Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Friedrich als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Klammer und den Richter Mag. Melichar als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A*wegen bedingter Entlassung nach § 46 Abs 1 und 5 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Innsbruck gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Vollzugsgericht vom 02.10.2025, GZ B*-8, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Der Beschwerde wird F o l g e gegeben, der angefochtene Beschluss a u f - g e h o b e n und der Strafgefangene A*, geb. am **, aus dem Vollzug der Freiheitsstrafen von drei Jahren und sechs Monaten zu C* des Landesgerichtes Innsbruck, acht Monaten zu D* des Landesgericht Innsbruck (Widerruf durch C* des Landesgerichtes Innsbruck), des Strafrests von drei Monaten und 20 Tagen zu E* des Landesgerichtes Innsbruck (Widerruf durch C* des Landesgerichtes Innsbruck) und zwei Monaten zu F* des Bezirksgerichtes Innsbruck n i c h t gemäß § 46 Abs 1 und 5 StGB nach Verbüßung von zwei Drittel der Freiheitsstrafen am 25.11.2025 bedingt entlassen.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 17 Abs 1 Z 3 StVG iVm § 89 Abs 6 StPO).
Begründung:
A*, geboren am **, verbüßt derzeit in der Justizanstalt Innsbruck eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten zu C* des Landesgerichtes Innsbruck. Im Anschluss daran ist der Vollzug einer Freiheitsstrafe von acht Monaten zu D* des Landesgericht Innsbruck, des Strafrests von drei Monaten und 20 Tagen zu E* des Landesgerichtes Innsbruck und von zwei Monaten zu F* des Bezirksgerichtes Innsbruck vorgesehen. Die bedingte Entlassung des Strafgefangenen nach Verbüßung der Hälfte der Freiheitsstrafen wurde mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 13.11.2024 zu ** abgelehnt. Am 25.11.2025 wird A* zwei Drittel des Strafenblocks verbüßt haben.
Der Strafgefangene strebt die bedingte Entlassung zu diesem Stichtag an und begründet dies zusammengefasst damit, dass er seine Familie wiedersehen wolle und wisse, große Fehler gemacht zu haben, die er nicht mehr rückgängig machen könne. Er bitte um eine Abschiebung nach Marokko (ON 5).
Der Anstaltsleiter äußerte aufgrund der nur mehr durchschnittlichen Führung und der Ordnungswidrigkeiten des Strafgefangenen in der Justizanstalt gegen eine bedingte Entlassung Bedenken.
Die Stellungnahme des Psychologischen Dienstes der Justizanstalt Innsbruck vom 04.08.2025 (ON 2.5) kommt zusammengefasst zum Schluss, dass eine bedingte Entlassung auch bei einem durchschnittlichen Risiko für die Begehung eines neuerlichen Sexual- und Gewaltdelikts angesichts der Möglichkeiten, gerichtliche Weisungen zu erteilen, nicht mit einer schlechteren Legalprognose einhergehe als eine Entlassung zum Strafende. Aus psychologischer Sicht werde die Weisung zur Bewährungshilfe und zur Betreuung bei der Suchthilfe G* empfohlen. Die Umsetzbarkeit allfälliger über die Haft hinausgehender Maßnahmen sei jedoch auch von etwaigen fremdenrechtlichen Fragen abhängig, bzw diese seien bei einer (vom Strafgefangenen angestrebten) freiwilligen Ausreise aus Österreich nicht möglich.
Die Begutachtungs- und Evaluationsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter (BEST) kommt in ihrer Äußerung vom 04.08.2025 (ON 2.6) zum Ergebnis, dass der strukturierten Kriminalprognose zufolge beim Strafgefangenen ein durchschnittliches Risiko für die Begehung eines neuerlichen Sexualdelikts vorliege. Das Risiko für neuerliche allgemeine Gewaltdelikte sei überdurchschnittlich. Dem Strafgefangenen seien ein Substanzmissbrauch (Kokain, Marihuana, Alkohol) mit teilweiser Abhängigkeitssymptomatik, sowie dissoziale und unreife Persönlichkeitsanteile sowie eine sexuelle Unreife und Konflikthaftigkeit attestiert worden. Eine bedingte Entlassung gehe unabhängig vom aktuellen Risiko angesichts der Möglichkeiten, Bewährungshilfe anzuordnen und gerichtliche Weisungen zu erteilen, nicht mit einer schlechteren Legalprognose einher als eine Entlassung mit Strafende.
Die Staatsanwaltschaft Innsbruck äußerte sich in ihrer Stellungnahme zur bedingten Entlassung aus spezialpräventiven Gründen ablehnend.
Mit dem angefochtenen Beschluss entschied das Landesgericht Innsbruck, A* nach Verbüßung von zwei Drittel der Freiheitsstrafen am 25.11.2025 unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt zu entlassen. Für die Dauer der Probezeit wurde gemäß §§ 50, 52 StGB Bewährungshilfe angeordnet. Begründend führte das Erstgericht aus, dass keine spezialpräventiven Gründe gegen eine bedingte Entlassung sprächen. Der Strafgefangene verbüße erstmals eine Haftstrafe von erheblicher Dauer und es sei daher davon auszugehen, dass diese einen hinreichenden Eindruck hinterlassen habe und der Strafgefangene durch die bedingte Entlassung unter Beigebung eines Bewährungshelfers nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten werde.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Innsbruck (ON 9) mit dem Antrag, diesen aufzuheben und auszusprechen, dass A* nicht gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG bedingt entlassen werde. Spezialpräventive Erwägungen würden den weiteren Vollzug der Freiheitsstrafen verlangen und gegen die neuerliche Gewährung einer bedingten Entlassung sprechen.
Der Strafgefangene machte von der ihm eingeräumten Möglichkeit, sich zur Beschwerde der Staatsanwaltschaft zu äußern, keinen Gebrauch.
Die Beschwerde, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft einer Stellungnahme enthielt, dringt durch.
Hat ein Verurteilter die Hälfte der im Urteil verhängten oder im Gnadenweg festgesetzten zeitlichen Freiheitsstrafe oder des nicht bedingt nachgesehenen Teils einer solchen Strafe, mindestens aber drei Monate verbüßt, so ist ihm der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB (Weisungen, Bewährungshilfe) anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird (§ 46 Abs 1 StGB). Die Prognose künftigen Verhaltens erfordert eine Gesamtwürdigung aller dafür maßgeblichen Umstände, so insbesondere die Art der Tat, das private Umfeld des Verurteilten, sein Vorleben und seine Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit. Besonderes Augenmerk ist nach § 46 Abs 4 StGB darauf zu legen, inwieweit sich die Verhältnisse seit der Tat durch Einwirkung des Vollzugs positiv geändert haben bzw ob negative Faktoren durch Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB ausgeglichen werden können ( Jerabek/Ropper in Höpfel/Ratz, WK 2StGB § 46 Rz 15/1). Generalpräventive Erwägungen spielen nach Verbüßung von zwei Drittel der Strafe keine Rolle mehr.
Zwar sind die Stellungnahmen des Psychologischen Dienstes der Justizanstalt Innsbruck und der Begutachtungs- und Evaluationsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter (BEST) positiv zu vermerken, allerdings vermag dieser Umstand die durch das Vorleben des Strafgefangenen dokumentierte Rückfallslabilität nicht in einem Maße zu relativieren, das die von § 46 Abs 1 StGB geforderte Prognose und damit eine bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Drittel der Freiheitsstrafen rechtfertigen würde. Dazu ist zunächst auf die Strafregisterauskunft des Strafgefangenen zu verweisen, die fünf Eintragungen (vier zählbare) aufweist. Derzeit werden an A* bereits zum zweiten Mal Freiheitsstrafen vollzogen. Er wurde bereits einmal unter Anordnung von Bewährungshilfe aus dem Vollzug von Freiheitsstrafen bedingt entlassen, und zwar am 02.07.2021 zu E* des Landesgerichtes Innsbruck. Diese bedingte Entlassung musste aufgrund rascher, einschlägiger und gesteigerter Delinquenz widerrufen werden. Bemerkenswert ist weiters die letzte Verurteilung zu F* Bezirksgericht Innsbruck wegen des Vergehens der Körperverletzung nach , begangen während des Strafvollzugs in der Justizanstalt Innsbruck. Zu berücksichtigen sind darüber hinaus die zahlreichen (insgesamt zehn) in regelmäßiger Abfolge während dieses Vollzuges begangenen Ordnungswidrigkeiten, zuletzt am 14.07.2025 (Besitz von Amphetaminen) und 21.07.2025 (Gefährdung der Sicherheit und Ordnung, Raufhandel).
Diese Umstände in Verbindung mit den dem Strafgefangenen in der Vergangenheit bereits wiederholt eingeräumten, jeweils ungenützten Chancen in Form von teilbedingter Strafnachsicht, bedingter Entlassung sowie Anordnung von Bewährungshilfe lassen die von § 46 Abs 1 StGB geforderte Prognose nicht real erscheinen und können damit eine bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Drittel der Freiheitsstrafen nicht rechtfertigen.
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