Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Dampf als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. a Hagen und Mag. a Obwieser als weitere Mitglieder des Senats in der Strafvollzugssache der A*wegen bedingter Entlassung gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Innsbruck gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 21.10.2025, GZ **-10, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Der Beschwerde wird F o l g e gegeben, der angefochtene Beschluss a u f - g e h o b e n und A* aus dem Vollzug der Freiheitsstrafe von einem Jahr zu **, Landesgericht Innsbruck, n i c h tgemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG am 16.12.2025 bedingt entlassen.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 17 Abs 1 Z 3 StVG iVm § 89 Abs 6 StPO).
BEGRÜNDUNG:
A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt Innsbruck die über sie im Verfahren ** des Landesgerichts Innsbruck verhängte Freiheitsstrafe von einem Jahr. Das urteilsmäßige Strafende fällt auf den 16.6.2026. Die zeitlichen Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nach Verbüßung der Hälfte der Freiheitsstrafe werden am 16.12.2025 erfüllt sein (vgl Strafregisterauszug und IVV-Auszug).
Im Zuge amtswegiger Prüfung (§ 152 Abs 1 Z 1 StVG) beantragte die Strafgefangene ihre bedingte Entlassung zum Hälftestichtag sowie eine persönliche Anhörung durch das Vollzugsgericht. Begründend brachte sie vor, in den letzten drei Jahren habe sie es fast geschafft, ihre Spielsucht zu bekämpfen, wegen ihrer Trennung sei sie jedoch wieder der Sucht verfallen und habe eine Straftat begangen. Sie habe bereits beim B* um eine wöchentliche Therapie gebeten, früher habe sie nur eine im Monat gehabt. Die bedingte Entlassung würde ihr sehr helfen, ihre Therapie fortzuführen (ON 2.3). Im Rahmen ihrer Anhörung durch das Vollzugsgericht legte sie eine Bestätigung der B* GmbH, Ambulante Suchtprävention, vor, wonach sie nach ihrer Entlassung einen Termin für ein Erstgespräch vereinbaren könne, da Besuche in der Justizanstalt nicht durchgeführt werden. Weiters legte sie eine Bestätigung vom 30.9.2025 über die regelmäßige Teilnahme seit 23.7.2025 an einer nach der Methode des Group Counselling geführten Gesprächsgruppe vor. In einer solchen Gruppe werden die Gruppenmitglieder zur eigenverantwortlichen, selbständigen und aktiven Bewältigung der Haftsituation mit sozial akzeptablen, gewaltfreien Mitteln ermutigt (ON 9.1).
Die Anstaltsleitung der Justizanstalt Innsbruck bescheinigt der im dortigen Wäschereibetrieb beschäftigten Strafgefangenen eine sehr gute Arbeitsleistung und ein sehr gutes Anstalts- und Sozialverhalten und hegt keine Bedenken gegen eine bedingte Entlassung zum Hälftestichtag; Therapien werden nicht erwähnt (ON 2.1).
Aus der Stellungnahme des Psychologischen Dienstes der Justizanstalt Innsbruck ergibt sich, dass bei der Strafgefangenen eine behandlungsbedürftige Spielsucht vorliege und sie selbst einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem Begehen von Straftaten und ihrer Sucht sehe. Die Strafgefangene habe sich selbständig beim Psychologischen Dienst gemeldet und über Therapiemöglichkeiten informiert. Es werde eine bedingte Entlassung befürwortet und eine wöchentliche Therapie mit einem Minimum von 15 Einheiten empfohlen (ON 5).
Der Stellungnahme des Vereins C* lässt sich entnehmen, dass die Strafgefangene den elektronisch überwachten Hausarrest anstrebe, wozu sie bei einer Freundin in ** wohnen und beim Verein D* arbeiten könne. Sie sei prinzipiell gut organisiert, strukturiert, selbständig und zur Reflexion bereit. Hinsichtlich ihres Delikts spreche sie von einer gewissen Leere, über die nachgedacht werden müsse und welche es zukünftig mit anderen Inhalten zu füllen gelte als mit Einkaufen und Glücksspielen. In diesem Zusammenhang stehe sie sowohl einer regelmäßigen Teilnahme in der Frauengruppe der Suchthilfe als auch einer Psychotherapie (sofern diese nicht selber bezahlt werden müsse) positiv gegenüber (ON 6).
Die Staatsanwaltschaft sprach sich in ihrer Stellungnahme aus spezial- und generalpräventiven Gründen gegen eine bedingte Entlassung aus (ON 4).
Mit der nun angefochtenen Entscheidung gewährte das Landesgericht Innsbruck als Vollzugsgericht die bedingte Entlassung der Strafgefangenen zum Hälftestichtag unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren sowie der (mit Zustimmung der Strafgefangenen erteilten) Weisung, eine ambulante Suchttherapie oder aber eine Psychotherapie mit dem Schwerpunkt auf Behandlung der Spielsucht zu absolvieren. Begründend wurde ausgeführt, der weitere Vollzug der Freiheitsstrafe werde nicht zu gesetzeskonformem Verhalten der Strafgefangenen führen, da er am zugrundeliegenden Problem - der Spielsucht - nichts zu ändern vermöge. In spezialpräventiver Hinsicht sei die bedingte Entlassung daher nicht nur ebenso, sondern besser geeignet, um A* in Hinkunft von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten; generalpräventive Hinderungsgründe würden im konkreten Fall ebenfalls nicht vorliegen. Aufgrund der Anordnung der Bewährungshilfe im Verfahren **, LG Innsbruck, sei auf eine redundante neuerliche Anordnung derselben zu verzichten.
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Innsbruck mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und auszusprechen, dass A* nicht gemäß § 46 Abs 1 StGB per 16.12.20225 entlassen werde. Argumentativ wird vorgebracht, die „Strafkarte“ weise bereits drei Eintragungen wegen Vermögensdelikten auf. Weder bedingte Strafnachsichten noch eine bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug habe die Verurteilte von der Begehung strafbarer Handlungen abhalten können, weshalb die alleinige Androhung des Vollzugs einer Freiheitsstrafe sowohl aus spezial- „als auch aus generalpräventiven“ Überlegungen nicht dazu geeignet sei, sie von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten (ON 8).
Die Strafgefangene äußerte sich zur Beschwerde binnen offener Frist nicht.
Die Beschwerde, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft einer Stellungnahme enthielt, ist berechtigt.
§ 46 Abs 1 StGB schreibt die bedingte Entlassung frühestens nach der Hälfte vor, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB (Anmerkung: Weisungen, Bewährungshilfe) anzunehmen ist, dass der/die Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Diese Prognose künftigen Verhaltens erfordert eine Gesamtwürdigung aller dafür maßgeblichen Umstände, so insbesondere der Art der Tat(en), des privaten Umfelds des/der Verurteilten, seines/ihres Vorlebens und seiner/ihrer Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit ( Jerabek/Ropperin WK² StGB § 46 Rz 15/1). Dabei ist gemäß § 46 Abs 4 StGB auf den Umstand Bedacht zu nehmen, inwieweit durch den bisherigen Vollzug der Strafe, insbesondere auch durch eine während des Vollzugs begonnene freiwillige Behandlung im Sinn von § 51 Abs 3 StGB, die der/die Verurteilte in Freiheit fortzusetzen bereit ist, eine Änderung der Verhältnisse, unter denen die Tat(en) begangen wurde(n), eingetreten ist, oder durch Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB erreicht werden kann. Ist die Annahme berechtigt, dass der/die Verurteilte durch die bedingte Entlassung – allenfalls unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB – nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird, so ist im Regelfall der Rest der Strafe bedingt nachzusehen ( Jerabek/Ropper aaO Rz 15).
Die sehr gute Führung der Beschwerdeführerin, die Teilnahme an der Gesprächsgruppe und ihre Bemühungen um eine Therapiemöglichkeit bei der B* GmbH sowie einen sozialen Empfangsraum nach der Entlassung sind positiv zu veranschlagen.
Jedoch weist die Strafregisterauskunft der Strafgefangenen schon drei Eintragungen auf. Erstmals wurde sie am 22.6.2020 vom Landesgericht für Strafsachen Graz zu ** wegen des Vergehens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach den §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Es folgte eine Verurteilung durch das Landesgericht Innsbruck am 30.8.2021 zu ** wegen des Vergehens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 2, 130 Abs 1 erster Fall StGB, des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall, 15 StGB und des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Zugleich wurde die oben genannte bedingte Strafnachsicht widerrufen. Aus dem Vollzug dieses Strafenblocks wurde sie mit Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 8.7.2022, **, zum Hälftestichtag am 24.9.2022 unter Anordnung der Bewährungshilfe und mit der Weisung, die bereits begonnene Beratung beim Verein E* fortzusetzen, unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt entlassen. Als Nachweis für die Einhaltung der Weisung wurden Schreiben der F* vom 7.4.2023, 4.10.2023, 16.7.2024, 27.9.2024, 22.11.2024 und 14.3.2025 vorgelegt, mit denen bestätigt wurde, dass die Strafgefangene jeweils an diesen Tagen einen psychosozialen Beratungs- und Betreuungstermin absolviert habe (ON 12 und 16 f in **, LG Innsbruck). Zuletzt wurde sie mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 15.4.2025, **, wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 erster Fall StGB und des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und unter einem die Probezeit der bedingten Entlassung gemäß § 494a Abs 6 StPO auf fünf Jahre verlängert.
Den Umstand, dass der Beschwerdeführerin schon anlässlich der ersten bedingten Entlassung - neben der Anordnung der Bewährungshilfe - auch die Weisung erteilt wurde, die bereits begonnene Beratung beim Verein E* fortzusetzen und sie trotz der sporadischen Teilnahme daran wiederum einschlägig innerhalb der Probezeit delinquierte, blieb vom Erstgericht unberücksichtigt und ist ausgehend davon und der hohen Rückfallslabilität die von § 46 Abs 1 StGB geforderte Legalprognose, dass die Strafgefangene durch die (erneute) bedingte Entlassung - wiederum unter Erteilung der Weisung auf Absolvierung einer Suchttherapie - schon zum Hälftestichtag nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird, nicht zu rechtfertigen.
Der Beschwerde der Staatsanwaltschaft war daher Folge zu geben.
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