Beschluß
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch seinen 8. Senat in der Strafsache gegen L wegen §§ 15, 127 und 129 Z 1 StGB über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 6.5.1994, GZl 50 Vr 980/94-26, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Die Untersuchungshaft des Beschuldigten ist aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit b und c StPO fortzusetzen.
Dieser Beschluß ist längstens bis Montag, den 25. Juli 1994 wirksam. Vor einer allfälligen Fortsetzung der Untersuchungshaft darüber hinaus wird eine Haftverhandlung stattfinden, sofern nicht einer der im § 181 Abs 3, 4 oder 6 StPO erwähnten, im Beschluß der Untersuchungsrichterin vom 6.5.1994 näher beschriebenen Fälle eintritt.
Begründung:
Mit Beschluß vom 30.3.1994 (AS 2) wurde gegen den am 29.3.1994 um 20.00 Uhr festgenommenen L die Voruntersuchung wegen Verdachtes des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB eingeleitet, weil er in dringendem Verdacht steht, gemeinsam mit E am 29.3.1994 nachts in Innsbruck einen Einbruchsdiebstahl in das Elektrogeschäft R versucht zu haben, indem L eine Fensterscheibe mit einem Stein eingeworfen, das Loch durch Eintreten mit dem Fuß vergrößert hat und in das Geschäft eingestiegen ist, wobei die Tat nur deshalb beim Versuch geblieben ist, weil die Täter von einer eintreffenden Funkstreife an der weiteren Tatausführung gestört worden sind.
Über Antrag des Staatsanwaltes faßte die Untersuchungsrichterin am 31.3.1994 den Beschluß auf Verhängung der Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit b und c StPO und sprach aus, daß der Haftbeschluß bis 12.4.1994 wirksam sei (ON 4). Nach Durchführung einer Haftverhandlung, in der der Staatsanwalt die Fortsetzung der Untersuchungshaft beantragt hat, faßte die Untersuchungsrichterin am 12.4.1994 den Beschluß auf Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den bereits angeführten Haftgründen und erklärte den Haftbeschluß bis 12.5.1994 für wirksam (ON 11 und 12). Mit Beschluß vom 12.4.1994 wurde die Untersuchungshaft wegen Zwischenvollzuges einer Verwaltungsstrafe in der Dauer von 8 Tagen mit Wirkung vom 15.4.1994, 0.00 Uhr, aufgehoben (ON 13). Mit Beschluß vom 21.4.1994 wurde neuerlich die Untersuchungshaft mit Wirkung vom 23.4.1994, 0.00 Uhr, und zwar wiederum aus den Hafgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr verhängt und ausgesprochen, daß der Haftbeschluß bis 7.5.1994 wirksam sei (ON 22). Der gegen den Beschluß der Untersuchungsrichterin vom 12.4.1994 erhobenen Beschwerde des Beschuldigten L gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluß vom 26.4.1994 keine Folge und sprach aus, daß die Untersuchungshaft aus den Haftgründen nach § 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit b und c StPO fortzusetzen und der Beschluß bis Montag, den 27.6.1994 wirksam ist (ON 24). Am 6.5.1994 führte die Untersuchungsrichterin eine Haftverhandlung durch, an der unter anderem RiAA Mag G als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft teilnahm und unter Verweisung auf die Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 26.4.1994 die Fortdauer der Untersuchungshaft aus den dort angeführten Haftgründen beantragte (ON 25). Daraufhin faßte die Untersuchungsrichterin den Haftbeschluß vom 6.5.1994 und sprach aus, daß die Untersuchungshaft aus den bisherigen Haftgründen fortzudauern habe und der Beschluß bis 6.6.1994 wirksam sei. Zur Begründung wurde auf den Inhalt der bisherigen Haftbeschlüsse und den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 26.4.1994 verwiesen (ON 26).
Gegen diesen Beschluß richtet sich die vom Verteidiger des Beschuldigten L eingebrachte Beschwerde, in der geltend gemacht wird, daß bei der Haftverhandlung vom 6.5.1994 kein Staatsanwalt, sondern ein Richteramtsanwärter ohne Prüfung als Sitzungsvertreter eingeschritten sei. Die gemäß § 29 StPO bei den Gerichtshöfen erster Instanz als Vertreter des Leiters der Staatsanwaltschaft bestellten Staatsanwälte seien zu allen Amtshandlungen des Vertretenen berechtigt und als solche gegenüber den Gerichten zu allen Handlungen und zur Abgabe aller Erklärungen berechtigt, zu denen auch der Leiter der Staatsanwaltschaft berechtigt sei. Gemäß § 3 Abs 3 StAG könnten auch Richter und Richteramtsanwärter mit Richteramtsprüfung als staatsanwaltschaftliche Organe auftreten und zB Anträge im Vorverfahren stellen. Die einzige gesetzliche Bestimmung, die es Richteramtsanwärtern ohne Prüfung, die bei der Staatsanwaltschaft zur Dienstleistung zugeteilt seien, ermögliche, vor Gericht aufzutreten, finde sich in § 32 Abs 3 StAG. Daraus ergebe sich, daß Richteramtsanwärter ohne Prüfung lediglich im Verfahren vor dem Einzelrichter des Gerichtshofes oder aber vor dem Bezirksgericht (nur in der Verhandlung, nicht aber auch schriftlich) als Vertreter des Staatsanwaltes auftreten dürften. Demgemäß dürften Richteramtsanwärter ohne Prüfung unter anderem nicht in Haft(Prüfungs-)verhandlungen auftreten. Da gemäß § 182 Abs 23 StPO der Staatsanwalt seinen Antrag auf Fortsetzung der Untersuchungshaft vortrage und ihn begründe, ergebe sich, daß in der Haftverhandlung unbedingt ein Staatsanwalt anwesend zu sein habe. Werde die Untersuchungshaft eines Beschuldigten aufgrund eines von einem Richteramtsanwärter ohne Prüfung im Rahmen der Haftverhandlung gestellten Antrages verlängert, so sei die so verhängte Untersuchungshaft gesetzwidrig, da gemäß § 180 Abs 1 StPO Voraussetzung für die Untersuchungshaft der Antrag des Staatsanwaltes sei.
Beantragt werde daher, den Beschwerdeführer L zu enthaften, weil kein Antrag eines öffentlichen Anklägers vorliege und im übrigen die Haftgründe der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit b und c StPO nicht vorlägen.
Der Beschwerde kommt Berechtigung nicht zu. § 32 Abs 3 StAG sieht vor, daß die Vertretung der Anklage in der Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht oder vor dem Einzelrichter eines Gerichtshofes, nicht aber vor dem Schöffen- oder Geschworenengericht, auch Richteramtsanwärtern übertragen werden kann. Da diese Bestimmung im Gegensatz zu § 3 Abs 3 StAG, in dem von Richteramtsanwärtern "nach erfolgreicher Ablegung der Richteramtsprüfung" die Rede ist, nur allgemein von "Richteramtsanwärtern" spricht, ist davon auszugehen, daß damit Richteramtsanwärter ohne Prüfung im Rahmen ihrer Dienstzuteilung zur Staatsanwaltschaft zu verstehen sind. In § 32 Abs 3 StAG ist erstmals eine gesetzliche Regelung dafür vorgesehen, daß auch Richteramtsanwärter (ohne Prüfung) als Sitzungsvertreter Verwendung finden können. Eine Vertretung der Anklage vor Schöffen- oder Geschworenengerichten soll ihnen jedoch nicht gestattet sein, da hier bloß Staatsanwälte im Sinn des § 3 Abs 2 und 3 StAG die Anklage vertreten dürfen (Schindler-Pöll, Staatsanwaltschafstsrecht, Gesetzesmaterialien zum StAG laut Anhang A Seite 110 ff bzw Anhang B Seite 125). Berücksichtigt man, daß Richteramtsanwärter ohne Prüfung unter anderem als Sitzungsvertreter in Hauptverhandlungen vor dem Einzelrichter des Gerichtshofes zugelassen sind, in denen sie erforderlichenfalls Haftanträge zu stellen oder aber Stellungnahmen zu Haftfragen abzugeben haben, so vermeint das Beschwerdegericht, daraus schließen zu können, daß dienstzugeteilte Richteramtsanwärter auch die Vertretung des Staatsanwaltes in Haftverhandlungen übertragen werden kann.
Bezogen auf den gegenständlichen Fall bedeutet dies jedoch, daß dem Beschwerdeeinwand, die Untersuchungshaft des Beschuldigten L sei mangels eines Antrages eines Staatsanwaltes im Sinne des § 180 Abs 1 StPO gesetzwidrig fortgesetzt worden, Berechtigung nicht zukommt. Der erforderliche Antrag auf Fortsetzung der Untersuchungshaft wurde laut Haftverhandlungsprotokoll vom 6.5.1994 (ON 25) nach Auffassung des Beschwerdegerichtes zulässigerweise von dem als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft einschreitenden RiAA Mag G gestellt.
Aber auch die weiteren Voraussetzungen für die Fortsetzung der Untersuchungshaft sind gegeben: Der vom Beschwerdeführer gar nicht mehr weiter bestrittene dringende Tatverdacht ergibt sich aus der Verantwortung des Mitbeschuldigten E in Verbindung mit den Aussagen der Zeuginnen H und W. So hat die Letztgenannte wahrgenommen, wie der ältere der beiden Täter (L) zum jüngeren (E) sagte "Packen wirs", worauf der andere antwortete "Nein lassen wirs, da ist eh nichts drin".
Aber auch die bisher angenommenen Haftgründe der Flucht- und Tatbegehungsgefahr liegen entgegen den Beschwerdebehauptungen weiterhin vor. Diesbezüglich kann auf die Ausführungen des Beschwerdegerichtes im Beschluß vom 26.4.1994 (ON 24) verwiesen werden. Der Beschuldigte L ist sozial nicht integriert. Wegen seiner zahlreichen einschlägigen Vorstrafen hat er im Falle seiner Verurteilung mit einer nicht unerheblichen und unbedingten Strafe zu rechnen, weshalb die Gefahr besteht, daß er sich in Anbetracht der mutmaßlich bevorstehenden Strafe verborgen halten wird. Hinsichtlich des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr ist neuerdings auf die Süchtigkeit des Beschuldigten L, das Fehlen einer geregelten Arbeit und einer Unterkunft zu verweisen, alles Umstände, die in Verbindung mit den einschlägigen Vorstrafen befürchten lassen, der Genannte werde ungeachtet des gegen ihn geführten Strafverfahrens wiederum eine strafbare Handlung gegen das Rechtsgut fremden Vermögens mit nicht bloß leichten Folgen, nämlich Einbruchsdiebstähle, oder aber eine strafbare Handlung begehen, die ebenso wie die ihm angelastete strafbare Handlung gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist wie die strafbaren Handlungen, deretwegen er bereits mehrfach verurteilt worden ist. Wegen der Intensität der Haftgründe kommt eine Aufhebung der Untersuchungshaft gegen gelindere Mittel nicht in Betracht. Auch steht derzeit die Untersuchungshaft nicht zur Bedeutung der Sache oder im Falle eines Schuldspruches zur zu erwartenden Strafe außer Verhältnis. Der Beschwerde war daher insgesamt ein Erfolg zu versagen.
Rückverweise
Keine Verweise gefunden