Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Senatspräsidentin Mag a . Kohlroser als Vorsitzende, den Richter Mag. Scherr, LL.M. BA, und die Richterin Mag a . Berzkovics in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens der Tierquälerei nach §§ 2, 222 Abs 1 Z 1 StGB über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 23. Juni 2025, GZ **-30, in nichtöffentlicher Beratung zu Recht erkannt:
Der Berufung wegen Nichtigkeit wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz zurückgewiesen.
Mit seiner weiteren Berufung wird der Angeklagte darauf verwiesen.
gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde A* des Vergehens der Tierquälerei nach §§ 2, 222 Abs 1 Z 1 StGB schuldig erkannt, hiefür nach § 222 Abs 1 StGB zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt und gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.
Dem Schuldspruch zufolge hat der Angeklagte „während eines zumindest mehrstündigen Zeitraums vor dem 22. September 2024“ in ** einem Tier, nämlich einer in einem Gehege gehaltenen hochträchtigen Bisonkuh, durch vorsätzliche Unterlassung der ihm als Halter iS des § 4 Z 1 TSchG obliegenden Verpflichtung zur regelmäßigen Nachschau nach dem gesundheitlichen Wohlergehen des Tieres (§ 20 Abs 1 TschG), zur Gewährleistung einer ausreichenden medizinischen bzw im Anlassfall erforderlichen tierärztlichen Versorgung des Tieres (§ 15 TSchG) und zur Haltung des Tieres in einer Weise, welche dessen Wohlbefinden nach dem anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht beeinträchtigt (§ 13 Abs 1 TschG), unnötige Qualen zugefügt, indem er es trotz eindeutiger und selbst wahrgenommener Hinweise auf das Einsetzen der Geburt eines Kalbes und obwohl er erkannte, dass sich das Kalb in einer problematischen Hinterendlage befand (US 4), unterließ, die erforderliche Geburtshilfe zu leisten oder eine tierärztliche Behandlung bzw Entbindung zu organisieren, wodurch die Bisonkuh über einen zumindest mehrstündigen Zeitraum an erheblichen Schmerzen litt und in weiterer Folge aufgrund von Komplikationen bei der Geburt verendete.
Gegen das Urteil richtet sich die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 5 und Z 9 lit a iVm § 489 Abs 1 StPO) und wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe (ON 32).
Die Oberstaatsanwaltschaft beantragte, der Berufung wegen Nichtigkeit Folge zu geben, das Urteil in nichtöffentlicher Sitzung aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz zurückzuweisen.
Die Berufung wegen Nichtigkeit ist berechtigt.
Tierquälerei in der Begehungsform nach § 222 Abs 1 Z 1 StGB ist ein Erfolgsdelikt ( Riffel , WK² § 222 StGB Rz 86), das durch den Eintritt unnötiger Qualen – das sind eine gewisse Zeit andauernde, nicht notwendigerweise körperliche Schmerzzustände – vollendet ist, wobei das Zufügen von Qualen für eine nicht ganz kurzfristige Dauer genügt ( Riffel , WK² § 222 StGB Rz 39 mwN).
Bedroht das Gesetz die Herbeiführung eines Erfolgs mit Strafe, so ist gemäß § 2 StGB auch strafbar, wer es unterlässt ihn abzuwenden, obwohl er zufolge einer ihn im besonderen treffenden Verpflichtung durch die Rechtsordnung dazu verhalten ist und die Unterlassung der Erfolgsabwendung einer Verwirklichung des gesetzlichen Tatbildes durch ein Tun gleichzuhalten ist. Die Unterlassung muss für den konkreten Erfolgseintritt ursächlich sein. Dieser geforderte Unterlassungskausalzusammenhang ist nach der Rechtsprechung nur dann anzunehmen, wenn die gebotene (aber unterlassene) Handlung den eingetretenen konkreten Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit , sohin in einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Weise, abgewendet hätte (RS0089436 [insb T2]; Lehmkuhl , WK² § 2 StGB Rz 57 mwN).
Das Erstgericht stellte in diesem Zusammenhang fest, dass ein rechtzeitig beigezogener Tierarzt zunächst den Versuch hätte unternehmen können, das Kalb im Mutterleib anders zu positionieren, und im Fall der Erfolglosigkeit dieser Maßnahme eine rasche Tötung des Tieres hätte bewerkstelligen können. Die rechtzeitige Beiziehung eines Tierarztes wäre geeignet gewesen, den qualvollen Leidenszustand des Tieres zu verkürzen oder zu beenden (US 6).
Wie die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zutreffend aufzeigt, ist den Feststellungen allerdings nicht zu entnehmen, ob der Eintritt von Qualen im konkreten Fall durch das Leisten von Geburtshilfe oder durch die Beiziehung eines Tierarztes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abgewendet worden wäre.
Um dies beurteilen zu können, hätte das Erstgericht nämlich Feststellungen dazu treffen müssen, ab welchem Zeitpunkt eine Handlungspflicht des Angeklagten bestand – nämlich bereits bei erstmaliger Wahrnehmung der Komplikationen oder erst bei einer späteren Nachschau im Zuge der „engmaschigen“ Überwachung des Geburtsvorgangs (vgl US 5) – und zu welcher zeitlichen Verkürzung der Dauer der erlittenen Qualen das Leisten von Geburtshilfe oder die Beiziehung eines Tierarztes geführt hätte. In diesem Zusammenhang wird jedenfalls auch zu berücksichtigen sein, dass das Hinzuziehen einer Fachkraft und die weitere Behandlung des Tieres ebenfalls eine gewisse Zeit in Anspruch genommen hätte, in der die Schmerzzustände fortbestanden hätten. Darüber hinaus bedarf es auch noch konkreter Feststellungen dazu, mit welchem Grad an Wahrscheinlichkeit der Erfolg wegzudenken ist, wenn man die vom Angeklagten unterlassene Handlung hinzudenkt.
Der dargestellte Rechtsfehler mangels Feststellungen bedingt die Aufhebung des Urteils in nichtöffentlicher Beratung und die Verweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz (§ 470 Z 3 iVm § 489 Abs 1 StPO).
Mit seinem weiteren Berufungsvorbringen wird der Angeklagte auf die Kassation verwiesen.
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