Rückverweise
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Friedrich als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Klammer und den Richter Mag. Melichar als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A*wegen der Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch vom 1.9.2025, GZ **-22, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Der Beschwerde wird n i c h t Folge gegeben.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
BEGRÜNDUNG:
Der am ** geborene A* wurde mit dem am selben Tag rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes Feldkirch zu ** vom 7.5.2025 wegen der Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB sowie des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB schuldig erkannt und in Anwendung der §§ 28 Abs 1 und 39 Abs 1 StGB nach § 224 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt. Die Aufforderung zum Antritt der Freiheitsstrafe binnen einem Monat wurde A* am 16.5.2025 zugestellt. Die Strafe wurde bislang nicht vollzogen.
Mit dem am 12.6.2025 durch seinen Verteidiger beim Landesgericht Feldkirch eingebrachten Schriftsatz (ON 14.1) beantragte der Verurteilte die Feststellung seiner Haftuntauglichkeit, in eventu den Aufschub der Freiheitsstrafe und begründete dies mit der Schwere seiner Hautkrankheit.
Der Erstrichter beauftragte sodann einen Sachverständigen aus dem Gebiet der Haut- und Geschlechtskrankheiten mit der Erstattung von Befund und Gutachten (ON 16). Der Sachverständige kam in seinem Gutachten vom 11.8.2025 (ON 20.1) zum Schluss, dass der Verurteilte an einer Prurigo simplex subacuta/Ekthymata leide. Es handle sich dabei um eine an sich harmlose Hauterkrankung, deren Ursache und wichtigstes Problem starker Juckreiz und damit verbundenes Kratzen sei. Die Therapie der Erkrankung bestehe in der Applikation von Cortisonsalben, einer konsequenten rückfettenden Hautpflege und gegebenenfalls der Gabe von Antihistaminika in Tablettenform. Diese Therapie könne der Verurteilte selbstständig durchführen, es bedürfe seitens der Justizanstalt keiner zusätzlichen Hilfe. Eventuelle Kontrollen könnten sowohl durch den konsiliarisch tätigen Hausarzt oder Hautfacharzt durchgeführt werden. Eine Haftuntauglichkeit sei aus dermatologischer Sicht nicht gegeben.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesgericht Feldkirch den Antrag des Verurteilten auf Strafaufschub ab und begründete dies damit, dass sich aus dem Sachverständigengutachten eindeutig ergebe, dass eine Haftuntauglichkeit im Sinne des § 5 Abs 1 StVG nicht gegeben sei.
Dagegen richtet sich die durch den Verteidiger rechtzeitig eingebrachte Beschwerde des Verurteilten (ON 23), in welcher beantragt wird, den bekämpften Beschluss ersatzlos aufzuheben und dem Antrag auf Strafaufschub stattzugeben, in eventu die Einholung eines interdisziplinären medizinischen Sachverständigengutachtens anzuordnen und erneut zu entscheiden. Das eingeholte Sachverständigengutachten beschränke sich ausschließlich auf die dermatologische Beurteilung und verkenne, dass § 5 Abs 1 StVG eine umfassende Prüfung verlange, ob der Vollzug der Freiheitsstrafe mit Gefahr für Leben oder Gesundheit des Verurteilten verbunden wäre oder mit den Grundsätzen einer menschenwürdigen Behandlung unvereinbar erscheine. Im Hinblick auf die vorliegende Hauterkrankung sei eine rein dermatologische Begutachtung nicht ausreichend, sondern wäre ein interdisziplinäres Gutachten erforderlich, das neben der Dermatologie auch infektiologische, internistische sowie psychiatrische Aspekte berücksichtige, zumal chronischer Juckreiz, offene Hautstellen und das erhöhte Infektionsrisiko durch die besonderen Haftbedingungen erheblich verschärft werden würden. Nach Art 3 EMRK sei es untersagt, einen Häftling einer Behandlung zu unterziehen, die unmenschlich oder erniedrigend sei. Eine Verschlechterung der Hauterkrankung infolge unzureichender medizinischer Versorgung im Strafvollzug könne diesen Schutzbereich tangieren. Die Entscheidung des Erstgerichtes beruhe auf einer unvollständigen Sachverhaltsgrundlage.
Die Beschwerde, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft einer Stellungnahme enthielt, dringt nicht durch.
Nach § 20 Abs 1 StVG soll der Vollzug der Freiheitsstrafe den Verurteilten zu einer rechtschaffenen und den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepassten Lebenseinstellung verhelfen und ihn abhalten, schädlichen Neigungen nachzugehen.
Ist ein dem Wesen der Freiheitsstrafe (§ 20 StVG) entsprechender Strafvollzug wegen einer Krankheit oder einer Verletzung, wegen Invalidität oder eines sonstigen körperlichen oder geistigen Schwächezustandes auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit einer Strafvollzugsortänderung (§ 10 StVG) mit den Einrichtungen der in Betracht kommenden Anstalten zum Vollzug von Freiheitsstrafen nicht durchführbar oder wäre im Hinblick auf einen dieser Zustände das Leben des Verurteilten durch die Überstellung in die betreffende Anstalt gefährdet, so ist gemäß § 5 Abs 1 StVG die Einleitung des Strafvollzuges solange aufzuschieben, bis der Zustand aufgehört hat.
§ 5 Abs 1 StVG regelt daher jene Fälle, in denen ein dem Wesen der Freiheitsstrafe entsprechender Strafvollzug bei bestem Willen des Verurteilten nicht durchführbar ist, weil jener aus gesundheitlichen Gründen körperlich oder geistig für eine erzieherische Beeinflussung objektiv untauglich ist. Der Gesetzgeber stellt bei der Frage der Haftfähigkeit nicht auf einen absoluten Begriff der schweren Körperverletzung oder auf die Abschließbarkeit des Verurteilten von der Außenwelt, sondern auf die im Einzelfall zu beurteilende Vereinbarkeit des Zustandes des Verurteilten mit dem Wesen der Freiheitsstrafe ab. Die Beurteilung der Vollzugstauglichkeit stellt eine vom Gericht zu lösende Rechtsfrage dar. Medizinische Sachverständige haben daher (lediglich) den Krankheitszustand des Verurteilten zu beschreiben und daraus Schlüsse darüber zu ziehen, welcher Behandlung er nach den Regeln der medizinischen Kunst bedarf. Auf dieser Grundlage hat das Gericht zu beurteilen, ob der Gesundheitszustand des Verurteilten einem zweckmäßigen Strafvollzug entgegensteht. Erst dann, wenn ein dem Wesen des Strafvollzuges entsprechender Strafvollzug in überhaupt keiner Vollzugsanstalt durchführbar wäre, ist die Einleitung des Vollzuges solange aufzuschieben, bis der Zustand aufgehört hat (
Mit Blick auf das Gutachten des Sachverständigen, an dessen Richtigkeit auch das Beschwerdegericht nicht zweifelt, hat das Erstgericht den Verurteilten zutreffend als vollzugstauglich beurteilt. Soweit in der Beschwerde auf Art 3 EMRK hingewiesen wird, ist nicht nachvollziehbar, warum der Beschwerdeführer in einer Justizanstalt einer Behandlung unterzogen werden sollte, die unmenschlich oder erniedrigend ist, oder warum es in der Justizanstalt eine unzureichende medizinische Versorgung geben soll. Der Sachverständige wies in seinem Gutachten nachvollziehbar darauf hin, dass der Beschwerdeführer an einer an sich harmlosen Hauterkrankung leidet, welche mit einfachen Mitteln wie einer Cortisonsalbe und einer rückfettenden Hautpflege und gegebenenfalls der Gabe von Antihistaminika in Tablettenform therapierbar ist und diese Therapie von ihm selbständig durchgeführt werden kann und seitens der Justizanstalt keine zusätzliche Hilfestellung notwendig ist. Andere Gründe für eine allfällige Vollzugsuntauglichkeit mit Ausnahme der Hauterkrankung bringt auch die Beschwerde nicht vor. Da sich der Sachverständige mit sämtlichen Aspekten der vorliegenden Krankheit des Verurteilten befasst hat, erübrigt sich auch die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens. Die im Gutachten (ON 20.1, Seite 2 und 3) angegebenen Gründe, welche der Beschwerdeführer dem Sachverständigen gegenüber anführte, nämlich dass er aufgrund der Haftdauer nach ** müsse und dort in einer Fünfmannzelle untergebracht werden würde, wo es viele Schwarze gebe „und damit viel Scabies“ und er schon beim Gedanken daran Juckreiz bekomme, sind nicht geeignet, Haftuntauglichkeit zu begründen. Ob ein Strafvollzug wegen gesundheitlicher Probleme und damit einhergehender Betreuungsmaßnahmen subjektiv schwerer empfunden wird, hat ebenso wie eine bei einer Strafvollzugsortänderung mögliche große Entfernung zwischen dem Verurteilten und seiner Familie keinen Einfluss auf die Beurteilung der Hafttauglichkeit.
Die Beschwerde kann somit insgesamt keine Zweifel an der Vollzugstauglichkeit des Verurteilten erwecken und musste somit erfolglos bleiben.
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