Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch die Richter Mag. Bernhard Telfser als Vorsitzenden sowie Mag. Christine Mayrhofer und Dr. Werner Gratzl in der Rechtssache des Klägers A* , geboren am **, **straße **, **, vertreten durch die Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH in 4020 Linz, gegen die beklagte Partei B* AG , FN **, **straße **, **, vertreten durch Ing. Mag. Klaus Helm, Rechtsanwalt in 4040 Linz, wegen EUR 19.921,49 s.A. und Feststellung (Streitwert EUR 5.000,00), über die Berufung der beklagten Partei gegen das Teilzwischenurteil des Landesgerichtes Linz vom 27. März 2025, Cg*-41, (Berufungsstreitwert EUR 19.921,49) in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben. Das angefochtene Teilzwischenurteil wird dahin abgeändert, dass es als Teil- und Teilzwischenurteil zu lauten hat:
„1. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei EUR 19.921,49 samt 4 % Zinsen p.a. seit 31.10.2022 zu bezahlen, besteht dem Grunde nach zu zwei Dritteln zu Recht.
2. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei EUR 6.640,50 samt 4 % Zinsen p.a. seit 31.10.2022 zu bezahlen, wird abgewiesen.
3. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.“
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Am 15. Juni 2021 ereignete sich in C* auf der **, der D* Straße, bei StrKm 4,155 im Bereich der Kreuzung mit dem E*weg ein Verkehrsunfall zwischen dem Kläger als Motorradfahrer (einer **), und dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten und von F* gelenkten LKW **, den der Kläger überholen wollte, als dieser nach links in den E*weg einbiegen wollte. Der Kläger wurde verletzt und die Fahrzeuge wurden beschädigt.
Die D* Straße verlief dort als Vorrangstraße in beider Fahrtrichtung (nach C*) nach einer langgezogenen Linkskurve gerade mit einem leichten Gefälle von 3 % über rund 180 m bis zum erst spät erkennbaren, 11,5 m breiten Einmündungstrichter des rechtwinkelig einmündenden E*wegs und danach nochmals rund 170m bis zu einer weiteren Linkskurve. Nach dem Ende der ersten Linkskurve bestand eine Sichtweite von rund 360m; bereits zuvor begann eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 70 km/h. Die beiden Fahrstreifen waren bis zu den Begrenzungslinienkanten jeweils 3,1m breit, der LKW ohne Spiegel 2,55 m. Ob er sich aus einer mittigen oder einer Position näher der Leitlinie dem Einbiegevorgang annäherte, war nicht feststellbar. Ein Einordnen nach links wäre aufgrund der Fahrzeug- und der Fahrbahnbreiten nicht erkennbar gewesen.
Der LKW nutzte ein Navigationssystem, das ihm zwei mögliche Einfahrten anzeigte; deren obere konnte er mit dem LKW nicht nehmen, weshalb er sich für die Einfahrt in den E*weg entschied. Als er aus der Linkskurve kam, wusste er, dass er hier irgendwo einbiegen müsse und ließ sich in der ersten Retarder-Stufe hinunter rollen, sodass er trotz des Gefälles langsamer wurde. Hinter ihm fuhren zwei PKW und dahinter der Kläger auf seinem Motorrad.
Aus der Kurve kommend baute der LKW etwa 81 m vor der Unfallstelle und 15 s vor der Kollision bereits die Geschwindigkeit durch den Retarder ab. Fünf Sekunden vor dem Zusammenstoß leitete er eine moderate aktive Bremsung mit durchschnittlich 2,2 m/s 2 ein. Als er den Abbiegevorgang begann, sah er ein Licht im Spiegel und bremste prompt auf den Stillstand ab. Wann er in den Spiegel blickte, ist nicht feststellbar.
Der Kläger kam etwa zehn Sekunden vor der Kollision aus der Linkskurve und leitete einen Überholvorgang ein; er war zumindest acht Sekunden vor der Kollision in Überholposition und fuhr 70 km/h. Er begann 2,2 s oder 39 m vor der Kollision mit einer Bremsreaktion; der LKW befand sich noch vor dem E*weg und hatte noch nicht links eingeschwenkt. Das Motorrad kollidierte mit rund 45 km/h im Kreuzungsbereich mit dem LKW.
Der LKW baute bereits fünf Sekunden vor der Kollision deutlich an Geschwindigkeit ab und war nur mehr mit 37 km/h und damit der halben zulässigen Geschwindigkeit unterwegs. Bei entsprechender Beobachtung hätte dies eine Auffälligkeit dargestellt. Der Kläger war fünf Sekunden vor der Kollision noch etwa 93 m vor der Zusammenstoßstelle und fuhr 70 km/h. Er hätte hier mühelos bis zum Stillstand abbremsen oder auf die Geschwindigkeit des LKW verlangsamen und sich dahinter einreihen und so den Unfall verhindern können. Der LKW-Lenker hätte ihn unmittelbar vor dem Einlenken durch Zurückblicken erkennen und das Einbiegen unterlassen können. Beim Einlenken blickte er in den Rückspiegel, nahm ihn wahr und bremste. Bei einem entsprechenden Blick vor dem Einbiegen hätte er den Unfall mühelos verhindern können; bereits knapp fünf Sekunden vor der Kollision hätte er ihn bei einem Blick zurück in Überholposition sehen und den Unfall verhindern können.
Der Überholweg für den Kläger lag bei etwa 280 m. Die für das Überholen der beiden PKW und des LKW erforderliche Gesamtsichtweite von 560 m war hier nicht einsehbar. Der Kläger hätte sich aber nach dem Überholen des ersten oder des zweiten PKW in die Kolonne einordnen können, weil er rasch von 70 km/h auf 50 km/h verlangsamen hätte können.
Der Kläger begehrt unter Anrechnung eines Mitverschuldens von einem Viertel Schadenersatz und die Feststellung der Haftung für künftige Folgen mit der Behauptung, den Lenker des Beklagtenfahrzeuges treffe die weit überwiegende Haftung, weil er, obwohl er das Überholen des Klägers schon lange hätte sehen können, überraschend in eine kaum erkennbare Kreuzung eingebogen sei. Die Haftungsquote habe die Beklagte anerkannt.
Die Beklagte bestritt, beantragte die Abweisung der Klage und wendete eine Kompensandoforderung ein. Der LKW-Lenker habe sein Abbiegemanöver ordnungsgemäß eingeleitet und erst dabei den unzulässig überholenden Kläger bemerkt, einen Unfall aber nicht mehr verhindern können. Als er zu blinken begonnen habe, habe er das Motorrad noch nicht erkennen können; hingegen habe dieses trotz der sichtbaren Abbiegeabsicht überholt. Ein Anerkenntnis sei nicht erfolgt.
Mit dem angefochtenen Teilzwischenurteil gab das Erstgericht dem Leistungsbegehren dem Grunde nach statt. Es legte seiner Entscheidung im wesentlichen die eingangs leicht zusammengefasst wiedergegebenen (auf den Urteilsseiten 3 bis 9 ersichtlichen) Feststellungen und noch die Folgenden zugrunde, die im Berufungsverfahren bekämpft sind:
Es kann weder festgestellt werden, ob der Kläger [mit seiner Bremsung 2,2 s vor der Kollision] auf einen Blinker oder einen anderen Umstand reagierte, noch, ob und, wenn ja, wann der LKW-Lenker das geplante Abbiegemanöver nach links durch Blinken anzeigte.
In rechtlicher Hinsicht hielt das Erstgericht – nachdem es ein Anerkenntnis dieser Haftungsquote verneint hatte -, die begehrte Schadensteilung aufgrund eines Mitverschuldens des Klägers von einem Viertel für gerechtfertigt. Der LKW-Lenker an der Spitze einer Kolonne hätte, weil die Kreuzung schwer und sein Einordnen nicht erkennbar gewesen seien, vor dem Einbiegen zurückblicken müssen, was er unterlassen habe. Demgegenüber habe der Kläger zu Beginn seines Überholmanövers nicht weit genug gesehen und hätte fünf Sekunden vor der Kollision die stark reduzierte Geschwindigkeit des LKW erkennen und die Kollision durch Abbremsen verhindern können. Ein Blinken des LKW und eine Einordnen nach links habe aber – im Gegensatz zur Entscheidung 2 Ob 69/87 – nicht festgestellt werden können, weshalb hier das Mitverschulden des Klägers geringer einzustufen sei als dort, wo das Höchstgericht eine Verschuldensteilung von 1:2 zugunsten des Überholenden entschieden habe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten aus den Berufungsgründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der unrichtigen Tatsachenfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung mit einem auf Klageabweisung gerichteten Abänderungs- und einem hilfsweise gestellten Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag. Der Kläger tritt dem mit seiner Berufungsbeantwortung entgegen.
Die Berufung ist teilweise berechtigt.
Vorauszuschicken ist, dass mit dem Teilzwischenurteil nur über das Leistungsbegehren dem Grunde nach entschieden wurde; das Feststellungsbegehren ist daher auch nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens.
Mit der Beweis- und Tatsachenrüge bekämpft die Berufungswerberin die Non-liquet-Feststellungen zum Auslöser der Bremsreaktion des Klägers und zum Blinken des LKW-Lenkers. An ihrer Stelle sei festzustellen, dass der LKW-Lenker bereits nach Verlassen der Linkskurve, sohin rund vierzehn Sekunden vor der Kollision, außer dem Retarder auch den linken Blinker betätigt, der Kläger diesen aber zunächst übersehen, 2,2 Sekunden vor der Kollision dann bemerkt und mit einer Bremsung reagiert habe, wodurch er seine Geschwindigkeit noch von 70 auf 45 km/h reduzieren habe können.
Unrichtig ist das Argument, dass der LKW-Lenker in den – wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen ihn geführten – Straf- und strafrechlichen Ermittlungsverfahren unter Wahrheitspflicht ausgesagt habe. Aus seiner in der Berufung zitierten Aussage lässt sich auch nicht verlässlich nachvollziehen, wann er zu blinken begann. Die behauptete Angabe des Klägers, er habe den Blinker nicht gesehen, kann auch so verstanden werden, dass er das Blinken in Frage stellte oder bestritt, und bedeutet keinen verlässlichen Hinweis darauf, dass geblinkt wurde. Sah der Kläger den Blinker zu spät , könnte das auch daran liegen, dass dieser spät gesetzt wurde. Auch daraus lässt sich die begehrte Feststellung eines sehr frühen Blinkbeginns nicht ableiten. Die Bremsreaktion des Klägers – 2,2 Sekunden vor der Kollision – legt zwar nahe, dass er auf einen Blinker reagiert haben könnte. Das steht nun aber einerseits in Widerspruch zur Aussage, einen Blinker nicht gesehen zu haben, andererseits ließe diese eher kurzfristige Reaktion auch nicht auf einen bereits Sekunden zurückliegenden Blinkbeginn schließen. Ebensogut wie auf einen bereits länger eingeschaltet gewesenen Blinker konnte der Kläger auch auf das Realisieren der durch die Geschwindigkeitsverringerung des LKW hervorgerufene unklare Verkehrslage reagiert haben, die sich überdies erst ab der aktiven Bremsung auch im Aufleuchten der Bremslichter gezeigt haben muss. Eine massive Reaktionsverspätung, wie die Berufung meint, läge auch bei einer Reaktion auf einen bereits über zehn Sekunden lang eingeschalteten Blinker vor. Den Berufungsausführungen gelingt es daher nicht, die vom Erstgericht getroffenen und sorgfältig begründeten Feststellungen als weniger wahrscheinlich richtig erscheinen zu lassen als die begehrten Ersatzfeststellungen.
Mit der Rechtsrüge macht die Berufungswerberin auch sekundäre Feststellungsmängel geltend und begehrt ergänzend festzustellen, dass zusätzlich zu der für das Überholen der Fahrzeugkolonne notwendigen Sichtweite von 560 Metern auch noch eine Pufferzeit von zwei Sekunden bzw eine Puffer-Wegstrecke von zumindest 80 Metern für das gefahrlose Wiedereinordnen erforderlich gewesen wäre, die bei weitem nicht gegeben gewesen sei. Damit setzt sie sich aber in Widerspruch zur unbekämpft gebliebenen Urteilsfeststellung, nach der
Weshalb im Grundurteil auch über das Zu-Recht-bestehen der Kompensandoforderung abgesprochen hätte werden müssen, führt die Berufung nicht aus. Zwar ist bei Konnexität von Klageforderung und Gegenforderung die Fällung eines die beklagte Partei zu einer Zahlung verhaltenden Teilurteils nach § 391 Abs. 3 ZPO grundsätzlich unzulässig (RIS-Justiz RS0040878). Ein als nicht berechtigt erachtetes Teilbegehren der klagenden Partei kann hingegen stets mit Teilurteil abgewiesen werden (vgl 9 Ob 71/17g ua). Ein Zwischenurteil nach § 393 ZPO ist aber kein die beklagte Partei zu einer Zahlung verhaltendes Teilurteil; über die Kompensandoforderung ist nicht im Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs, sondern im fortgesetzten Verfahren abzusprechen (vgl. RIS Justiz RS0040935 [T11, T12]).
Im Übrigen richten sich die Ausführungen der Rechtsrüge gegen die Verschuldensteilung, aber auch schon gegen die Annahme einer Pflichtverletzung durch den LKW-Lenker. Der Kläger hätte wegen der zu geringen Sichtweite, aber auch der Auffälligkeit der Geschwindigkeitsreduktion des LKW nicht überholen dürfen, jedenfalls das Manöver hinter dem LKW abbrechen müssen. Die hier einen Begründungsmangel vermutende Kritik der Berufungswerberin bezieht sich inhaltlich auf beweiswürdigende Erwägungen des Erstgerichts, die sie nicht teilt, und stellt damit eine – nicht gesetzmäßig ausgeführte – Beweisrüge dar. Auf das Argument, der Kläger habe auf den Blinker reagiert, wurde bereits im Rahmen der Tatsachen- und Beweisrüge eingegangen. Die Rechtsrüge hat von den bindenden Feststellungen des Erstgerichtes auszugehen (RIS Justiz RS0043603 [T2]).
Die Berufungswerberin meint, dem LKW-Lenker könne kein Vorwurf gemacht werden, weil er beim Verlassen der Linkskurve das Motorrad noch nicht habe sehen können und er wegen der zu geringen Sichtweite darauf habe vertrauen dürfen, dass er nicht überholt würde. Sie kritisiert damit die Festlegung, der Lenker hätte einen Kontrollblick unternehmen müssen.
Das Erstgericht stellte die Rechtslage zum Linksabbiegen und den Voraussetzungen, unter denen ein Kontrollblick unmittelbar vor dem Einbiegen verlangt wird, umfangreich dar und wendete sie richtig auf den Sachverhalt an (§ 500a ZPO). Eine unklare Lage für den Nachfolgeverkehr und daher die Notwendigkeit eines Kontrollblicks unmittelbar vor dem Abbiegen erzeugt etwa auch ein Kraftfahrzeuglenker, der an der Spitze einer Kolonne fährt und in einen unbedeutenden, erst im letzten Augenblick erkennbaren Seitenweg einbiegen will (RIS Justiz RS0073681). Sowohl die mangelnde Erkennbarkeit des Einordnens aufgrund der Fahrzeug- und Fahrbahnbreite, als auch die schlechte Sichtbarkeit des einmündenden Wegs machten einen solchen Kontrollblick hier erforderlich. Die für den Überholvorgang nötige Gesamtsichtweite bezieht sich nur auf das Überholen aller dreier Fahrzeuge gemeinsam, nicht aber auf das Überholen etwa nur des LKW; davon, dass er wegen kurzer Sichtstrecke darauf vertrauen hätte dürfen, nicht überholt zu werden, kann keine Rede sein.
Dem Unterlassen des Kontrollblicks vor dem Abbiegen steht das Überholen einer Kolonne trotz dafür nicht ausreichender Sichtweite und einer durch die auffällige Verlangsamung des LKW entstandenen unklaren Situation gegenüber, die den Kläger zu besonderer Aufmerksamkeit und Vorsicht veranlassen musste. Der Schutzzweck der Überholverbote nach § 16 Abs 1 lit a bis c und Abs 2 lit b StVO besteht nach der Rechtsprechung grundsätzlich nicht nur darin, den Gegenverkehr gefahrlos zu ermöglichen, sondern auch darin, all jene Schäden zu verhindern, die beim Überholvorgang während des Vorbeibewegens an dem überholten Fahrzeug und beim Wiedereinordnen nach dem Überholen entstehen können (RIS Justiz RS0027630). Zwar verneinte der OGH zuletzt in einigen Fällen, in denen der überholte Verkehrsteilnehmer, der in dieselbe Richtung fährt und vorschriftswidrig nach links abbiegt. (T6) den Rechtswidrigkeitszusammenhang nach § 16 Abs 1 lit b und c StVO (2 Ob 56/05g, 2 Ob 40/12i, 2 Ob 218/22f), doch treffen die dazu dargelegten Erwägungen nicht auch auf die hier zu beurteilende Konstellation zu. Zwischen der aus dem Überholen einer Fahrzeugkolonne trotz zu geringer Sicht resultierenden Gefahr und der aus einem – hier nicht plötzlichen oder überraschenden - Fahrmanöver eines an der Spitze der Kolonne Fahrenden besteht jedenfalls insofern ein Zusammenhang, als die durch die zu geringe Sichtstrecke notwendige hochkonzentrierte Beobachtung möglichen Gegenverkehrs die Aufmerksamkeit auf die zu Überholenden und deren Fahrmanöver zu verringern geeignet ist. Der Kläger musste bei gehöriger Aufmerksamkeit die deutliche Geschwindigkeitsreduktion des LKW erkennbar sein, wobei er mit einem Abbiegen oder auch nur Auslenken des Beklagtenfahrzeuges rechnen musste. Er hätte diese Verkehrssituation im bedenklichen Sinn auslegen, von der Fortsetzung des Überholens Abstand nehmen und sich in die Kolonne einreihen müssen (RIS Justiz RS0073513).
Bei der Aufteilung des Verschuldens entscheiden vor allem der Grad der Fahrlässigkeit des einzelnen Verkehrsteilnehmers, die Größe und Wahrscheinlichkeit der durch das schuldhafte Verhalten bewirkten Gefahr und die Wichtigkeit der verletzten Vorschriften für die Sicherheit des Verkehrs im Allgemeinen und im konkreten Fall (RIS Justiz RS0027389; RS0026861). Keiner der beiden Lenker verantwortet ein krasses Fehlverhalten – die Feststellungen zeigen weder ein halsbrecherisches Überholmanöver, wie es die Berufungswerberin argumentiert, noch ein plötzliches und überraschendes Linksabbiegen. Dennoch verantworten beide einen Sorgfaltsverstoß, der jeweils mit erheblicher Gefahr eines Unfalls verbunden war, die sich hier auch verwirklichte. Sowohl das – unaufmerksame - Überholen einer Fahrzeugkolonne, als auch das unaufmerksame Linksabbiegen des an der Kolonnenspitze Fahrenden sind mit einer hohen Unfallwahrscheinlichkeit verbunden. Ein Überwiegen der Zurechnungsmomente zu einem der beiden ist aber nicht festzumachen; dazu trägt auch bei, dass weder das Abbiegen ohne zu blinken, noch das Übersehen des Blinkens feststehen.
Eine Bezugnahme auf die Entscheidung 2 Ob 69/87, wie sie das Erstgericht unternahm, erweist sich insoweit als wenig aussagekräftig, als dort das Mitverschulden des überholten PKW-Lenkers im Ausmaß zweier Drittel anerkannt war, das Höchstgericht daher nur mehr über das verbleibende Drittel zu entscheiden hatte und dieses dem überholenden Motorradfahrer zuwies.
Über die Berufung ist das Teilzwischenurteil daher nur teilweise zu bestätigen und im Übrigen in ein teilabweisendes Teilurteil abzuändern.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens ist gemäß § 393 Abs 4 iVm § 52 Abs 4 ZPO dennoch dem Erstgericht vorzubehalten. Bei Bestätigung eines stattgebenden (Teil-)Zwischenurteils ist über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens nicht zu entscheiden (RIS Justiz RS0035896); mit der Teilabweisung eines Drittels des Leistungsbegehrens (von begehrten drei Vierteln des Schadens) kann aber noch nicht über die Kostenersatzpflicht entschieden werden.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil den zu lösenden Rechtsfragen keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt; die Schadensteilung ist stets von den Umständen des Einzelfalls abhängig, die hier auch die Einbeziehung in den Schutzzweck der Norm bestimmen.
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