Beschluß
Das Oberlandesgericht Innsbruck als Rekursgericht hat in der Rechtssache der klagenden Partei Z wider die beklagte Partei H wegen S 20,000.000,--, zufolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 30.4.1993, 8 Cg 1263/92 x - 14, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:
Dem Rekurs der beklagten Partei wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß und ein Teil des vorausgegangenen Verfahrens, nämlich die am 23.4.1993 durchgeführte Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung, werden als nichtig aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Verfahrens in Senatsbesetzung gemäß § 7a Abs 2 JN aufgetragen.
Die Kosten des für nichtig erklärten Verfahrens, sowie die Rekurskosten sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.
Begründung:
Die beklagte Partei hat eingangs ihrer Klagebeantwortung (dritter Absatz der zweiten Seite) die Entscheidung der Rechtssache durch einen Senat beantragt und hat zur Besetzung auch darauf verwiesen, daß eine Handelssache vorliege. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung erörterte der Einzelrichter mit den Parteien, ob das Vorbringen Punkt 1 (der KB) so verstanden werden solle, daß Senatsgerichtsbarkeit verlangt werde. Dies hat der Beklagtenvertreter "in diesem Sinn präzisiert". Mit dem angefochtenen Beschluß vom 30.4.1993 wies das Erstgericht den Antrag auf Senatsgerichtsbarkeit ab und begründete dies damit, daß in der Klagebeantwortung ein Antrag auf Senatsbesetzung nicht gestellt, sondern nur die Unzuständigkeit des Landesgerichtes Innsbruck eingewendet worden sei. Der Antrag auf Senatsbesetzung in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 30.4.1993 sei daher verspätet.
Der dagegen fristgerecht erhobene Rekurs der beklagten Partei macht geltend, daß die Rekurswerberin bereits im dritten Absatz ihrer Klagebeantwortung Senatsbesetzung begehrt habe. Das Verfahren sei daher nichtig und, soweit von Nichtigkeit betroffen, aufzuheben.
Der Rekurs ist gemäß § 40a ZPO zulässig (ÖJZ 1992, 275) und begründet. Da in erster Instanz der Einzelrichter ohne einen Hinweis, daß er in Ausübung der Handelsgerichtsbarkeit tätig geworden sei, entschieden hat, war auch vom Rekursgericht als Senat in der Besetzung durch drei Berufsrichter zu entscheiden (WBl 1987, 280).
Da die beklagte Partei ihren Antrag auf Senatsentscheidung in der Klagebeantwortung gestellt hat, dieser Antrag vom Erstgericht offensichtlich übersehen wurde, wobei freilich auch in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 30.4.1993 bei Erörterung vom Beklagten nicht ausdrücklich auf diesen Antrag aufmerksam gemacht worden ist, hat die beklagte Partei ihren Antrag gemäß § 7 a Abs. 2 JN fristgerecht gestellt, wobei der Streitwert den in dieser Gesetzesstelle vorgesehenen Betrag übersteigt. Der Antrag ist damit einerseits fristgerecht gestellt, andererseits inhaltlich begründet erhoben worden.
Das vom Einzelrichter nach Begehren auf Senatsbesetzung durchgeführte Verfahren ist gemäß § 477 Abs. 1 Z. 2 ZPO als nichtig aufzuheben (Fasching ZPR2 Rz 169). Das Verfahren erster Instanz wird in Senatsbesetzung abzuführen sein.
Zur Einwendung der sachlichen Unzuständigkeit des Landesgerichtes Innsbruck ist unvorgreiflich der Rechtsansicht und Entscheidung durch das Erstgericht noch auszuführen, daß die Klage an das wohl jedenfalls zuständige Landesgericht Innsbruck gerichtet worden ist. Der Hinweis der beklagten Partei auf Vorliegen eines Handelsgeschäftes führt nur zu einer funktionellen Abgrenzung zwischen allgemeiner und Handelsgerichtsbarkeit. Der nach der Geschäftsverteilung sowohl in Handels- wie auch in allgemein bürgerlichen Rechtssachen zuständige Vorsitzende des Senates wird nur bei der Auswahl der Mitglieder des Senates Bedacht zu nehmen haben, ob eine Handelssache vorliegt oder nicht. Im Falle der Bestreitung der für die Erledigung des Rechtsstreites zutreffenden Senatszusammensetzung wird zweckmäßigerweise ein Besetzungsbeschluß zu fassen sein. Ohne Bestreitung der gesetzmäßigen Besetzung des Senates wäre jedenfalls auch ein allenfalls vorliegender Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 2 ZPO zufolge einer nicht den Besetzungsvorschriften entsprechenden Besetzung gemäß § 260 Abs 4 ZPO geheilt.
Die Entscheidung über die Kosten des für nichtig erklärten Verfahrens und - da kein Zwischenstreit vorliegt - auch des Rekurs verfahrens ist der Endentscheidung vorzubehalten, nachdem es zu einer Fortsetzung des Verfahrens kommt. Ein Verschulden einer der Parteien an der Nichtigerklärung und Aufhebung im Sinne des § 51 Abs. 1 ZPO liegt nicht vor.
Das Rekursgericht folgt in seiner Kostenentscheidung der nunmehr von Fasching (ZPR2 Rz 467) und Bydlinski (Kostenersatz im Zivilprozeß 374 ff mit Berufung auf Pollak, System 64) vertretenen Ansicht, wonach die undifferenzierte Anwendung des § 52 Abs. 2 ZPO über die gegenseitige Kostenaufhebung dann, wenn die Nichtigkeit auf einem Fehler des Gerichtes beruht, im Widerspruch zum allgemeinen Grundsatz steht, daß der Prozeßsieger alle jene Kosten ersetzt erhält, deren Aufwendung ihm im betreffenden Zeitpunkt zweckentsprechend erscheinen mußte. Ebenso würde ein Widerspruch zur Sphärenregel des § 48 ZPO bestehen, der eine von diesem allge meinen Grundsatz abweichende Kostenverteilung nur bei solchen Umständen (Zwischenfällen) vorsieht, die der haftenden Partei widerfahren. Ist nun (nur) ein bestimmter Verfahrensteil nichtig, weil ein Fehler des Gerichtes (oder auch ein der Sphäre des Gerichtes zuzurechnender Fehler durch die Post bei gesetzwidriger Zustellung) vorliegt, kann dies auch nicht als ein dem Gegner widerfahrener Zufall angesehen werden, der eine abgesonderte Kostenbelastung rechtfertigen würde.
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