Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Friedrich als Vorsitzenden sowie den Richter Mag. Melichar und die Richterin Mag. Obwieser als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A*wegen des Vergehens der Verhetzung nach § 283 Abs 1 Z 1 erster Fall und Abs 2 StGB über die Berufungen des Angeklagten wegen Nichtigkeit sowie der Aussprüche über die Schuld und die Strafe sowie der Staatsanwaltschaft Feldkirch wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das einzelrichterliche Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 22.4.2025, GZ **-9, nach der am 24.9.2025 in Anwesenheit der Schriftführerin Rp Mag. Posch, der Oberstaatsanwältin Mag. Draschl, des Angeklagten und seines Verteidigers RAA Mag. Novak, Kzl. RA Dr. Hepperger, in Substitution für RA Mag. Bertsch, öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag zu Recht erkannt:
Auf die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit wird k e i n e Rücksicht genommen.
Der Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Schuld wird n i c h t Folge gegeben.
Der Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe wird F o l g e gegeben und die über ihn verhängte Geldstrafe auf 240 (zweihundertvierzig) Tagessätze, im Uneinbringlichkeitsfall 120 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, herabgesetzt, das Einziehungserkenntnis aufgehoben und der darauf gerichtete Antrag der Staatsanwaltschaft abgewiesen.
Der Berufung der Staatsanwaltschaft wegen des Ausspruchs über die Strafe wird n i c h t Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene A* des Vergehens der Verhetzung nach § 283 Abs 1 Z 1 erster Fall und Abs 2 StGB als Medieninhaltsdelikt im Sinn des § 1 Abs 1 Z 12 MedienG schuldig erkannt.
Nach dem Schuldspruch hat er im Zeitraum von 28.11.2024 bis jedenfalls 22.04.2025 in ** öffentlich auf eine Weise, dass es einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wurde, zu Gewalt gegen eine nach den vorhandenen oder fehlenden Kriterien der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion oder Weltanschauung, der Staatsangehörigkeit, der Abstammung oder nationalen oder ethnischen Herkunft definierte Gruppe von Personen, nämlich jener ohne österreichische Staatsbürgerschaft, ausdrücklich wegen der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe aufgefordert, indem er unter Verwendung seines Profils „B*“ in der öffentlich zugänglichen Facebook-Gruppe „C*“ mit 4.897 Mitgliedern ein Bild mit dem Text „Liebes Christkind! Mir geht so sehr die Muffn, drum bring mir bitte eine Puff‘n, die Asylanten werden immer mehr, am besten wär ein Schrottgewehr!!!“ veröffentlichte.
Hiefür verhängte der Einzelrichter nach § 283 Abs 2 StGB in Anwendung des § 37 Abs 1 StGB eine Geldstrafe von 360 Tagessätzen á EUR 4,--, im Fall der Uneinbringlichkeit 180 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, und verurteilte den Angeklagten gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens. Gemäß § 33 Abs 1 MedienG wurde der die strafbare Handlung begründende Inhalt in der Facebook-Gruppe „C*“ durch das Facebook-Profil „B*“ eingezogen und der Angeklagte dazu aufgefordert, binnen 7 Tagen nach Rechtskraft des Urteils den angeführten Inhalt zu löschen.
Gegen dieses Urteil meldeten der Angeklagte rechtzeitig Berufung wegen Nichtigkeit sowie der Aussprüche über die Schuld und die Strafe sowie die Staatsanwaltschaft wegen des Ausspruchs über die Strafe zum Nachteil des Angeklagten an. In seiner fristgerecht ausgeführten Berufung (ON 13) beantragte der Angeklagte sinngemäß, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und ihn vom Vorwurf freizusprechen.
Die fristgerecht schriftlich ausgeführte Berufung der Staatsanwaltschaft mündet unter Nennung eines zusätzlichen besonderen Erschwerungsgrundes und Nennung weiterer erschwerender Umstände in den Antrag, die über den Angeklagten verhängte Strafe schuld- und tatangemessen zu erhöhen (ON 10.1).
In seiner Gegenäußerung zur Berufung der Staatsanwaltschaft beantragte der Angeklagte sinngemäß, der Berufung der Staatsanwaltschaft keine Folge zu geben (ON 12).
Die Oberstaatsanwaltschaft vertritt in ihrer Stellungnahme die Ansicht, auf die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit werde keine Rücksicht zu nehmen und seiner weiteren Berufung keine Folge zu geben sein. Die Berufung der Staatsanwaltschaft sei hingegen berechtigt.
Auf die Berufung wegen Nichtigkeit war gemäß § 489 Abs 1 iVm § 467 Abs 2 erster Satz StPO keine Rücksicht zu nehmen, weil der Angeklagte weder bei der Anmeldung der Berufung noch in einer Berufungsschrift Nichtigkeitsgründe geltend gemacht hat. Von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeitsgründe haften dem Urteil nicht an.
Die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Schuld ist nicht berechtigt. Mit dem Argument, dass der Text nicht von ihm verfasst worden sei und dieser weder einen Aufruf zur Gewalt enthalte noch eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit begründe und damit „weder eine Verhetzung, noch eine Beschimpfung und auch keine Verächtlichmachung irgendwelcher Gruppen“ enthalte, wendet sich der Angeklagte gegen die diesbezüglichen Feststellungen des Erstrichters.
Aufgrund der Schuldberufung überprüfte der Berufungssenat die entscheidenden erstrichterlichen Urteilsannahmen anhand des Akteninhalts. Mit seinem Vorbringen gelingt es dem Angeklagten nicht, Bedenken an der Richtigkeit der entscheidenden Urteilsannahmen in objektiver und subjektiver Hinsicht hervorzurufen. Der Erstrichter hat unter ausführlicher Auseinandersetzung mit den Angaben des Angeklagten in einer auf alle übrigen Beweisergebnisse eingehenden Beweiswürdigung dargelegt, warum er der Verantwortung des Angeklagten nicht folgte. Diese Beweiswürdigung wird vom Berufungsgericht ausdrücklich geteilt. Der Wortlaut der vom Angeklagten getätigten Veröffentlichung lässt bei lebensnaher Betrachtung nur den Schluss zu, dass der Durchschnitts-User von „Facebook“ darin eine Aufforderung zur Gewalt und ein Aufstacheln zu Hass gegen die Gruppe der nach Europa geflüchteten und flüchtenden Personen, die hier Asyl suchen, sieht. Die Verantwortung des Angeklagten, dass es sich dabei um eine Satire gehandelt habe, zumal auch das Wort „Schrotgewehr“ mit „Doppel-T“ geschrieben wurde und es sich ja nur um einen Wunsch an das Christkind handle, ist mit dem Wortlaut des Postings nicht vereinbar. Die Feststellungen zur inneren Tatseite ergaben sich aus dem äußeren Verhalten des Angeklagten. Wer derartige Äußerungen im Internet postet, mag auch der Text nicht vom Angeklagten selbst verfasst worden sein, nimmt regelmäßig billigend in Kauf, zu Gewalt gegen die Gruppe der nach Europa geflüchteten asylsuchenden Personen aufzufordern und zu Hass gegen diese Gruppe aufzustacheln. Die Veröffentlichung dieser Äußerung auf einer öffentlich zugänglichen Facebook-Seite mit 4.897 Mitgliedern zeigt, dass der Angeklagte auch ernsthaft für möglich hielt und sich damit abfand, dies auf eine Weise zu tun, wodurch die Handlung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wurde.
Von den Strafberufungen ist lediglich jene des Angeklagten berechtigt.
Die Staatsanwaltschaft rügt in ihrer Berufung die Annahme des Milderungsgrundes des § 34 Abs 1 Z 2 StGB mit der Begründung, dass die Tat nicht in einem auffallendem Widerspruch zum sonstigen Verhalten des Angeklagten gestanden sei. Unrichtig ist dabei jedoch die Behauptung, dass der Angeklagte seit November 2021 Administrator der Facebook-Gruppe „C*“ sei, in welcher er das inkriminierte Posting veröffentlichte und in welcher er regelmäßig einschlägige Postings veröffentlicht habe. Wie sich aus dem Abschlussbericht ON 2.2 ergibt, wurde der Beitrag in der öffentlichen Facebook-Gruppe „C*“ Online gestellt. Der Angeklagte scheine aber als Administrator der privaten Facebook-Gruppe „D*“ auf (ON 2.2, Seite 2). Der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 2 StGB wurde daher vom Erstgericht zu Recht angenommen.
Wie die Berufung der Staatsanwaltschaft zu Recht aufzeigt, sind die besonderen Strafzumessungsgründe des Ersturteils – ohne Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (15 Os 75/15s, RIS-Justiz RS0130193) – auf der erschwerenden Seite durch das Handeln des Angeklagten aus fremdenfeindlichen Motiven (§ 33 Abs 1 Z 5 StGB) zu ergänzen.
Soweit in der Strafberufung der Staatsanwaltschaft darauf hingewiesen wird, dass der Angeklagte das Posting bis zur Hauptverhandlung nicht gelöscht habe, ist auf den Tenor des Urteils zu verweisen, welcher einen Zeitraum von 28.11.2024 bis jedenfalls 22.4.2025 umfasste und somit vom Erstgericht im Rahmen der Strafzumessung bereits berücksichtigt wurde.
Weitere durch das Erstgericht nicht berücksichtigte besondere Strafzumessungsgründe wurden weder vom Angeklagten noch von der Staatsanwaltschaft behauptet und sind auch aus dem Akt nicht ableitbar.
Davon ausgehend erscheint – auf Grundlage der Schuld des Angeklagten (§ 32 Abs 1 StGB), unter Berücksichtigung des Handlungs-, Gesinnungs- und Erfolgsunwerts der Tat – die im Ersturteil verhängte Geldstrafe bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 37 Abs 1 StGB in Ansehung der Tagessatzanzahl mit Blick auf den Strafrahmen von bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe etwas zu streng und war daher auf 240 Tagessätze herabzusetzen. Einer teilweise bedingten Strafnachsicht im Sinn des § 43a Abs 1 stehen nicht nur spezialpräventive Gründe sondern insbesonders auch generalpräventive Gründe entgegen. Es gilt, allen Nutzern sozialer Netzwerke deutlich zu machen, dass auch Äußerungen im Internet den Strafgesetzen unterliegen und mit aller Entschiedenheit geahndet werden, wenn sie dagegen verstoßen.
Der von der Staatsanwaltschaft nicht ausdrücklich bekämpfte Tagessatz wurde ohnedies mit dem Minimum von EUR 4,-- bestimmt und entspricht den festgestellten Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Angeklagten.
Zum Einziehungserkenntnis:
Gemäß § 33 Abs 1 MedienG ist im Strafurteil wegen eines Medieninhaltsdeliktes auf Antrag des Anklägers auf die Einziehung der zur Verbreitung bestimmten Medienstücke oder die Löschung der die strafbare Handlung begründenden Stellen der Website zu erkennen (Einziehung). Wird auf Löschung der die strafbare Handlung begründenden Stellen der Website erkannt (Einziehung), so ist gemäß § 36a Abs 1 MedienG der Medieninhaber aufzufordern, innerhalb einer ihm zu setzenden Frist dem gerichtlichen Auftrag zu entsprechen. Medieninhaber ist nach der Definition des § 1 Abs 1 Z 8 lit c) MedienG im Falle eines elektronischen Mediums, wer dessen inhaltliche Gestaltung besorgt und dessen Ausstrahlung, Abrufbarkeit oder Verbreitung entweder besorgt oder veranlasst. Der Angeklagte ist ausgehend von den erstgerichtlichen Feststellungen Medieninhaber seines unter dem Benutzernamen „B*“ betriebenen Facebook-Profils, nicht aber des Facebook-Profils „C*“, in welchem Medium vorliegend die mit Strafe bedrohte Handlung begangen wurde.
Die Staatsanwaltschaft Feldkirch beantragte gemäß § 33 Abs 1 MedienG die Löschung der die strafbare Handlung begründenden Inhalte der öffentlich zugänglichen Facebook-Profile „B*“ und „C*“ unter Anführung der entsprechenden Facebook-URL´s (ON 3 und ON 8, Seite 2). Hinsichtlich des Accounts mit dem Benutzernamen „B*“ blieb der Antrag von der Staatsanwaltschaft unbekämpft unerledigt, wäre aber ohnehin eine Löschungsanordnung gemäß §§ 33 Abs 1, 36a Abs 1 MedienG ohnehin im vorliegenden unselbständigen Verfahren nicht möglich gewesen, weil eine in diesem Medium erfolgte Veröffentlichung nicht von der Anklage umfasst ist (arg. „… unter Verwendung seines Profils „B* …“). Die Anordnung der Löschung des Inhalts der unter dem Profil „C*“ betriebenen Website könnte sich nur gegen deren Medieninhaber und nicht gegen den Angeklagten richten. Ist der Medieninhaber – wie hier – nicht bekannt (und daher auch nicht gemäß § 41 Abs 6 MedienG zur Hauptverhandlung geladen), kann ein Einziehungserkenntnis gemäß § 33 Abs 1 zweite Variante MedienG (Löschung) nicht gefällt werden ( Rami in Höpfel/Ratz, WK 2MedienG § 33 Rz 30).
Insgesamt war somit lediglich der Strafberufung des Angeklagten Folge zu geben.
Der Ausgang des Berufungsverfahrens hat die im Spruch angeführten Kostenfolgen.
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