Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Engljähringer als Vorsitzende, Mag. Hemetsberger und Mag. Kuranda in der Strafsache gegen Mag. A* B* C* wegen des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Steyr vom 23. Jänner 2024, 13 Hv 116/22m-51, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und die über Mag. A* C* mit Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 22. März 2023 zu 13 Hv 116/22m verhängte Strafe gemäß § 31a Abs 1 StGB dahingehend nachträglich gemildert, dass über Mag. A* C* unter Anwendung des § 43a Abs 2 StGB eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen à EUR 35,--, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit 90 Tage Ersatzfreiheitsstrafe sowie eine gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verhängt wird.
BEGRÜNDUNG:
Mit seit 28. März 2023 rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 22. März 2023 wurde der am ** geborene Mag. A* C* des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB, der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB und der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 3 StGB schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem Strafsatz des § 202 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt, wovon gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Teil von zwölf Monaten unter Bestimmung dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Darüber hinaus wurde gemäß § 220b Abs 1 StGB Mag. A* C* die Ausübung einer Tätigkeit als Lehrer für Minderjährige untersagt und gemäß § 369 Abs 1 StPO verpflichtet, der Privatbeteiligten D* Schadenersatz von EUR 2.000,-- binnen 14 Tagen zu bezahlen. Mit ihren darüber hinausgehenden Ansprüchen wurde die Privatbeteiligte gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht mildernd die Unbescholtenheit des Angeklagten, erschwerend dagegen einen langen Tatzeitraum sowie das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit mehreren Vergehen (ON 35).
Noch in der Hauptverhandlung beantragte der Verurteilte Strafaufschub für die Dauer eines Jahres zur Leistung von Schadenersatzzahlungen, wobei auch die Möglichkeit einer nachträglichen Strafmilderung erörtert wurde (ON 35, 5).
Mit Beschluss des Landesgerichts Steyr vom 29. März 2023 wurde der Vollzug des unbedingten Teils der über Mag. A* C* verhängten Freiheitsstrafe im Ausmaß von sechs Monaten gemäß § 6 Abs 1 Z 2 lit a StVG bis zum 13. Mai 2024 antragsgemäß aufgeschoben, um dem Verurteilten die Bildung von finanziellen Rücklagen zur Schadenswiedergutmachung zu ermöglichen (ON 41).
Mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2023 beantragte der Verurteilte die nachträgliche Milderung der Strafe gemäß § 31a StGB in Form einer gänzlich bedingten Strafnachsicht gemäß § 43 Abs 1 StGB. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass er während des Strafaufschubs an die Privatbeteiligte D* nicht nur den zuerkannten Schadenersatzbetrag in Höhe von EUR 2.000,--, sondern insgesamt EUR 4.000,-- geleistet habe. Auch den weiteren Opfern E* F* und G* F* habe der Verurteilte Schadenersatzzahlungen in Höhe von jeweils EUR 1.000,00 angeboten, obwohl sich beide dem Strafverfahren nicht als Privatbeteiligte angeschlossen haben. Auf ein entsprechendes Schreiben des Verurteilten sei jedoch von den Genannten keine Rückäußerung erfolgt. Letztlich habe er sich aufgrund der inkriminierten Vorfälle in psychotherapeutische Behandlung begeben, die er nach wie vor in Anspruch nehme. Seinem Antrag schloss der Verurteilte eine Bestätigung der Überweisung von EUR 4.000,-- an die Vertreter der Privatbeteiligten D* sowie zwei Schreiben an E* F* und G* F* jeweils mit einem Angebot einer Schadenersatzzahlung in Höhe von EUR 1.000,00 sowie mehrere Honorarnoten der Psychotherapeutin DI H* für Therapiesitzungen in der Zeit zwischen 11. Oktober 2022 und 24. Oktober 2023 an (ON 48).
Die Staatsanwaltschaft Steyr äußerte sich unter Verweis auf die schwere Schuld des Verurteilten ablehnend zu dessen Antrag auf nachträgliche Strafmilderung (ON 48, 1).
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 23. Jänner 2024 milderte das Landesgericht Steyr die über Mag. A* C* mit Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 22. März 2023 verhängte teilbedingte Freiheitsstrafe von 18 Monaten gemäß § 31a Abs 1 StGB dahingehend, dass die verhängte Freiheitsstrafe auf 15 Monate herabgesetzt und gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Teil von zwölf Monaten unter Bestimmung dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Die vom Verurteilten tatsächlich geleisteten Zahlungen an die Privatbeteiligte bzw. sein Angebot zur Leistung von Schadenersatz an die beiden weiteren Opfer würden zwar den Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 14 StGB, der ausschließlich auf Vermögensdelikte und nicht auf Sexualdelikte zugeschnitten sei, nicht herstellen, allerdings die Herabsetzung der verhängten Freiheitsstrafe rechtfertigen. Durch die Verbesserung der Spezialprognose ließe sich erwarten, dass die täterbezogenen Strafzwecke durch einen kürzeren unbedingten Strafteil erreicht werden können. Der vom Verurteilten begehrten bedingten Nachsicht der gesamten Strafe gemäß § 43 Abs 1 StGB oder der Umwandlung eines Teils der Freiheitsstrafe in eine Geldstrafe gemäß § 43a Abs 2 StGB stünden jedoch sowohl spezial- als auch generalpräventive Erwägungen entgegen (ON 51).
Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Verurteilten mit dem Antrag, die über ihn verhängte Freiheitsstrafe zur Gänze gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, in eventu einen Teil der Freiheitsstrafe in eine Geldstrafe gemäß § 43a Abs 2 StGB umzuwandeln (ON 53).
Die Beschwerde, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft Linz nicht geäußert hat, ist im Sinne des Eventualbegehrens berechtigt.
Wenn nachträgliche Umstände eintreten oder bekannt werden, die zu einer milderen Bemessung der Strafe geführt hätten, hat das Gericht gemäß § 31a Abs 1 StGB die Strafe angemessen zu mildern. Schadenersatzzahlungen kommen typischerweise als nachträgliche Milderungsumstände in Betracht ( Ratz in Höpfel/Ratz WK 2 StGB § 31a Rz 6). Zutreffend verweist das Erstgericht darauf, dass der besondere Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 14 StGB ausschließlich auf Vermögensdelikte zugeschnitten ist. Allerdings ist die (auch teilweise) Kompensation erlittener Beeinträchtigung auch bei nicht gegen das Rechtsgut des fremden Vermögens gerichteten Delikten im Rahmen der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung gemäß § 32 Abs 2 StGB zu berücksichtigen ( Ebner in Höpfel/Ratz WK 2 StGB § 32 Rz 40).
Die vom Verurteilten an D* geleisteten, über den im Adhäsionserkenntnis des schöffengerichtlichen Urteils zuerkannten Schadenersatzbetrag hinausgehenden, Zahlungen sowie das verbindliche Angebot zur Leistung von Schadenersatz an die weiteren Tatopfer und vor allem die vom Verurteilten freiwillig begonnene Psychotherapie, die er bereits seit 11. Oktober 2022 in nahezu monatlichen Terminen regelmäßig absolviert, rechtfertigen die Annahme, dass der Verurteilte das Unrecht seiner Taten eingesehen hat und gewillt ist, an seinen für die Taten verantwortlichen Persönlichkeitsdefiziten zu arbeiten. Es kann daher berechtigt davon ausgegangen werden, dass – neben einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwölf Monaten – mit einer unbedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen als spürbare Sanktion nunmehr das Auslangen gefunden werden kann, um den Verurteilten, der nicht mehr als Musiklehrer tätig ist und sich in Pension befindet und über den außerdem ein Berufsverbot für die Arbeit mit Minderjährigen verhängt wurde, künftig von der Begehung solcher strafbaren Handlungen abzuhalten. Die vom Beschwerdeführer primär angestrebte Verhängung einer gänzlich bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe käme angesichts der Delikts- und Opfermehrheit einer Bagatellisierung seiner Straftaten gleich und stehen einem solchen Vorgehen daher nicht nur spezialpräventive, sondern vor allem auch generalpräventive Erwägungen entgegen.
Die Höhe des Tagessatzes orientiert sich an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Verurteilten, der eine monatliche Nettopension von EUR 2.480,00 bezieht (ON 50) und für einen studierenden Sohn sorgepflichtig ist (ON 10.5, 3).
Rechtsmittelbelehrung:
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