Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Engers als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Mag. Vötter und die Richterin des Oberlandesgerichts Mag. Kitzbichler als weitere Mitglieder des Senats (Senatsbesetzung gemäß § 11a Abs 2 Z 2 ASGG) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A* , vertreten durch Rainer-Rück Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, gegen die beklagte Partei B* GmbH , vertreten durch Dr. Michael Nocker, LL.M., Rechtsanwalt in 1010 Wien, wegen Unwirksamerklärung einer Kündigung, über den Rekurs der beklagten Partei gegen die Kostenentscheidung im Versäumungsurteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 25.3.2025 (signiert am 26.3.2025), ** (Rekursinteresse: EUR 4.473,90), in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Dem Rekurs wird F o l g e gegeben und die bekämpfte Kostenentscheidung a b g e ä n d er t , sodass sie wie folgt lautet:
Die klagende Partei hat die Kosten des Verfahrens erster Instanz selbst zu tragen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls u n z u l ä s s i g .
BEGRÜNDUNG:
Mit Versäumungsurteil vom 25.3.2025 erklärte das Erstgericht die von der Beklagten gegenüber dem Kläger am 30.1.2025 ausgesprochene „Änderungskündigung“ zum 31.7.2025 für rechtsunwirksam. Darüber hinaus verpflichtete es die Beklagte, dem Kläger EUR 4.473,90 (darin enthalten EUR 745,65 an USt) an Verfahrenskosten zu ersetzen.
Die Beklagte bekämpft die im angeführten Urteil enthaltene Kostenentscheidung mit einem fristgerecht erstatteten Rekurs , mit dem sie deren Abänderung dahin begehrt, dass dem Kläger keine Kosten zugesprochen werden.
Vom Kläger wurde keine Rekursbeantwortung erstattet.
Der Kostenrekurs ist berechtigt.
Die Beklagte verweist darauf, dass der Kläger seine Kündigungsanfechtung nach der Klagserzählung auf folgende gesetzliche Regelungen gestützt habe:
a) Kündigungsanfechtung wegen Sozialwidrigkeit gemäß § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG;
b) Kündigungsanfechtung wegen eines verpönten Motivs gemäß § 105 Abs 3 Z 1 lit j ArbVG;
c) Anfechtung der Kündigung gemäß § 17 GlBG sowie
d) Kündigungsanfechtung gemäß § 7b BEinstG.
Sie vertritt die Ansicht, dass es sich bei der Anfechtung einer Kündigung wegen Sozialwidrigkeit bzw eines verpönten Motivs gemäß § 105 ArbVG um eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit iSd § 50 Abs 2 ASGG handle. In derartigen Rechtsstreitigkeiten stehe gemäß § 58 Abs 1 ASGG den Parteien ein Kostenersatzanspruch an die andere nur im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof zu. Für die auf § 105 Abs 3 Z 1 und Z 2 ArbVG gestützte Kündigungsanfechtung stehe daher der Beklagten [ gemeint: dem Kläger] kein Kostenersatz zu.
Soweit der Kläger die Kündigungsanfechtung auch auf die Bestimmungen des § 17 GlBG sowie des § 7b BEinstG stütze, übersehe er, dass gemäß § 29 Abs 4 GlBG Ansprüche, die – wie hier – neben einem im GlBG erfassten Diskriminierungsgrund auch auf den Diskriminierungsgrund der Behinderung gemäß BEinstG gestützt werden, nur nach vorheriger Durchführung eines Schlichtungsverfahrens beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen gerichtlich geltend gemacht werden könnten. Der ordentliche Rechtsweg sei in diesem Fall für sämtliche auf das GlBG gestützten Ansprüche, auch für eine Kündigungsanfechtung, zunächst ausgeschlossen. Dass hier ein Schlichtungsverfahren stattgefunden habe, sei vom Kläger nicht einmal behauptet worden und habe es ein solches auch nicht gegeben. Das Versäumungsurteil habe daher ausschließlich iZm der Anfechtung gemäß § 105 ArbVG ergehen können, wofür es aber außer vor dem Höchstgericht keinen Kostenersatz gebe. Die Anfechtungsmöglichkeiten nach § 17 GlBG sowie § 7b BEinstG seien bei der Kostenentscheidung nicht zu berücksichtigen, zumal darüber kein Versäumungsurteil ergehen hätte können: Diesbezüglich hätte das Erstgericht vor Erlassung des Versäumungsurteils von Amts wegen als allgemeine Prozessvoraussetzung auch iSd §§ 2 Abs 1 ASGG, 401 ZPO die Zulässigkeit des Rechtswegs zu prüfen gehabt.
Diese Argumentation ist zutreffend:
1. In Rechtssachen nach § 50 Abs 2 ASGG, somit auch bei Kündigungs- und Entlassungsanfechtungen nach den §§ 105 ff ArbVG, besteht nach § 58 Abs 1 1. Satz ASGG außer im Verfahren vor dem Höchstgericht keine Kostenersatzpflicht ( Neumayrin ZellKomm³ § 58 ASGG Rz 2).
1.1 Wird – wie hier – ein Anfechtungsverfahren auf mehrere Anspruchsgrundlagen mit unterschiedlichen Kostenfolgen gestützt, so ist eine sachgerechte Lösung anzustreben. Realistischerweise wird in solchen Fällen am Ende des Verfahrens zu beurteilen bzw abzuschätzen sein, welche „Anteile“ des Verfahrens sich auf Anspruchsgrundlagen mit bzw ohne Kostenersatz bezogen haben. Der Verfahrensanteil mit Kostenersatz ist quotenmäßig zu schätzen und die Kosten sind entsprechend dieser Quote aufzuteilen ( Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 1.473).
Werden Ansprüche aus dem GlBG nicht nur auf die von diesem Gesetz erfassten Diskriminierungsgründe gestützt, sondern zusätzlich auch auf den Grund der Behinderung, so sind die Durchsetzungsmöglichkeiten nach dem GlBG modifiziert. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen, sofern nicht zunächst ein Schlichtungsverfahren beim Bundessozialamt nach den Bestimmungen der §§ 14ff Bundes-BehindertengleichstellungsG durchgeführt wird. § 15 Abs 4 GlBG verweist diesbezüglich auf die §§ 7k, 7n und 7o BEinstG ( Windisch-Graetzin ZellKomm³ § 15 GlBG Rz 7f). So bestätigte das OLG Wien zu 7 Ra 64/21i die Zurückweisung einer Klage wegen temporärer Unzulässigkeit des Rechtswegs, bei der sich der Kläger sowohl auf eine körperliche Einschränkung iSd §§ 3 BEinstG als auch auf Altersdiskriminierung stützte.
1.2 Im hier vorliegenden Fall stützte sich der Kläger bei der Anfechtung seiner Änderungskündigung nicht nur auf die Bestimmungen des GlBG, sondern auch ausdrücklich auf § 7 f BEinstG.
Aus diesem Grund liegt im Sinn vorstehender Ausführungen im konkreten Fall hinsichtlich der – grundsätzlich einen Kostenersatzanspruch begründenden – Anspruchsgrundlage des GlBG eine Unzulässigkeit des Rechtswegs vor. Das diesbezügliche Vorbringen im Rechtsmittel der Beklagten verstößt auch nicht gegen das Neuerungsverbot, da dieses bei Prozesseinreden, die noch in zweiter Instanz amtswegig wahrgenommen werden dürfen, nicht gilt ( Pimmer in Fasching/Konecny 3IV/1 § 482 ZPO Rz 17). Damit verbleiben als Anspruchsgrundlage für einen allfälligen Kostenersatzanspruch des Klägers nur die Tatbestände des § 105 ArbVG. In solchen Verfahren ist jedoch wie bereits dargelegt außer für das Verfahren vor dem Höchstgericht kein Kostenersatz vorgesehen.
1.3 Es war daher in Stattgebung des Rechtsmittels der Beklagten auszusprechen, dass der Kläger die Kosten des Verfahrens vor dem Erstgericht selbst zu tragen hat.
2. Zur Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens kann auf vorstehende Ausführungen zu den §§ 50 Abs 2, 58 Abs 1 1. Satz ASGG verwiesen werden.
Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses ergibt sich aus § 528 Abs 2 und Z 2 ZPO.
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