Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Senatspräsidentin Mag a . Kohlroser (Vorsitz), den Richter Mag. Scherr, LL.M. BA, und die Richterin Mag a . Berzkovics in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Unterbleiben einer Beschlussfassung nach § 494a StPO aus Anlass der Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 11. September 2025, GZ **-91, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen .
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
begründung:
A* wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 11. September 2025, GZ **-91, des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Ungeachtet dessen, dass sich aus dem Akteninhalt eine offene Probezeit zu AZ ** des Landesgerichts für Strafsachen Graz ergab (ON 33), fasste das Geschworenengericht keinen Beschluss nach § 494a StPO.
Die Staatsanwaltschaft meldete nach der mündlichen Verkündung des Urteils Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an (ON 90 S 20). Nach Zustellung der Urteilsausfertigung am 22. September 2025 zog sie mit Eingabe vom 29. September 2025 die angemeldeten Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung zurück und führte gleichzeitig eine Beschwerde aus, in der sie die Unterlassung der Beschlussfassung nach § 494a StPO moniert (ON 97).
Die Beschwerde ist verspätet.
Im Fall der mündlichen Verkündung eines Beschlusses nach § 494a StPO können Ausfertigung und Zustellung des Beschlusses unterbleiben, wenn der Berechtigte binnen drei Tagen nach Verkündung keine Beschwerde anmeldet. Bei mündlicher Verkündung und Anmeldung einer Beschwerde läuft die (14-tägige) Frist zur Erstattung des Rechtsmittels ab Zustellung der schriftlichen Ausfertigung (§ 498 Abs 2 StPO; vgl hiezu auch Jerabek, WK StPO § 498 Rz 2; Fabrizy/Kirchbacher, StPO 15 § 498 Rz 1/1 f).
Die Beschwerde kann auch mit einer Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufung gegen das Urteil verbunden werden, das zugleich mit dem angefochtenen Beschluss ergangen ist. In diesem Fall ist die Beschwerde rechtzeitig eingebracht, wenn das Rechtsmittel, mit dessen Ausführung sie verbunden ist, rechtzeitig eingebracht wurde (§ 498 Abs 3 StPO).
Ist ein Ausspruch nach § 494a StPO zu Unrecht unterblieben, steht der Staatsanwaltschaft dagegen die Beschwerde offen (§ 494a Abs 4 StPO; Fabrizy/Kirchbacher, StPO 15§ 494b Rz 1), wobei auch insoweit nach ständiger Rspr mangels anderslautender Regelung die Beschwerdefristen des § 498 StPO einzuhalten sind.
Daraus folgt, dass die Beschwerde gegen die unterbliebene Beschlussfassung im vorliegenden Fall entweder binnen drei Tagen nach Verkündung des Urteils anzumelden und binnen 14 Tagen ab Urteilszustellung auszufertigen oder mit einer rechtzeitigen Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufung gegen das Urteil zu verbinden gewesen wäre.
Die Staatsanwaltschaft verweist zur Rechtzeitigkeit ihrer Beschwerde auf den Rechtssatz RS0101902, dem die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 18. Oktober 1988, AZ 15 Os 133/88 (15 Os 134/88) zugrundeliegt, sowie auf Jerabek, WK-StPO § 498 Rz 5, der unter Hinweis auf den zitierten Rechtssatz davon ausgeht, dass eine Beschwerde, die innerhalb der zur Ausführung der angemeldeten Nichtigkeitsbeschwerde und/oder Berufung offenstehenden Frist eingebracht wird, selbst dann beachtlich ist, wenn die anderen Rechtsmittel unter einem zurückgezogen werden. Diese Ansicht ist schon nach dem klaren Wortlaut des § 498 Abs 3 StPO idgF verfehlt.
Die Anklagebehörde übersieht, dass der Entscheidung zu AZ 15 Os 133/88 (15 Os 134/88) nicht nur ein vom hier zu beurteilenden Fall abweichender Sachverhalt (die Staatsanwaltschaft hatte in jenem Fall bereits unmittelbar nach der Beschlussverkündung in der Hauptverhandlung erklärt, dass sie Beschwerde erhebe, sodass ihre Beschwerde schon unter diesem Aspekt jedenfalls rechtzeitig war) sondern insbesondere eine andere Rechtslage zugrundelag.
§ 498 StPO in der damals geltenden Fassung BGBl 1975/631 sah nämlich vor, dass die Beschwerde grundsätzlich binnen 14 Tagen nach Bekanntmachung – sohin nach mündlicher Verkündung in der Hauptverhandlung – einzubringen war oder mit einer Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufung gegen das zugleich ergangene Urteil verbunden werden konnte. Eine Anmeldung des Rechtsmittels war nicht vorgesehen. Daraus folgte, dass die Beschwerde gegebenenfalls bereits vor der Zustellung der schriftlichen Entscheidung eingebracht werden musste, um die Beschwerdefrist zu wahren, so sie nicht mit einer Berufung und/oder Nichtigkeitsbeschwerde verbunden wurde. Wohl vor diesem Hintergrund nahm der Oberste Gerichtshof eine „sachlogisch indizierte extensive Auslegung“ des § 498 Abs 3 StPO idF BGBl 1975/631 vor und sprach aus, dass die Beschwerdefrist in jenem Fall durch die Einbringung der Beschwerde innerhalb der Frist zur Ausführung der (gleichwohl unter einem zurückgezogenen) Rechtsmittel gegen das Urteil gewahrt wurde.
In Anbetracht der zwischenzeitigen Änderung des § 498 StPO und der nunmehrigen Möglichkeit, die Beschwerde binnen drei Tagen nach mündlicher Verkündung des Beschlusses anzumelden und erst binnen 14 Tagen nach Zustellung der schriftlichen Beschlussausfertigung auszuführen, besteht für eine derart extensive Auslegung allerdings kein Anlass mehr.
Die Beschwerde der Anklagebehörde ist demzufolge verspätet, weshalb sie gemäß § 89 Abs 2 StPO als unzulässig zurückzuweisen ist.
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