Rückverweise
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Engljähringer als Vorsitzende, Mag. Hemetsberger und Mag. Kuranda in der Strafsache gegen A* B* wegen Vergehen der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 1 StGB über die Berufung des Angeklagten A* B* wegen Nichtigkeit sowie wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe gegen das Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts Steyr vom 15. September 2023, 17 Hv 58/23p-22, über Antrag der Oberstaatsanwaltschaft (§§ 469, 470 Z 3 StPO iVm § 489 Abs 1 StPO) in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wegen Nichtigkeit wird Folge gegeben;
das angefochtene Urteil, das in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, wird in seinem Schuldspruch und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner übrigen Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch der Angeklagten C* B* enthält, wurde A* B* (offenbar) der Vergehen der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 1 StGB schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 293 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je EUR 81,00, für den Fall deren Uneinbringlichkeit zu 75 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.
Nach dem Schuldspruch hat er in der Zeit ab September 2022 bis Dezember 2022 in ** und anderen Orten des Bundesgebietes in mehreren Angriffen vorsätzlich ein falsches Beweismittel mit dem Vorsatz hergestellt, dass es in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren, nämlich in einem Verfahren zur Kontrolle der Einhaltung der Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 hinsichtlich der Lenk- und Ruhezeiten (§ 102 Abs 1a KFG) verwendet werde, indem A* B* an mehreren Tagen beim Lenken eines LKW die Fahrerkarte Nr. **, ausgestellt auf C* B*, verwendete, wodurch die Lenkzeiten des A* B* auf der Fahrerkarte von C* B* gespeichert und dadurch inhaltlich unrichtige Aufzeichnungen des digitalen Kontrollgerätes hinsichtlich der Lenk- und Ruhezeiten erstellt wurden.
Mit seiner dagegen wegen Nichtigkeit sowie wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe erhobenen Berufung (ON 23) strebt der Angeklagte primär einen Freispruch an.
Die Oberstaatsanwaltschaft Linz beantragte in ihrer Stellungnahme vom 28. Dezember 2023, der Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit Folge zu geben, das (berichtigte) Urteil in seinem Schuldspruch betreffend A* B* und damit auch in seinem Strafausspruch aufzuheben und die Strafsache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Steyr zurückzuverweisen.
Daran anknüpfend ist die Berufung im Sinne des eventualiter (auch) gestellten Kassationsbegehrens berechtigt.
Die Besetzungsrüge (§ 281 Abs 1 Z 1 StPO iVm § 489 Abs 1 StPO) behauptet Ausgeschlossenheit des Erstrichters nach § 43 StPO. Sie sieht den Anschein der Befangenheit (§ 43 Abs 1 Z 3 StPO) darin, dass im angefochtenen Urteil trotz der Unbescholtenheit des Angeklagten wiederholt, nämlich in den Ausführungen zu den persönlichen Verhältnissen (US 3), in den beweiswürdigenden Erwägungen (US 7) und in der Begründung des Ausschlusses eines diversionellen Vorgehens (US 7) auf eine getilgte Vorstrafe Bezug genommen wird.
Die Oberstaatsanwaltschaft führte in ihrer Stellungnahme dazu aus:
Der Angeklagte moniert zutreffend das Vorliegen des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 1 StPO iVm § 489 Abs 1 StPO, weil durch die Heranziehung einer bereits getilgten Vorverurteilung zur Begründung des Schuldspruchs (vgl US 3, 6) und zum Ausschluss eines diversionellen Vorgehens (US 7) trotz des in § 1 Abs 4 TilgG normierten Beweisverbots (vgl Kerth, WK-StPO TilgG § 1 Rz 27ff) äußere Umstände vorliegen, die geeignet sind, bei einem verständig würdigenden objektiven Beurteiler den äußeren Anschein einer Befangenheit iSd § 43 Abs 1 Z 3 StPO, sohin naheliegende Zweifel an der vollen Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des Erstrichters zu erwecken (vgl RIS-Justiz RS0096914, RS0106650; Lässig, WK-StPO Vor §§ 43 bis 47 Rz 5, § 43 Rz 10 und 13; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 132), was Nichtigkeit und Urteilsaufhebung samt Verweisung an das Erstgericht zur Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nach sich zieht.
Diesen Erwägungen ist uneingeschränkt zu folgen.
Ausgeschlossenheit nach § 41 Abs 1 Z 3 StPO liegt vor, wenn ein Richter an eine Rechtssache nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit herantritt, somit eine Hemmung zu unparteiischer Entscheidung durch sachfremde psychologische Motive gegeben ist. Es genügt schon der entsprechende Anschein (RIS-Justiz RS0096914).
Ist eine Verurteilung getilgt, so gilt der Verurteilte gemäß § 1 Abs 4 TilgG fortan als gerichtlich unbescholten, soweit dem nicht eine andere noch ungetilgte Verurteilung entgegensteht. § 1 Abs 4 TilgG stellt ein Beweisthemenverbot dar ( Kerth, WK-StPO TilgG § 1 Rz 27f). Eine getilgte Verurteilung darf auch nicht zur Beurteilung der Täterpersönlichkeit herangezogen werden. Sie darf selbst dann nicht in einem Urteil angeführt werden, wenn sie nicht als erschwerend gewertet wird (vgl Kerth, WK-StPO TilgG § 1 Rz 31 mwN).
Die vom Angeklagten aufgezeigten Umstände sind mit diesen Kriterien nicht vereinbar und daher in Übereinstimmung mit der Oberstaatsanwaltschaft geeignet, bei einem verständig würdigenden objektiven Beurteiler den äußeren Anschein einer Befangenheit zu erwecken.
Daher war das Urteil im angefochtenen Umfang und demgemäß auch im Sanktionsausspruch bereits in nichtöffentlicher Sitzung in Stattgebung der Nichtigkeitsberufung aufzuheben, dem Erstgericht in diesem Umfang die neuerliche Entscheidung aufzutragen und der Angeklagte mit seiner übrigen Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.
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