Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Engers als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Mag. Vötter und die Richterin des Oberlandesgerichts Mag. Kitzbichler als weitere Mitglieder des Dreiersenats nach § 11a Abs 2 Z 2 ASGG in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* , gegen die beklagte Partei B* , wegen Pflegegeld – hier: Verfahrenshilfe und Ablehnung – über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 31.10.2024, **-17, sowie aus Anlass des Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 6.6.2024, **-7, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
I. Dem Rekurs wird k e i n e Folge gegeben.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls u n z u l ä s s i g .
II. Die Akten werden dem Erstgericht mit dem Auftrag z u r ü c k g e s t e l l t , den Beschluss des Rekursgerichts den Streitteilen zuzustellen und die Akten nach Ablauf von 14 Tagen nach Zustellung des Beschlusses an die klagende Partei zur Entscheidung über deren weiteren Rekurs zu 25 Rs 34/24x wieder anher vorzulegen.
Begründung:
Mit Bescheid vom 6.9.2019 gewährte die Beklagte dem Kläger – ausgehend von einem monatlichen Pflegebedarf von 97 Stunden – Pflegegeld der Stufe 2 ab dem 1.8.2019.
Im November 2020 beantragte der Kläger die Erhöhung dieser Leistung.
Mit Bescheid vom 4.1.2022 setzte die Beklagte das Pflegegeld ab 1.3.2022 auf ein solches der Stufe 1 herab.
Hiegegen erhob der Kläger rechtzeitig eine zu ** des Erstgerichts erfasste Klage, mit der er die Verpflichtung der Beklagten anstrebt, ihm ab 1.12.2022 Pflegegeld der Stufe 3 in Höhe von derzeit monatlich EUR 451,80 unter Anrechnung bereits erbrachter Leistungen zu bezahlen; anspruchsbegründend führt er unter anderem eine hochgradige Sehbehinderung im Sinn des § 4a Abs 4 BPGG für seinen Standpunkt ins Treffen. Die Beklagte bestreitet das Vorliegen eines die Pflegestufe 1 übersteigenden Pflegebedarfs, insbesondere auch einer hochgradigen Sehbehinderung des Klägers.
Mit Schriftsatz vom 11.10.2022 (ON 25 im sozialgerichtlichen Akt) legte der Kläger eine Vollmacht vor, mit der er C* bevollmächtigte, ihn in dieser Sozialrechtssache in den Verhandlungen erster Instanz zu vertreten und alle Prozesshandlungen „abzugeben und vorzukehren“, die er in seinem (des Klägers) Interesse für sinnvoll erachte, einschließlich des allfälligen Abschlusses von Vergleichen.
In seiner Eingabe vom 24.3.2024 ortet der Kläger einen Verstoß gegen sein Recht auf einen gesetzlichen Richter infolge einer nicht zureichenden Geschäftsverteilung des Erstgerichts und lehnte er den mit der Sozialrechtssache befassten Erstrichter D* als befangen ab.
Mit Beschluss vom 11.4.2024, **-4, wies das Erstgericht in der Besetzung dessen Vizepräsidentin E* sowie F* und G* diesen Ablehnungsantrag und weitere Eingaben im Ablehnungsverfahren zurück. Hiegegen erhob der Kläger mit 3.6.2024 Rekurs.
Mit selbem Datum lehnte er in einem nahezu wortgleichen Antrag die drei Richter des Ablehnungssenats ab. Mit Beschluss vom 6.6.2024, **-7, wies das Erstgericht in anderer Zusammensetzung diesen Ablehnungsantrag zurück.
Hiegegen erhob der Kläger – unvertreten – wiederum Rekurs, mit dem er die Abänderung des Beschlusses vom 6.6.2024 im Sinn einer Feststellung der Befangenheit von E*, F* und G* anstrebt.
Mit Beschluss des Rekursgerichts vom 29.8.2024, 25 Rs 34/24x, wurde der Akt dem Erstgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, den Kläger zur Verbesserung seines Rekurses vom 26.6.2024 durch Unterfertigung durch einen qualifizierten Vertreter aufzufordern und den Akt nach Verbesserung oder fruchtlosem Ablauf der Verbesserungsfrist wieder anher vorzulegen.
Diesem Auftrag kam das Erstgericht am 17.9.2024 unter Setzung einer 14-tägigen Frist nach.
Während dieser Frist beantragte der Kläger, ihm im Verfahren ** des Erstgerichts Verfahrenshilfe „im vollen Umfang“ einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwalts zu bewilligen und kündigte ein Nachreichen des Vermögensbekenntnisses mit der Begründung an, es müssten hiezu noch Unterlagen eingeholt werden.
Hierauf trug das Erstgericht dem Kläger auf, binnen acht Tagen den Verfahrenshilfeantrag durch Vorlage eines vollständig ausgefüllten Vermögensbekenntnisses zu verbessern. Rechtzeitig befolgte der Kläger diesen Auftrag und legte ein Vermögensbekenntnis vor, nach dessen Inhalt er prekaristisch im Haus seiner Mutter wohnt, wofür er monatlich EUR 150,-- an Betriebs-, Strom- und Heizkosten zahlt, als Pensionist monatlich EUR 901,73 (14-mal jährlich) bezieht, an Geld über rund EUR 3.000,-- sowie über einen Bausparvertrag mit einem angesparten Betrag per 23.12.2023 über rund EUR 17.000,-- und einem Ablaufdatum mit 10.6.2026 verfügt, keine Schulden, keine Unterhaltsansprüche und keine Sorgepflichten hat.
Mit Beschluss vom 31.10.2024 wies das Erstgericht den Verfahrenshilfeantrag mit der wesentlichen Begründung ab, nach dem Inhalt des Vermögensbekenntnisses verfüge der Kläger über ein Sparguthaben in Höhe von rund EUR 20.000,--; dabei handle es sich nicht mehr um eine geringfügige angemessene Rücklage, sondern sei der Kläger mit Blick auf dieses Sparvermögen in der Lage, die voraussichtlich anfallenden Kosten für einen Rekurs ohne Gefährdung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der rechtzeitige, unbeantwortet gebliebene Rekurs des Klägers erkennbar aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den bekämpften Beschluss im Sinn einer Bewilligung der Verfahrenshilfe im Verfahren ** im „vollen“ Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit f und Z 3 ZPO abzuändern.
Das Rechtsmittel ist aufgrund nachstehender Erwägungen nicht berechtigt; im Übrigen ist wie aus dem Spruch ersichtlich vorzugehen:
I. 25 Rs 54/24p – Verfahrenshilfe
1. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Bewilligung einer Teil-Verfahrenshilfe im Gesetz nur insoweit vorgesehen, als der Umfang der gesetzlich normierten Begünstigungen beschränkt werden kann; die Bewilligung der Verfahrenshilfe wirkt für das ganze weitere Verfahren und kann daher nicht auf bestimmte Prozesshandlungen oder Prozessabschnitte beschränkt werden; vielmehr ist eine Beschränkung auf einzelne Verfahrensabschnitte gesetzlich nicht zulässig (RIS-Justiz RS0036177 [T2, T7]). In diesem Sinn erstreckt sich die Wirkung der im Hauptverfahren bewilligten Verfahrenshilfe auch auf ein anlässlich dieses Hauptverfahrens entstandenes Ablehnungsverfahren (RIS-Justiz RS0036104). Kraft Größenschlusses gilt dies auch „umgekehrt“: Eine im Ablehnungsverfahren bewilligte Verfahrenshilfe erstreckt sich auch auf das Hauptverfahren. Insoweit schadet also – zumindest hier – nicht, dass der Kläger seinen Verfahrenshilfeantrag auf das Ablehnungsverfahren ** des Erstgerichts beschränkt hat.
2. Soweit hier von Interesse ist Verfahrenshilfe einer Partei soweit zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, als sie außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten (§ 63 Abs 1 erster Teilsatz ZPO). Bei natürlichen Personen – wie hier – ist die wirtschaftliche Voraussetzung für die Bewilligung der Verfahrenshilfe die „Mittellosigkeit“. Die Kosten der Verfahrensführung dürfen den notwendigen Unterhalt nicht beeinträchtigen. Nach der Legaldefinition in Abs 1 ist auf eine einfache Lebensführung abzustellen. Dabei handelt es sich um einen objektiven Begriff, nämlich das Maß einer absolut bescheidenen Lebensführung. Subjektive Elemente sind aber insofern relativierend zu berücksichtigen, als immer auch auf die Bedürfnisse der jeweiligen Partei und die erforderlichen Mittel zur Erhaltung ihrer geistigen und körperlichen Persönlichkeit Bedacht zu nehmen ist. Der notwendige Unterhalt liegt zwischen den Extremen „notdürftiger“ und „standesgemäßer“ Unterhalt, also abstrakt zwischen dem Existenzminimum (Ausgleichzulagenrichtsatz nach § 293 Abs 1 lit a ASVG bzw unpfändbarer Betrag bei einer Lohnpfändung nach § 291a EO) und dem statistischen Durchschnittseinkommen eines unselbständigen Erwerbstätigen. Als Richtschnur müssen einer alleinstehenden Person zur Bestreitung des notwendigen Unterhalts jedenfalls monatlich rund EUR 1.000,-- verbleiben. Aktuell ist der notwendige Unterhaltsbedarf zwischen EUR 1.000,-- und EUR 1.500,-- angesiedelt ( Schindler in Kodek/Oberhammer ZPO-ON § 63 ZPO Rz 2; Weber/Poppenwimmer in ZPO TaKo § 63 ZPO Rz 3 und 4; Fucik in Rechberger/Klicka ZPO 5 § 63 ZPO Rz 3 [Faustregel dort: einem alleinstehenden Verfahrenshilfewerber müssen etwa EUR 1.000,-- bis EUR 1.400,-- monatlich verbleiben]).
3. Bei der Beurteilung dieser Frage ist auf die schätzungsweise auflaufenden Kosten des Verfahrenshilfewerbers unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen Verfahrensverlaufs abzustellen ( Schindler Rz 2; Weber/Poppenwimmer Rz 1; OLG Innsbruck 3 R 17/22g, 3 R 19/22a ErwGr 4.1).
Einen wesentlichen Aspekt stellen hier also die Besonderheiten des Kostenrechts im sozialgerichtlichen Verfahren dar:
Schriften, Amtshandlungen und Vollmachten sind von den Gerichts-, Justizverwaltungs- und Stempelgebühren befreit (§ 80 Satz 1 ASGG). Insbesondere Pauschalgebühren belasten den Kläger somit jedenfalls nicht. Zufolge § 79 Abs 1 ASGG hat ein Versicherter unter den dort genannten Voraussetzungen in sinngemäßer Anwendung der für Zeugen geltenden Bestimmungen des GebAG 1975 Anspruch auf Ersatz seiner notwendigen Kosten; Anreisekosten zu Verhandlungsterminen belasten den Kläger somit nicht. Der beklagte Versicherungsträger hat seine Kosten ohne Rücksicht auf den Ausgang des Verfahrens jedenfalls selbst zu tragen; dies gilt auch für den Ersatz der Gebühren der Zeugen und Sachverständigen (§ 77 Abs 1 Z 1 ASGG); eine Kostenersatzpflicht des Versicherten sieht § 77 Abs 3 ASGG nur in hier aus der Aktenlage nicht ersichtlichen Gründen vor. In Verfahren über wiederkehrende Leistungen wie hier ( Sonntag in Köck/Sonntag ASGG § 77 Rz 17) gilt der Fixstreitwert von EUR 3.600,--, dies auch im Verhältnis zwischen Partei und frei gewähltem Rechtsanwalt (RIS-Justiz RS0127199).
4. Angesichts dieser Rechtslage (Punkte 2. und 3. oben) ist dem Erstgericht im Ergebnis beizupflichten:
4.1. Richtig weist der Rekurswerber grundsätzlich darauf hin, dass es sich beim vom Erstgericht angenommenen Sparguthaben in Höhe von rund EUR 20.000,-- im Wesentlichen um ein Bausparguthaben handelt und die Auflösung einer Rücklage nicht zu verlangen ist, wenn ein unverhältnismäßiger Wertverlust zu besorgen ist, was regelmäßig etwa bei Bausparverträgen angenommen wird ( Schindler Rz 5; RIS-Justiz RKL0000116). Zutreffend ist auch das Argument, wonach Pflegegeld nicht in die Bemessungsgrundlage für die Beurteilung der Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe einzurechnen ist ( Schindler Rz 3; Weber/Poppenwimmer Rz 7).
4.2. Die Existenz von Forderungen hat der Kläger in seinem Vermögensbekenntnis verneint; in seinem Rechtsmittel (Punkt 2.1.) weist er aber selbst darauf hin, mit der von ihm bezogenen Invaliditätspension liege er sogar unter dem Richtsatz nach § 293 Abs 1 lit a sub lit bb ASVG (derzeit: EUR 1.273,99). Damit bringt der Rechtsmittelwerber selbst die Ausgleichszulage ins Spiel. Diese Leistung der gesetzlichen Pensionsversicherung hängt von keiner weiteren Voraussetzung als von der des Bezugs einer Pension ab. Ein Versicherter hat Anspruch auf die Ausgleichszulage, wenn seine Pension zuzüglich des aus den übrigen Einkünften erwachsenen Nettoeinkommens, weiters unter Bedachtnahme auf Unterhaltsansprüche nicht die Höhe des für den Versicherten gemäß § 293 ASVG geltenden Richtsatzes erreicht; weitere Voraussetzung ist der rechtmäßige gewöhnliche Aufenthalt des Versicherten im Inland ( Ziegelbauer in Sonntag ASVG 15 § 292 Rz 1 und 2). Nach dem Inhalt des vom Kläger vorgelegten Vermögensbekenntnisses steht ihm dieser im Gesetz verankerte Anspruch zu. Zwar ist beim Einkommen eine Anspannung auf ein fiktiv erzielbares Einkommen nicht vorgesehen ( Schindler Rz 3; Weber/Poppenwimmer Rz 5). Darum geht es hier aber nicht, sondern um die Berücksichtigung einer im Gesetz normierten Forderung, die zum Pensionseinkommen des Klägers hinzuzurechnen ist.
5. Im Hinblick auf die äußerst geringfügige mögliche Kostenbelastung des Klägers (Punkt 3. oben) und seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, insbesondere auch unter Bedachtnahme auf die äußerst geringfügigen Wohnungskosten und den Aspekt, dass ihn keine Unterhaltspflichten treffen, liegen daher insgesamt die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht vor, sodass der Rekurswerber keine Korrekturbedürftigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung aufzuzeigen vermag.
Eine Kostenentscheidung konnte entfallen, weil Kosten – gemäß § 72 Abs 3 letzter Satz ZPO zutreffend – nicht angesprochen wurden (§ 2 Abs 1 ASGG).
Ein weiterer Rechtszug ist zufolge §§ 2 Abs 1 ASGG, 528 Abs 2 Z 4 ZPO ausgeschlossen.
II. 25 Rs 34/24x – Ablehnung
1. Wenn während des Laufs der Berufungsfrist ein Verfahrenshilfeantrag auf Beigebung eines Rechtsanwalts gestellt wird, wird die Berufungsfrist gemäß § 464 Abs 3 ZPO unterbrochen. Diese Bestimmung ist darüber hinaus sinngemäß auf die Rekursfrist (§ 521 Abs 3 ZPO) anzuwenden. Im Fall der Abweisung des Verfahrenshilfeantrags beginnt die Frist mit dem Eintritt der Rechtskraft des Abweisungsbeschlusses neu zu laufen, also am Tag nach Eintritt der Rechtskraft des den Antrag auf Beigebung eines Rechtsanwalts abweisenden Beschlusses ( Kodek in Zak 2014/270, 143).
2. Daraus resultiert hier, dass erst mit Ablauf von 14 Tagen nach Zustellung dieses Beschlusses die Frist für den Rekurs gegen den Beschluss des Erstgerichts vom 6.6.2024, **, abläuft. Demgemäß sind die Akten zunächst im Sinn des Punktes II. des Spruchs an das Erstgericht zurückzustellen, dem die neuerliche Vorlage dieses Rechtsmittels wie im Spruch angeführt aufzutragen ist.
3. Zur Vermeidung von Missverständnissen ist ein Hinweis auf den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels (RIS-Justiz RS0007007) anzufügen, sodass während dieser Zeitspanne dem Kläger bloß die Möglichkeit einer Verbesserung des Rekurses vom 26.6.2024 durch Beibringung der im Rückleitungsbeschluss vom 29.8.2024 angeführten Unterfertigung offen steht.
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