Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Knapp, LL.M., als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr. Offer und Mag. Preßlaber als weitere Mitglieder des Senats in der Maßnahmenvollzugssache des A* über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Vollzugsgericht vom 16.10.2025, GZ **-85, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Der Beschwerde wird n i c h t Folge gegeben.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug n i c h tzu (§ 17 Abs 1 Z 3 StVG iVm § 89 Abs 6 StPO).
BEGRÜNDUNG:
Der am ** geborene A* wurde – soweit für das gegenständliche Beschwerdeverfahren von Relevanz – mit Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 8.9.2016, **, gemäß § 21 Abs 1 StGB (idF vor BGBl I 2022/223) in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Gemäß § 45 StGB (idF vor BGBl I 2022/223) wurde die Unterbringung für eine Probezeit von fünf Jahren unter Auferlegung mehrerer im Urteil dargelegter Weisungen, darunter auch die Sicherstellung einer antipsychotischen und stimmungsstabilisierenden Medikation, bedingt nachgesehen. Infolge mutwilligen Weisungsbruchs durch Nichteinnahme der verordneten Medikation wurde diese bedingte Nachsicht mit Beschluss des Landesgerichts Wels Feldkirch vom 11. 1. 2021 widerrufen. Mit Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 2.3.2021 wurde A* (erneut) gemäß § 21 Abs 1 StGB (idF vor BGBl I 2022/223) in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.
Mit Beschluss des Landesgerichts Steyr als Vollzugsgericht vom 14.2.2024 zu ** wurde A* am 21.2.2024 unter Bestimmung einer Probezeit von fünf Jahren aus der strafrechtlichen Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum bedingt entlassen. Dabei wurden ihm - mit seinem ausdrücklichen Einverständnis (ON 12, 2) und soweit hier von Interesse – (auch) die Weisung erteilt, die nach Maßgabe des betreuenden Arztes vorgeschriebene (psychiatrische) derzeit in Depotform verordnete Medikation einzunehmen, mittels Blutspiegelkontrolle nachzuweisen sowie eine Psychotherapie zu absolvieren (ON 12, 3).
Aufgrund eines vom Betroffenen angestrebten Wohnortwechsels (vgl Schreiben des Vereins B* vom 4.7.2024 in ON 33) und nach Einlangen eines zu dieser Frage eingeholten neurologisch-psychiatrischen und kriminalprognostischen Gutachtens, in dem der Sachverständige zum Schluss kommt, dass unter Beibehaltung der bereits festgelegten Weisungen aus psychiatrischer Sicht kein Einwand gegen den beantragten Wohnsitzwechsel bestehe (vgl Gutachten Dr. C* in ON 51), wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 19.12.2024 die gegenständliche Maßnahmenvollzugssache dem Landesgericht Innsbruck delegiert (ON 59).
Aufgrund schriftlichen Antrags (ON 77) wurde schließlich vom zuständigen Vollzugsgericht eine Anhörung durchgeführt (ON 79), anlässlich derer der Betroffene angab, dass die ihm verabreichten Depotspritzen mit massiven Nebenwirkungen verbunden und schmerzhaft seien, er schlecht schlafe, unter Kopfschmerzen und massiven nachteiligen Auswirkungen auf sein Sexualleben leide, schließlich er auch nicht wisse, wofür die Psychotherapie gut sei, da er alles, was er zu besprechen habe, mit seiner Freundin bespreche (ON 79, 1 und 2).
Hierauf bestellte das Landesgericht Innsbruck als Vollzugsgericht Priv.-Doz. Dr. med. D* zum psychiatrischen Sachverständigen und beauftragte ihn mit der Erstattung von Befund und Gutachten zur Frage der Notwendigkeit/Zweckmäßigkeit einer allfälligen Weisungsänderung in der vom Betroffenen gewünschten Form (ON 1.72).
In seinem Gutachten vom 29.9.2025 kommt der Sachverständige zusammengefasst zum Schluss, dass eine allfällige Weisungsänderung vorerst nicht zweckmäßig sei. Der Betroffene leide an einer bipolaren-affektiven Störung, die medikamentöse Therapie mit Aripiprazol in Depotform und Valproat in Tablettenform habe in den letzten Jahren zu einer Stabilisierung des Zustandsbilds geführt. Aus den Berichten der Betreuungseinrichtungen zeige sich eine tendenzielle Verschlechterung des Zustandsbilds des Betroffenen, es werde von fehlender Krankheits- und Behandlungseinsicht berichtet ebenso wie von in den letzten Monaten vermehrten Fehlzeiten in den therapeutischen Einrichtungen. Auch in der Befunderhebung gebe der Betroffene an, nicht an einer bipolaren-affektiven Störung zu leiden, die Depotmedikation nicht zu vertragen und unter Nebenwirkungen – auch seine Sexualität betreffend – zu leiden. Eine vom Betroffenen angestrebte Reduzierung der Depotmedikation und gegebenenfalls Umstellung auf Tabletten sei nicht zielführend, da eine perorale Einnahme von Medikamenten üblicherweise mit einer höheren Nebenwirkungsrate einhergehe. Auch die beschriebenen Nebenwirkungen sexueller Natur seien bei Aripiprazol am wenigstens ausgeprägt. Aus forensisch-psychiatrischer-kriminalprognostischer Perspektive sei auszuführen, dass primär die psychopharmakologische Grundeinstellung zu einer Stabilisierung des Zustandsbilds des Betroffenen geführt habe, wodurch erst eine bedingte Entlassung aus dem Maßnahmenvollzug möglich gewesen sei. Bei unzureichender Behandlung der zugrundeliegenden Störung wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zukunft damit zu rechnen, dass der Betroffene unter dem Einfluss dieser Störung neuerliche strafbare Handlungen begehen würde, wobei dies nicht nur gefährliche Drohungen mit dem Tode, sondern auch tatsächlich tätliche Übergriffe etwa gegenüber Betreuern oder andern Kontaktpersonen, die sein Verhalten beschränkten, zu erwarten seien. In Hinblick auf eine mögliche demenzielle Entwicklung werde auch dringend angeraten, die Psychotherapie fortzuführen, um eine ausreichende Stabilität zu gewährleisten. Ausgehend davon bestehe die Notwendigkeit der Verabreichung der Medikation in Form von Depotspritzen sowie der weiteren Absolvierung einer Psychotherapie nach wie vor (ON 83).
Sowohl das Gutachten als auch die ablehnende Stellungnahme der Staatsanwaltschaft zur beantragten Weisungsänderung wurde dem Betroffenen zur allfälligen Gegenäußerung binnen 7 Tagen zugestellt (ON 1.74), hievon machte dieser keinen Gebrauch.
Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss wies das Landesgericht Innsbruck als Vollzugsgericht den Antrag des Betroffenen auf Änderung und Aufhebung der ihm mit Beschluss des Landesgerichts Steyr seinerzeit auferlegten Weisungen, und zwar konkret der in Depotform verabreichenden Medikation samt Nachweis mittels Blutspiegelkontrollen sowie Absolvierung einer Psychotherapie unter Hinweis auf die Ausführungen des Gutachters ab (ON 85).
Gegen jenen Teil des angefochtenen Beschlusses, mit dem dem Betroffenen verwehrt wird, die Depotmedikation abzusetzen, richtet sich seine rechtzeitige Beschwerde Vorgebracht wird, dass diese Nebenwirkungen habe und ihn in seiner Lebensführung beeinträchtige, zudem werde die Einholung eines neuen Gutachtens beantragt, da der Gutachter nur alte Gutachten abgeschrieben habe (ON 86).
Die Beschwerde, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft einer Stellungnahme enthalten hat, ist nicht berechtigt.
Wird ein Rechtsbrecher aus einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme bedingt entlassen, so hat ihm gemäß § 50 Abs 1 StGB das Gericht Weisungen zu erteilen oder Bewährungshilfe anzuordnen, soweit das notwendig oder zweckmäßig ist, um ihn von weiteren mit Strafe bedrohten Handlungen abzuhalten. Derartige Weisungen sind demonstrativ in § 51 Abs 2 StGB dargestellt. Im Fall einer medizinischen oder psychotherapeutischen Behandlung bedarf die Weisung nach § 51 Abs 3 StGB der seitens des Betroffenen bereits unwiderruflich erteilten Zustimmung ( Schroll/Oshidari in Höpfel/Ratz WK 2StGB § 51 Rz 45). Soweit dies geboten scheint, hat das Gericht gemäß § 51 Abs 1 StGB erteilte Weisungen zu ändern oder aufzuheben.
Aufgrund des Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen Dr. D* vom 29.9.2025, das sich dem Beschwerdevorbringen zuwider nicht nur auf die bereits im Akt erliegenden Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen Univ. Doz. Dr. E* vom 13.2.2024 (ON 10.1) und Dr. C* vom 18.9.2024 (ON 51), sondern auch auf den Bericht des F* vom 16.1.2025 (ON 66, 1), den Erstbericht des G* vom 20.2.2025 (ON 74), den Bericht des G* vom 19.5.2025 (ON 76), das (gerichtliche) Protokoll über die Anhörung vom 17.6.2025 (ON 79), den Bericht der forensischen Ambulanz H* vom 1.8.2025 (ON 81), den Quartalsbericht des G* vom 20.8.2025 (ON 82) insbesondere aber auch auf die eigene Untersuchung des Beschwerdeführers vom 9.9.2025 (ON 83, 30) stützt, ist die vom Betroffenen angestrebte Änderung der Weisung der Medikamenteneinnahme nicht angezeigt. Diese Maßnahme hat nämlich mit Blick auf die vorliegende bipolar-affektive Störung zu einer Stabilisierung seines Zustandsbilds geführt und ist infolge der zuletzt von ihm gezeigten fehlenden Krankheits- und Behandlungseinsicht notwendig, um einer bei unzureichender Behandlung der zugrundeliegenden Störung vom Betroffenen ausgehenden Gefährlichkeit entgegenzutreten.
Ausgehend davon wurde der Antrag auf Weisungsänderung durch Aufhebung der Depotmedikation zutreffend abgewiesen.
Da das Gutachten des Sachverständigen überdies deutlich bestimmt, schlüssig und frei von Widersprüchen ist bestand auch keine Veranlassung, dem Erstgericht die Einholung eines weiteren Gutachtens aufzutragen.
Damit musste die Beschwerde erfolglos bleiben.
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