Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Engljähringer als Vorsitzende, Mag. Hemetsberger und Mag. Kuranda in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über den Einspruch des Angeklagten gegen die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wels vom 4. Juli 2023, 11 St 73/22d (= ON 43 in 9 Hv 35/23h des Landesgerichts Ried im Innkreis), in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:
Dem Einspruch wird teilweise Folge gegeben; das Verfahren gegen A* wird gemäß § 215 Abs 2 StPO in Ansehung von Faktum A. aus dem Grunde des § 212 Z 2 StPO und in Ansehung von Faktum B.II. aus dem Grunde des § 212 Z 1 StPO eingestellt.
Im Übrigen wird der Einspruch abgewiesen.
Die Anklageschrift ist in diesem Umfang (Fakten B.I., C., D. und E.) rechtswirksam.
Begründung:
Die Staatsanwaltschaft Wels legt dem am ** geborenen A* rechtlich dem Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 5, Abs 1a erster Satz WaffG iVm § 2 StGB (A.), dem Vergehen der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB, teils in Verbindung mit § 2 StGB (B.I. und II.), dem Verbrechen der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 (richtig: iVm § 161 Abs 1) StGB (C.), dem Vergehen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1, Abs 5 (iVm § 161 Abs 1) StGB (D.I. und II.) sowie dem Vergehen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 2, Abs 5 (iVm § 161 Abs 1) StGB (E.) subsumierte Handlungen zur Last.
Nach dem Anklagetenor habe A* seit zumindest 2017 in ** (Sitz der B* Handels GmbH) als Alleingeschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der B* Handels GmbH (FN **, LG Ried im Innkreis)
A. bis Ende 2020 Schusswaffen der Kategorie B Menschen vorsätzlich überlassen, die zu deren Besitz nicht befugt waren, wobei er die mit Strafe bedrohte Handlung in Bezug auf eine größere Anzahl von Schusswaffen beging, indem er die zur Kontrolle und Erhaltung des Vorratsvermögens (welches mitunter Waffen der Kategorie B, Waffenbauteile und Baugruppen für Waffen der Kategorie B umfasste) erforderlichen unternehmerischen Maßnahmen trotz Kenntnis hoher Fehlbestände auch bei Waffen der Kategorie B seit zumindest Februar 2015 und einer ihn im Besonderen durch die Rechtsordnung (§§ 20, 28 WaffG) treffenden Verpflichtung als Alleingeschäftsführer einer auf Waffenhandel und -herstellung spezialisierten Gesellschaft zu etablieren unterließ (Einführung von Kontrollmaßnahmen im Zusammenhang mit der Vorrätebewirtschaftung sowie eines manipulationssicheren Warenwirtschaftssystems zur Vermeidung von Fehlbeständen, sichere und nachvollziehbar dokumentierte Verwahrung der Waffen usw) und stattdessen es für möglich hielt und sich billigend damit abfand, dass weiterhin oben bezeichnetes Vorratsvermögen unkontrolliert und unbemerkt von nicht mehr feststellbaren Personen entnommen werden konnte, sodass insgesamt 200 bis 300 Stück von der B* Handels GmbH hergestellte bzw gehandelte (gebrauchsfertige) Faustfeuerwaffen des Typs C* im Kaliber 22 Ir (Waffen der Kategorie B) ohne Beschuss und Seriennummer aus dem Vorratsvermögen der B* Handels GmbH entnommen und dadurch auf nicht mehr feststellbare Weise an Menschen überlassen wurden, die zu deren Besitz nicht befugt waren;
B. bis 23. April 2018 (Einbringungsdatum des Antrags auf Eröffnung eines Sanierungsverfahrens über das Vermögen der B* Handels GmbH) seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch den anderen, nämlich die B* Handels GmbH sowie die Mitgesellschafterin D* E* F*, welche seit März 2012 an der B* Handels GmbH mit 5% des Stammkapitals (Stammeinlage von EUR 1.750,00) beteiligt war, am Vermögen geschädigt, wobei er durch die Tat einen EUR 5.000,00 übersteigenden Schaden herbeiführte, indem er
I. das Gesellschaftsvermögen der B* Handels GmbH ohne werthaltige Gegenleistung verringerte und unter anderem EUR 45.500,00 für private Zwecke ohne Gegenleistung aus dem Gesellschaftsvermögen entnahm bzw die Gesellschaft in dieser Höhe für private Zwecke rechtsgeschäftlich verpflichtete sowie Waren im Gesamtwert von etwa EUR 49.178,00 ohne Gegenleistung für sich entnahm, an Dritte ohne Gegenleistung veräußerte („verschenkte“) oder die Einnahmen aus dem Warenverkauf an Dritte nicht in das Gesellschaftsvermögen rückführte und persönlich vereinnahmte;
II. trotz verpflichtendem Umlaufbeschluss der Gesellschafter vom 26. Juni 2017 und entgegen den Bestimmungen des GmbHG, sohin einer ihn im Besonderen durch die Rechtsordnung treffenden Verpflichtung, es unterließ, eine Gewinnausschüttung an die Mitgesellschafterin D* E* F* zu leisten, wodurch dieser ein Schaden von bis zu EUR 9.932,50 entstand (5% von EUR 274.000,00 Gewinnausschüttung vor Abzug der KESt);
C. bis 23. April 2018 Bestandteile des Vermögens der B* Handels GmbH beiseite geschafft oder sonst ihr Vermögen wirklich verringert und dadurch die Befriedigung der Gläubiger dieser Gesellschaft zumindest geschmälert, und zwar indem er insgesamt EUR 18.950,00 nach dem Zeitpunkt des Eintrittes der (subjektiven) Zahlungsunfähigkeit der B* Handels GmbH am 15. Jänner 2018 aus dem Vermögen der B* Handels GmbH ohne werthaltige Gegenleistung bzw für private Zwecke entnahm und hierdurch die Befriedigung der Gläubiger der genannten Gesellschaft zumindest schmälerte (in Höhe von EUR 18.950,00 abzüglich der Quote von 20%, sohin EUR 15.160,00);
D. bis 23. April 2018 grob fahrlässig seine Zahlungsunfähigkeit dadurch herbeigeführt, dass er kridaträchtig handelte, indem er entgegen den Grundsätzen ordentlichen Wirtschaftens bedeutende Bestandteile des Gesellschaftsvermögens der B* Handels GmbH verschleudert oder verschenkt und übermäßigen, mit den Vermögensverhältnissen der Gesellschaft oder deren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit in auffallendem Widerspruch stehenden Aufwand betrieb sowie geeignete und erforderliche Kontrollmaßnahmen, die ihm einen Überblick über die wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der von ihm geführten Gesellschaft verschafft hätte, unterließ, indem er unter anderem
I. die unter Punkt A. beschriebenen geeigneten und erforderlichen Kontrollmaßnahmen (insb. hinsichtlich des Vorratsvermögens) zu setzen unterließ, welche erforderlich gewesen wären, um einen Überblick über die wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der B* Handels GmbH zu erlangen;
II. die Finanzierung des Betriebsgebäudes der B* Handels GmbH entgegen den Vermögensverhältnissen der Gesellschaft gestaltete (zu hohes Finanzierungs- und Haftungsrisiko der Gesellschaft; zu kurzfristige und nachteilige Finanzierung über die G* GmbH, welche zu nicht fremdüblichen Finanzierungskonditionen erfolgte), wodurch der B* Handels GmbH ein Schaden von mindestens rund EUR 43.500,00 entstand;
E. im Zeitraum vom 15. Jänner 2018 bis 23. April 2018 in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit grob fahrlässig die Befriedigung wenigstens eines seiner Gläubiger durch kridaträchtiges Handeln vereitelt oder geschmälert, indem er nach dem Zeitpunkt des Eintrittes der (subjektiven) Zahlungsunfähigkeit der B* Handels GmbH am 15. Jänner 2018 gegenüber Lieferanten neue Verbindlichkeiten in Höhe von rund EUR 312.000,00 begründete, obwohl ihm zu diesem Zeitpunkt die eingetretene Zahlungsunfähigkeit der B* Handels GmbH bereits bekannt war, weil zahlreiche bereits zu diesem Zeitpunkt überfällige Ansprüche gegenüber Lieferanten bis zur Eröffnung des Sanierungsverfahrens nicht mehr beglichen wurden, sodass diese Aufwände mit den Vermögensverhältnissen der Gesellschaft oder deren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit in auffallendem Widerspruch standen.
Gegen die unter Punkt A. (§ 50 Abs 1 Z 5, Abs 1a erster Satz WaffG iVm § 2 StGB), B.II. (Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB iVm § 2 StGB) und C. (betrügerische Krida nach § 156 Abs 1 StGB) der Anklageschrift dargestellten strafbaren Handlungen richtet sich der auf § 212 Z 1 StPO (hinsichtlich der Anklagepunkte B.II. und C.) und auf § 212 Z 1, 2 und 3 StPO (hinsichtlich des Anklagepunkts A.) gestützte Einspruch des Angeklagten, mit dem dieser im Umfang der beeinspruchten, unter Anklage gestellten strafbaren Handlungen die Einstellung des Strafverfahrens begehrt (ON 44).
Der Einspruch, zu dem die Oberstaatsanwaltschaft Linz nicht Stellung genommen hat, ist teilweise berechtigt.
Gemäß § 210 Abs 1 StPO ist Voraussetzung für die Einbringung einer Anklage durch die Staatsanwaltschaft (unter anderem) das „Naheliegen“ einer Verurteilung aufgrund ausreichend geklärten Sachverhalts. Ausreichend geklärter Sachverhalt bedeutet, dass entsprechend dem Grundsatz der materiellen Wahrheit (§ 3 StPO) die Strafverfolgungsorgane alle be- und entlastenden Tatsachen, die für die Beurteilung der Tat und des Angeklagten von Bedeutung sind, sorgfältig ermittelt haben, sodass sie sich ein objektives Bild darüber machen können, wie sich die verfahrensgegenständliche Tat zugetragen hat. Weiters muss aufgrund des ausreichend ermittelten Sachverhalts eine Verurteilung naheliegen (Verurteilungswahrscheinlichkeit). Dazu muss ein einfacher Tatverdacht bestehen, was bedeutet, dass vom Gewicht der be- und entlastenden Indizien her bei der Gegenüberstellung mit einfacher Wahrscheinlichkeit ein Schuldspruch zu erwarten sein muss. Dabei kommt es ausschließlich auf den Tatverdacht an und nicht auf Rechtsfragen ( Birklbauer in Fuchs/Ratz, WK StPO § 210 Rz 4f).
Nach § 212 Z 1 StPO steht dem Angeklagten gegen die Anklageschrift Einspruch zu, wenn die zur Last gelegte Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist oder sonst ein Grund vorliegt, der die Verurteilung des Angeklagten aus rechtlichen Gründen ausschließt. Sonstige rechtliche Gründe umfassen materiell-rechtliche Schuldausschließungsgründe, Rechtfertigungsgründe, Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe, aber auch verfahrensrechtliche Verfolgungshindernisse iSd § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO ( Fabrizy/Kirchbacher StPO 14 § 212 Rz 2). Dass die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist, betrifft die Rechtsfrage, ob der angeklagte Sachverhalt als prozessualer Tatbegriff – hypothetisch als erwiesen angenommen – unter den Tatbestand zumindest einer gerichtlich strafbaren Handlung zu subsumieren wäre ( Birklbauer in Fuchs/RatzWK StPO § 212 Rz 4).
Zutreffend wendet der Angeklagte in Bezug auf das Anklagefaktum B.II. ein, dass der ihm dort zur Last gelegte Lebenssachverhalt – hypothetisch als erwiesen angenommen – nicht unter den Tatbestand der Untreue nach § 153 StGB subsumierbar ist.
§ 153 StGB schützt das Vermögen des wirtschaftlich Berechtigten – das ist oft, aber nicht zwingend der Machtgeber – gegen Angriffe durch rechtliches Handeln des Machthabers. Maßgebend ist der wirtschaftliche Vermögensbegriff. Das Vermögen anderer Personen, beispielsweise jenes von Geschäftspartnern oder Gläubigern, wird nicht erfasst. Es ist ein Charakteristikum der Untreue, dass der Vermögensnachteil demjenigen, über dessen Vermögen der Täter verfügt oder den zu verpflichten er befugt ist, erwächst. Die Untreue schützt die Beziehungen zwischen Vertreter und Vertretenen und geht nicht auf Interessen dritter Personen ein. Ein Vertrags- oder Treuebruch als solcher bildet kein Schutzobjekt des § 153 StGB. Die Strafbestimmung zielt auf Verhaltensweisen ab, durch die der Inhaber einer nach außen wirksam gewährten Verfügungsmacht sich bewusst über die im Innenverhältnis gezogenen Schranken hinwegsetzt und demgemäß im Rahmen des durch seine Machthaberposition bestehenden rechtlichen Könnens gegen sein rechtliches Dürfen verstößt ( Kirchbacher/Sadoghi in Höpfel/RatzWK² StGB § 153 Rz 1 mwN). Nimmt man Kapitalgesellschaften und deren Organe in den Blick, ist nach dem in Bezug auf Untreue üblichen Sprachgebrauch der Geschäftsführer einer GmbH (§§ 15ff GmbHG) Machthaber, die GmbH hingegen Machtgeberin. Die Rechtsprechung bekennt sich seit langem dazu, dass das österreichische Vermögensstrafrecht, wie eingangs erwähnt, von einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise ausgeht. Bei einer Untreue zu Lasten einer GmbH ist aber nicht der Schaden der Gesellschafter maßgebend, sondern jener der Gesellschaft als eigenem Rechtssubjekt ( Kirchbacher/Sadoghi in Höpfel/RatzWK² StGB § 153 Rz 2/1 und Rz 2/9ff).
Indem die Anklage dem Einspruchswerber vorwirft, er habe seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch die Mitgesellschafterin D* F* geschädigt, weil er es trotz verpflichtendem Umlaufbeschluss der Gesellschafter vom 26. Juni 2017 und entgegen den Bestimmungen des GmbHG unterlassen habe, eine Gewinnausschüttung an die Genannte zu leisten, unterstellt sie ihm freilich eine Vermögensschädigung zum Nachteil eines Dritten, nämlich der Mitgesellschafterin D* F*, über deren Vermögen der Angeklagte nicht verfügte und bei der es sich nicht um seine Machtgeberin iSd § 153 StGB handelte. Mit dem unter Anklage gestellten Lebenssachverhalt, hypothetisch als wahr angenommen, nämlich der Nichtvornahme einer Gewinnausschüttung an die Mitgesellschafterin, kann ein Schaden zum Nachteil der Gesellschaft als eigenständigem Rechtssubjekt vielmehr schon begrifflich gar nicht eingetreten sein. Damit scheidet eine Verurteilung des Angeklagten diesbezüglich (B.II.) bereits aus rechtlichen Gründen iSd § 212 Z 1 StPO aus, sodass in diesem Umfang das Verfahren gegen ihn gemäß § 215 Abs 2 StPO einzustellen war.
Demgegenüber haftet der Anklage ein solcher Rechtsfehler, dem Einspruchsvorbringen zuwider, in Bezug auf den Vorwurf des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB (C.) nicht an:
Der Anklagebegründung ist zu entnehmen, dass auf Basis des Sachverständigengutachtens Dr. H*I* davon auszugehen sei, dass der Angeklagte aus dem Gesellschaftsvermögen erhebliche Entnahmen tätigte, denen keine werthaltige Gegenleistung gegenüber gestanden sei. Demnach habe er im Zeitraum vom 1. Jänner 2015 bis 23. April 2018 Entnahmen aus der Gesellschaft im Gesamtwert von rund EUR 94.600,00 ohne werthaltige Gegenleistung getätigt. Darin enthalten sei ein Betrag von rund EUR 18.950,00, den der Angeklagte nach dem Zeitpunkt des Eintritts der subjektiven Zahlungsunfähigkeit (wenngleich letztere nicht Tatbestandsmerkmal des § 156 Abs 1 StGB ist: RIS-Justiz RS0094831; Kirchbacher in Höpfel/RatzWK² StGB § 156 Rz 1 mN) über sein Verrechnungskonto entnommen habe. Wenn nun der Angeklagte unter Darlegung der Rechtsnatur eines sogenannten Verrechnungskontos einwendet, seinen über dieses Verrechnungskonto verbuchten Entnahmen sei eine werthaltige Forderung der Gesellschaft gegenüber gestanden, weil dem Insolvenzverwalter laut Bericht vom 13. Juni 2018 ein Sparbuch mit einer Einlage von EUR 30.000,00 „von dritter Seite“ zur Verfügung gestellt worden sei, behauptet er im Ergebnis einen präsenten Deckungsfonds, dessen Existenz allerdings mangels eines erforderlichen Vorsatzes auf unrechtmäßige Bereicherung in § 156 StGB nicht strafbefreiend wirken könnte. Eine solche wäre im Übrigen nur dann auszuschließen, wenn der Täter im Zeitpunkt der Zueignungshandlung zum sofortigen oder zumindest unverzüglichen Ersatz willens und auch fähig war, was der Einspruchswerber aber selbst nicht behauptet.
Betrügerische Krida nach § 156 Abs 1 StGB ist vollendet, sobald feststeht, dass ein Gläubiger infolge eines wirklich oder scheinbar Vermögen verringernden Verhaltens des Schuldners oder eines Beteiligten eine Forderung nur zum Teil oder gar nicht beglichen erhält. Die Tathandlung muss damit eine Ursache dafür sein, dass zumindest ein Gläubiger effektiv einen Befriedigungsausfall erleidet. In dem Begriff „schmälern“ iS einer Teilvereitelung kommt zum Ausdruck, dass das Gesetz für die Tatvollendung die Forderungsinitiative eines Gläubigers voraussetzt. Dem Hereinbringungswillen des Gläubigers steht bei tatsächlicher Vermögensverringerung die faktische Unmöglichkeit der vollen Forderungsbefriedigung gegenüber (vgl Kirchbacher in Höpfel/RatzWK² StGB § 156 Rz 19 und 19/1). Dem Einspruchsvorbringen zuwider ist daher der Befriedigungsausfall des Gläubigers nicht mit der Quote, die er im Ausgleichsverfahren erhalten hat, zu vergleichen, sondern gilt die tatsächliche Vermögensverringerung, gemessen an der vollen Forderung vor Einleitung des Sanierungsverfahrens. Davon ist dann jener Betrag abzuziehen, den der Gläubiger im Wege des Ausgleichs oder Konkurses erhalten hat, wie dies die Staatsanwaltschaft auch – im Anklagetenor dargestellt – errechnet hat. Hier ist zu berücksichtigen, dass der Angeklagte nach dem Gutachten des Buchsachverständigen Dr. I* (ON 37.1) einerseits eine mit den wirtschaftlichen Verhältnissen in auffallendem Widerspruch stehende Geschäftsgebarung getätigt habe, die mitursächlich für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit gewesen sei, und dass er anderseits im Zeitraum vom 1. Jänner 2015 bis 23. April 2018 Entnahmen aus der Gesellschaft getätigt, darunter einen Betrag von rund EUR 18.950,00 nach dem Zeitpunkt des Eintritts der subjektiven Zahlungsfähigkeit über sein Verrechnungskonto behoben habe; davon wurde den Gläubigern im Sanierungsverfahren eine 20%-ige Quote zugesprochen, sodass der Befriedigungsausfall letztlich 80% beträgt.
Auch im Übrigen sind die dem Angeklagten zur Last gelegten Lebenssachverhalte als prozessualer Tatbegriff – hypothetisch als erwiesen angenommen – unter die jeweils im Anklagetenor angeführten Tatbestände (mit Ausnahme Faktum B.II.) subsumierbar.
Nach § 212 Z 2 StPO ist eine Anklage unzulässig und das Verfahren einzustellen, wenn Dringlichkeit und Gewicht des Tatverdachts trotz hinreichend geklärten Sachverhalts nicht ausreichen, um eine Verurteilung des Angeklagten auch nur für möglich zu halten und von weiteren Ermittlungen eine Intensivierung des Verdachts nicht zu erwarten ist. Um der Einspruchsentscheidung des erkennenden Gerichts nicht vorzugreifen, kommt eine Einstellung des Verfahrens durch das Oberlandesgericht freilich nur dann in Betracht, wenn es der Überzeugung ist, dass der Angeklagte der Tat keinesfalls überwiesen werden könne, dass somit Dringlichkeit und Gewicht des Tatverdachts trotz eingehender Ermittlungen nicht ausreichen, bei lebensnaher Betrachtung eine Verurteilung auch nur (entfernt) für möglich zu halten. Solange irgendeine Möglichkeit besteht, Zweifel durch weitere Beweisaufnahme zu klären, ist ausschließlich § 212 Z 3 StPO anzuwenden, demzufolge das Oberlandesgericht die Anklage zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts (bloß) zurückzuweisen hat ( Fabrizy/Kirchbacher StPO 14§ 212 Rz 4). Der Bereich zwischen Verurteilungsmöglichkeit und -wahrscheinlichkeit berechtigt das Oberlandesgericht bei ausermitteltem Sachverhalt also nicht zu einer endgültigen Verfahrenseinstellung nach § 212 Z 2 iVm § 215 Abs 2 StPO. Dem Oberlandesgericht kommt gleichsam eine Missbrauchskontrolle nur in jenen Fällen zu, in denen die Staatsanwaltschaft anklagt, obwohl so gut wie überhaupt keine Verurteilungsmöglichkeit besteht. Ansonsten ist über die erhobenen Vorwürfe bei vorhandener Verurteilungsmöglichkeit in der Hauptverhandlung zu entscheiden ( Birklbauer in Fuchs/RatzWK StPO § 212 Rz 19 mwN).
Die Anklage legt A* zu A. das Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 5, Abs 1a erster Satz WaffG iVm § 2 StGB zur Last und führt begründend aus, dass dem Angeklagten als Alleingeschäftsführer spätestens seit Februar 2015 laufend und wiederholt von den MitarbeiterInnen der B* mitgeteilt worden sei, dass erhebliche Fehlbestände im Vorratsvermögen der B* zu verzeichnen gewesen seien, der Angeklagte aber dennoch seit Mitte 2017 keine zweckmäßigen Maßnahmen gesetzt habe, um diesen Schwund zu verhindern. Dadurch seien insgesamt 200 bis 300 Stück von der Gesellschaft hergestellte bzw gehandelte Faustfeuerwaffen des Typs C* im Kaliber 22 Ir ohne Beschuss und Seriennummer aus dem Vorratsvermögen der B* entnommen und auf nicht mehr feststellbare Weise an Menschen überlassen worden, die zu deren Besitz nicht befugt gewesen seien.
Nach § 50 Abs 1 Z 5 WaffG ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen, wer, wenn auch nur fahrlässig, Schusswaffen der Kategorie B, verbotene Waffen oder Kriegsmaterial (ausgenommen Gewehrpatronen mit Vollmantelgeschoß) einem Menschen überlässt, der zu deren Besitz nicht befugt ist. Nach § 50 Abs 1a erster Satz WaffG ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen, wer vorsätzlich eine oder mehrere der in Abs 1 mit Strafe bedrohten Handlungen in Bezug auf eine größere Zahl von Schusswaffen oder Kriegsmaterial begeht.
§ 28 Abs 1 WaffG statuiert ein Verbot dahingehend, dass genehmigungspflichtige Schusswaffen nicht Unbefugten überlassen werden dürfen. Hierbei bedeutet „Überlassen“ die Ermöglichung des Hantierens mit der Waffe. § 50 Abs 1 Z 5 WaffG zieht den Überlassenden zur strafrechtlichen Verantwortung, weil nur an Personen, die Inhaber eines gültigen Waffenpasses oder einer Waffenbesitzkarte sind, Schusswaffen der Kategorie B überlassen werden dürfen. Wesentliches objektives Tatbestandsmerkmal ist daher, dass derjenige, dem eine Schusswaffe der Kategorie B überlassen wurde, sei es aktiv oder durch Unterlassen der erforderlichen Kontrollmaßnahmen, nicht im Besitz eines gültigen Waffenpasses oder einer Waffenbesitzkarte ist (vgl Bruckmüller in Höpfel/RatzWK² WaffG § 50 Rz 45; S. Stricker in Leukauf/Steininger, Strafgerichtliche Nebengesetze³ § 50 WaffG Rz 72). Indem nun die Anklagebehörde selbst davon ausgeht, dass Schusswaffen der Kategorie B unkontrolliert und unbemerkt von nicht mehr feststellbaren Personen entnommen und dadurch auf nicht mehr feststellbare Weisean Menschen überlassen worden seien, die zu deren Besitz – waffenrechtlich – nicht befugt gewesen seien, ist aber die Frage der Erweislichkeit zumindest eines solchen tatbildlichen Überlassungsgeschehens, gemeint in Form der Erlangung des Waffengewahrsams durch einen solcherart Unbefugten aus dem faktischen Herrschaftsbereich des Angeklagten heraus, aufgeworfen. Zwar deutet ein Bericht des J* darauf hin (ON 27.4), dass insgesamt 26 Schusswaffen des österreichischen Herstellers B* Modell C* ** ohne Seriennummer und Beschusszeichen schwerpunktmäßig im **-Gebiet sichergestellt worden seien und einzelne Bezüge ins Rotlicht- und Rockermilieu vorlägen. Aus dieser Mitteilung gehen jedoch lediglich Orte und konkrete Anlässe der Sicherstellung solcher Waffen hervor, nicht aber Informationen über die bis dorthin stattgefundenen Übertragungswege. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist dem Einwand des Einspruchswerbers, es sei unter Plausibilitätsaspekten keineswegs auszuschließen, dass die umstrittenen Waffen aus dem Vorratsvermögen der B* durch, mit den örtlichen Gegebenheiten vertraute Personen in Besitz genommen worden sein könnten, die Berechtigung nicht gänzlich abzusprechen. Anhaltspunkte, dass von weiteren Ermittlungen noch eine Intensivierung des Verdachts zu erwarten wäre, der Angeklagte habe mit dem geforderten Tatvorsatz durch pflichtwidrige Unterlassung der ihn treffenden Aufsichts- und Kontrollaufgaben zumindest eine der inkriminierten Schusswaffen zumindest einer Person unmittelbar überlassen, die nicht zum Besitz einer solchen Waffe befugt war, fehlen. Da demnach im Sinn des § 212 Z 2 StPO Dringlichkeit und Gewicht des Tatverdachts nicht ausreichen, um eine Verurteilung des Angeklagten wegen des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 5, Abs 1a erster Satz WaffG auch nur für möglich zu halten, war das Verfahren in diesem Umfang nach § 215 Abs 2 StPO endgültig einzustellen.
Im Übrigen bringt die Anklageschrift den entscheidungswesentlichen Sachverhalt in Übereinstimmung mit den Ermittlungsergebnissen, darin insbesondere dem Gutachten des Buchsachverständigen Dr. I* sowie den Angaben der Zeugen K*, L*, M* F*, N*, D* E* F*, O*, P*, Q* R* und S* R* ausreichend zur Darstellung und sind die dem Angeklagten in den Anklagepunkten B.I., C., D. und E. zur Last gelegten Verbrechen und Vergehen sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht ausreichend indiziert.
Inwieweit letztlich die der Anklagebegründung zu entnehmenden Belastungsmomente zu verifizieren sein und ausreichen werden, den Angeklagten im Sinne der Anklage zu überführen, muss dem erkennenden Gericht nach dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung vorbehalten bleiben, dem durch die Einspruchsentscheidung nicht vorzugreifen ist (§ 215 Abs 5 StPO). Da keine formellen Mängel der Anklageschrift bestehen und demnach auch keine Einspruchsgründe des § 212 Z 4 bis 7 StPO vorliegen, war der Einspruch – über die mit dieser Entscheidung eingestellten Tatvorwürfe (A. und B.II.) hinaus – abzuweisen und diesbezüglich die Rechtswirksamkeit der Anklage festzustellen.
Rechtsmittelbelehrung:
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