Das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht hat durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Berchtold als Vorsitzende sowie die Richterin des Oberlandesgerichts Mag. Dr. Tangl und den Richter des Oberlandesgerichts Mag. Ortner als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei A* , vertreten durch Dr. Beate Köll-Kirchmeyr, Rechtsanwältin in 6130 Schwaz, wider die beklagte Partei B* , vertreten durch Dr. Stefan Gloyer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, wegen (eingeschränkt) EUR 5.790,38 s.A. über die Berufung der beklagten Partei (Berufungsinteresse angeführt mit EUR 5.790,38 s.A., richtig EUR 5.658,99 s.A.) gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 2.9.2025, **-50, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird keine Folge gegeben.
Die Revision ist nicht zulässig .
Entscheidungsgründe:
Im Verfahren geht es um Ansprüche aus einem Fahrradunfall, der sich am 18.07.2023 um ca. 13.00 Uhr auf einem Radweg ereignete. Der Kläger und der Beklagte waren als E-Bike Fahrer beteiligt. Der Radweg war trocken, es herrschte freundliches Wetter. Im Unfallbereich verläuft der 2,4 m breite Radweg in Ost-West-Richtung, ist in Querrichtung horizontal und fällt im Unfallbereich mit 3% bis 5% nach Westen hin ab. Im Norden ist der Radweg von einer annähernd horizontalen Wiesenfläche begrenzt. Im Süden befindet sich im Bereich der Unfallstelle Busch- und Baumbewuchs. Die freie Sichtweite beträgt im Unfallbereich über 100 m.
Auf seiner Fahrt am Radweg näherte sich der Kläger dem vor ihm befindlichen Beklagten aufgrund einer etwas höheren Fahrgeschwindigkeit nach und nach an. Aus einer Entfernung von rund 20 m vor der späteren Unfallstelle setzte der Kläger nach links zum geplanten Überholmanöver an, zumal kein Gegenverkehr ersichtlich war. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Beklagte mit seinem Fahrrad noch im rechten Bereich des Radweges. Der Kläger lenkte sein Fahrrad zu diesem Zeitpunkt mit einer Fahrgeschwindigkeit von 20 km/h bis 25 km/h. Der etwas langsamer vor ihm befindliche Beklagte hielt dabei eine Fahrgeschwindigkeit von rund 15 km/h ein.
Insoweit ist der (auszugsweise wiedergegebene) Sachverhalt im Berufungsverfahren nicht strittig. Im Detail wird gemäß § 500a ZPO auf die Feststellungen des Erstgerichts verwiesen, soweit sie nicht bekämpft wurden.
Mit der am 24.11.2023 beim Landesgericht Innsbruck eingebrachten Klage beantragte der Kläger die Zahlung von EUR 20.872,88 s.A. und erhob ein Feststellungsbegehren. Nach einer „Einschränkung“ am 28.06.2024 (ON 13) auf EUR 20.822,88 schränkte er letztlich im Schriftsatz vom 27.11.2024 (ON 31) auf EUR 5.790,38 s.A. ein, wobei er Schmerzengeld iHv EUR 4.600,--, Helmkosten iHv EUR 100,--, Reparaturkosten iHv EUR 300,--, „Nebenspesen“ iHv EUR 80,--, Fahrtkosten iHv EUR 161,28, Therapiekosten iHv EUR 181,60 und (erstmals) Haushaltshilfekosten iHv EUR 367,50 geltend machte. Das Feststellungsbegehren ließ er fallen.
Er brachte vor, die Streitteile hätten jeweils moderate Fahrgeschwindigkeiten zwischen 20 km/h und 25 km/h eingehalten. Zumal der Kläger ein wenig schneller als der vor ihm fahrende Beklagte gefahren sei, habe er allmählich auf diesen aufgeschlossen. Da keine Fahrräder oder Fußgänger entgegengekommen seien, habe er den Entschluss gefasst, am Fahrrad des Beklagten links vorbeizufahren. Der Kläger habe zum Überholen angesetzt, zuerst in die Mitte gelenkt und dann nach links, sodass er zuletzt einen Seitenabstand zum linken Fahrbahnrand von ca 60 cm eingehalten habe. Als er ca auf Höhe des Hinterrads des Beklagten gewesen sei, habe dieser – ohne vorher nach hinten zu blicken – sein Fahrrad unvermittelt nach links gezogen und sei plötzlich und völlig unvorhersehbar nach links ausgeschert, sodass er dem Kläger den Weg abgeschnitten habe. Der Beklagte habe offensichtlich bei einer Rastbank Halt machen wollen. Dieses Linksabbiegemanöver habe der Beklagte weder durch ein rechtzeitig gesetztes Handzeichen, noch durch erkennbare Verlangsamung der Geschwindigkeit, noch durch entsprechendes Einordnen nach links angezeigt, sodass für den Kläger keine Möglichkeit bestanden habe, den Unfall zu verhindern.
Der Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wendete ein, das Alleinverschulden, zumindest aber ein Mitverschulden, treffe den Kläger. Der Beklagte habe eine Pause an einer links vom Fahrradweg befindlichen Bank machen wollen. Nach der erforderlichen Rückschau, bei der kein weiterer Verkehrsteilnehmer zu sehen gewesen sei, sei er zum linken Fahrbahnrand zugefahren. Als er fast zum Stehen gekommen sei, habe der Kläger versucht, den Beklagten auf dem schmalen Fahrradweg ohne vorheriges Ankündigen links zu überholen. Dafür sei nicht mehr genügend Platz gewesen. Der Kläger sei auf den Beklagten aufgefahren. Dadurch sei der Beklagte nach vorne auf die Straße geschleudert und verletzt worden. Der Kläger sei mit zu hoher Geschwindigkeit unterwegs gewesen und hätte nicht versuchen dürfen, den Beklagten an dieser Stelle links zu überholen, da nicht genügend Platz vorhanden gewesen sei. Der Beklagte machte eine Gegenforderung von insgesamt EUR 11.213,78 geltend.
Mit dem angefochtenen Urteil sprach das Erstgericht aus, die Klagsforderung bestehe mit EUR 5.658,99 zu Recht, die Gegenforderung bestehe nicht zu Recht, verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von EUR 5.658,99 s.a., wies das Mehrbegehren von EUR 131,39 s.A. ab und behielt die Kostenentscheidung bis zur Rechtskraft des Verfahrens vor. Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus traf das Erstgericht noch folgende (hinsichtlich der in Fettdruck markierten im Berufungsverfahren bekämpften) Feststellungen:
(A1) Als der Kläger bereits fast zum Beklagten aufgeschlossen hatte, dabei in deutlicher Überholposition links befindlich war, reduzierte der Beklagte plötzlich seine Fahrgeschwindigkeit und lenkte sein E-Bike nach links, um dort zu einer Parkbank zuzufahren. Dieses Fahrmanöver führte der Beklagte ohne Handzeichen und ohne vorangegangenes Einordnen zur Radwegmitte hin durch.
Der Kläger vermochte sein E-Bike nicht mehr entsprechend abzubremsen, sodass es zur Kollision des Vorderrads des Klagsfahrzeugs gegen das Rad des Beklagten kam. Beide Fahrradlenker kamen zu Sturz. Im Zuge bzw vor Einleitung des Überholmanövers hatte der Kläger weder geklingelt, noch gerufen, noch eine Hupe betätigt. Nicht festgestellt werden kann, ob der Beklagte vor dem Zufahren nach links noch tatsächlich über die linke Schulter nach hinten geblickt hat.
(A2) Der Beklagte hatte sich mit seinem E-Bike im Zuge des Zufahrens zur Parkbank nicht zur Radwegmitte hin eingeordnet, sondern ist tatsächlich plötzlich und für den Kläger überraschend nach links geschwenkt.
Der Anstoß fand zwischen dem linken vorderen seitlichen Bereich des Vorderrads des Klagsfahrzeugs und dem Bereich des vorderen Bremssattels des Vorderrads des Beklagtenfahrzeugs statt. Zum Zeitpunkt des Anstoßes des Vorderrads des Klagsfahrzeugs gegen die Bremsscheibe am Vorderrad des Beklagten, befand sich das E-Bike des Beklagten in einer nicht unerheblichen Schrägstellung gegen den Uhrzeigersinn zur Fahrbahnlängsachse verdreht. Eine kollisionsverhindernde Reaktion war dem Kläger aufgrund dieses Fahrmanövers des Beklagten nicht möglich. Der Kläger kippte durch die Kollision nach vorne und stürzte dabei auf seine rechte Körperseite auf den asphaltierten Radweg.
(A3) Nicht festgestellt werden kann, ob der Kläger zu spät auf das plötzliche nach links Ziehen des Beklagten mit seinem E-Bike reagiert hat. Um aus einer Fahrgeschwindigkeit von rund 25 km/h das E-Bike zum Stillstand bringen zu können, hätte der Kläger bei einer Reaktionszeit von 0,8 s, einer Bremsschwellzeit von 0,8 s und einer Verzögerung von 5 m/s, 12,8 m und 2,6 s benötigt. Wenn sich der Kläger 6 m vor der Sitzbank und somit ca. 2 m vor der Kollisionsstelle befunden hat, als er bemerken konnte, dass der Beklagte nach links zieht, so war dies knapp 0,6 s vor der Kollision. Dabei war eine kollisionsverhindernde Reaktion des Klägers auf das plötzliche nach links Ziehen seitens des Beklagten nicht mehr möglich.
Die Kollisionsgeschwindigkeit des Beklagtenfahrrads betrug 6 km/h bis 9 km/h, jene des E-Bikes des Klägers 20 km/h bis 25 km/h. Die Kollision ereignete sich bei 1,7 m bis 2 m östlich der Lehne der Sitzbank und im Abstand von ca. 0,3 m bis 0,6 m vom südlichen Rand des Radweges. Wenn der Beklagte eine mittige Fahrlinie über mehr als 3 s vor der Kollision eingehalten hätte, hätte der Kläger durch einen Verbleib hinter dem Beklagten eine Kollision verhindern können. Selbst dann, wenn der Beklagte seine Fahrlinie 3 s oder weniger vor der Kollision vorerst in die Mitte des Radweges verlagert hätte, (A4) bevor er abrupt nach links abgebogen ist, dann hätte der Kläger darauf reagierend eine Kollision aus einer Fahrgeschwindigkeit von rund 25 km/h äußerst wahrscheinlich nicht verhindern können.
(A5) Nicht festgestellt werden kann, ob der Beklagte seine Fahrlinie mehr als 3 s vor der Kollision zur Mitte des Radweges verlagert hat.
In der rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, der Beklagte sei abrupt nach links gezogen, sodass dem Kläger kein unfallvermeidendes Reagieren mehr möglich gewesen sei. Mit der plötzlichen Richtungsänderung des Beklagten habe der Kläger nicht rechnen müssen, sodass ihm nicht vorgeworfen werden könne, kein akustisches Warnzeichen abgegeben zu haben. Ein Verstoß des Klägers gegen die Fahrordnung sei nicht nachgewiesen. Der Kläger habe Anspruch auf Schmerzengeld iHv EUR 4.600,--, für Physiotherapien iHv EUR 181,60, für den beschädigten Helm iHv EUR 50,--, für den Fahrradschaden iHv EUR 218,61, für Spesen iHv EUR 80,--, für Haushaltshilfe iHv EUR 367,50, insgesamt daher auf EUR 5.658,99. Das Mehrbegehren von EUR 131,39 sei abzuweisen.
Im Umfang der Abweisung wurde das Urteil unbekämpft rechtskräftig. Gegen den zusprechenden Teil der Entscheidung richtet sich die rechtzeitige Berufung des Beklagten, der unter Ausführung einer Beweis- und einer Rechtsrüge beantragt, der Berufung im Sinne einer vollinhaltlichen Klagsabweisung Folge zu geben, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Er hat sein Berufungsinteresse mit EUR 5.790,38 angegeben, dabei aber die rechtskräftige Teilabweisung außer Acht gelassen. Da im Rechtsmittelverfahren nur der Zuspruch strittig ist, beläuft sich das Berufungsinteresse tatsächlich auf EUR 5.658,99 s.A..
In der rechtzeitigen Berufungsbeantwortung beantragt der Kläger, dem Rechtsmittel den Erfolg zu versagen.
Die Berufung, über die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu entscheiden war, ist nicht berechtigt:
1.1. In der Beweisrüge bekämpft der Beklagte die zu (A1) bis (A5) angeführten Feststellungen und strebt ersatzweise folgende an:
„Bevor der Kläger zum Beklagten aufgeschlossen hatte, reduzierte der Beklagte kontinuierlich seine Fahrgeschwindigkeit, indem er ca. 15 bis 20 m vor der Parkbank das Treten einstellte und bremste, und lenkte sein E-Bike nach links, um dort zu einer Parkbank zuzufahren. Dieses Fahrmanöver führte der Beklagte ohne Handzeichen, aber mit vorangegangenem Einordnen zur Radwegmitte hin durch.“
„Der Beklagte hat sich mit seinem E-Bike im Zuge des Zufahrens zur Parkbank zur Radwegmitte hin eingeordnet und ist daher nicht plötzlich und für den Kläger überraschend nach links geschwenkt.“
„Eine kollisionsverhindernde Reaktion war dem Kläger aufgrund dieses Fahrmanövers des Beklagten möglich.“
„Der Kläger hat zu spät auf das nach links Ziehen des Beklagten mit seinem E-Bike reagiert .... Dabei war eine kollisionsverhindernde Reaktion des Klägers auf das nach links Ziehen des Beklagten möglich.“
„....bevor er nach links abgebogen ist, dann hätte der Kläger darauf reagierend ...“
„Der Beklagte hat seine Fahrlinie mehr als 3 s vor der Kollision zur Mitte des Radweges verlagert.“
1.2. Der Berufungswerber kritisiert, es bestünden erhebliche Zweifel an der Beweiswürdigung des Erstgerichts. Die Aussage des Beklagten sei sehr wohl nachvollziehbar und glaubwürdig. Es sei durchaus möglich, dass er den Kläger trotz Schulterblicks nicht gesehen habe, weil er zB zu wenig nach hinten und mehr seitwärts geblickt habe oder weil der Kläger noch zu weit hinten gewesen sei. Daraus könne noch nicht der Schluss gezogen werden, dass die Aussage des Beklagten, wonach er sich vor dem Zufahren zur Parkbank eingeordnet habe, falsch sei. Sogar der Kläger habe vor der Polizei noch ausgesagt, dass der Beklagte in etwa in der Mitte der Fahrbahn gefahren sei. Diese ersten Aussage sei eine höhere Glaubwürdigkeit zuzubilligen als der späteren Parteienaussage vor Gericht. Daraus folge, dass der Kläger zu spät reagiert habe. Er habe die Situation offensichtlich falsch eingeschätzt und gedacht, er könne am Beklagten noch vorbeifahren. Aus dem verkehrstechnischen Gutachten ergebe sich, dass der Kläger die Kollision hätte verhindern können, wenn er nicht versucht hätte, im äußerst schmalen Bereich von wenig mehr als 0,8 m zwischen dem Fahrbahnrand und dem Fahrrad des Beklagten durchzufahren. Der verkehrstechnische Sachverständige habe die Aussage des Beklagten, seine Geschwindigkeit reduziert zu haben, insofern bestätigt, als er es aus technischer Sicht als äußerst wahrscheinlich eingeschätzt habe, dass der Beklagte in den letzten wenigen Sekunden vor der Kollision gebremst habe. Auch aus der Aussage des Klägers, wonach er auf den Beklagten aufgeschlossen habe, ergebe sich, dass dieser langsamer geworden sei. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass es leicht bergab gegangen sei und die Streitteile Rückenwind gehabt hätten. Der Beklagte habe also bremsen müssen. Insgesamt lägen bedeutend überzeugendere Beweisergebnisse dafür vor, dass sich der Beklagte zur Mitte des Wegs hin eingeordnet und die Geschwindigkeit kontinuierlich reduziert habe.
1.3. Es gehört zum Wesen der freien Beweiswürdigung, dass sich die Tatsacheninstanz auf Grund ihrer Überzeugung, dass diese mehr Glaubwürdigkeit für sich beanspruchen kann, für eine von mehreren widersprechenden Darstellungen entscheidet (RS0043175). Dass ein anderer als der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt möglich wäre, reicht für eine erfolgreiche Beweisrüge nicht aus. Vielmehr ist maßgeblich, ob für die erstrichterliche Einschätzung im Rahmen der freien Beweiswürdigung ausreichende Gründe bestanden. Allein der Umstand, dass aus den vorliegenden Beweisergebnissen ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze auch andere Feststellungen getroffen werden könnten, ohne dass solche Urteilsannahmen eine bedeutend höhere innere Wahrscheinlichkeit für sich hätten als die vom Erstgericht getroffenen, bildet keinen Grund, die Beweiswürdigung anzuzweifeln. Eine Beweisrüge kann deshalb nur dann erfolgreich sein, wenn stichhaltige Gründe ins Treffen geführt werden, die erhebliche Zweifel an der Beweiswürdigung rechtfertigen. Dazu ist darzulegen, dass wenigstens bedeutend überzeugendere Beweisergebnisse für andere Feststellungen vorliegen ( Klauser/Kodek JN-ZPO 18 § 467 ZPO E 39 ff).
1.4. Das gelingt dem Berufungswerber nicht. Die kritisierten Feststellungen sind jedenfalls vertretbar, auf die Beweiswürdigung des Erstgerichts wird gemäß § 500a ZPO verwiesen. Wie der Berufungswerber selbst einräumt, können sich die kritisierten Feststellungen auf die eindeutige Aussage des Klägers vor Gericht stützen. Das Erstgericht konnte sich von den Streitteilen bei deren Befragungen einen unmittelbaren persönlichen Eindruck verschaffen und hielt ausgehend davon den Klägern für glaubwürdiger. Es hat diesen persönlichen Eindruck zulässigerweise in seiner Beweiswürdigung verwertet ( Klauser/Kodek JN-ZPO 18 § 272 ZPO E 24/3, E 25, E 35 uam). Auch das Berufungsgericht hält es für nicht allzu plausibel, dass der Beklagte den Kläger bei dem von ihm behaupteten Blick nach hinten nicht gesehen haben will. Der Beklagte gab an, er habe die Ausbuchtung, bei der er habe rasten wollen, schon länger gesehen und sei auf diese fixiert gewesen. Aus dem Gutachten ergibt sich aber, dass die Nische mit Sitzbank nicht besonders auffällig und dass sie wahrscheinlich erst ca. 20 bis max. 30 m vorher erkennbar gewesen sei (Gutachten ON 21, Seite 11). Das ist auch im Hinblick auf die aktenkundigen Lichtbilder (s etwa Beilage ./2) gut nachvollziehbar. Insofern erscheint gut vorstellbar, dass der Beklagte diese Nische erst relativ spät gesehen und deshalb (für den nachfolgenden Kläger überraschend) plötzlich nach links fuhr.
1.5. Auf ein entscheidendes Argument des Erstgerichts geht der Berufungswerber gar nicht erst ein. So hat der verkehrstechnische Sachverständige aufgrund des Schadensbilds angeführt, es sei wesentlich eher, und zwar mit hoher Wahrscheinlichkeit, von einem plötzlichen nach links Ziehen des Beklagten aus einem Bereich rechts vom Radweg auszugehen (ON 37, S 4). Gegen den vom Kläger geschilderten Unfallhergang spricht lediglich seine Aussage vor der Polizei, wonach der Beklagte „so etwa in der Mitte der Fahrbahn“ gefahren sei (Strafakt S 22). Diese Befragung war offensichtlich insgesamt nur sehr kurz. Es ist durchaus denkbar, dass es dabei zu Missverständnissen oder Ungenauigkeiten in der Protokollierung kam. Abgesehen davon hielt der Kläger auch schon damals fest, dass der Beklagte stark eingelenkt habe und plötzlich abgebogen sei. Dass das Erstgericht die Einschätzung des verkehrstechnischen Sachverständigen als stärker zu gewichtenden Beweis für die Richtigkeit der Unfallversion des Klägers als dessen erste Aussage vor der Polizei sah, ist vertretbar. Insgesamt hat das Erstgericht überzeugend argumentiert, warum es der Unfallschilderung des Klägers vor Gericht Glauben geschenkt hat. Erhebliche Bedenken gegen die bekämpften Feststellungen liegen nicht vor, weshalb die Beweisrüge erfolglos bleibt.
2.1. In der Rechtsrüge kritisiert der Berufungswerber, der Kläger habe mit Schriftsatz vom 27.11.2024 (ON 31) sein Begehren eingeschränkt und modifiziert, gleichzeitig aber auch der hinsichtlich der Haushaltshilfekosten um EUR 307,50 ausgedehnt. In der Tagsatzung vom 23.6.2025 (ON 47) sei protokolliert worden, dass das eingeschränkte Klagebegehren wie dort (in ON 31) laute. Eine Klags ausdehnung sei nicht protokolliert worden. Eine solche müsste jedoch ausdrücklich erfolgen um rechtswirksam zu sein. Eine Klagsausdehnung sei erst mit dem mündlichen Vortrag wirksam. Der Kläger habe die Klage daher nie wirksam ausgedehnt. Der Betrag in Höhe von EUR 367,50 sei ihm daher zu Unrecht zugesprochen worden.
2.2. Diese Ansicht teilt der Senat nicht. Richtig ist, dass eine Klagsausdehnung erst durch den mündlichen Vortrag wirksam wird (RS0034965). Bei der Auslegung von Prozesshandlungen sind objektive Maßstäbe anzulegen (RS0097531, RS0017881). Das Klagebegehren ist so zu verstehen, wie es im Zusammenhalt mit der Klagserzählung vom Kläger gemeint ist (RS0037440).
Das Leistungsbegehren wurde von zuletzt EUR 20.822,88 im Schriftsatz vom 27.11.2024 (ON 31) auf EUR 5.790,38, also einen deutlich niedrigeren Betrag „eingeschränkt“. Es ist zwar zutreffend, dass die Position Haushaltshilfe hier zum ersten Mal geltend gemacht wurde und der Kläger sein Begehren daher insofern ausgedehnt hat. Es kann aber kein Zweifel daran bestehen, dass die in der nachfolgenden Streitverhandlung protokollierte „Klagseinschränkung“ die gesamte Modifikation des Begehrens und damit auch die Klagsausdehnung in ON 31 erfassen sollte. Diese wurde daher ausreichend mündlich vorgetragen und wirksam.
3.1. In der Rechtsrüge macht der Berufungswerber das Fehlen folgender Feststellung als sekundären Mangel geltend:
„Der Kläger ist auf diesem Radweg schon hundertmal bis tausendmal zuvor gefahren und wusste er daher auch, dass sich an der Unfallstelle eine Bank befindet.“
Der Berufungswerber verweist insofern auf die entsprechende Aussage des Klägers. Dass dieser die örtlichen Verhältnisse so gut gekannt habe, sei relevant, weil er davon habe ausgehen müssen, dass der Beklagte zur Bank fahren wolle.
3.2. Der Beklagte hat schon in erster Instanz (ON 25, S 3) vorgebracht, dass der Kläger schon unzählige Male auf dem Radweg unterwegs gewesen sei und daher gewusst habe, dass sich im Unfallbereich eine Bank befinde. Er habe daher in Anbetracht der erheblichen Geschwindigkeitsreduktion des Beklagten und weil sich dieser in der Mitte der Straße befunden habe, davon ausgehen müssen, dass der Beklagte nach links zufahren wolle.
Die Feststellungsgrundlage ist nur dann mangelhaft, wenn Tatsachen fehlen, die für die rechtliche Beurteilung wesentlich sind (RS0053317). Das ist hier nicht der Fall. Nur das Vorhandensein einer Rastgelegenheit allein musste den Kläger nicht dazu veranlassen, mit einem plötzlichen Auslenken des Beklagten nach links zu rechnen.
4.1. Weiters argumentiert der Berufungswerber, aufgrund der schon über 100 m weit sichtbaren Parkbank habe der Kläger damit rechnen müssen, dass der Beklagte nach links zufahren werde. Es habe damit eine unklare Verkehrssituation vorgelegen. Er hätte daher nicht überholen dürfen, noch dazu ohne zu klingeln oder sonst auf sich aufmerksam zu machen. Hätte er ein Warnzeichen abgegeben, wäre der Beklagte nicht nach links zugefahren.
4.2. Nach ständiger Rechtsprechung kommt der Vertrauensgrundsatz demjenigen nicht zugute, der das unrichtige oder zumindest bedenkliche Verhalten des anderen Verkehrsteilnehmers rechtzeitig erkannte oder bei entsprechender Aufmerksamkeit rechtzeitig erkennen hätte können (RS0073173, RS0073429). Eine derartige unklare Situation liegt vor, wenn das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer nicht so ist, dass es bei Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund daran zu zweifeln übrig lässt, wie sie sich verhalten werden. Bei einer unklaren Situation ist die Geschwindigkeit entsprechend zu verringern. Jede unklare Verkehrssituation ist im bedenklichen Sinne auszulegen; insbesondere ist ihr auch durch Abstehen von einem Überholmanöver Rechnung zu tragen (RS0073513). Umgekehrt ist klar, dass nicht jedes rechtswidrige Verhalten eines Verkehrsteilnehmers für andere Verkehrsteilnehmer eine unklare Verkehrslage schafft (T8).
4.3. Das Erstgericht stellte zwar fest, dass die freie Sichtweite über 100 m betrug. Das bezieht sich aber insbesondere auf die Streitteile selbst. Ausdrückliche Feststellungen zur Sichtbarkeit der Bank wurden nicht getroffen. Erst als der Kläger schon im Überholposition war, reduzierte der Beklagte seine Geschwindigkeit und lenkte nach links. Es gab vorher keine Anhaltspunkte dafür, dass er das tun würde. Die rein theoretische Möglichkeit, dass der Beklagte auf einer Bank rasten könnte, musste den Kläger nicht dazu veranlassen, mit einer Änderung der Fahrtrichtung des Beklagten zu rechnen. Eine unklare Verkehrssituation lag daher nach Ansicht des Senates nicht vor.
4.4. Bei der Zulässigkeit des Überholens ist auf den Beginn des Überholmanövers abzustellen (RS0073819). Mit plötzlichen Richtungsänderungen muss grundsätzlich nicht gerechnet werden (RS0073533). Der Lenker eines überholenden Fahrzeuges hat den bevorstehenden Überholvorgang durch Abgabe von Warnsignalen nicht ausnahmslos, sondern nur dann rechtzeitig anzuzeigen, wenn es die Verkehrssicherheit erfordert (§ 15 Abs 3, § 22 StVO; RS0073921). Wird die Vermutung erweckt, dass der Lenker des überholten Fahrrads während des Überholmanövers in die Spur des überholenden Fahrzeugs gelangen könnte, muss mit diesem Kontakt hergestellt werden (RS0073533).
4.5. Erst als der Kläger in deutlicher Überholposition war, fuhr der Beklagte ohne vorherige Anzeige nach links. Eine kollisionsverhindernde Reaktion war ihm nicht mehr möglich. Zum Zeitpunkt als er das Überholmanöver einleitete, musste er nicht damit rechnen, dass der Beklagte seine Fahrtrichtung plötzlich ändern könnte. Es gab keine Umstände, die eine derartige Vermutung hätten wecken müssen. Die rein theoretische Möglichkeit, dass der Beklagte rasten könnte , reicht nach Ansicht des Senats wie bereits ausgeführt nicht, sofern nicht irgendwelche Änderungen im Fahrverhalten feststehen, die darauf hindeuten würden. Das ist hier nicht der Fall. Angesichts dessen erforderte es die Verkehrssicherheit auch nicht, den Überholvorgang durch Warnsignale anzuzeigen. Selbst wenn man eine derartige Verpflichtung bejahen wollte, wäre ein derartiger Verstoß iSd § 22 StVO gegenüber dem Verschulden des Beklagten, der seine Fahrtrichtung nicht wie in § 11 Abs 1 StVO vorgeschrieben geändert hat, vernachlässigbar. Dass der Kläger bei seinem Überholmanöver einen zu geringen Seitenabstand vom (ursprünglich) rechts fahrenden Beklagten einhielt, wird in der Rechtsrüge nicht vertreten. Dafür liegen auch keine Anhaltspunkte vor.
Der Berufung ist daher keine Folge zu geben.
5. Aufgrund des vom Erstgericht angeordneten Kostenvorbehalts ist im Berufungsverfahren keine Kostenentscheidung zu treffen (§ 52 Abs 3 ZPO).
6. Das Berufungsgericht konnte sich bei allen behandelten Fragen auf die zitierte höchstgerichtliche Judikatur stützen. Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung liegen nicht vor. Die ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.
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