Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Henhofer als Vorsitzende und Mag. Höpfl sowie den Richter Mag. Graf im Verfahren zur Übernahme der Strafvollstreckung nach § 41j Z 1 EU-JZG über die Beschwerde des Betroffenen A* gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 1. März 2024, 31 Ns 1/24m-13, in nicht öffentlicher Sitzung entschieden:
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass der Antrag der Staatsanwaltschaft Salzburg vom 10. Februar 2024 auf Vollstreckung der mit Urteil des Gerichtshof Arnhem-Leeuwarden vom 23. Dezember 2022, AZ 21-003506-19, über A*, geboren B*, verhängten Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten abgewiesen wird.
Entscheidungsgründe:
Mit Europäischem Haftbefehl des Gerichtes Overijssel vom 22. November 2023 (AZ 21-003506-19) wurde von den niederländischen Behörden die Übergabe des deutschen Staatsbürgers A*, geboren am B*, zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten – von welcher abzüglich von Vorhaftzeiten noch 1.604 Tage zu verbüßen sind – begehrt (Übersetzung ON 2.6.2).
Mit Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 30. Jänner 2024 wurde die Übergabe jedoch aus dem Grunde des § 5a EU-JZG für unzulässig erklärt, weil es sich bei A* um einen aufenthaltsverfestigten Unionsbürger handle (ON 2.27).
Nach Rechtskraft dieses Beschlusses beantragte die Staatsanwaltschaft Salzburg am 10. Februar 2024 die Vollstreckung der mit – dem Europäischen Haftbefehl zu Grunde liegenden - Urteil des Gerichtshof Arnhem-Leeuwarden vom 23. Dezember 2022 (AZ 21-003506-19) über A* verhängten Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten (§ 41j Z 1 EU-JZG [ON 1.13]).
Mit dem nun angefochtenen Beschluss sprach das Erstgericht aus, dass die Vollstreckung der in Rede stehenden Freiheitsstrafe, die unter einem mit fünf Jahren und sechs Monaten festgesetzt wurde, übernommen werde. Die Vorhaftzeiten vom 20. Jänner 2017 (0.00 Uhr) bis 31. Jänner 2018 (24.00 Uhr) und vom 28.11.2023, 10.10 Uhr, bis 29.11.2023, 16.45 Uhr, wurden angerechnet (ON 13).
Die dagegen vom Betroffenen erhobene Beschwerde, die auf eine Abweisung des Antrags der Staatsanwaltschaft Salzburg vom 10. Februar 2024 abzielt, ist berechtigt.
Die Vollstreckung von Urteilen anderer EU-Mitgliedstaaten durch Österreich, durch die über die verurteilte Person eine Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende vorbeugende Maßnahme verhängt wurde, wird in den §§ 39 bis 41j EU-JZG geregelt (vgl Wirth/Hinterhofer , WK 2 EU-JZG Vor §§ 39 bis 41j Rz 4).
Nach § 41j Z 1 EU-JZG finden die Bestimmungen des ersten Unterabschnitts des ersten Abschnitts des III. Hauptstücks des EU-JZG mit Ausnahme der §§ 39, 40, 41 Abs 1 Z 1 und 3, 41a Abs 1 Z 3 und Abs 2 bis 8 EU-JZG mit der Maßgabe Anwendung, dass die Vollstreckung für den Fall der nicht fristgerechten Nachreichung, Ergänzung oder Berichtigung der Bescheinigung (Anhang VII) nicht verweigert werden darf, wenn – wie hier – eine österreichische Justizbehörde um die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls gegen einen Unionsbürger, hinsichtlich dessen die Voraussetzungen nach § 5a EU-JZG vorliegen, zum Vollzug einer Freiheitsstrafe ersucht wird und alle sonstigen Voraussetzungen für eine Übergabe des Betroffenen nach dem II. Hauptstück des EU-JZG vorliegen (§ 5 Abs 4 EU-JZG).
Inhaltlich des Bezug habenden Schuldspruchs hat A* am 20. Jänner 2017 in C* (**), jedenfalls in den Niederlanden und/oder der Bundesrepublik Deutschland und/oder in Großbritannien zusammen mit einer oder mehreren anderen Personen vorsätzlich zirka 60 Kilogramm Heroin außerhalb des Staatsgebiets der Niederlande verbracht, indem er mit einem Flugzeug mit der genannten Suchtgiftmenge vom Flugplatz C* abhob, um nach Deutschland und in Richtung Großbritannien zu fliegen (Übersetzung ON 2.22).
Eine Anfrage bei der D* GmbH ergab, dass das von A* pilotierte Flugzeug mit dem Luftfahrtkennzeichen ** zum fraglichen Zeitpunkt in Österreich registriert war (ON 9).
Nach § 6 EU-JZG ist die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls durch eine österreichische Justizbehörde (ua) unzulässig, wenn er sich auf Taten bezieht, die an Bord eines österreichischen Luftfahrzeugs (§ 63 StGB) begangen worden sind. Dies gilt auch dann, wenn die Taten nach österreichischem Recht nicht gerichtlich strafbar sind.
Beschwerderelevant gilt es daher allem voran zu klären, ob A* auf diesen Ablehnungsgrund nach § 6 EU-JZG, wie vom Erstgericht angenommen, wirksam verzichtet hat und damit alle sonstigen Voraussetzungen für eine Übergabe des Betroffenen nach dem II. Hauptstück des EU-JZG vorliegen.
Der Annahme, wonach A* in der Übergabeverhandlung vom 30. Jänner 2024 auf den Ablehnungsgrund des § 6 EU-JZG tatsächlich verzichtet habe, vermag sich das Beschwerdegericht allerdings nicht anzuschließen:
Grundsätzlich sind die im EU-JZG vorgesehenen Ablehnungsgründe für den österreichischen Betroffenen und (iVm § 5a EU-JZG) den aufenthaltsverfestigten Unionsbürger disponibel (§ 5 Abs 6 EU-JZG). Ein Verzicht der betroffenen Person auf Ablehnungsgründe ist gerichtlich zu Protokoll zu nehmen, die Übergabe einer bloß schriftlichen Erklärung an den Richter genügt nicht (vgl Herrnfeld in Göth-Flemmich/Herrnfeld/Kmetic/Martetschläger , Internationales Strafrecht § 5 EU-JZG RZ 12; Schallmoser , WK 2 EU-JZG § 5 Rz 30). Es ist daher der persönlich und deutlich erklärte Wille des Betroffenen erforderlich.
Dieser Anforderung werden die im Rahmen einer durch den Verteidiger im Übergabeverfahren eingebrachten, schriftlichen Stellungnahme (ON 2.25) getätigten Ausführungen, die (lediglich) hilfsweise die Vollstreckung der Freiheitsstrafe in Österreich ansprechen, nicht gerecht. Zudem wurde das Eventualbegehren lediglich für den Fall erstattet, dass die Übergabe nicht – iSd übrigen Vorbringens - ohnehin für unzulässig erklärt würde. Andernfalls es dieses Begehrens nicht bedürfte.
Dass der Verteidiger des Betroffenen in der Übergabeverhandlung vom 30. Jänner 2024 inhaltlich „auf diese Stellungnahme verwies“ (S 2 und 7 in ON 2.26) stellt daher (trotz Protokollierung) ebensowenig einen gültigen Verzicht auf Ablehnungsgründe dar. Im Übrigen wurde eine derartige Erklärung nicht vom Betroffenen selbst abgegeben.
Der angefochtene Beschluss war daher in Stattgabe der Beschwerde dahin abzuändern, dass der auf Vollstreckung der Freiheitsstrafe gerichtete Antrag der Staatsanwaltschaft Salzburg abgewiesen wird.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel mehr zulässig.
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