Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richterin Mag a . Berzkovics (Vorsitz) und die Richter Mag. Obmann, LL.M. und Mag. Petzner, Bakk. in der Strafsache gegen A* B* und andere Angeklagte wegen der Vergehen der Tierquälerei nach §§ 2, 222 Abs 1 Z 1 zweiter Fall StGB über die Berufung der Angeklagten A* B* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 4. Februar 2025, GZ **-23.2, nach der am 29. Oktober 2025 in Gegenwart des Oberstaatsanwalts Dr. Kirschenhofer, der Angeklagten A* B* und ihres Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Ogris durchgeführten öffentlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
Der Berufung wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruchs über die Schuld wird nicht Folge gegeben.
Aus Anlass der Berufung wird das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu 3., 4., 7., 8. und 9. und demgemäß im Strafausspruch aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.
Mit ihrer weiteren Berufung wird die Angeklagte auf die Kassation verwiesen.
Der Angeklagten fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
gründe:
Mit dem angefochtenen, durch Beschluss vom 8. Mai 2025 (ON 23.1) an die mündliche Verkündung angeglichenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche der Mitangeklagten C* B* und D* B* enthält, wurde die am ** geborene A* B* „des Vergehens“ (richtig aber US 11: der Vergehen) der Tierquälerei nach §§ 2, 222 Abs 1 Z 1 (zu ergänzen:) zweiter Fall StGB schuldig erkannt und hiefür (zu ergänzen:) unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB nach § 222 Abs 1 StGB in Anwendung des § 37 (zu ergänzen:) Abs 1 StGB zur Geldstrafe von 300 Tagessätzen zu je EUR 10,00, im Uneinbringlichkeitsfall 150 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.
Dem Schuldspruch nach hat sie im Zeitraum von Dezember 2023 bis März 2024 in ** Tieren unnötige Qualen zugefügt, indem sie es als Betriebsleiterin und Tierhalterin (US 3) unterließ (§ 2 StGB), für eine ausreichende Versorgung mit Futter zu sorgen, die Ställe ordnungsgemäß von Gülle bzw Mist zu befreien, verletzte oder kranke Mastschweine und Aufzuchtferkel getrennt von anderen Tieren zu halten sowie medizinisch selbst zu behandeln oder durch einen Tierarzt behandeln zu lassen oder Notschlachtungen durchzuführen, sodass den Schweinen über einen längeren Zeitraum schwere Leiden, Schmerzen und Qualen entstanden sind, und zwar
1. einem Absetzferkel durch eine tiefe Wunde am hinteren Rand des rechten Ohres, die bereits stark angeschwollen, nekrotisch und eitrig war,
2. einem Absetzferkel durch eine tiefe und bereits stark entzündete Wunde am Übergang des Schädels zum linken Ohr,
3. einer Zuchtsau, die im Kastenstand feststeckte und auch durch massive Auftriebsversuche nicht aufstehen konnte,
4. einer Zuchtsau, die im Kastenstand eingeklemmt war und sich nicht mehr befreien konnte,
5. einer Zuchtsau (Ohrenmarkennummer 718) mit einer massiven eitrigen Entzündung des Klauengelenkes,
6. einem Absetzferkel durch eine tiefe, klaffende Wunde unterhalb der linken Schulter am Übergang vom linken Vorderbein zum Rumpf,
7. einem stark moribunden Mastschwein, das kaum mehr gehen konnte, sodass es notgetötet werden musste,
8. einer kranken, stark abgemagerten und kaum gehfähigen Zuchtsau, die letztlich notgetötet werden musste,
9. einem lebensschwachen Ferkel, das anlässlich der Kontrolle am 5. März 2024 noch vor dem Eintreffen des Tierarztes verstarb.
Gegen das Urteil richtet sich die Berufung der Angeklagten wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe (ON 24.1).
Die Schuldberufung, die vor dem Eingehen auf den (der Sache nach) geltend gemachten materiellen Nichtigkeitsgrund zu prüfen ist ( Ratz , WK-StPO § 476 Rz 9), bleibt ohne Erfolg, weil gegen die getroffenen Feststellungen zu den entscheidenden Tatsachen und die dazu angestellten beweiswürdigenden Erwägungen keine Bedenken bestehen.
Das Erstgericht legte gestützt auf die Feststellungen aus Anlass der Kontrollen am 18. Dezember 2023 (ON 2, 4 ff) und 5. März 2024 (ON 5.2.12 und 5.2.13) durch die beiden auch als Zeugen vernommenen Amtstierärzte Dr. E* und DIin Drin. F* und das damit im Einklang stehende Gutachten des Sachverständigen Priv.-Doz. MMag. Dr. G*, LL.M. (ON 14) ausführlich und überzeugend dar, warum es die – im Ergebnis leugnende – Einlassung der Angeklagten als unzutreffend einschätzte. Nach der eigenen Verantwortung der Angeklagten war im Tatzeitraum ausschließlich sie für die Betreuung der Schweine verantwortlich. Sie war bei den Tierschutzkontrollen am 28. Juni 2023 (ON 2, 2) und 18. Dezember 2023 (ON 2, 34 ff) anwesend und wusste demnach von den bereits dort festgestellten Missständen in der Schweinehaltung Bescheid. Davon ausgehend und im Hinblick darauf, dass gegen die Angeklagte, ihren Ehegatten C* B* und ihren Sohn D* B* bereits im Jahr 2022 ein Strafverfahren geführt wurde, das im Wesentlichen dieselben Missstände zum Gegenstand hatte wie im Anlassfall und letztendlich auch zur Verurteilung ihres Ehegatten als seinerzeitigen Tierhalter führte (ON 6), dem infolgedessen ein Tierhalte- und Betreuungsverbot auferlegt wurde, bestehen auch gegen die Ableitung der subjektiven Tatseite aus dem objektiven Tatgeschehen, den äußeren Tatumständen und der allgemeinen Lebenserfahrung keine Bedenken. Dass die zuständige Bezirkshauptmannschaft trotz der von den Amtstierärzten festgestellten Missstände kein Tierhalteverbot gegen die Angeklagte ausgesprochen hat, spricht der Berufungsargumentation zuwider ebenso wie das von der Angeklagten nach den Kontrollen gezeigte Bemühen um Verbesserung der Situation keine für die Lösung der Schuld- oder Subsumtionsfrage erhebliche Tatsache an und bedarf daher keiner weiteren Erwiderung.
Der Rechtsrüge, die der Sache nach aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO das Fehlen von Feststellungen zur „Rohheit der Misshandlung“ und einem darauf bezogenen Vorsatz vermisst, ist zu erwidern, dass es sich bei § 222 Abs 1 StGB um ein alternatives Mischdelikt mit rechtlich gleichwertigen Begehungsweisen handelt ( Riffel , WK² StGB § 222 Rz 27) und dieses nach den Urteilskonstatierungen (US 4 ff) schon durch die auf das jeweilige Schwein bezogene und auch vom (bedingten) Vorsatz der Angeklagten umfasst gewesene Zufügung unnötiger Qualen iSd zweiten Alternative des § 222 Abs 1 Z 1 erfüllt ist. Ein der Sache nach geltend gemachter Rechtsfehler mangels Feststellungen liegt damit insoweit nicht vor.
Die vorsätzliche Zufügung unnötiger Qualen iSd § 222 Abs 1 Z 1 zweiter Fall StGB setzt die Herbeiführung eines für das Tier unangenehmen Zustands von nicht ganz kurzer Dauer unter Überschreitung der Grenzen des Vertretbaren und unter Anwendung sozialinadäquater Mittel voraus (RIS-Justiz RS0096660). Ein qualvoller Zustand iSd Abs 2 leg. cit. ist nicht erforderlich. Im Gegensatz zu Misshandlungen muss es sich hier nicht um die Zufügung körperlicher Schmerzen handeln; vielmehr kann auch die Herbeiführung anderer qualvoller Zustände, etwa Hunger oder Angst, den Tatbestand erfüllen ( Leukauf/Steininger/Tipold , StGB 5 § 222 Rz 4; Riffel , WK² § 222 Rz 39, Michel-Kwapinski/Oshidari , StGB 15 § 222 Rz 4). Die Zufügung unnötiger Qualen kann auch durch Unterlassung (zum Beispiel durch Nichtgewährung der notwendigen Nahrung, einer zureichenden Unterkunft oder durch andere Vernachlässigungen) durch eine Person, die Garant iSd § 2 StGB ist, also Halter, Beförderer oder beauftragte Person, erfüllt werden ( Riffel , aaO Rz 42). Eine Rechtspflicht zum Handeln kann sich auch aus dem TSchG und den aufgrund dessen erlassenen Verordnungen ergeben (ErläutRV StRÄG 1971, 39 BlgNR 12. GP 20).
Zu keinem der zu 3., 4., 7., 8. und 9. angeführten Schweine sind dem angefochtenen Urteil jedoch Feststellungen zur konkreten, auf einen bestimmten Zeitraum eingegrenzten Dauer des für das jeweilige Tier unangenehmen Zustands und – wegen der angenommenen Begehung durch Unterlassung – zum gebotenen und tatsächlich möglichen Tun sowie zur Ursächlichkeit der gebotenen (aber unterlassenen) Handlung für den konkreten Erfolgseintritt zu entnehmen (vgl dazu im Allgemeinen Lehmkuhl , WK² StGB § 2 Rz 43, 46, 57; RIS-Justiz RS0089436).
Diese Rechtsfehler mangels Feststellungen erfordern die Aufhebung des Urteils im Schuldspruch zu 3., 4., 7., 8. und 9. und demzufolge auch im Strafausspruch.
Mangels überwiegenden Interesses am sofortigen Ausspruch einer wegen des solcherart bereits rechtskräftigen Schuldspruchs zu 1., 2., 5., und 6. zu verhängenden Strafe war vom Berufungsgericht nicht sogleich im Weg einer Strafneubemessung in der Sache selbst zu erkennen, sondern in uneingeschränkter Verwirklichung des Absorptionsprinzips (§ 28 Abs 1 StGB, § 37 StPO) die Sache auch in der Straffrage an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung zu verweisen (RIS-Justiz RS0100261).
Mit ihrer Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe ist die Angeklagte darauf zu verweisen.
Der Kostenausspruch – der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (RIS-Justiz RS0101558; Lendl , WK-StPO § 390a Rz 12) – beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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