Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Senatspräsidentin Mag. a Kohlroser als Vorsitzende, die Richterin Mag. a Berzkovics und den Richter Mag. Scherr, LL.M., BA in der Straf- und Medienrechtssache des Privatanklägers und Antragstellers A* gegen den Angeklagten und Antragsgegner B* wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB iVm § 1 Abs 1 Z 12 MedienG und einer weiteren strafbaren Handlung sowie wegen §§ 6 ff MedienG über die Berufung des Privatanklägers und Antragsstellers gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 13.März 2025, GZ **-46b, nach der am 5. November 2025 in Anwesenheit des Vertreters des Privatanklägers und Antragstellers, Rechtsanwalt Dr. Benda sowie des Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Rautnig, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und Antragsgegners B* durchgeführten Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld wird zurückgewiesen .
Der Berufung wegen Nichtigkeit wird Folge gegeben , ausgesprochen, dass durch die im Ersturteil genannte Veröffentlichung in einem Medium der Antragsteller A* auch einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung als verdächtig bezeichnet und das Bild und Angaben veröffentlicht wurden, die geeignet sind, in einem nicht unmittelbar informierten größeren Personenkreis zum Bekanntwerden seiner Identität zu führen, und dadurch schutzwürdige Interessen des A* verletzt wurden, ohne dass wegen seiner Stellung in der Öffentlichkeit, wegen eines sonstigen Zusammenhangs mit dem öffentlichen Leben oder aus anderen Gründen ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung dieser Angaben bestanden hat, wodurch auch die Anspruchsgrundlagen nach § 7a Abs 1 MedienG erfüllt sind und der Entschädigungsbetrag auf EUR 350,00 angehoben wird.
Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird der Privatankläger und Antragsteller darauf verwiesen.
Dem Angeklagten und Antragsgegner fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
GRÜNDE:
Mit Urteil vom 13. März 2025 wurde der am ** geborene österreichische Staatsbürger B* des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB (1.) und des Vergehens der Beleidigung nach § 115 Abs 1 StGB (2.), jeweils iVm § 1 Abs 1 Z 12 MedienG schuldig erkannt und zur für die Dauer einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Weiters wurde er gemäß §§ 6 Abs 1, 7b Abs 1 MedienG zur Zahlung einer Entschädigung von EUR 300,00 binnen 14 Tagen an A*, gemäß § 33 Abs 2 MedienG zur Löschung der inkriminierten Facebook-Postings, gemäß § 34 Abs 1 MedienG zur Urteilsveröffentlichung und gemäß § 389 Abs 1 StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG zum Ersatz der Kosten des Verfahrens verpflichtet.
Dem Schuldspruch nach hat B* in ** und anderen Orten ab 17. August 2021 den Polizeibeamten A* in Beziehung auf seine Berufshandlung
1.) in einer für Dritte wahrnehmbaren Weise eines unehrenhaften Verhaltens bzw. eines gegen die gute Sitten verstoßendes Verhaltens beschuldigt, das geeignet war, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen, wobei er die Tat auf eine Weise beging, wodurch die üble Nachrede einer breiten Öffentlichkeit zuging, indem er den auf dem öffentlich einsehbaren Facebook Profil des C* geposteten Beitrag bestehend aus zwei Bildaufnahmen, jeweils mit Ton abspielbar, des uniformierten A* mit dem Begleittext: „In **, wenn man auf einem Gewerbegrund etwas lauter Musik spielt und die Polizei sich in weit entfernter Bundesstraße bei der Amtshandlung gestört fühlt. Wird man mit einer Waffe bedroht!!!“ , den Kommentaren des C* „Er hat mich tätlich angegriffen…“, „keine Amtshandlung ...als Beamter total überreagiert“ und des von C* gesprochenen, hörbaren Textes „..du bedrohst mich …“, „...haben Sie mich zuerst angegriffen, angegriffen und mich weggeschubst ...Sie haben mich zuerst angegriffen“ sowie den von anderen Usern hinzugefügten Kommentaren „Zeig den korrupten Polizisten sofort an!!!“, „Wie der Hund lügt …“ , durch Teilen auf seinem Facebook-Account ** veröffentlichte, sowie
2.) öffentlich beschimpft und verspottet, indem er die weiteren, am Facebook Profil des C* abrufbaren Kommentare anderer User durch Teilen auf seinem Facebook-Account ** veröffentlichte, nämlich „glei angezeigt den schei.. kibara!“, „Der Bulle einer Gott losen“, „Hau den trottel Bulle ans aufs Maul“, „So ein voll Pfosten der Herr Inspektor“, „In Uniform so wichtig ohne Uniform ein niemand“, „...ah komplettes kasperl…“, „Sperrte den Polizisten ins narrenhaus“, „...in Uniform da Rambo. A Lach Figur in Uniform“, „Wie deppat is den der kiwara!! Afoch nur gstört!!!“, „...Dieser bräuchte sofortige psychische Hilfe!!!“ und „..de Beamten … nix weiter Idioten“ .
Zu den vom Erstgericht getroffenen Konstatierungen, dessen Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Urteilsseiten 4 bis 10 verwiesen (RIS-Justiz RS0124017 [T3]).
Gegen das Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete Berufung des Privatanklägers und Antragstellers wegen Nichtigkeit sowie wegen des Ausspruchs über die Schuld und über die Strafe, die wegen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO iVm § 489 Abs 1 StPO und § 41 Abs 1 MedienG) und wegen des Ausspruchs über die Strafe zur Ausführung gelangte (ON 55).
Die unausgeführte Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld ist zurückzuweisen, weil sämtliche Feststellungen, auch zum Entschädigungsanspruch des § 7a Abs 1 MedienG, vom Erstgericht bereits getroffen wurden und dem Privatankläger und Antragsteller folglich jede Beschwer fehlt.
Der Privatankläger und Antragsteller (im Folgenden nur mehr Antragsteller) macht aber zutreffend einen Subsumtionsfehler nach der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO geltend (RIS-Justiz RS0099947 [T 4]; Ratz in Fuchs/Ratz, § 281 Rz 647), weil das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt rechtsirrig nicht dem Entschädigungstatbestand nach § 7a MedienG unterstellte (zur Bekämpfung der irrigen Verneinung einer ideell konkurrierenden Handlung aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO vgl Ratz, aaO § 281 Rz 647; RIS-Justiz RS0099947 [insbesondere T 4]).
Das Erstgericht traf nämlich – frei von Begründungs- oder Verfahrensmängeln und ohne dabei erheblichen Bedenken zu begegnen (RIS-Justiz RS0114638; Ratz, aaO § 281 Rz 415) – Feststellungen, die eine taugliche Subsumtionsbasis für den Tatbestand des Schutzes vor Bekanntwerden der Identität in besonderen Fällen nach § 7a MedienG darstellen.Auf Basis dessen, dass der inkriminierte Beitrag samt Kommentaren weltweit einsehbar war und mehr als drei Jahre veröffentlicht blieb (US 5) und der bildlichen Darstellung des Antragstellers in voller Körpergröße verbunden mit den Angaben zu seinem Beruf (siehe dazu Berka in Berka/Heindl/Höhne/Koukal (Hrsg), Mediengesetz Praxiskommentar 4 (2019) § 7a MedienG Rz 12)ist dem Urteil zu entnehmen, dass die Veröffentlichung geeignet war, zum Bekanntwerden der Identität des Antragstellers in einem nicht unmittelbar informierten größeren Personenkreis von weit mehr als 10 Personen zu führen (vgl auch US 6, 4. Absatz). Zusätzlich wurde festgestellt, dass in dem inkriminierten Beitrag (erstmals [15 Os 151/12p [32/13i], MR 2013, 312 = RZ 2014/17, 228]) der Verdacht (US 4 [„ Gleichzeitig wird GI A* auch verdächtigt... “]) einer strafbaren Handlung, nämlich des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB bzw. des Verbrechens des Amtsmissbrauchs nach § 302 Abs 1 StGB – auf deren rechtliche Einordnung in den Deliktskatalog des materiellen Strafrechts kommt es grundsätzlich nicht an (vgl Rami , aaO § 7b Rz 6 mwN) – erhoben wurde (US 5 vierter Absatz [„ Verbrechens des Amtsmissbrauchs bzw. des Vergehens der gefährlichen Drohung...nicht nur verdächtig sondern schuldig dargestellt
Eine konkrete Gefährdung schutzwürdiger Interessen bejaht die Rechtsprechung dann, wenn einer Person Autoritätsverlust oder aber ein Disziplinarverfahren droht, also wenn ein Bericht konkrete Auswirkungen auf die berufliche Tätigkeit des Betroffenen nach sich ziehen kann ( Zöchbauer in Röggla/Wittmann/Zöchbauer , Medienrecht, Seite 53 mwN; OLG Graz, 10 Bs 65/24w).
Fallkonkret ist durch die identifizierende Veröffentlichung angesichts der beruflichen Tätigkeit des Antragstellers (Polizist) eine konkrete Gefährdung von schutzwürdigen Anonymitätsinteressen zu bejahen, weil allgemein notorisch ist, dass schwerwiegende Vorwürfe wie die vom Antragsgegner erhobenen stigmatisierend wirken und – wie das Erstgericht feststellte – dazu führen, dass mit „Problemen bei der Dienstverrichtung“ zu rechnen und davon auszugehen ist, dass der Antragsteller der Gefahr von“ Diffamierungen im Familien- und Freundeskreis“ ausgesetzt ist (vgl US 6, 4. Absatz), womit angenommen werden kann, dass die Reputation des Antragstellers im beruflichen und privaten Umfeld erheblich beeinträchtigt wurde.
Es ist daher in Stattgebung der Berufung des Antragstellers wegen Nichtigkeit das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, dahin zu ergänzen, dass durch die bezeichnete Veröffentlichung auch die Anspruchsgrundlage nach § 7a Abs 1 MedienG erfüllt ist.
Gemäß § 8 Abs 1 MedienG ist die Höhe des Entschädigungsbetrags nach §§ 6, 7, 7a, 7b oder 7c MedienG insbesondere nach Maßgabe des Umfangs, des Veröffentlichungswerts und der Auswirkungen der Veröffentlichung, etwa der Art und des Ausmaßes der Verbreitung des Mediums, bei Websites auch der Zahl der Endnutzer, die die Veröffentlichung aufgerufen haben, zu bemessen; die Auswirkungen sind in der Regel als geringer anzusehen, wenn eine Veröffentlichung im Anschluss an frühere vergleichbare Veröffentlichungen, jedoch noch vor erstinstanzlichem Zuspruch eines Entschädigungsbetrags erfolgt ist. Hat ein Betroffener auf Grund einer Veröffentlichung nach mehreren Bestimmungen Anspruch auf Entschädigung, so ist ein einziger, entsprechend höher bemessener Entschädigungsbetrag festzusetzen. Auf die Wahrung der wirtschaftlichen Existenz des Medieninhabers ist Bedacht zu nehmen.
Mit Blick darauf, dass der Vorwurf in Bezug auf den Antragsteller schwer wiegt, weil die Veröffentlichung in Bild, Video und Ton erfolgte, über einen langen Zeitraum weltweit einsehbar war, zu einem „Shitstorm“ beitrug und dem Antragsteller schwerwiegende strafbare Handlungen und Dienstvergehen unterstellte, sowie mehrere Anspruchsgrundlagen erfüllt sind, was bei Bemessung des einheitlichen Entschädigungsbetrags zu berücksichtigen ist (OLG Graz, 10 Bs 65/24w), aber auch darauf, dass der Beitrag von einer Vielzahl von (weiteren) Facebook-Usern geteilt wurde, der ursprüngliche Kommentar bereits früher veröffentlicht, vom Angeklagten und Antragsgegner lediglich geteilt wurde, der Verbreitungsgrad seiner privaten Facebook-Seite eher gering ist und ein Ausgleich des (Gesamt)schadens des „Shitstorms“ durch Zahlungen anderer an der öffentlichen Anprangerung beteiligter Personen bereits erfolgt ist, ist der Entschädigungsbetrag unter Berücksichtigung der Einkommensverhältnisse des Angeklagten und Antragsgegners (Pension in Höhe von EUR 2.000,00 monatlich, keine Schulden, kein Vermögen, keine Sorgepflichten; US 4) auf EUR 350,00 anzuheben, womit auch auf die wirtschaftliche Existenz des Antragsgegners ausreichend Bedacht genommen wird. Dem Einwand des Antragsgegners, es habe eine Anrechnung von anderen Entschädigungszahlungen auf den gegenständlichen Entschädigungsanspruch zu erfolgen, ist entgegenzuhalten, dass dem Anspruchsberechtigten nach dem MedienG jedenfalls ein Mindestbetrag zuzuerkennen ist, was gegen eine Anrechnungspflicht spricht (vgl auch Rami in Höpfel/Ratz WK 2 MedienG Vor §§ 6-7c Rc 6).
Die Kostenentscheidung ist Folge der Sachentscheidung und gründet auf § 390a Abs 1 StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG.
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