt wird, die Beweislage für sich günstiger zu gestalten. Das rechtliche Interesse kann unter den angeführten Voraussetzungen allerdings nur dann anerkannt werden, wenn der Dritte aus dem Akt etwas erfahren will, was er nicht weiß, aber zur Wahrung seiner Interessen wissen muss (RS0037263). Dabei genügt es, wenn der Akteninhalt den Rechtskreis des Antragstellers auch nur mittelbar berührt; angezeigt ist insoweit eine weitherzige Handhabung (RS0037263 [T5]). Ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht kann insbesondere durch die Verfolgung oder Abwehr von Ansprüchen begründet sein (RS0037263 [T21]; 2 Ob 106/24p).
Damit steht die Entscheidung des Erstgerichts – ausgehend von der gegebenen Sachlage – mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung in Einklang. Der vom Beklagten in seinem Rekurs (nach wie vor) vertretenen Ansicht, der Antragsteller verfolge bloß wirtschaftliche Interessen, vermag das Rekursgericht daher nicht beizupflichten.
Auf einen (womöglich bestehenden) Auskunftsanspruch des Antragstellers gegenüber dem Beklagten gemäß § 786 ABGB kommt es nicht an, kann das doch am rechtlichen Interesse an der Akteneinsicht nichts ändern. Gleiches gilt für die im Rekurs angesprochenen weiteren Punkte (die Auswirkungen des – unterlassenen – Streitbeitritts, die nach der Ansicht des Beklagten nicht bestehende Bindungswirkung, sowie seine Auffassung, dass in beiden Verfahren ohnehin nicht die gleichen Ergebnisse erzielt werden müssten).
Ebenso zutreffend hat das Erstgericht überwiegende Interessen des Beklagten (und der Klägerin) verneint. Im Verfahren erster Instanz hat der Beklagte diese (eher pauschal und vage) mit „bank- und datenschutzrechtlichen Gründen, insbesondere dem Schutz seiner Vermögenslage“ begründet. Dem ist zu erwidern, dass das rechtliche Interesse an der Akteneinsicht nicht schon deshalb verneint werden kann, weil der Dritte die Einsicht wegen einer geplanten Rechtsverfolgung von Ansprüchen gegen eine der Parteien erwägt. Einer Partei kann nämlich ein schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung ihrer Daten nicht deshalb zuerkannt werden, damit sie sich ihren privatrechtlichen Verpflichtungen gegenüber dem Dritten entziehen kann ( Rassi in Fasching/Konecny 3 II/3 § 219 ZPO Rz 47 mwN).
Auch den weiteren Ausführungen im Rekurs des Beklagten zu seinen überwiegenden Interessen kommt keine Berechtigung zu. Ungeachtet der Frage, ob es sich dabei nicht ohnehin um im Rekursverfahren unzulässige Neuerungen handelt (vgl RS0108589), reicht der (nicht näher konkretisierte) Verweis darauf, der Antragsteller erlange „Einsicht in Konto- und Geschäftsunterlagen des Beklagten“ und auch „Kenntnis von jenen Vermögensverhältnissen des Beklagten, welche für ein allfälliges Pflichtteilsergänzungsverfahren nicht benötigt würden“, nicht aus. Abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist, durch welche Aktenbestandteile das der Fall sein soll, ergibt sich daraus auch nicht hinreichend deutlich, inwieweit dadurch tatsächlich in das vom Beklagten ins Treffen geführte „Recht auf Datenschutz, Familien- und Privatleben“ unzumutbar eingegriffen würde.
Zusammengefasst war daher dem Rekurs ein Erfolg zu versagen.
Wie bereits das Erstgericht richtig ausgeführt hat, besteht im Zivilprozess grundsätzlich nur zwischen den Parteien ein Anspruch auf Kostenersatz. Eine Kostenersatzpflicht oder ein Kostenersatzanspruch Dritter wird nur ausnahmsweise angeordnet (vgl M. Bydlinski in Fasching/Konecny 3 § 40 ZPO Rz 9 sowie § 41 Rz 15). Für die Akteneinsicht besteht keine solche Sonderregelung (2 Ob 90/15x; OLG Wien 3 R 31/09i, 1 R 91/23v; OLG Graz 3 R 142/23m; OLG Linz 4 R 77/23f; Obermaier , Kostenhandbuch 4 , Rz 1.115). Daher haben der Beklagte und der Antragsteller die ihnen im Rekursverfahren entstandenen Kosten jeweils selbst zu tragen.
Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses folgt aus § 528 Abs 2 Z 2 ZPO.
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