Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch die Richterin Dr. Offer als Vorsitzende sowie den Senatspräsidenten Mag. Knapp, LL.M., und die Richterin Mag. Preßlaber als weitere Mitglieder des Senats im Verfahren zur strafrechtlichen Unterbringung des A* in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 1 StGB über dessen Berufung gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 5.5.2025, GZ **-62, nach der am 16.10.2025 in Anwesenheit des Schriftführers Rp Mag. Anwander, der Sitzungsvertreterin der Oberstaatsanwaltschaft OStA Mag. Draschl, des Betroffenen A* und seines Verteidigers RA Mag. German Bertsch öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag zu Recht erkannt:
Der Berufung wird n i c h t Folge gegeben.
Entscheidungsgründe :
Mit dem angefochtenen Urteil eines Schöffensenats des Landesgerichts Feldkirch wurde der ** geborene A* nach § 21 Abs 1 StGB in einem forensisch-therapeutischen Zentrum untergebracht.
Danach hat er unter dem maßgeblichen Einfluss einer die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden (§ 11 StGB), schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung in Form einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie, einem Zustand nach schädlichem Substanzgebrauch sowie einem nicht stabilisierten Residualzustand, am 22.10.2024 in **
1./ Polizeibeamte mit Gewalt an einer Amtshandlung zu hindern versucht, nämlich B*, C*, D*, E*, F* und G* an seiner Durchsuchung und Vorführung nach dem UbG, indem er seine Hand aus dem Festhaltegriff der Beamten riss, sich unter Anwendung erheblicher Körperkraft vom Polizeifahrzeug wegdrückte, wodurch er gemeinsam mit B* und C* zu Boden stürzte, C* mit der Hand gegen den Hinterkopf schlug und sich am Boden liegend unter Anwendung erheblicher Körperkraft gegen die Fixierung durch die Beamten sperrte sowie mit den Armen und Beinen ausschlug,
2./ durch die zu 1./ beschriebene Tat Beamte während der Vollziehung ihrer Aufgaben am Körper misshandelt und dadurch fahrlässig verletzt und an der Gesundheit geschädigt, nämlich
a) C* in Form von Abschürfungen an den Knien sowie die Gewalteinwirkung überdauernden Schmerzen am Hinterkopf,
b) B* in Form einer Schürfwunde am rechten Knie,
und somit Taten begangen, die als das Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB (1./) und die Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 2, 84 Abs 2 StGB (2./) jeweils mit mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht sind.
Die gegen dieses Urteil gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen hat der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 10.9.2025, GZ 15 Os 74/25h-5, in nichtöffentlicher Sitzung zurückgewiesen und die Akten zur Entscheidung über die gleichzeitig erhobene Berufung dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet. Diese strebt mit dem Vorbringen eines Behandlungserfolgs während der Zeit der vorläufigen Unterbringung im Landeskrankenhaus ** (bzw in der Sonderanstalt **) primär die Abweisung des Unterbringungsantrags mangels (weiterhin bestehender) normativer Gefährlichkeit, in eventu unter Berufung auf die Therapiebereitschaft das vorläufige Absehen vom Vollzug der Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum an (ON 67).
Die Oberstaatsanwaltschaft vertrat in ihrer Stellungnahme den Standpunkt, dass der Berufung nicht Folge zu geben sein wird.
Die Berufung dringt nicht durch.
Die Begehung der rechtskräftig festgestellten Anlasstaten unter dem maßgeblichen Einfluss der die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden (§ 11 StGB) schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung in Form einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie, einem Zustand nach schädlichem Substanzgebrauch sowie einem nicht stabilisierten Residualzustand hat das Erstgericht ebenso wie die normative Gefährlichkeit des Betroffenen nach § 21 Abs 1 StGB unbedenklich aus dem im Verfahren eingeholten psychiatrischen Gutachten des Sachverständigen H* erschlossen. Der Sachverständige hat im Rahmen der Befundaufnahme den Betroffenen zuletzt am 3.5.2025 untersucht, wobei sich dieser am Schluss wenig kooperativ zeigte. Das Gutachten des Sachverständigen ist schlüssig, widerspruchsfrei und insbesondere auch in Ansehung der hohen Wahrscheinlichkeit der angenommenen Prognosetaten überzeugend. Die rechtlich relevanten Schlussfolgerungen nehmen Bezug auf sämtliche maßgebliche Prognosekriterien im Sinn des § 21 Abs 1 StGB. Der Berufung zuwider hat der Sachverständige die Krankengeschichte des Landeskrankenhauses ** berücksichtigt und zudem vor der mündlichen Erörterung des Gutachtens in der Hauptverhandlung auch Rücksprache mit Therapeuten der betroffenen Station geführt sowie – wie bereits ausgeführt - den Betroffenen mehrfach psychiatrisch untersucht und exploriert, zuletzt sogar in Form einer Check-Up-Untersuchung kurz vor dem Hauptverhandlungstermin. Das Vorbringen, der Betroffene habe einen Behandlungserfolg erzielt und dies sei vom Sachverständigen unberücksichtigt geblieben, trifft daher nicht zu.
An der inhaltlichen Richtigkeit der Urteilsannahmen zur Gefährlichkeitsprognose bestehen keine Zweifel. Damit tragen diese Feststellungen den Ausspruch nach § 21 Abs 1 StGB, weil mit Blick auf die rechtskräftig festgestellten Anlasstaten als Prognosetaten in absehbarer Zukunft medizinisch an sich schwere (vorsätzliche) Körperverletzungen, und damit der Art nach Taten im Sinn des § 21 Abs 3 zweiter Satz StGB (mit mehr als 2 Jahren Freiheitsstrafe bedrohte Handlungen gegen Leib und Leben), hoch wahrscheinlich sind (psychiatrisches Gutachten H* ON 41, 1 ff samt mündlicher Erörterung ON 61, 5).
Nach § 157a Abs 1 StVG ist vom Vollzug der strafrechtlichen Unterbringung vorläufig abzusehen, wenn und solange der Betroffene außerhalb eines forensisch-therapeutischen Zentrums behandelt und betreut werden kann und so sowie durch allfällige weitere Maßnahmen der Gefahr, der die strafrechtliche Unterbringung entgegenwirken soll (§ 21 StGB), (wirksam) begegnet werden kann.
Prognosekriterien für diese Ermessensentscheidung sind insbesondere die Person des Betroffenen, sein Vorleben, Art und Schwere der Anlasstat, der Gesundheitszustand des Betroffenen und die daraus resultierende Gefährlichkeit, der bisher erzielte Behandlungserfolg sowie die Möglichkeiten und Notwendigkeiten einer angemessenen Betreuung und die Aussichten auf das redliche Fortkommen.
Nach Maßgabe dieser Vorgaben ist derzeit der Berufung zuwider auch ein vorläufiges Absehen vom Vollzug nicht möglich. Das vorliegende Krankheitsbild ist per se mit einer schlechten Prognose verbunden. Eine Therapie und Rehabilitation in Form einer Behandlung außerhalb eines forensisch-therapeutischen Zentrums scheitert nach wie vor an der fehlenden Krankheitseinsicht und Unverlässlichkeit in der Behandlungskooperation des Betroffenen. Dies ergibt sich für das Berufungsgericht aus dem psychiatrischen Gutachten des Sachverständigen H* in Verbindung mit der in der Berufungsverhandlung verlesenen unbedenklichen aktuellen Auskunft des Leiters des forensisch-therapeutischen Zentrums ** nach § 434g Abs 1 StPO vom 6.10.2025, die zwanglos mit dem in der Berufungsverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck vom Betroffenen in Einklang zu bringen sind. Demnach zeigt sich beim Betroffenen weiterhin das Zustandsbild einer paranoiden Schizophrenie mit chronischer Symptomatik. Die Medikation wird vom Betroffenen zwar durchgehend eingenommen, allerdings ist die Compliance als fremdmotiviert anzusehen. Eine tiefergehende Krankheitseinsicht liegt nach wie vor nicht vor und ist zudem auch eine ausreichende Einsicht in die Behandlungsbedürftigkeit nicht gegeben. Der Zusammenhang des Krankheitsbildes mit dem Gewaltrisiko wird vom Betroffenen nicht erkannt. Ein ausreichender sozialer Empfangsraum konnte bisher nicht etabliert werden. Dies ist trotz positiver Ansätze bei der Integration in das Behandlungs- und Betreuungssetting auf das nicht vorhandene Problembewusstsein und die nicht ausreichende Behandlungseinsicht zurückzuführen.
Weil der nach wie vor bestehenden normativen Gefährlichkeit des Betroffenen im Sinn des § 21 Abs 1 StGB damit derzeit durch eine Behandlung und Betreuung außerhalb des forensisch therapeutischen Zentrums nicht wirksam begegnet werden kann, konnte die Berufung nicht durchdringen.
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