Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch Senatspräsident Mag. Hans Peter Frixeder als Vorsitzenden sowie Mag. Carina Habringer-Koller und Dr. Gert Schernthanner in der Rechtssache des Klägers A* , geboren am **, **, **, vertreten durch den Erwachsenenvertreter Ing. B*, dieser vertreten durch die Auer Bodingbauer Leitner Stöglehner Rechtsanwälte OG in Linz, gegen den Beklagten C* , geboren am **, **, **, vertreten durch die Stossier Oberndorfer Partner Rechtsanwälte GmbH Co KG in Wels, wegen Feststellung der Unwirksamkeit eines Vertrages (Streitwert EUR 70.000,00), über die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 26. Februar 2025, Cg*-59, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Die Berufung wegen Nichtigkeit wird verworfen.
Im Übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.
Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit EUR 3.788,82 (darin EUR 631,47 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 30.000,00.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist grundbücherlicher Alleineigentümer der EZ ** KG **, BG Traun, „D*“ auch „E*“, mit der Adresse F* in G*. Zu dieser Liegenschaft gehören die Grundstücke Nr. 220, 258, 719, 882 und 954 mit einer Gesamtfläche laut Grundbuchsauszug von 37 ha, 87 ar und 41 m², wobei laut Grundbuch ** ha auf landwirtschaftlich genutzte und 5,21 ha auf forstwirtschaftlich genutzte Flächen entfallen. Der Kläger hat seinen Betrieb seit 22 Jahren verpachtet und lebt alleinstehend in ländlicher Abgeschiedenheit alleine im Hofgebäude, seit vor 23 Jahren seine Mutter verstorben ist. Das übergebene Liegenschaftsvermögen repräsentiert einen Verkehrswert von mindestens EUR 6,000.000,00; die durch den hier strittigen Übergabsvertrag eingeräumte Gegenleistung beträgt nur wenige Prozent des Verkehrswertes dieser Liegenschaft.
Mit Notariatsakt vom 25. Mai 2023 übergab der Kläger diese Liegenschaft samt allen damit verbundenen Rechten und Vorteilen, mit allen darauf befindlichen Baulichkeiten, gleichgültig ob diese fest oder gemauert sind oder nicht, an den Beklagten. Gegenstand der Übergabe war auch das an diesem Tag vorhandene landwirtschaftlichen Zwecken dienende Inventar, nicht aber sämtliche zu Wohnzwecken dienenden Möbel und Einrichtungsgegenstände und Ähnliches. Im Gegenzug verpflichtete sich der Beklagte zur Zahlung einer monatlichen wertgesicherten Versorgungsleistung von EUR 1.500,00 und einer einmaligen Zahlung von EUR 50.000,00 in Raten. Dem Kläger wurde das lebenslängliche höchstpersönliche unentgeltliche und grundbücherlich sicherzustellende Wohnungsrecht als Gebrauchsrecht in sämtlichen Räumlichkeiten des im Osten gelegenen Hausstocks im Ausmaß von rund 500 m², die alleinige Benützung des dort befindlichen Kellers, des Dachbodens und des Gartens eingeräumt, wobei dieses Recht nur höchstpersönlich ausgeübt werden durfte. Bei einem länger als 24 Monate dauernden Aufenthalt in einem Pflege- oder Altenheim sollte dieses Recht erlöschen. Beide Parteien erklärten, dass eine Verkürzung über die Hälfte nicht vorliege und sie den Vertrag auch aus besonderer Vorliebe abgeschlossen hätten. In diesem Vertrag vereinbarte Leistungen und Gegenleistungen stünden danach in einem ortsüblich angemessenen Verhältnis. Schließlich verpflichtete sich der Kläger, Belastungen der Liegenschaft in einem Betrag von EUR 1,000.000,00 zuzustimmen, sofern dieser Betrag für die Erhaltung oder Sanierung des Hausstockes, zum Ankauf landwirtschaftlicher Maschinen oder zum Grundankauf verwendet würde.
Der Kläger begehrte ursprünglich die Aufhebung des notariellen Übergabsvertrages. Mit Schriftsatz vom 19. April 2024 erhob der Kläger sein bisheriges Eventualvorbringen zur Geschäftsunfähigkeit im Vertragsabschlusszeitpunkt zum „Hauptvorbringen“ und änderte sein bisheriges Rechtsgestaltungsbegehren auf Aufhebung des Vertrags auf das nunmehr streitgegenständliche Feststellungsbegehren, mit welchem die „absolute Nichtigkeit“ des Übergabsvertrags festgestellt werden solle.
Der Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte dessen Abweisung und brachte im Wesentlichen vor, dass der Kläger im Zeitpunkt der Vertragsunterfertigung voll geschäftsfähig gewesen sei. Auch die übrigen behaupteten Anfechtungsgründe würden nicht vorliegen.
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Klage stattgegeben.
Das Erstgericht stellte dazu fest, dass der Kläger zumindest seit Juli 2022 an einer fortgeschrittenen Demenz leidet. Am 25. Mai 2023 war er anlässlich der Unterfertigung des Übergabsvertrags in Bezug auf diesen nicht geschäftsfähig. Er war nicht annähernd in der Lage, dessen Bedeutung auch nur im Kern zu erfassen.
In rechtlicher Hinsicht kam das Erstgericht zum Ergebnis, dass die Geschäftsfähigkeit aller Vertragsparteien Voraussetzung für die Wirksamkeit des Vertrages sei (§ 865 ABGB). Da diese Geschäftsfähigkeit beim Kläger zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht vorgelegen sei, sei das Rechtsgeschäft nichtig und daher rechtsunwirksam, weshalb dem Klagebegehren schon aus diesem Grund Folge zu geben sei. Auf die weiteren behaupteten Rechtsmängel sei damit nicht weiter einzugehen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten aus den Berufungsgründen der Nichtigkeit, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil infolge Nichtigkeit aufzuheben. Hilfsweise wird ein Abänderungsantrag im Sinne einer Klagsabweisung und ein Antrag auf Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht gestellt.
Der Kläger strebt mit seiner Berufungsbeantwortung die Bestätigung des angefochtenen Urteils an.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Der Beklagte meint, das Urteil sei nichtig, weil der Kläger zunächst eine Klage auf Aufhebung des Übergabsvertrages erhoben habe, die auch pflegschaftsgerichtlich genehmigt gewesen sei. Mit Schriftsatz vom 19. April 2024 sei jedoch eine Klagsänderung erfolgt, die nie pflegschaftsgerichtlich genehmigt worden sei. Nicht nur die Klagsschrift, sondern auch spätere Änderungen des Klagebegehrens bedürften jedoch der besonderen Genehmigung des Pflegschaftsgerichtes. Das Fehlen der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung stelle ein Prozesshindernis dar, welches das Urteil des Erstgerichts mit Nichtigkeit belaste.
Es ist zwar grundsätzlich richtig, dass es einer neuerlichen pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf, wenn durch eine Klagsänderung von der genehmigten Klage abgegangen werden soll. Ob dies hier der Fall ist, kann dahingestellt bleiben (es wurde lediglich das ursprüngliche Eventualvorbringen zum Hauptvorbringen erhoben und das Klagebegehren von einem Rechtsgestaltungsbegehren auf Aufhebung eines Vertrages auf Feststellung der Nichtigkeit dieses Vertrages geändert). Nach ständiger Rechtsprechung ist der Mangel der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung der Klagsführung in jeder Lage des Verfahrens, somit auch noch im Rechtsmittelverfahren, von Amts wegen wahrzunehmen und kann auch nachträglich, damit auch noch im Rechtsmittelverfahren, behoben werden (RS0035373, insb 10 Ob 48/23s und 10 ObS 11/09d).
Die mit Schriftsatz vom 19. April 2024 vorgenommene Klagsänderung wurde mittlerweile mit Beschluss des Bezirksgerichtes Traun vom 3. April 2025, P*-21, genehmigt, sodass die in der Berufung behauptete Nichtigkeit des Verfahrens jedenfalls geheilt ist (dies ganz unabhängig von der hier nicht mehr zu beantwortenden Frage, ob die Klagsänderung überhaupt genehmigungsbedürftig war).
Die Berufung wegen Nichtigkeit war damit zu verwerfen.
Als Verfahrensmangel macht der Beklagte geltend, dass das von ihm beantragte Sachverständigengutachten aus dem Fachbereich der Neuropsychologie nicht eingeholt wurde. Das Erstgericht habe diesen Beweisantrag mit der Begründung übergangen, dass allfällige Unklarheiten bereits durch die schriftliche Gutachtensergänzung und die mündliche Gutachtenserörterung des im Verfahren beigezogenen psychiatrischen Sachverständigen ausgeräumt hätten werden können und dieser Sachverständige gut darlegen habe können, warum die Einholung eines weiteren Gutachtens aus dem Fachbereich der Neuropsychologie nicht erforderlich wäre.
Entgegen der Ansicht des Erstgerichts sei jedoch die Einholung des beantragten Gutachtens unabkömmlich gewesen, um beurteilen zu können, ob beim Kläger eine Geschäftsunfähigkeit vorlag. Zur Begründung wird in der Berufung auf verschiedene (im Internet abrufbare) Fachartikel über unterschiedliche Screening-Methoden verwiesen. Hätte das Erstgericht - so die weiteren Berufungsargumente - das beantragte neuropsychologische Gutachten in Auftrag gegeben, hätte sich herausgestellt, dass beim Kläger im Zeitpunkt der Unterfertigung des Übergabsvertrages eine Geschäftsfähigkeit vorhanden war und auch weiter vorhanden sei und die eingeholten Kurztests MMSE und MOCA nicht ausreichend aussagekräftig seien.
Der im Verfahren beigezogene Sachverständige hätte mangels „richtiger Zulassung“ im vorliegenden Verfahren nie gerichtlich bestellt und daher das vorliegende Gutachten in diesem Verfahren nicht anfertigen dürfen. Der Sachverständige Dr. H*, MBA sei nämlich lediglich für Gutachten im Bereich des Arbeits- und Sozialrechts „zugelassen“. Mangels Zulassung für psychiatrische Fragestellungen hätte der Sachverständige daher das vorliegende Gutachten nie erstellen dürfen.
Dazu ist insgesamt Folgendes zu sagen:
Die Auswahl des Sachverständigen ist eine Ermessensentscheidung, die an keine konkreten gesetzlichen Vorgaben gebunden ist. Der Richter ist daher nicht verpflichtet, nur solche Personen heranzuziehen, die zur Erstattung von Gutachten über ein bestimmtes Thema öffentlich bestellt sind. Die Eintragung in eine Sachverständigenliste hat nur Indizwirkung, dass der Sachverständige gerade auf diesem Gebiet eine besondere Fachkunde aufweist (RS0040578; RS0040566; RS0040607). § 351 Abs 1 ZPO verweist das Gericht zwar „vor allem“ auf die öffentlich bestellten Sachverständigen, doch stellt die Auswahl eine Ermessensentscheidung des Gerichts dar, die an keine konkreten gesetzlichen Vorgaben (etwa dergestalt, dass nur dann auf einen anderen Sachverständigen zurückgegriffen werden dürfte, wenn kein öffentlich bestellter vorhanden oder greifbar ist) gebunden ist. Eine Verpflichtung des Richters, nur solche Personen heranzuziehen, die zur Erstattung von Gutachten auf einem bestimmten Fachgebiet öffentlich bestellt sind, besteht daher nicht. Letztlich kommt es darauf an, welchen Sachverständigen der Richter im konkreten Fall (aufgrund objektiver und daher überprüfbarer Kriterien) für den am besten Geeigneten hält (Schneider in Fasching/Konecny 3 § 351 ZPO Rz 9ff mit zahlreichen Nachweisen).
Das Erstgericht hat im angefochtenen Urteil darauf verwiesen, dass der bestellte Sachverständige ein ausgewiesener Experte für die Beurteilung der hier relevanten Frage (Geschäftsfähigkeit; Demenzerkrankungen) ist, was vom Berufungswerber auch gar nicht in Zweifel gezogen wird. Der Umstand, dass der Sachverständige in der Sachverständigenliste nur für Arbeits- und Sozialrechtsverfahren eingetragen ist, ist in diesem Zusammenhang irrelevant (siehe die oben angeführte Judikatur) und war den Parteien vom Erstgericht bereits bei Bestellung des Sachverständigen bekanntgegeben worden (vgl Protokoll der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 6. September 2023 S 3).
Zu den in der Berufung angesprochenen Testmethoden (Screenings) wurde der Sachverständige bereits im Rahmen der mündlichen Gutachtenserörterung befragt. Er hat zu all diesen Fragen ausführlich Stellung genommen. Er hat auch dargelegt, warum die vom Beklagten erörterten weiteren Untersuchungen, insbesondere das beantragte weitere Gutachten aus dem Fachbereich der Neuropsychologie nicht erforderlich sind um die Frage der Geschäftsfähigkeit beantworten zu können. Der Sachverständige hat auch im Einzelnen dargelegt, wie er zu seinen gutachterlichen Schlussfolgerungen gekommen ist und dass er sich nicht auf die vom Beklagten kritisierten Screenings beschränkt hat (vgl insbesondere die schriftliche Fragenbeantwortung ON 49.2). Auch das Berufungsgericht kann nicht erkennen, inwiefern das vorliegende Gutachten unschlüssig oder ungenügend sein soll, sodass auch insofern ein Verfahrensmangel nicht vorliegt.
Die Abweisung des Antrages auf Einvernahme des Zeugen Dr. I* wurde vom Erstgericht unter anderem damit begründet, dass der gestellte Antrag verspätet sei. Diese Rechtsmeinung wird vom Berufungsgericht geteilt. In der Verhandlung vom 10. Dezember 2024 gaben die Parteienvertreter bekannt, dass die beantragten Zeugen (mit Ausnahme des Zeugen J*) nicht zum Beweisthema der Geschäftsfähigkeit des Klägers geführt werden. Erst in der Verhandlung vom 3. Februar 2025 (in dieser Verhandlung war nur noch die Einvernahme der Zeugen K* J* durchzuführen) beantragte der Beklagte zum Beweis dafür, dass der Kläger die Unterfertigung des Übergabsvertrags zumindest im Kern erfasste, die Vernehmung des Zeugen Dr.I* und die Vernehmung des Klägers im Beisein des Sachverständigen Dr. H*.
Da - nach Einvernahme des Zeugen J* - Entscheidungsreife gegeben war, hätte die Einvernahme des beantragten Zeugen zur Erstreckung der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung geführt und damit zu einer Verzögerung des Verfahrens. Der Zeuge Dr. I* war auch von Beginn an bekannt (er wurde tatsächlich auch zu anderen Beweisthemen vom Beklagten beantragt), sodass vom Erstgericht dieser Beweisantrag zutreffend im Sinn des § 179 ZPO als grob schuldhaft verspätet qualifiziert wurde.
Was die Einvernahme des Klägers anlangt, hat das Erstgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die Frage der Geschäftsfähigkeit des Klägers im Vertragszeitpunkt ausschließlich eine medizinisch zu klärende Frage darstellt. Überdies wird zutreffend in der Berufungsbeantwortung darauf hingewiesen, dass es sich beim Kläger um eine schutzberechtigte Person handelt, sodass es gemäß § 373 ZPO dem Ermessen des Gerichtes überlassen bleibt, die Vernehmung des gesetzlichen Vertreters oder, sofern dies nach § 372 ZPO statthaft erscheint, der schutzberechtigten Person oder beider zu verfügen. Der bestellte medizinische Sachverständige riet ausdrücklich von einer Vorladung des Klägers zur Parteieneinvernahme ab, weil er das Risiko, dass bei einer Vernehmung des Klägers ein Delir ausgelöst wird, als hoch erachtete. Wenn angesichts dieser Umstände von einer Parteieneinvernahme des Klägers abgesehen wurde, ist dies auch im Sinne des § 273 ZPO nicht zu beanstanden.
Eine Rechtsrüge ist nur dann dem Gesetz gemäß ausgeführt, wenn das angefochtene Urteil unter Zugrundelegung des von ihm festgestellten Sachverhalts als unrichtig bekämpft wird (RS0041585, RS0043312, RS0043603 ua).
Da der Beklagte in der Rechtsrüge lediglich (neuerlich) darauf verweist, dass der Errichter des Übergabsvertrags vom 25. Mai 2023, Notar Dr. I*, nicht als Zeuge einvernommen wurde, jedoch nicht dargelegt wird, warum dem Erstgericht auf Basis des festgestellten Sachverhalts ein Rechtsirrtum unterlaufen sein sollte, ist die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt, sodass das Berufungsgericht auf die Rechtsfrage nicht weiter eingehen kann.
Der Berufung war damit insgesamt nicht Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.
Bei der Bewertung des Entscheidungsgegenstandes orientierte sich das Berufungsgericht an der in erster Instanz unbeanstandet gebliebenen Bewertung des Feststellungsinteresses.
Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil keine Rechtsfragen mit der Qualifikation des § 502 Abs 1 ZPO zu lösen waren.
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