Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterin Dr. Gföllner als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Ganglberger-Roitinger und den Richter Mag. Grosser in der Rechtshilfesache gegen A* wegen Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis gegen den Beschluss der Einzelrichterin des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 21. Februar 2025, HR*-12, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Mit Europäischer Ermittlungsanordnung (EEA) vom 4. Februar 2025 zu 540 RHs VII 76/25 (ON 2.2) ersuchte die Staatsanwaltschaft Traunstein im gegen A* geführten Strafverfahren wegen quälerischer Tiermisshandlung gemäß § 17 Nummer 2b des deutschen Tierschutzgesetzes – soweit hier vom Bedeutung – um Ermittlung, bei welchen Bankinstituten B*, die Lebensgefährtin des Angeschuldigten A*, über Geschäftsbeziehungen verfügt und Sicherstellung der Kontoauszüge mit den jeweiligen Kontoständen/Geldwerten in Schließfächern etc. für den Zeitraum vom 1. Juni 2024 bis 1. Februar 2025 sowie Übermittlung von Ablichtungen oder Abschriften der in Frage kommenden Unterlagen.
Dem Angeschuldigten A* liege zur Last, seinen Hund „**“ der Rasse American Bulldog Mix am 26. Juni 2024 gegen 09.30 Uhr im Kofferraum seines überwiegend in der prallen Sonne mit nur leicht geöffnetem Seitenfenster in ** geparkten Fahrzeugs zurückgelassen zu haben, obwohl er gewusst habe, dass zu dieser Zeit sommerliche Hitze (25 bis 27 Grad Außentemperatur im Schatten) herrschte. Dass sich die Innenraumtemperatur im Fahrzeug nach nur 30 Minuten auf weit über 40 Grad erhöhte, habe er jedenfalls billigend in Kauf genommen. In Folge des Zurücklassens im Fahrzeug sei der Hund des Angeschuldigten bei der Befreiung um 11.34 Uhr sichtlich erschöpft gewesen, habe stark gehechelt und sei anschließend kollabiert (ON 2.2, 10). Der Angeschuldigte habe in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Rosenheim angegeben, einer Tätigkeit als Hausmann nachzugehen und daraus ein Einkommen von EUR 400,00 zu beziehen. Die Höhe der Geldstrafe sei nach deutschem Recht maßgeblich auch davon abhängig, über welche Einkommensquellen die Verlobte des Angeschuldigten verfügt, weil diese dem Angeschuldigten in der Lebensgemeinschaft zum Unterhalt verpflichtet und auch auf das Familieneinkommen abzustellen sei (ON 2.2, 2). Die Finanz- und Kontoinformationen seien erforderlich, um die wirtschaftliche Lage der Verlobten des Angeschuldigten und das gemeinsame Familieneinkommen aufzuklären (ON 2.2, 14).
Am 14. Februar 2025 beantragte die Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis - nach Durchführung einer Kontenregisterabfrage betreffend B* (ON 5) - die gerichtliche Bewilligung der Anordnungen der Vollstreckung der EEA der Staatsanwaltschaft Traunstein vom 4. Februar 2025 zu 540 RHs VII 76/25 gemäß § 116 Abs 4 StPO iVm § 55e Abs 1 EU-JZG (ON 1,2; ON 8 und 9) durch Erteilung der Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte jeweils für den Zeitraum vom 1. Juni 2024 bis 1. Februar 2025 zum einen durch die C* D* E*, **platz **, ** D* **, in Ansehung zweier konkret bezeichneter Konten sowie zum anderen durch die F* AG, **, **, in Ansehung eines weiteren konkret bezeichneten Kontos der B*.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 21. Februar 2025 wies das Landesgericht Ried im Innkreis den Antrag der Staatsanwaltschaft auf gerichtliche Bewilligung der Anordnungen der Vollstreckung der EEA ab (ON 12). Begründend führte es zusammengefasst aus, dass die begehrte Auskunft an den Voraussetzungen des § 116 Abs 1 und 2 StPO sowie an jener des § 55a Abs 1 Z 4 EU-JZG scheitere, weil sie nicht die Aufklärung einer Straftat verfolge, sondern mit Hilfe der begehrten Informationen und Unterlagen über die der Verlobten des Angeschuldigten zugehörigen Bankkonten und finanziellen Verhältnisse lediglich die Entscheidungsgrundlagen für die Bemessung der Geldstrafe des Angeschuldigten erweitert werden sollen.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis vom 26. Februar 2025 (ON 14) mit dem Antrag, das Oberlandesgericht Linz möge der Beschwerde Folge geben, den angefochtenen Beschluss aufheben und die Anordnungen der Vollstreckung einer EEA jeweils vom 14. Februar 2025 (Auskunftserteilung über Bankkonten und Bankgeschäfte betreffend die C* D* E* und die F* AG) gemäß §§ 116 Abs 4 StPO iVm 55e Abs 2 EU-JZG bewilligen. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass die vom Erstgericht durchgeführte Prüfung, ob die ersuchte Maßnahme der Aufklärung einer vorsätzlich begangenen Straftat dient, eine inhaltliche Überprüfung der Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit der beantragten Rechtshilfemaßnahme darstelle und im Sinn einer nur formellen Prüfung einer EEA nicht zulässig sei.
Die Beschwerde, zu welcher sich weder der Angeschuldigte noch dessen Lebensgefährtin äußerten, ist nicht berechtigt.
Gemäß § 55 Abs 1 EU-JZG ist eine EEA eines anderen Mitgliedsstaats außer Dänemark oder Irland nach den Bestimmungen der §§ 55b–55m EU-JZG zu vollstrecken.
Ausschließliche Grundlage der Entscheidung der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts über die Vollstreckung der EEA sind die (formalisierte) Bescheinigung gemäß Anhang A der Richtlinie 2014/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen (RLEEA) und die allenfalls in Ergänzung dazu von der ausstellenden Behörde eingeholten Informationen (ErläutRV 66 BlgNR 26. GP 10). Die Prüfung ist auf die Zulässigkeit der Vollstreckung, mithin auf das Fehlen von Ablehnungsgründen nach § 55a EU-JZG und die Möglichkeit des Rückgriffs auf eine andere Ermittlungsmaßnahme nach § 55b EU-JZG, beschränkt. Die sachlichen Gründe für die Ausstellung der EEA können gemäß § 55e Abs 4 letzter Satz EU-JZG nur im Ausstellungsstaat überprüft werden. Eine Prüfung weiterer Voraussetzungen, vor allem eine inhaltliche Prüfung von Tatverdacht, Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit, kommt damit nicht in Betracht (vgl Göth-Flemmich/Herrnfeld/Kmetic/Martetschläger, Internationales Strafrecht [2020] § 55e EU-JZG Rz 10).
Nach dem vom Erstgericht herangezogenen Ablehnungsgrund des § 55a Abs 1 Z 4 EU-JZG ist die Vollstreckung einer EEA unzulässig, wenn die Ermittlungsmaßnahme nach österreichischem Recht nur zur Aufklärung besonders bezeichneter strafbarer Handlungen oder solcher Handlungen, deren Begehung mit einer im Gesetz bestimmten Strafe bedroht sind, angeordnet werden darf und die der EEA zugrundeliegende strafbare Handlung diese Voraussetzungen nicht erfüllt, es sei denn, es handelt sich um eine in § 55b Abs 2 EU-JZG genannte Ermittlungsmaßnahme.
Dieser Ablehnungsgrund setzt Art 11 Abs 1 lit h RL-EEA um, der eine Ablehnung ermöglicht, wenn die „Anwendung der in der EEA angegebenen Ermittlungsmaßnahme nach dem Recht des Vollstreckungsstaats auf eine Liste oder Kategorie von Straftaten oder auf Straftaten, die mit einem bestimmten Mindeststrafmaß bedroht sind, beschränkt ist, und die Straftat, die der EEA zugrunde liegt, keine dieser Straftaten ist“. Geprüft wird daher in eingeschränktem Umfang die beiderseitige Rechtmäßigkeit der Maßnahmen. Dies ist auch aus dem Rechtshilferegime bekannt und ergänzt die Prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit (vgl Göth-Flemmich/Herrnfeld/Kmetic/Martetschläger, Internationales Strafrecht [2020] § 55a EU-JZG Rz 10 und 11).
Im Sinne einer richtlinienkonformen Interpretation ist es geboten, § 55a Abs 1 Z 4 EU-JZG dahin restriktiv (vgl Gemeinsamer Vermerk von Eurojust und dem Europäischen Justiziellen Netz über die praktische Anwendung der Europäischen Ermittlungsanordnung [Juni 2019] 13) auszulegen, dass im Rahmen dieses Ablehnungsgrundes nur zu prüfen ist, ob die der EEA zugrundeliegende strafbare Handlung auch die für die Ermittlungsmaßnahme nach innerstaatlichem Recht normierten Anforderungen an die Straftat, derentwegen das Verfahren geführt wird, erfüllt. Der Zweck der Maßnahme darf hingegen im Rahmen dieses Ablehnungsgrundes nicht geprüft werden.
Auskünfte über Bankkonten und Bankgeschäfte (die einen Eingriff in das Bankgeheimnis darstellen) sind nach § 116 Abs 1 StPO auf Vorsatztaten und Straftaten, die in die landesgerichtliche Zuständigkeit fallen beschränkt. Das der EEA der Staatsanwaltschaft Traunstein zugrundeliegende, nach österreichischem Recht dem Vergehen der Tierquälerei nach § 222 Abs 1 StGB (Strafdrohung: Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren) zu subsumierende Delikt erfüllt diese Voraussetzungen, sodass nach den Vorgaben des § 55a Abs 1 Z 4 EU-JZG die in der EEA genannte Ermittlungsmaßnahme nicht abzulehnen wäre.
Gemäß § 116 Abs 2 Z 1 StPO ist eine Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte ferner nur zulässig, wenn die verlangte Einsicht in sicherzustellende Gegenstände, Urkunden und Unterlagen für die Aufklärung der Straftat und damit für die Beweisführung erforderlich ist. Wenngleich ein Zusammenhang zwischen einer Geschäftsverbindung und einer strafbaren Handlung nicht mehr maßgeblich ist und sohin auch die Abklärung der finanziellen Verhältnisse eines des Betrugs verdächtigen Angeklagten nunmehr zulässig ist (vgl Kirchbacher, StPO 15§ 116 Rz 6), dient die gegenständliche Auskunftserteilung nicht der Aufklärung des Tatvorwurfs der quälerischen Tiermisshandlung. Vielmehr sollen nach den Ausführungen in der EEA Beweise lediglich für die Bemessung der Geldstrafe des Angeschuldigten erhoben werden, bei welcher nach deutschem Recht auf das Familieneinkommen des Angeschuldigten und damit auch auf jenes der Lebensgefährtin abzustellen ist. Zur Bemessung des Tagessatzes einer zu verhängenden Geldstrafe dürfen Auskünfte nach § 116 StPO jedoch nicht angeordnet werden (vgl Salimi in SbgK § 19 Rz 91).
Für den Fall, dass die in der EEA angeführte Maßnahme nach innerstaatlichem Recht nicht besteht (lit a) oder in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall nicht zur Verfügung steht (lit b), sieht Art 10 Abs 1 der RL-EEA einen Rückgriff auf eine andere Maßnahme vor. Verfügbarkeit sollte sich nach den Erwägungen zur RL-EEA auf Anlässe beziehen, bei denen die angegebene Ermittlungsmaßnahme nach dem Recht des Vollstreckungsstaats zwar existiert, aber nur unter bestimmten Umständen rechtmäßig zur Verfügung steht, beispielsweise wenn die Ermittlungsmaßnahme nur bei Straftaten eines gewissen Schweregrads, nur gegen Personen, gegen die bereits bestimmte Verdachtsmomente bestehen, oder nur mit der Zustimmung der betreffenden Personen durchgeführt werden kann (Erwägungsgrund 10 der RL-EEA).
Umgesetzt wurde Art 10 RL-EEA mit § 55b Abs 1 Z 1 EU-JZG, demzufolge die EEA durch Rückgriff auf eine andere als die in ihr genannte Maßnahme zu vollstrecken ist, wenn der mit der Vollstreckung der EEA verbundene Eingriff in die Rechte von Personen gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen ist (§ 5 Abs 1 StPO), oder ihre Vollstreckung sonst aus dem Grund des § 55a Abs 1 Z 4 EU-JZG unzulässig wäre (vgl Göth-Flemmich/Herrnfeld/Kmetic/Martetschläger, Internationales Strafrecht [2020] EU-JZG 55b Rz 2; vgl ErläutRV 66 BlgNR 26. GP 6 f).
Der mit der begehrten Ermittlungsmaßnahme verbundene Eingriff in das Bankgeheimnis der Lebensgefährtin des Angeschuldigten ist nach österreichischem Recht nicht ausdrücklich vorgesehen und stünde auch in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall nicht zur Verfügung.
Ausgehend vom allein maßgeblichen Inhalt der vorliegenden EEA sind auch taugliche gelindere Mittel gemäß § 55b EU-JZG, mit denen dasselbe Ergebnis erzielt werden könnte, nicht ersichtlich.
Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft musste daher erfolglos bleiben.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.
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