Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch die Richterin Dr. Klammer als Einzelrichterin (§ 33 Abs 2 StPO) in der Strafsache gegen A* wegendes Verdachtes des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB über die Beschwerde der A* gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 02.05.2025, ** (GZ B* 22 der Staatsanwaltschaft Innsbruck), beschlossen:
Der Beschwerde wird t e i l w e i s e Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahingehend a b g e ä n d e r t, dass der Beitrag zu den Kosten der Verteidigung der A* gemäß § 196a Abs 1 StPO mit EUR 400,-- bestimmt wird.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
Begründung:
Die Staatsanwaltschaft Innsbruck führte zu B* gegen A* ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB. Am 18.02.2025 stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gemäß § 190 StPO ein, führte dieses aber aufgrund eines Fortführungsantrages des Opfers am 28.02.2025 gemäß § 195 Abs 1 Z 3 StPO fort und beauftragte die Einholung eines gerichtsmedizinischen Sachverständigengutachtens zu Art und Schwere der Verletzung sowie zur Dauer der Gesundheitsbeeinträchtigung des Opfers (ON 1.7).
Mit Schriftsatz vom 06.03.2025 gaben die Verteidiger die Vollmacht für die Beschuldigte bekannt (ON 15).
Nach Einlangen des gerichtsmedizinischen Gutachtens stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen A* am 15.04.2025 aus dem Grund des § 88 Abs 2 Z 2 StGB ein (ON 1.9).
Mit Schriftsatz vom 02.05.2025 (ON 20, 21) beantragte A* durch ihre Verteidiger unter Hinweis auf eine Leistungsaufstellung, beinhaltend Besprechungen, Korrespondenz und zwei Anträge, den Zuspruch eines Beitrages von EUR 1.500,-- zu den Kosten der Verteidigung.
Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte das Erstgericht den Beitrag zu den Verteidigungskosten gemäß § 196a Abs 1 StPO mit EUR 100,-- und wies das Mehrbegehren von EUR 1.400,-- ab.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitig erhobene Beschwerde der Beschuldigten (ON 23) mit dem Antrag, den Verteidigungskostenbeitrag deutlich anzuheben und mit EUR 1.500,-- zu bestimmen. Hiezu wurde ausgeführt, dass die Korrespondenz zur Regulierung von Schmerzengeldansprüchen der im Strafverfahren wesentlichen Schadenswiedergutmachung diene, die auch Voraussetzung für eine Verfahrenseinstellung, etwa im Wege der Diversion, sein könne. Dies stehe im Zusammenhang mit der notwendigen und zweckmäßigen Verteidigung.
Die Beschwerde, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft einer Stellungnahme enthielt, ist teilweise berechtigt.
Wird ein Ermittlungsverfahren gemäß § 108 oder § 190 StPO eingestellt, so hat gemäß § 196a Abs 1 StPO der Bund dem Beschuldigten auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten. Dieser Beitrag ist unter Bedachtnahme auf den Umfang der Ermittlungen, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen und darf den Betrag von EUR 6.000,-- nicht übersteigen.
Die Kriterien des Umfangs der Ermittlungen und der Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen sind anhand des konkreten Ermittlungsverfahrens zu gewichten. Ausschlaggebend sind insbesondere der sich auf die Verteidigung durchschlagende Aufwand bei den Ermittlungsmaßnahmen, die Dauer des Ermittlungsverfahrens, die Anzahl der Verfahrensbeteiligten sowie die Gestaltung des dem Ermittlungsverfahren zugrunde liegenden Sachverhaltes, der in seiner Komplexität von ganz einfachen Fällen bis hin zu umfangreichen Strafverfahren (etwa organisierte Kriminalität oder Wirtschaftsstrafverfahren) variieren kann und bei dem auch Aspekte, die die Ermittlungsarbeit erheblich aufwendig gestalten (beispielsweise wirtschaftliche Verflechtungen, Auslandsbeteiligungen, schwer nachvollziehbare Geldflüsse, Erfordernis von Sachverständigengutachten oder Rechtshilfeersuchen) zu berücksichtigen sind.
Zudem steht die Bemessung des Verteidigerkostenbeitrages immer auch unter dem Blickwinkel der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Verteidigung bzw der einzelnen Verteidigungshandlungen (EBRV 2557 BlgNR XXVII. GP, S 3). Die Regelung des § 196a StPO wurde an jene des § 393a StPO angelehnt, für den von der Judikatur der Aktenumfang, die Schwierigkeit bzw Komplexität der Sach- und Rechtslage sowie der Umfang des Verfahrens (Hauptverhandlungen, Rechtsmittel) herangezogen wurden.
Der Pauschalkostenbeitrag im Höchstbetrag der Grundstufe 1 in Höhe von EUR 6.000,-- soll grundsätzlich für alle Verteidigungshandlungen zur Verfügung stehen, die nicht außergewöhnlich oder extrem sind. Da die Bandbreite der Verfahren, die in diese Grundstufe fallen, von ganz einfachen Verteidigungsfällen bis hin zu Wirtschaftsstrafsachen reicht, kann sich der Beitrag je nach Umfang der Ermittlungen und Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen dem im Gesetz vorgesehenen Höchstbetrag annähern bzw sich von diesem weiter entfernen. Dabei wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass ein durchschnittliches Standardverfahren rund EUR 3.000,-- an Aufwand für die Verteidigung verursachen wird, wobei in dieser Berechnung zwar der Einheitssatz Berücksichtigung findet, Erfolgs- und Erschwerniszuschläge jedoch außer Betracht zu bleiben haben. Für Verfahren, die in die bezirksgerichtliche Zuständigkeit fallen, erscheint angesichts deren zu erwartender im Regelfall geringeren Komplexität und auch der kürzeren Verfahrensdauer in diesem Sinne eine Reduktion der Ausgangsbasis auf die Hälfte des Durchschnittswerts, sohin EUR 1.500,--, angemessen (EBRV 2557 BlgNR XXVII. GP, S 5).
Eine Verpflichtung, einem Beschuldigten sämtliche Aufwendungen für seine Verteidigung zu ersetzen, sieht das Gesetz nicht vor und ist eine solche Verpflichtung weder den geltenden Verfassungsbestimmungen noch der Judikatur des EGMR zu entnehmen (EBRV 2557 BlgNR XVII. GP, S 2), vielmehr stellt der zugesprochene Betrag einen Beitrag zu den Verteidigungskosten dar.
Hintergrund des gegenständlichen Strafverfahrens ist der Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung, indem das Opfer vom Hund der Beschuldigten gebissen worden sei. Die Beschuldigte wurde am 20.11.2024 ohne Beisein eines Verteidigers einvernommen (ON 2.5). Mit Schriftsatz vom 06.03.2025 teilten die Verteidiger die Bevollmächtigung mit und stellten den Antrag auf Freischaltung zur elektronischen Akteneinsicht (ON 15). Laut Leistungsverzeichnis richteten die Verteidiger im Übrigen mehrere Schreiben an die Mandantin, an den Opfervertreter sowie an die Versicherung und führten Besprechungen mit der Mandantin durch.
Am 15.04.2025 stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gemäß § 190 StPO aus dem Grunde des § 88 Abs 2 Z 2 StGB ein (ON 1.9).
Es handelt sich um eine einfache Tat- und Rechtsfrage mit einem auch für das bezirksgerichtliche Verfahren unterdurchschnittlichen Verteidigungsaufwand, der in der Vollmachtsbekanntgabe samt Antrag auf Aktenfreischaltung und Korrespondenz mit der Versicherung, dem Opfervertreter sowie der Mandantin und in Besprechungen mit der Mandantin bestand. Eine Teilnahme an einer Beschuldigtenvernehmung durch die Verteidiger fand nicht statt. Die im Leistungsverzeichnis angeführten Verteidigungshandlungen sind mit Blick auf die auch in der Beschwerde angesprochene Vorbereitung der Möglichkeit einer diversionellen Erledigung durchaus als notwendig und zweckmäßig zu betrachten. Die nach der Einstellung des Verfahrens verzeichneten Leistungen, insbesondere auch der Antrag auf Zuspruch eines Verteidigungskostenbeitrages, haben außer Betracht zu bleiben ( Lendl in Fuchs/Ratz WKStPO § 393a Rz 23).
Fallbezogen handelt es sich aufgrund der einfachen Sach- und Rechtslage und des geringen Ermittlungsumfangs mit Blick auf den notwendigen und zweckmäßigen Einsatz der Verteidiger um ein weit unter dem Durchschnitt liegendes, in die bezirksgerichtliche Zuständigkeit fallendes Standardverfahren. Bei einer Gesamtabwägung der vom Gesetzgeber vorgegebenen Bemessungskriterien und mit Blick auf die vorgenommenen Verteidigungshandlungen erweist sich der vom Erstgericht bestimmte Kostenbeitrag mit EUR 100,-- dennoch als etwas zu gering und war daher auf EUR 400,-- anzuheben. Der Beschwerde war sohin teilweise Folge zu geben.
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