Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richter Dr. Winsauer als Vorsitzenden, Dr. Mor bitzer und Mag. a Reinberg in der Strafsache gegen J***** S***** und andere Personen wegen des Vergehens der Ketten- oder Pyramidenspiele nach § 168a Abs 1 Z 2 und Abs 2 StGB über die Beschwerden der Leiterin der Gerichtsabteilung 29 des Landesgerichtes Salzburg als Vorsitzende des Schöffengerichts und der Angeklagten C***** W***** jeweils gegen den Be schluss des Einzelrichters des Landesgerichts Salzburg vom 29. November 2012, 40 Hv 14/12a-169, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:
I. Die Beschwerde der Leiterin der Gerichtsabteilung 29 des Landesgerichtes S alz burg wird als unzulässig zurückgewiesen .
II. Der Beschwerde der Angeklagten C***** W***** wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss ersatzlos aufgehoben .
BEGRÜNDUNG:
Die Staatsanwaltschaft Salzburg führte zu 19 St 412/08t gegen mehrere Personen ein Ermittlungsverfahren wegen des Vergehens von Ketten- oder Pyramidenspielen gemäß § 168a StGB und weiterer strafbarer Handlungen. Am 5. April 2012 erhob sie Anklage gegen E***** B*****, M***** B*****, G***** G*****, H***** E***** und B***** G***** wegen des Vergehens der Ketten- oder Pyramidenspiele nach § 168a Abs 1 Z 2 und Abs 2 StGB sowie des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB und beantragte die Anordnung einer Hauptverhandlung vor dem Landesgericht Salzburg als Schöffengericht. Diese Anklageschrift langte am 5. April 2012 beim Erstgericht ein (vgl 29 Hv 50/12i-167).
Am selben Tag übermittelte die Staatsanwaltschaft Salzburg auch dem Einzelrichter des Landesgerichtes Salzburg einen am 4. April 2012 erhobenen Strafantrag gegen J***** S*****, R***** F*****, C***** W*****, G***** G***** und K***** B***** wegen des Vergehens der Ketten- oder Pyramidenspiele nach § 168 Abs 1 Z 2 und Abs 2 StGB und beantragte die Anordnung einer Hauptverhandlung - bezogen auf diese Angeklagte - vor dem Einzelrichter des Landesgerichtes Salzburg (vgl S 1 in ON 1).
Vor Anordnung der Hauptverhandlung beschloss der Einzelrichter des Landesgerichtes Salzburg am 10. April 2012 die Abtretung des Verfahrens gemäß § 37 StPO zur Einbeziehung in das Verfahren 29 Hv 50/12i des Landesgerichtes Salzburg, weil zu dieser Aktenzahl ein konnexes, am selben Tag von der Staatsanwaltschaft Salzburg eingebrachtes Schöffenverfahren anhängig sei (vgl S 1h in ON 1). Eine Beschlussausfertigung wurde den Verfahrensparteien nicht zugestellt.
Am 21. November 2012 retournierte die Vorsitzende des Schöffengerichts dieses Verfahren an den Einzelrichter mit dem Hinweis, dass eine wegen sachlichen Zusammenhangs gemeinsame Verfahrensführung nur bei gleichzeitiger (einmaliger) Anklageerhebung möglich sei und das Gesetz - anders als § 56 StPO idF BGBl I 1993/526 - eine Verbindung von auf verschiedenen Anklagen basierenden Hauptverfahren nur im Fall einer hier nicht vorliegenden subjektiven Konnexität vorsehe.
Mit dem angefochtenen Beschluss trat der Einzelrichter des Landesgerichtes Salzburg das Verfahren zur Einbeziehung in das Verfahren zu 29 Hv 50/12i des Landesgerichtes Salzburg neuerlich gemäß § 37 StPO ab, fertigte diesmal den Beschluss aus und stellte ihn den Verfahrensparteien zu (ON 169, 172).
Am 5. Dezember 2012 erhob die Leiterin der Gerichtsabteilung 29 als Vorsitzende des für die Erledigung der Anklageschrift zu 19 St 412/08t zuständigen Schöffengerichts eine Be schwerde gegen diesen Beschluss, ebenso wie nunmehr die Angeklagte C***** W*****, der der angefochtene Beschluss am 3. Jänner 2013 zugestellt worden war (ON 170, 174).
Die Beschwerde der Leiterin der Gerichtsabteilung 29 ist nicht zulässig; jene der Angeklagten C***** W***** ist berechtigt.
Nach § 87 Abs 1 StPO steht unter anderem jeder anderen Person, der durch den Beschluss unmittelbar Rechte verweigert werden oder Pflichten entstehen oder die von einem Zwangsmittel betroffen sind, gegen einen Beschluss Beschwerde an das Rechtsmittelgericht zu, soweit das Gesetz im Einzelnen nichts anderes bestimmt. Die Leiterin der Gerichtsabteilung 29 des Landesgerichtes Salzburg hat ihre Beschwerdelegitimation daraus abgeleitet, dass ihr durch die Einbeziehung des Strafantrags in das Verfahren 29 Hv 50/12i des Landesgerichtes Salzburg Pflichten iSd § 87 Abs 1 StPO entstehen würden. Nach den Gesetzesmaterialien zu § 87 Abs 1 StPO sollen jedoch neben dem Beschuldigten und der Staatsanwaltschaft jene Personen zur Beschwerde legitimiert sein, in deren subjektive Rechte durch die Bewilligung von Zwangsmitteln eingegriffen wird oder die von der Bewilligung der Anordnung von Zwangsmitteln unmittelbar betroffen sind (vgl Schwaighofer, Die neue Strafprozessordnung, S 191).
Unzweifelhaft ist damit nicht die Vorsitzende des gemäß § 32 Abs 1 StPO zuständigen Schöffengerichts gemeint, weil sie keine „andere Person“ gemäß § 87 Abs 1 StPO ist, der Pflichten im Sinn des § 87 Abs 1 StPO entstehen können. Als Vorsitzende des Schöffengerichts (§ 32 Abs 1 StPO) obliegt ihr lediglich - unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht nach § 57 RStDG - das Strafverfahren dem Gesetz entsprechend durchzuführen. Zudem steht der Vorsitzenden des Schöffengerichts durch § 38 StPO die Möglichkeit offen, die Klärung der sachlichen Zuständigkeit durch eine Entscheidung des gemeinsam übergeordneten Gerichts zu erwirken.
Zur Beschwerde der Angeklagten ist auszuführen, dass - so wie die Vorsitzende des Schöffengerichts bereits darauf hingewiesen hat - eine gemeinsame Hauptverhandlung des von der Anklageschrift und des Strafantrags der Staatsanwaltschaft Salzburg betroffenen Personen vor dem Landesgericht Salzburg als Schöffengericht nicht mehr möglich ist. Entgegen der Meinung des Einzelrichters des Landesgerichtes Salzburg, wonach nicht nur ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den beiden Verfahren gegeben sei, sondern darüber hinaus auch noch zahlreiche "Mittäterschaften im Sinne zeitgleicher, ineinander verstrickter, arbeitsteiliger Ausführungshandlungen" zum Nachteil derselben mutmaßlichen Opfer bestehen würden (S 2 in ON 169) und nach den Gesetzesmaterialien die gemeinsame und somit ökonomische Führung von zusammentreffenden Strafverfahren die Regel sein sollte, ist nach § 37 StPO im Hauptverfahren eine Zuständigkeit kraft Zusammenhangs (nur) dann gegeben, wenn entweder (§ 37 Abs 1 StPO) im Fall subjektiver, objektiver oder subjektiv-objektiver Konnexität sowie engem sachlichen Zusammenhang ( Fabrizy StPO 10 § 37 Rz 1) gleichzeitig (d.h. einmalig) Anklage erhoben wird (Abs 1 leg cit) oder aber (Abs 3 leg cit) im Falle des Vorliegens verschiedener Anklagen zum Zeitpunkt des Rechtswirksamwerdens einer Anklage ein anderes (auf einer anderen Anklage beruhendes) Hauptverfahren gegen denselben Angeklagten (bereits und auch noch immer) anhängig ist. Nur im letztgenannten Fall (subjektiver Konnexität) sind diese bis dahin getrennt geführten Verfahren durch das Gericht zu verbinden. Eine Verbindung von auf verschiedenen Anklagen basierenden Hauptverfahren ausschließlich aufgrund objektiver Konnexität oder engen sachlichen Zusammenhangs sieht das Gesetz - anders als nach § 56 StPO idF BGBl 1993/526 - nicht (mehr) vor (vgl 15 Ns 38/09w, 12 Os 77/09d).
Fallbezogen wurde das Hauptverfahren jeweils gegen fünf verschiedene Angeklagte am 5. April 2012 durch Einbringen einer Anklageschrift beim Vorsitzenden des Schöffengerichts bzw eines Strafantrags beim Einzelrichter jeweils des Landesgerichtes Salzburg begonnen (vgl Birklbauer/Mayrhofer , WK-StPO § 210 Rz 2).
Ohne subjektive Konnexität ist daher die Verbindung der auf verschiedenen Anklagen basierenden Hauptverfahren trotz Vorliegens objektiver Konnexität oder eines engen sachlichen Zusammenhangs nach § 37 Abs 1 StPO nicht mehr möglich.
RECHTSMITTELBELEHRUNG:
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
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