Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch seinen 8. Senat in der Strafsache gegen H und L wegen §§ 127 ff, 15, 229 StGB über die Beschwerde des L gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Aus Anlaß der Beschwerde des Verurteilten L wird der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck, womit über ihn die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach dem § 180 Abs 2 Z 3 lit b und c StPO beginnend mit 3.11.1994 0.00 Uhr verhängt worden war, ersatzlos aufgehoben.
Dem Erstgericht wird aufgetragen, unverzüglich gemäß § 3 Abs 1 StVG vorzugehen.
Mit seiner Beschwerde vom 31.10.1994 wird der Verurteilte auf diese Entscheidung verwiesen.
Begründung:
Der Zweitangeklagte L (im Urteil und am Aktendeckel entgegen seiner eigenen Schreibweise (siehe ON 38) unrichtig "Lh", was schon im Zusammenhang mit der Datenweiterleitung an das Strafregisteramt zu berichtigen sein wird) wurde mit Urteil des LG Innsbruck als Schöffengericht des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130 2. Fall, 15 StGB sowie des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür nach dem § 130 2. Strafsatz StGB unter Anwendung des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 1/2 Jahren verurteilt. Gemäß § 38 StGB wurde seine Untersuchungshaft vom 26.7.1994 1.10 Uhr bis zum Beginn des Zwischenvollzugs am 3.8.1994 1.00 Uhr auf die ausgesprochene Freiheitsstrafe angerechnet (ON 36). Trotz ausdrücklichen Rechtsmittelverzichts des Angeklagten (gleichermaßen auch des Staatsanwaltes) unmittelbar nach Urteilsverkündung (Seite 14 des Prot ON 35 = AS 323) erfolgte von seinem Verteidiger (ON 37) - wie auch vom Angeklagten selbst (ON 38) - eine schriftliche Rechtsmittelanmeldung, worauf das Erstgericht mit Beschluß vom 10.10.1994 dessen eingebrachte Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285a Z 1 StPO als unzulässig zurückwies (ON 40). Zu diesen Zeitpunkten befand sich L seit dem 3.8.1994 0.00 Uhr in Strafhaft zu 8 U 700/93 des BG Innsbruck (Freiheitsstrafe von drei Monaten als Zwischenvollzug nach § 180 Abs 4 StPO (ON 12/13), welche am 3.11.1994 0.00 Uhr endigte (ON 17)).
Knapp vor Ende derselben, nämlich am 28.10.1994, beantragte hierauf der Staatsanwalt für die Zeit nach Verbüßung dieser Zwischenhaft wiederum die Verhängung der Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach dem § 180 Abs 2 Z 3 lit b und c StPO (ON 45), welche das Erstgericht mit dem nunmehr bekämpften Beschluß antragsgemäß verhängte und mit den sieben einschlägigen Vorstrafen des L einerseits, dem Fehlen einer geregelten Beschäftigung andererseits und schließlich auch der Vielzahl urteilsmäßig angelasteter Fakten in Verbindung mit der daraus zu erwartenden Strafe begründete (ON 46).
Hiegegen richtet sich die sogleich nach Verkündung erhobene, jedoch nicht näher begründete Beschwerde (AS 61e in ON 4). Diese erweist sich im Ergebnis als berechtigt, da das Erstgericht überhaupt keine Untersuchungshaft, sondern sogleich nach Ablauf der Strafverbüßung zu 8 U 700/93 seine Überstellung in den Vollzug zur Verbüßung der verfahrensgegenständlichen Freiheitsstrafe anzuordnen gehabt hätte. Dies aus folgenden Erwägungen:
Bei der Prüfung der Zulässigkeit des erst nachträglich (nämlich nach erfolgtem Rechtsmittelverzicht) vom Verteidiger und im gegebenen Fall zeitlich später auch noch vom Angeklagten selbst angemeldeten Rechtsmittels ist davon auszugehen, daß die prozessuale, nach einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung von einem zurechnungsfähigen Angeklagten abgegebene Erklärung, auf Rechtsmittel zu verzichten, stets und grundsätzlich unwiderruflich ist (EvBl 1948/475, 1955/195, 1990/177; OLG Innsbruck 9.3.1994, 8 Bs 38, 39/94; Bertel, Grundriß4 Rz 362). Eine dem § 466 Abs 1 StPO (idF Art I Z 63 StPÄG 1993 BGBl 526) bei bezirksgerichtlichen und gemäß § 489 Abs 1 StPO auch bei einzelrichterlichen Urteilen des Gerichtshofs I. Instanz nachgebildete Bestimmung über die Wirkungslosigkeit eines abgegebenen Rechtsmittelverzichtes ist für das schöffen- und geschworenengerichtliche Verfahren nicht vorgesehen, dies schon deshalb, da in diesen ja gemäß § 41 Abs 1 Z 1 StPO notwendige Verteidigerpflicht herrscht und damit der bei sonstiger Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 1a, 345 Abs 1 Z 2 StPO) anwaltlich vertretene Angeklagte nicht des ihm so wie bei einem rechtsunkundigen unvertretenen Beschuldigten in Verfahren, in denen ein Verteidigerzwang nicht besteht, Schutzes durch Zurateziehung eines rechtskundigen Verteidigers sowie gegen voreilige und unter Umständen nicht so gewollte Rechtsmittelerklärungen bedarf. Die Rechtsmittelerklärung des Angeklagten ist daher auch hier unwiderruflich und auch gegen seinen (bzw des Verteidigers) später erklärten anderslautenden Willen wirksam; die spätere Rechtsmittelerklärung auch des Verteidigers ist demnach unwirksam und ohne rechtliche Bedeutung (EvBl 1961/396, 1965/83; OLG Innsbruck wie vor). Nur wenn der Verteidiger noch in der Hauptverhandlung das Rechtsmittel angemeldet hätte, wäre dem vom Angeklagten selbst erklärten Rechtsmittelverzicht unter Umständen keine Wirksamkeit zugekommen (Bertel, aaO Rz 317).
Daraus folgt nun, daß - zumal ja auch seitens der Staatsanwaltschaft sogleich auf Rechtsmittel verzichtet worden war -, das Urteil gegen L so wie jenes vom gleichen Tag gegen den Zweitangeklagten H (siehe die diesen betreffende Endverfügung ON 41) am 26.9.1994 in Rechtskraft erwachsen ist und über den nunmehrigen Rechtsmittelwerber daher nach Freiheitsstrafenverbüßung zu 8 U 700/93 des BG Innsbruck unverzüglich der Strafvollzug auch zur Verbüßung der rechtskräftigen Freiheitsstrafe von 2 1/2 Jahren gemäß § 3 Abs 1 StVG anzuordnen gewesen wäre (StPOForm StV 1 samt Endverfügung). L ist daher bereits seit dem 3.11.1994, 0.00 Uhr Verurteilter im Sinne des § 1 Z 2 StVG, sodaß weder ein Antrag des Staatsanwaltes noch die Verhängung der Untersuchungshaft durch die Schöffenvorsitzende nötig waren. Weder auf die Frage eines dringenden Tatverdachtes noch auf das Vorliegen des angezogenen Haftgrun des ist daher einzugehen.
Abschließend - und der Klarheit halber - ist auch noch darauf hinzuweisen, daß das Erstgericht hernach den Akt mit der - wenn gleich nach dem Gesagten unzulässigerweise - angemeldeten Berufung erneut vorzulegen haben wird, da deren Zurückweisung gemäß § 294 Abs 4 StPO - anders als die unzulässige Nichtigkeitsbeschwerde nach § 285a Z 1 StPO - nicht dem Erstgericht, sondern ausschließlich dem Gerichtshof II. Instanz obliegt. Im Hinblick darauf, daß nach der Aktenlage der bereits mehrfach erwähnte Zwischenvollzug zur Verbüßung der Freiheitsstrafe von drei Monaten (8 U 700/93 BG Innsbruck) mit Beschluß vom 2.8.1994 (ON 13) bereits mit 3.8.1994 0.00 Uhr einsetzte, beruht die hievon abweichende Vorhaftanrechnung beim Angeklagten (nunmehr Verurteilen) L bis 3.8.1994 1.00 Uhr (Seite 7 des Urteils ON 36) ebenfalls auf einer unrichtigen Sach- und Rechtslage und wird diese daher ebenso wie die bereits eingangs aufgezeigte unrichtige Schreibweise des Genannten entsprechend zu beheben sein.
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