Das Oberlandesgericht Linz hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Richter Senatspräsident Dr. Robert Singer als Vorsitzenden, Mag. Herbert Ratzenböck und Dr. Patrick Eixelsberger in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **, **, vertreten durch Mag. Markus Hager, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt , Landesstelle **, **, **, vertreten durch ihren Angestellten Mag. B*, wegen Berufsunfähigkeitspension, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 20. Juni 2025, Cgs1* 7, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten des Rekursverfahrens selbst zu tragen.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung:
Mit Bescheid vom 22.7.2022 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension ab. Die dagegen zu Cgs2* des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht erhobene Klage wurde von der Klägerin am 30.11.2023 zurückgezogen.
Mit Bescheid vom 14.1.2025 wies die Beklagte den neuerlichen Antrag der Klägerin vom 30.8.2024 auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension zurück, weil im Zeitpunkt der Antragstellung seit Zurückziehung der Klage noch kein Jahr verstrichen und keine wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes bescheinigt sei.
Die Klägerin begehrte mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage (erkennbar) die Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension ab dem Stichtag 1.9.2024 im gesetzlichen Ausmaß. Bei einem Unfall im August 2024 sei es zu einer Rissbildung im anterosuperioren und anterioren Labrum gekommen. Die Klägerin sei seither in der Beweglichkeit ihrer Schulter eingeschränkt bzw leide auch unter ständigen Schmerzen. Aufgrund der jahrelangen Beschwerden und der nun zusätzlich hinzugetretenen Leiden habe sich auch ihr psychischer Zustand weiter verschlechtert.
Die Beklagte beantragte primär die Zurückweisung der Klage mit der bereits im angefochtenen Bescheid dargelegten Begründung.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Es legte den auf den Seiten 1 bis 5 ersichtlichen Sachverhalt zugrunde, der bereits eingangs zusammengefasst (§ 500a ZPO) wiedergegeben wurde.
In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Auffassung, dass die von der Klägerin vorgelegten Befunde nicht geeignet seien, den Eintritt einer wesentlichen Änderung des zuletzt festgestellten Gesundheitszustandes im Sinn des § 68 ASGG zu bescheinigen. Die aus den Beilagen ./B bis ./H ersichtlichen Gesundheitsstörungen würden sich weitgehend mit den schon im Vorgutachten und in den Gutachtensergänzungen des orthopädischen Sachverständigen festgestellten Gesundheitsstörungen decken. Als (neuer) Behandlungsfall sei die Gesundheitsstörung des rechten Schultergelenks zu werten, welche im Sinne einer Reizung des Schultergelenkschleimbeutels und der Sehnenansätze bestehe. Therapeutisch seien hier lokale Infiltrationen und physikalische Maßnahmen zu empfehlen. Eine Änderung des im orthopädischen Gutachten zu Cgs2* festgelegten Leistungskalküls sei diesbezüglich nicht notwendig, da Überkopfarbeiten schon ausgenommen worden seien. Eine Änderung der jährlich zu erwartenden Krankenstandsprognose resultiere daraus nicht. Auch im Vergleich des klinischen Befundes Dris. C* vom 30.9.2024 (Beilage ./F) und des klinischen Befundes vom orthopädischen Gutachten zu Cgs2* vom 29.12.2022 zeige sich abgesehen von den Schultereinschränkungen rechts kein wesentlicher Unterschied am Bewegungsapparat. Aus den Beilagen ./B bis ./H ergebe sich keine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Klägerin wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag (offenbar gemeint) auf ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Beschlusses; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs keine Folge zu geben.
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1.1 Hat der Versicherungsträger in den Fällen des (wie hier) § 362 ASVG einen Leistungsantrag des Versicherten zurückgewiesen, hat das Gericht ohne Rücksicht auf § 67 Abs 1 Z 1 ASGG das gerichtliche Verfahren durchzuführen und in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der Versicherte dem Gericht eine wesentliche Änderung des zuletzt festgestellten Gesundheitszustandes glaubhaft zu machen vermag (§ 68 Abs 1 ASGG).
1.2 Das festgestellte Leiden muss sich verschlechtert haben oder es muss ein neues Leiden hinzugetreten sein. Wenn auch keine allzu hohen Anforderungen an die Bescheinigung einer Verschlechterung des Leidens oder des Hinzutretens eines neuen Leidens gestellt werden sollen, so müssen die Bescheinigungsmittel doch geeignet sein, dem Richter die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit einer Tatsache zu verschaffen (RS0085657). Gelingt dem Kläger die Glaubhaftmachung nicht, ist die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückzuweisen. Es fehlt dann an der Voraussetzung eines über den Leistungsantrag des Versicherten materiell absprechenden Bescheides des Versicherungsträgers und an der weiteren Voraussetzung der Glaubhaftmachung einer wesentlichen Änderung (Verschlechterung) des Gesundheitszustandes (RS0085668).
1.3 Die dem Versicherten zur Pflicht gemachte Glaubhaftmachung bezieht sich nur auf den Tatsachenbereich. Die Lösung der Frage, ob die Änderung des Gesundheitszustandes wesentlich ist, fällt in den Bereich der rechtlichen Beurteilung (RS0043519).
2. Der Rekurs sieht zunächst einen sekundären Feststellungsmangel darin begründet, dass das Erstgericht keine Feststellungen zur von der Klägerin behaupteten Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes getroffen hat.
Dazu ist auszuführen:
2.1 Das Erstgericht hat zum einen die im Verfahren zu Cgs2* von den drei beigezogenen Sachverständigen attestierten Krankheitsbilder festgestellt und zum anderen den wesentlichen Inhalt der von der Klägerin zur Bescheinigung ihrer Zustandsverschlechterung vorgelegten Urkunden Beilagen ./B bis ./H im angefochtenen Beschluss wiedergegeben und hat daraus erkennbar den Schluss gezogen, dass als (neuer) Behandlungsfall nur die Gesundheitsstörung des rechten Schultergelenks zu werten sei, welche im Sinn einer Reizung des Schultergelenkschleimbeutels und der Sehnenansätze besteht. Damit hat das Erstgericht (allein) eine Zustandsverschlechterung im orthopädischen Bereich als bescheinigt angesehen.
2.2 Soweit der Rekurs darauf verweist, dass sich auch die psychische Situation der Klägerin verschlechtert habe, ist zu entgegnen, dass insofern von der Klägerin nur das Schreiben einer Allgemeinmedizinerin (Beilage ./B) vorgelegt wurde, in dem keine psychiatrischen Diagnosen namentlich genannt sind. Darin wird zwar auch dargelegt, dass sich die Gesamtsituation auf allen Ebenen, körperlich als auch seelisch, in den letzten Monaten deutlich verschlechtert habe, insbesondere die bereits vorgeschädigte HWS-Problematik sowie die nun zusätzlich neu-diagnostizierten Läsionen im Bereich der rechten Schulter eine Einschränkung der Lebensqualität (Schmerzen, herabgesetzte Mobilität, Schlafstörungen, depressive Verstimmung, etc) bedeuten würden und sich der Gesundheitszustand auch subjektiv seitens der Patientin eindeutig verschlechtert habe, sodass eine zunehmende physisch als auch psychisch herabgesetzte Leistungsfähigkeit bestehe. Wie die Allgemeinmedizinerin allerdings zu dieser Einschätzung im psychischen Bereich gekommen ist, kann dem Schreiben nicht entnommen werden. Anzunehmen ist, dass hier entsprechende Angaben der Klägerin ohne fachärztliche Abklärung in das Schreiben aufgenommen wurden. Wenn das Erstgericht vor diesem Hintergrund, insbesondere aufgrund des Fehlens eines psychiatrischen Befundes, eine Zustandsverschlechterung im psychischen Bereich als nicht bescheinigt angenommen hat, so ist dies nicht zu beanstanden und wird diese Ansicht auch vom Rekurssenat geteilt.
2.3 Zusammengefasst liegt der vom Rekurs geltend gemachte sekundäre Feststellungs-mangel nicht vor und ist davon auszugehen, dass die Klägerin (bloß) eine neue Einschränkung im orthopädischen Bereich an der rechten Schulter bescheinigt hat.
3.1 Zur Abklärung der Wesentlichkeit der vorangeführten zusätzlichen Einschränkung hat das Erstgericht (zutreffend) ein orthopädisches Fachgutachten eingeholt und aufbauend auf den Ergebnissen dieses Gutachtens festgestellt, dass eine Änderung des (orthopädischen) Leistungskalküls zum Verfahren Cgs2* nicht notwendig ist, da Überkopfarbeiten schon ausgenommen wurden, eine Änderung der jährlich zu erwartenden Krankenstandsprognose daraus nicht resultiert und sich auch im Vergleich des klinischen orthopädischen Befundes Beilage ./F und des klinischen Befundes vom orthopädischen Gutachten im Verfahren Cgs2* abgesehen von den Schultereinschränkungen rechts kein wesentlicher Unterschied am Bewegungsapparat zeigt. Damit ist die von der Klägerin bescheinigte Änderung des Gesundheitszustandes im orthopädischen Bereich für die Beurteilung ihrer Berufsunfähigkeit nicht wesentlich. Gegenteiliges wird auch vom Rekurs nicht behauptet.
3.2 Die Rekursausführungen zur Wesentlichkeit der Änderung des Gesundheitszustandes der Klägerin beschränken sich auf eine (mögliche) Änderung der Krankenstandsprognose. Dabei wird ausschließlich auf das (bereits zu Cgs2* attestierte) Depressionsleiden der Klägerin Bezug genommen. Insofern ist es der Klägerin wie oben ausgeführt jedoch nicht gelungen, eine Änderung des Gesundheitszustandes zu bescheinigen.
3.3 Insgesamt folgt daraus, dass unter Zugrundelegung der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen eine wesentliche Änderung des zuletzt festgestellten Gesundheitszustandes nicht vorliegt.
4. Soweit der Rekurs eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens darin erblickt, dass das Erstgericht kein psychiatrisches Aktengutachten eingeholt habe, ist auszuführen, dass ein solches Gutachten allenfalls zur Beurteilung der Wesentlichkeit einer von der Klägerin bescheinigten Änderung des psychischen Gesundheitszustandes erforderlich gewesen wäre (vgl 10 ObS 77/03a); eine solche Änderung wurde jedoch vom Erstgericht nicht als bescheinigt angenommen. Dieser vom Rekurs geltend gemachte Verfahrensmangel liegt daher nicht vor.
5. Als weitere Mangelhaftigkeit rügt der Rekurs die Verletzung des Parteiengehörs, weil der Klägerin nicht die Möglichkeit eingeräumt worden sei, zum vom Erstgericht eingeholten orthopädischen Aktengutachten Stellung zu nehmen.
Dazu ist auszuführen:
5.1.1 Das rechtliche Gehör wird in einem Zivilverfahren nicht nur dann verletzt, wenn einer Partei die Möglichkeit, sich im Verfahren zu äußern, überhaupt genommen wurde, sondern auch dann, wenn einer gerichtlichen Entscheidung Tatsachen und Beweisergebnisse, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten, zugrunde gelegt werden (RS0005915, RS0074920; vgl auch RS0006048).
5.1.2 Hier wurde zwar das schriftliche orthopädische Aktengutachten der Klägerin erst mit dem angefochtenen Beschluss zugestellt. Dies schadet jedoch nicht, weil sich die Klägerin dazu im Rekurs äußern konnte (vgl RS0006048 [T17]).
5.2 Soweit der Rekurs ausführt, dass die Klägerin im Fall der Möglichkeit einer Stellungnahme die Erörterung (Ergänzung) des Sachverständigengutachtens beantragt hätte, ist Folgendes zu entgegnen:
5.2.1 Der Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist nur dann gegeben, wenn der Verstoß gegen ein Verfahrensgesetz abstrakt geeignet war, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern (RS0043049, RS0043027). Diese abstrakte Eignung des Verfahrensmangels hat der Rechtsmittelwerber darzutun, wenn wie hier die Erheblichkeit des Mangels nicht offenkundig ist (RS0043049 [T6], RS0043027 [T10]).
5.2.2 Dazu ist im konkreten Fall aufgrund der für das Rekursgericht schlüssigen gutachterlichen Ausführungen die Darlegung erforderlich, welche (konkreten) Fragen an den Sachverständigen im Fall einer Gutachtensergänzung gestellt worden wären, um im Ergebnis ein für die Klägerin günstigeres Verfahrensergebnis zu erzielen. Dieser Verpflichtung ist die Klägerin in ihrem Rekurs jedoch nicht nachgekommen. Damit gelingt es dem Rekurs aber nicht, einen dem Erstgericht unterlaufenen wesentlichen Verfahrensmangel aufzuzeigen.
6. Der Rekurs meint schließlich noch, dass der Rechtsweg schon deshalb zulässig sei, weil zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides die Sperrfrist längst abgelaufen gewesen sei. Die Beklagte hätte daher den Antrag zumindest ab dem Stichtag 1.12.2024 inhaltlich bearbeiten müssen.
Dazu ist auszuführen:
6.1 Mit der Einführung einer Sperrfrist nach Zurückziehung einer Klage auf Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit soll eine kurzfristige neuerliche Antragstellung ohne eine wesentliche Änderung der zuletzt festgestellten Minderung der Arbeitsfähigkeit verhindert werden (RS0130560; zuletzt 10 ObS 54/21w mwN). Entscheidend ist dafür unter Berücksichtigung des § 361 Abs 4 ASVG jener Zeitpunkt, in dem der Antrag als beim zuständigen Versicherungsträger rechtswirksam eingebracht gilt. Wird der neuerliche Antrag nach Ablauf dieser Frist eingebracht, darf er nicht mehr zurückgewiesen werden. Das schließt seine Abweisung nach inhaltlicher Prüfung keineswegs aus ( Kneihs in Mosler/Müller/Pfeil , Der SV-Komm § 362 ASVG Rz 13 [Stand 1.10.2019, rdb.at]).
6.2.1 Hier geht auch der Rekurs zu Recht davon aus, dass die neuerliche Antragstellung innerhalb der Sperrfrist erfolgte (vgl § 362 Abs 3 ASVG).
6.2.2 Eine vom Rekurs angestrebte Stichtagsverschiebung ist im Gesetz nicht vorgesehen. Eine solche würde im Übrigen dem vom Gesetz angestrebten Entlastungseffekt diametral entgegenstehen. Demnach ist auch dieses Rekursargument nicht stichhältig.
7. Dem Rekurs war daher insgesamt ein Erfolg zu versagen.
8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Mangels tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten des Verfahrens kommt ein Kostenersatzanspruch der Klägerin nach Billigkeit nicht in Betracht.
9. Der ordentliche Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig, weil eine vom Rekursgericht verneinte Nichtigkeit und Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens ebenso wenig an das Höchstgericht herangetragen werden kann wie der Tatsachenbereich und im Übrigen keine wesentlichen Rechtsfragen zu klären waren.
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