Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Knapp, LL.M., als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr. Offer und Mag. Preßlaber als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen A*wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und einer weiterer strafbaren Handlung über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 21.8.2025, GZ **-7, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Der Beschwerde wird n i c h t Folge gegeben.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO ).
BEGRÜNDUNG:
Mit dem angefochtenen, gleich zu Beginn der Hauptverhandlung am 21.8.2025 verkündeten Beschluss (PS 1 in ON 6) wies das Landesgericht Feldkirch den Antrag des Angeklagten auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers ab. Die schriftliche Ausfertigung des Beschlusses (ON 7) enthält nachfolgende Begründung:
Die Staatsanwaltschaft Feldkirch legt dem am ** in ** (Ägypten) geborenen österreichischen Staatsangehörigen A* mit Strafantrag vom 29.07.2025, **, das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB sowie das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB zur Last. Demnach habe er „am 27.06.2025 in **
Bei seiner Einvernahme vor der Polizei bestritt der Angeklagte zwar nicht, ein Fahrrad geworfen zu haben, berief sich aber auf den Rechtfertigungsgrund der Notwehr. C* sei in Begleitung eines türkischen Kollegen (Anm.: B*) auf ihn zugekommen und habe ihn beleidigt bzw. bedroht ehe er versucht habe, ihn mit einem um seine Faust gewickelten Fahrradschloss zu schlagen. Er selbst habe sich nur verteidigt. Ein Messer habe er nicht dabei gehabt.
Am 13.08.2025 langte beim Landesgericht Feldkirch ein Antrag des Angeklagten auf Bewilligung der Verfahrenshilfe samt Vermögensbekenntnis ein. Im Vermögensbekenntnis gab er zusammengefasst an, dass er eine monatliche Arbeitslosenunterstützung in der Höhe von EUR 1.519,93 sowie Wohnungsbeihilfe in der Höhe von EUR 393,22 beziehe. Er habe kein Vermögen, demgegenüber jedoch Schulden in der Höhe von EUR 2.500,-- (Bankkredit). Er sei geschieden und sorgepflichtig für seine minderjährige Tochter D*.
In rechtlicher Hinsicht folgt hieraus:
Ist der Beschuldigte (Angeklagte) außerstande, ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung notwendigen Unterhalts die gesamten Kosten der Verteidigung zu tragen, so hat das Gericht gemäß § 61 Abs 2 StPO auf Antrag des Beschuldigten (Angeklagten), in den Fällen der Z 2 auch nach Ermessen des Gerichts von Amts wegen, zu beschließen, dass diesem ein Verteidiger beigegeben wird, dessen Kosten er nicht oder nur zum Teil (§ 393 Abs 1a) zu tragen hat, wenn und soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung, erforderlich ist (Verfahrenshilfeverteidger). Die Beigebung eines Verteidigers ist in diesem Sinn jedenfalls erforderlich:
Die Strafprozessordnung gibt hinsichtlich der Beurteilung einer schwierigen Sach- und Rechtslage keine Begriffserläuterung, sodass eine sachgerechte Einzelfallabwägung vorzunehmen ist (Soyer/Schumann, WK-StPO § 61 Rz 66). Verfahrenshilfe ist zu gewähren bei komplexen Beweisfragen der Medizin, Technik, Betriebsführung, Bilanzierung ua, aufwendig (schwierig) zu klärenden Tat- oder Rechtsfragen oder bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Zeugen mit sachverständiger Hilfe (vgl McAllister/Wess, LiK-StPO § 61 Rz 18).
Zwar liegen beim Angeklagten die wirtschaftlichen Voraussetzungen, jedoch keine der in § 61 Abs 2 Z 1 bis 4 StPO genannten Voraussetzungen, insbesondere keine schwierige Sach- und Rechtslage vor. Der Antrag war daher – unabhängig von der wirtschaftlichen Bedürftigkeit – abzuweisen.“
Dagegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Beschwerde des Angeklagten, die er nicht näher ausführte.
Die Oberstaatsanwaltschaft enthielt sich einer Stellungnahme zum Rechtsmittel des Angeklagten.
Die Beschwerde ist zulässig, weil der Angeklagte diese unmittelbar nach Verkündung in der Hauptverhandlung zu Protokoll gab und im Beschwerdeverfahren keine Pflicht zur Begründung des Rechtsmittels besteht (RIS-Justiz RS0117216, RS0118014; Kirchbacher, StPO 15 § 88 Rz 1). Dem Rechtsmittel kommt aber keine Berechtigung zu.
Die Anklagevorwürfe, der bisherige Verfahrensgang und die gesetzlichen Bestimmungen für die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers sind im angefochtenen Beschluss zutreffend wiedergegeben, weshalb zur Vermeidung von Wiederholungen darauf verwiesen wird.
Die wirtschaftliche Bedürftigkeit im Sinne des § 61 Abs 2 StPO (vgl dazu Soyer/Schumann in Fuchs/Ratz,WK StPO § 61 Rz 50 ff) ist zwar notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers.
Zutreffend ging das Erstgericht davon aus, dass die Beigebung eines Verteidigers nicht im Interesse der Rechtspflege, insbesondere auch nicht im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung erforderlich ist, weil zunächst kein im § 61 Abs 2 Z 1 bis 4 StPO angeführter Fall vorliegt. Mit Blick auf die dem Strafantrag zugrundeliegenden überschaubaren (angeklagten) Sachverhalte liegt trotz der Tatmehrheit aufgrund der vorliegenden Ermittlungsergebnisse, die sich im Wesentlichen auf die Angaben der Opfer B* und C* sowie weiterer Zeugen, welche mitunter laut eigenen Angaben jedoch nicht „viel wahrgenommen“ hätten (E* und F*), Lichtbilder, ärztliche Unterlagen und die (im Ergebnis) leugnende Verantwortung des Angeklagten, der eine Drohung abstreitet und sich zu /1. des Strafantrages auf einen Rechtfertigungsgrund beruft, beschränken, insbesondere kein Fall von schwieriger Sach- oder Rechtslage im Sinne des § 61 Abs 2 Z 4 StPO vor. Zudem sind auch andere Gründe (zum nicht abschließenden Katalog der Z 1 bis 4 des , in denen die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers ex lege jedenfalls erforderlich ist – vgl
Der bislang gerichtlich unbescholtene Angeklagte ist daher unter Berücksichtigung der für den Einzelrichter geltenden Manuduktionspflicht (§ 6 Abs 2 erster Satz StPO) auch nach Ansicht des Oberlandesgerichts durchaus in der Lage, sich selbst zu verteidigen.
Weil der Antrag schon aus diesem Grunde zu Recht abgewiesen wurde, war der Beschwerde ein Erfolg zu versagen.
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