Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch Senatspräsident Mag. Gerhard Hasibeder als Vorsitzenden sowie Dr. Christoph Freudenthaler und Mag. Carina Habringer-Koller in der Rechtssache des Klägers A* , geboren am **, Pensionist, **, **, vertreten durch Mag. Christian Aigner, Rechtsanwalt in Gmunden, gegen die Beklagten 1. B* m.b.H. , FN **, **, **, und 2. C* AG , FN **, **gasse **, **, beide vertreten durch die Mizelli Gruber Rechtsanwälte GesbR in Gmunden, wegen EUR 17.329,89 s.A. und Feststellung (Streitwert EUR 3.000,00), über die Berufungen des Klägers (Berufungsinteresse EUR 3.301,65) und der Beklagten (Berufungsinteresse EUR 9.904,95) gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 11. Juni 2025, Cg*-19, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung des Klägers wird nicht Folge gegeben.
Hingegen wird der Berufung der Beklagten Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass es zu lauten hat:
„1. Das Klagebegehren, die Beklagten seien zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen EUR 17.329,89 samt 4 % Zinsen seit 1. November 2022 zu bezahlen, wird abgewiesen.
2. Das Klagebegehren, es werde festgestellt, dass die Beklagten dem Kläger zur ungeteilten Hand für sämtliche zukünftige Schadenersatzforderungen aus dem Verkehrsunfall vom 9. Mai 2022, welcher sich in D*, E*, bei der Zufahrt zur Schule, ereignete, haften, soweit diese Schadenersatzforderungen aus Spät- und/oder Dauerfolgen resultieren, wobei die Haftung der Zweitbeklagten mit der vertraglichen Höchstversicherungssumme für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ** limitiert sei, wird abgewiesen.
3. Der Kläger ist schuldig, den Beklagten binnen 14 Tagen die mit EUR 7.913,84 (darin enthalten EUR 1.312,31 USt und EUR 40,00 Barauslagen) bestimmten Prozesskosten zu ersetzen.“
Der Kläger ist schuldig, den Beklagten binnen 14 Tagen die mit EUR 4.059,01 (darin enthalten EUR 401,50 USt und EUR 1.650,00 Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 5.000,00, nicht aber EUR 30.000,00.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Am 9. Mai 2022 ereignete sich gegen 15.20 Uhr in D*, E*, ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger mit seinem E-Bike und der von der Erstbeklagten gehaltene und bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherte Bus beteiligt waren. Im zu U* des Bezirksgerichtes Vöcklabruck geführten Strafverfahren wurde die Lenkerin des Busses freigesprochen.
Der Kläger begehrt Schadenersatz in Höhe von EUR 17.329,89 s.A. und die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche zukünftige Schadenersatzforderungen aus diesem Verkehrsunfall, soweit sie aus Spät- und/oder Dauerfolgen resultieren. Er sei mit seinem E-Bike auf dem Geh- und Radweg von E* kommend gefahren. Im Zuge eines Abbiegemanövers habe ihn die Lenkerin des Busses übersehen und sei mit ihm von schräg hinten kommend kollidiert. Das Alleinverschulden treffe die Buslenkerin. Bei einem ausreichenden Blick nach rechts bzw durch das rechte Fenster hätte sie den Unfall vermeiden können, da sie ihn dann schon in Annäherung gesehen hätte. Die Lenkerin des Beklagtenfahrzeuges habe daher jedenfalls eine Reaktionsverspätung zu verantworten. Darüber hinaus gehe vom Beklagtenfahrzeug eine deutlich höhere Betriebsgefahr gegenüber seinem E-Bike aus.
Die Beklagten bestritten und wendeten das Alleinverschulden des Klägers am Zustandekommen des Unfalles ein. Die Lenkerin des Beklagtenfahrzeuges habe keine Möglichkeit gehabt, den Unfall – insbesondere mangels Erkennbarkeit des Klägers – zu verhindern, und habe demgemäß keine Sorgfaltsverletzung zu verantworten, weshalb jegliche Haftung der Beklagten ausscheide. Der Kläger habe infolge des ausdrücklich beschilderten Endes des von ihm benutzten Geh- und Radweges eine massive Vorrangverletzung zum Nachteil des Beklagtenfahrzeuges verwirklicht, jegliche Reaktionsmaßnahme (wie Reduktion der deutlich überhöhten Geschwindigkeit, Einleitung eines Brems-/Ausweichmanövers etc) unterlassen sowie die im Straßenverkehr gebotene Sorgfalt und Aufmerksamkeit vollkommen außer Acht gelassen, während von der Lenkerin des Beklagtenfahrzeuges jegliche nach den Umständen des Einzelfalls mögliche und zumutbare Sorgfalt eingehalten worden sei. Es handle sich daher um ein unabwendbares Ereignis iSd § 9 EKHG. Selbst wenn der Entlastungsbeweis als nicht erbracht angesehen werden sollte, hafte der Halter bei krassem Mitverschulden des Geschädigten nicht, wenn die Nichtbeachtung der gebotenen Sorgfalt derart geringfügig sei, dass sie gegenüber dem schwerwiegenden Verschulden des Klägers zu vernachlässigen sei.
Mit dem angefochtenen Urteil erkannte das Erstgericht die Beklagten schuldig, dem Kläger EUR 8.404,95 s.A. zu bezahlen, stellte die Haftung der Beklagten für sämtliche zukünftigen Schadenersatzforderungen aus diesem Verkehrsunfall im Ausmaß von 50 % fest und wies das Mehrbegehren von EUR 8.924,94 sowie das Feststellungsmehrbegehren ab.
Zur Berufung der Beklagten:
Die Beklagten bekämpfen in ihrer Tatsachenrüge die Feststellung, dass der Kläger durch die rechte Seitenscheibe (Tür) zumindest 1,5 Sekunden vor der Kollision im direkten Sichtbereich der Lenkerin des Beklagtenfahrzeuges gewesen sei, als erkennbar geworden sei, dass er nicht anhalten werde. Mangels Ausführungen in der Beweiswürdigung fehle es an jeglicher Überprüfbarkeit dieser Feststellung, die auch mit dem abgeführten Strafverfahren sowie den Angaben der beteiligten Fahrzeuglenker im Widerspruch stehe. Das Erstgericht hätte die Feststellung nicht nur detailliert begründen, sondern richtigerweise wie folgt feststellen müssen:
„ Der Kläger wäre nur in einem Weitwinkelspiegel der neueren Zulassungsnorm für die Lenkerin des Busses erkennbar gewesen. Nachdem der Bus mit einem Weitwinkelspiegel der damals noch zulässigen, alten Zulassungsnorm ausgestattet war, war der Kläger vor dem Anstoß nicht erkennbar. “
Soweit die Beklagten eine fehlende Beweiswürdigung zur bekämpften Feststellung rügen, machen sie in Wahrheit einen Verfahrensmangel (Begründungsmangel) geltend. Dabei übersehen sie jedoch, dass sich das Erstgericht in seiner Beweiswürdigung ausdrücklich und insbesondere auf das Gutachten des Sachverständigen DI F* stützt, der eingehend und nachvollziehbar zu allen technisch denkmöglichen Unfallvarianten Stellung genommen habe (vgl US 7). Tatsächlich hat der Sachverständige in seinem in der Tagsatzung vom 8. Jänner 2025 erstatteten Gutachten unter Zugrundelegung der letztlich festgestellten Unfallvariante ausgeführt, dass der Kläger für die Zeugin [ Buslenkerin ] über eine Zeitspanne von zumindest ca 1,5 Sekunden zu erkennen gewesen wäre. Dies entspreche ungefähr jener Position, an welcher auch für die Zeugin erkennbar gewesen worden wäre, dass eben der Kläger nicht mehr vor der Zufahrt bzw der dort liegenden Asphaltfläche der Zufahrt anhalten werde, sondern eben versuche, diese geradewegs zu überqueren. Würde man der Zeugin hier eine Reaktionszeit von 0,8 oder auch nur eine Sekunde zugestehen, so zeige sich, dass ihrerseits noch eine Bremsung möglich gewesen wäre und hier natürlich aufgrund der geringen Überdeckung und des nur leichten Anstoßes der Bus insoweit verzögert werden hätte können, dass ein solcher dann schlussendlich unterblieben wäre (vgl ON 10.2, 6). Der geltend gemachte Begründungsmangel der fehlenden Beweiswürdigung liegt daher nicht vor.
Um die Tatsachenrüge gesetzmäßig auszuführen, hat der Berufungswerber nach ständiger Rechtsprechung anzugeben, welche Feststellung bekämpft wird, welche Ersatzfeststellung begehrt wird, aufgrund welcher („unrichtigen“) Beweiswürdigung, dass Erstgericht die bekämpfte Feststellung getroffen hat, sowie aufgrund welcher Beweisergebnisse und welcher („richtigen“) beweiswürdigenden Erwägungen das Erstgericht die begehrte Ersatzfeststellung treffen hätte müssen (
Es stellte den auf den Seiten 5 bis 7 der Urteilsausfertigung angeführten Sachverhalt fest, auf dem grundsätzlich verwiesen wird (§ 500a ZPO). Für das Berufungsverfahren sind folgende Feststellungen hervorzuheben:
Die Unfallstelle befindet sich im Kreuzungsbereich der B ** bei der Zufahrt zur J* K* E* in E*. Die B ** weist im Unfallstellenbereich eine leichte Linkskurve auf. Rechter Hand mündet die Zufahrt zur euen Mittelschule ein. Diese Zufahrt besitzt eine Trichterlänge von ca 26,6 m und eine Trichtertiefe von ca 6 m. Nahezu parallel dazu ist hier ein Rad- bzw Gehweg situiert. Dieser besitzt eine Asphaltdecke mit einer Breite von ca 2,6 m und ist in einem Abstand zur B ** von ca 5,7 m angeordnet. Zwischen dem Radweg und der B ** ist ein Grünstreifen, in welchem auch in gewisser Entfernung Bäume gepflanzt sind. Der Rad- bzw Gehweg ist aufgrund der Zufahrt zur Neuen Mittelschule über eine Distanz von ca 12,4 m unterbrochen. Das Ende des Geh- und Radweges ist also durch ein entsprechendes Verkehrsschild vor der Zufahrt zur Neuen Mittelschule gekennzeichnet.
Der Kläger fuhr mit seinem E-Bike am Geh- und Radweg von E* kommend und wollte auf Höhe der Neuen Mittelschule – also nach dem Ende des Geh- und Radweges – gerade Richtung B 1 weiterfahren. E* lenkte den Schulbus der Zweitbeklagten (gemeint der Erstbeklagten) ebenfalls von E* kommend nahezu parallel zum am Radweg fahrenden Kläger auf der B ** in Richtung **. In Annäherung an die Unfallstelle hielt der Kläger eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 25 km/h ein. E* wollte nach rechts auf die Zufahrt zur Neuen Mittelschule abbiegen, um vom Bereich der dort situierten Neuen Mittelschule Kinder abzuholen. In Annäherung an die Kreuzung mit der Zufahrtsstraße zur Neuen Mittelschule verlangsamte sie ihre ursprüngliche Annäherungsgeschwindigkeit von jedenfalls unter 50 km/h auf eine Geschwindigkeit von etwas mehr als 20 km/h, setzte den rechten Blinker und bog in einem Zug nach rechts ab.
Der Bus befand sich über eine Zeitspanne von zumindest 2,3 Sekunden auch im Einmündungstrichter und demnach auf der bevorrangten Verkehrsfläche. Zu dieser Zeit befand sich der Kläger mit seinem Fahrrad mehr oder weniger parallel zum Bus und hätte demnach bei einem Blick nach links den Bus zumindest 2,3 Sekunden erkennen können, bei Beachtung des von der Buslenkerin gesetzten Blinkers sogar noch länger. Tatsächlich hat der Kläger aber keinen (Schulter-)Blick nach links gemacht und den Bus überhaupt nicht wahrgenommen, sodass es zur Kollision kam. Hätte der Kläger den Bus beobachtet, so wäre ihm ein Anhalten und somit die Vermeidung der Kollision noch möglich gewesen. Andererseits hätte auch die Buslenkerin den Unfall durch Einleitung einer geringfügigen Bremsung zum Zeitpunkt, als der Kläger in ihrem Sichtbereich war und sie erkennen konnte, dass er nicht anhalten werde, verhindern können. Der Kläger befand sich nämlich für die Buslenkerin durch die rechte Seitenscheibe (Tür) bereits zumindest 1,5 Sekunden vor der Kollision im direkten Sichtbereich, als erkennbar wurde, dass er nicht anhalten wird.
In rechtlicher Hinsicht warf das Erstgericht der Buslenkerin vor, dass sie den Unfall durch Einleitung einer geringfügigen Bremsung zum Zeitpunkt, als der Kläger in ihrem Sichtbereich gewesen sei und sie erkennen habe können, dass er nicht anhalten werde, verhindern hätte können. Der Kläger habe sich für die Buslenkerin nämlich durch die rechte Seitenscheibe (Tür) bereits zumindest 1,5 Sekunden vor der Kollision im direkten Sichtbereich befunden, als erkennbar geworden sei, dass er nicht anhalten werde. Dieses Verschulden sei auch nicht als vernachlässigenswert geringfügig anzusehen. Somit sei der Beklagtenseite der Entlastungsbeweis nach § 9 EKHG nicht gelungen.
Dem Kläger sei als Mitverschulden anzulasten, dass er in Annäherung an die Unfallstelle jegliche Beobachtung des zumindest 2,3 Sekunden in seinem Sichtbereich befindlichen Busses, insbesondere einen Blick nach links vor dem Ende des Geh- und Radweges unterlassen, demnach auf das Rechtsabbiegemanöver des Busses überhaupt nicht reagiert und nicht vor dem Ende des Geh- und Radweges angehalten habe, wodurch er die Kollision hätte verhindern können. Erschwerend komme hinzu, dass sich der Bus auf der bevorrangten Verkehrsfläche befunden habe. Somit treffe zwar den Kläger im Vergleich zur Buslenkerin das gravierendere Verschulden, andererseits sei den Beklagten zusätzlich zum Verschulden der der Halterin zuzurechnenden Buslenkerin die vom Bus ausgehende erhöhte Betriebsgefahr zuzurechnen. Insgesamt erscheine daher eine Schadensteilung im Verhältnis 1:1 gerechtfertigt.
Gegen diese Entscheidung richten sich die Berufungen des Klägers und der Beklagten. Der Kläger strebt aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung die Abänderung des angefochtenen Urteiles dahin an, dass die Beklagten schuldig seien, ihm EUR 11.206,60 s.A. zu bezahlen und festgestellt werde, dass die Beklagten ihm für sämtliche zukünftigen Schadenersatzforderungen aus dem Verkehrsunfall vom 9. Mai 2022 im Ausmaß von zwei Drittel haften. Die Beklagten machen die Berufungsgründe der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragen die gänzliche Abweisung des Klagebegehrens; hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.
Die Parteien erstatteten jeweils eine Berufungsbeantwortung mit dem Antrag, der gegnerischen Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung des Klägers ist nicht, die Berufung der Beklagten ist hingegen berechtigt.
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Während die bekämpfte Feststellung die Sicht der Buslenkerin auf den Kläger durch die rechte Seitenscheibe (Tür) beschreibt, zielt die begehrte Ersatzfeststellung auf eine (fehlende) Erkennbarkeit in einem Weitwinkelspiegel (der neuen bzw alten Zulassungsnorm) ab. Das der Kläger im Weitwinkelspiegel des Busses erkennbar gewesen wäre, wird der Buslenkerin aber ohnehin nicht vorgeworfen. Es fehlt daher am erforderlichen Austauschverhältnis, sodass die Tatsachenrüge insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt ist.
Soweit die Berufung darauf abzielt, dass der Kläger für die Buslenkerin gar nicht, sondern „nur in einem [ hier nicht vorhandenen ] Weitwinkelspiegel der neueren Zulassungsnorm“ erkennbar gewesen wäre, ist ihr zu erwidern, dass gegen die getroffene Feststellung keine Bedenken bestehen. Auch wenn der (selbe) Sachverständige im Strafverfahren noch von anderen Prämissen ausgegangen ist (eine mögliche Erkennbarkeit durch die rechte Seitenscheibe/Tür war unter Zugrundelegung der vom Kläger geschilderten Unfallvariante aber auch schon Thema: vergleiche ON 7 Seite 6 im Strafakt U* des Bezirksgerichtes Vöcklabruck), schildert er in seinem in diesem Verfahren eingeholten Gutachten nachvollziehbar die Erkennbarkeit des Klägers bei Zugrundelegung eines Einbiegens des Busses in einem Zug ausgehend von der maximal geringsten Geschwindigkeit von 20 km/h mit einer Zeitspanne von zumindest 1,5 Sekunden (ON 10.2, 5 f). Die bloße Argumentation mit dem Inhalt des im Strafverfahren erstellten Gutachten ist daher nicht zielführend.
Die eingangs der Rechtsrüge geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel liegen nicht vor. So ist es für die Beurteilung des vorliegenden Unfallgeschehens nicht entscheidungsrelevant, ob die Lenkerin des Beklagtenfahrzeuges bereits viele Jahre unfallfrei als Schulbuslenkerin fungiert habe und als sorgfältige Lenkerin zu beschreiben sei. Ihre Verhaltensweise in Annäherung an die Unfallstelle wurde ohnehin ebenso festgestellt wie dass sie im Strafverfahren (rechtskräftig) freigesprochen wurde (vgl US 1). Weiters wurde der Entscheidung ohnedies zugrunde gelegt, wenn auch nicht ausdrücklich benannt und unrichtig gewichtet, dass den Kläger infolge Nichtbeachtung des Beklagtenfahrzeuges eine Vorrangverletzung trifft, sodass eine Zusatzfeststellung, dass der Kläger trotz dem Ende des Geh- und Radweges weder seine Geschwindigkeit verringert noch abgebremst habe, nicht mehr weiter entscheidend ist. Letztlich ging das Erstgericht – in Bezug auf den am Bus montierten Spiegel – ohnehin nicht von einem Mangel in der Beschaffenheit des Beklagtenfahrzeuges aus.
In ihrer Rechtsrüge „im engeren Sinn“ erachten die Beklagten bei Gegenüberstellung der die Unfalllenker betreffenden Verhaltensweisen, dass dem Kläger zahlreiche schwerwiegende StVO-Verstöße anzulasten seien. Er habe nicht nur das beschilderte Ende des Geh- und Radweges ignoriert, sondern seine Geschwindigkeit mit 25 km/h – trotz Nachranges – fortgesetzt. Er habe auch keinen Schulterblick gesetzt, sondern sei der 12 m lange Bus zumindest 2,3 Sekunden (wenn nicht länger) von ihm nicht wahrgenommen worden. Dahingehend sei der Lenkerin des Beklagtenfahrzeuges als einzige Verhinderungsmöglichkeit eine geringfügige Bremsung in einem sehr kurzen Zeitfenster von 1,5 Sekunden angelastet worden. Der Unfall sei auch nicht auf die typische Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeuges zurückzuführen. Selbst wenn der Entlastungsbeweis des § 9 EKHG als nicht erbracht angesehen werden sollte, verbleibe aufgrund des krassen Mitverschuldens des Klägers keine entsprechende Haftungsgrundlage. Die vom Erstgericht angenommene erhöhte Betriebsgefahr sei nicht näher begründet worden; die bloße Tatsache, dass es sich um einen Bus handle, sei in keinster Weise als derartig erschwerend anzusehen, dass dies mit dem Fehlverhalten des Klägers gleichzusetzen wäre. Durch die Verschuldensteilung im Verhältnis 1:1 sei ein unangemessener Verteilungsschlüssel zur Anwendung gelangt.
Gemäß § 19 Abs 6a StVO in der zum Unfallzeitpunkt anzuwendenden Fassung haben Radfahrer, die einen nicht durch eine Radfahrerüberfahrt fortgesetzten (§ 56a) Radweg oder Geh- und Radweg verlassen, anderen Fahrzeugen im fließenden Verkehr den Vorrang zu geben.
Eine Wartepflicht besteht daher für Radfahrer, die einen Radweg oder Geh- und Radweg verlassen, wenn diese nicht durch eine Radfahrerüberfahrt fortgesetzt werden. Kein Verlassen einer derartigen Radfahranlage liegt nur vor, wenn sie, ohne dass sie vor der Kreuzung beendet wird, über eine sonstige Fahrbahn geführt wird. Endet daher ein Radweg oder Geh- und Radweg – wie hier – vor der Kreuzung, so hat der Radfahrer gemäß § 19 Abs 6a StVO Vorrang zu geben ( Pürstl , StVO 16 § 19 Anm 11). Beim Einfahren von einem sich nicht durch eine Radfahrerüberfahrt fortsetzenden Radweg in eine Kreuzung verlässt der Radfahrer die Radfahranlage und hat daher dem Fließverkehr Vorrang zu geben (RS0122776; Pürstl aaO E 159).
Dies bedeutet, dass dem Kläger eine Vorrangverletzung anzulasten ist. Ein Verstoß gegen die gesetzlichen Bestimmungen über den Vorrang wiegt nach ständiger Rechtsprechung schwerer als andere Verkehrswidrigkeiten (RS0026775; vgl auch RS0027312). Eine Missachtung des Vorranges ist so schwerwiegend, dass ihr gegenüber geringfügige Fehler der anderen Seite außer Betracht zu bleiben haben (RS0058796).
Insbesondere ist in diesem Sinn eine bloß um einen Sekundenbruchteil verspätete Reaktion ohne Belang (RS0074906). Im vorliegenden Fall liegt der Lenkerin des Beklagtenfahrzeuges zwar ein Beobachtungsfehler zur Last, falls man davon ausgeht, dass sie als Vorrangberechtigte die Verpflichtung trifft, den Verkehr (auch) durch die rechte Seitenscheibe/Tür zu beobachten. Nach den Feststellungen befand sich der Kläger (zumindest) 1,5 Sekunden vor der Kollision im direkten Sichtbereich, als erkennbar wurde, dass er nicht anhalten wird. Billigt man der Buslenkerin die übliche Reaktionszeit ab Gefahrenerkennung bzw -erkennbarkeit von 0,8 bis 1 Sekunde zu (vgl RS0058376, RS0074917), lag ihre Reaktionsverzögerung unter einer Sekunde (vgl auch 2 Ob 65/20b). Daran würde sich auch nichts ändern, wenn man zugrunde legen würde, dass die Buslenkerin besonders vorsichtig und bremsbereit fahren hätte müssen (RS0058376: Reaktionszeit von 0,6 bis 0,8 Sekunden zuzubilligen).
Die gewöhnliche Betriebsgefahr wird durch das Verschulden des Schädigers als Unfallursache in der Regel ganz zurückgedrängt; eine Ausgleichungspflicht nach § 11 EKHG kommt nur dann in Betracht, wenn der Schaden auf eine besondere Betriebsgefahr zurückzuführen ist (RS0058551). Erhöhte Betriebsgefahr kann nur dann angenommen werden, wenn die Gefahren, die regelmäßig und notwendig mit dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges verbunden sind, durch das Hinzutreten besonderer, nicht schon in dem Betrieb gegebener Umstände vergrößert werden; das bedeutet lediglich, dass solche Besonderheiten beim Abwägen der beiderseits ursächlichen Umstände zu berücksichtigen sind (RS0058586). Ob und unter welchen Voraussetzungen ausnahmsweise im Einzelfall doch eine erhöhte Betriebsgefahr gegenüber dem Verschulden zu berücksichtigen ist, kann nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (RS0058551 [T10]).
Die bloße Tatsache, dass es sich beim Beklagtenfahrzeug um einen Bus handelt, stellt noch keine hier zu berücksichtigende höhere Betriebsgefahr dar. Eine solche wird auch nicht durch ein ordnungsgemäßes Einbiegen nach rechts mit einer relativ geringen Geschwindigkeit begründet. Davon abgesehen hat der Kläger im Verfahren erster Instanz ohnehin nicht das Vorliegen einer über den normalen Betrieb eines Busses hinausgehenden erhöhten oder außergewöhnlichen Betriebsgefahr behauptet.
Zusammengefasst ist dem Kläger eine Vorrangverletzung und eine verspätete Reaktion vorzuwerfen, während die Lenkerin des Beklagtenfahrzeuges eine (geringere) Reaktionsverspätung von unter einer Sekunde zu verantworten hat, die aber iSd der ständigen Rechtsprechung in Relation zu einer Vorrangverletzung vernachlässigbar ist (RS0058796 [T1, T3]). Da im vorliegenden Fall aufgrund des konkreten Unfallgeschehens auch die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeuges nicht entscheidend ins Gewicht fällt (vgl Danzl , EKHG 11 § 11 E 304), trifft die Beklagten keine Haftung für die Unfallfolgen.
Zur Berufung des Klägers:
Der Kläger führt in seiner Rechtsrüge zusammengefasst aus, dass den Beklagten nicht nur der Entlastungsbeweis nach § 9 EKHG nicht gelungen sei, sondern der Lenkerin des Beklagtenfahrzeuges vielmehr sogar ein Mitverschulden nachgewiesen werden habe können, weil er sich für die Buslenkerin bereits zumindest 1,5 Sekunden vor der Kollision durch die rechte Seitenscheibe (Tür) im direkten Sichtbereich befunden habe, als erkennbar geworden sei, dass er nicht anhalten werde. Dieses Verschulden sei nicht „als vernachlässigbar geringfügig“ anzusehen. Im Hinblick auf die deutlich höhere Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeuges wäre eine Schadensteilung von 2:1 zu seinen Gunsten gerechtfertigt.
Bei diesen Ausführungen übersieht der Kläger, dass ihm schon infolge der Vorrangverletzung das weitaus überwiegende Verschulden trifft, während der Buslenkerin nur ein geringfügiger Reaktionsverzug vorgeworfen werden kann, der iSd oben zitierten Judikatur vernachlässigbar ist. Die begehrte Schadensteilung von 2:1 zugunsten des Klägers ist daher keinesfalls angemessen.
Im Übrigen kann auf die obigen Ausführungen zur Berufung der Beklagten verwiesen werden, wonach die Beklagten letztlich keine Haftung für die Unfallfolgen trifft.
Der Berufung des Klägers musste daher ein Erfolg versagt bleiben. In Stattgebung der Berufung der Beklagten war das angefochtene Urteil hingegen aus den angeführten Gründen im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung abzuändern.
Die Kostenentscheidungen gründen sich auf § 41 ZPO, für das Berufungsverfahren auch auf § 50 ZPO.
Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes orientiert sich an der nicht unangemessenen Bewertung des Feststellungsbegehrens durch den Kläger.
Die ordentliche Revision war gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen, weil die Frage der Verschuldens- bzw Schadensteilung (RS0087606, RS0044262 [T53]) in der Regel ebenso eine Einzelfallentscheidung darstellt wie jene der allfälligen Berücksichtigung einer erhöhten Betriebsgefahr (RS0058551 [T10] = 2 Ob 233/04k).
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