Das Oberlandesgericht Graz hat als Berufungsgericht durch den Richter Mag. Tanczos (Vorsitz) und die Richterinnen Dr. in Steindl-Neumayr und Mag. a Binder in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geb. **, Hausfrau, **, vertreten durch Mag. Paulus Papst, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1. Dr. B* , geb. **, Fachärztin für Gynäkologie, **, vertreten durch die FSKN Rechtsanwälte GmbH in Graz, und 2. C* GmbH , FN **, **, vertreten durch die Strasser Huber Rechtsanwälte OG in Graz, wegen EUR 15.200,00 samt Anhang und Feststellung (Streitwert: EUR 1.000,00) , über die Berufung der klagenden Partei (Berufungsinteresse: EUR 16.200,00) gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 01.07.2025, ** - 45, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 5.000,00, nicht aber EUR 30.000,00.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig .
Entscheidungsgründe:
Die Erstbeklagte ist eine freiberuflich tätige Fachärztin für Gynäkologie. Die Klägerin war ihre Patientin. Die Zweitbeklagte betreibt das Sanatorium ** als Belegspital. Die Erstbeklagte nahm am 26.05.2023 an der Klägerin eine Sectio (einen Kaiserschnitt) vor, im Zuge der die Klägerin ihr zweites Kind gebar. Die Klägerin war von 26. bis 31.05.2023 im Sanatorium der Zweitbeklagten stationär aufhältig. Am 11.06.2023 wurde bei der Klägerin im LKH ** ein Bauchdeckenabszess diagnostiziert, der dort am 12.06.2023 operativ versorgt wurde.
Gegenstand des Verfahrens ist ein Schadenersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagten, den sie auf ärztliche Behandlungsfehler der Erstbeklagten als Belegärztin und der Ärzte der Zweitbeklagten im Belegspital stützt.
Die Klägerin erhielt vor der Sectio das Antibiotikum Cefuroxim per Infusion. Die Sectio verlief komplikationslos und lege artis. Die Klägerin wurde täglich von einer Hausärztin und einer Gynäkologin/einem Gynäkologen visitiert. Im Zuge dieser Visiten äußerte sie keine für den erfolgten Eingriff ungewöhnliche Schmerzen oder sonstige Auffälligkeiten. So konnte sie bereits am 27.05.2023 aufstehen, im Zimmer spazieren gehen und äußerte Wohlbefinden. Am 30. und 31.05.2023 war die Klägerin nach ihren Angaben schmerzfrei. Während ihres Aufenthalts hatte sie kein Fieber. Insgesamt gestaltete sich der Wochenbettverlauf der Klägerin unauffällig, sodass sie am 31.05.2023 auf ihren Wunsch hin fieberfrei und in gutem Allgemeinzustand entlassen werden konnte. Die Operationsnarbe war zu diesem Zeitpunkt bland, reizfrei, mit Steristrips verschlossen und ansonsten nicht durch einen Verband oder Pflaster abgedeckt. Die Behandlung der Klägerin während ihres stationären Aufenthalts im Sanatorium erfolgte lege artis. Eine routinemäßige Blutabnahme nach einer Sectio ist nicht erforderlich, so lange keine besonderen Symptome bestehen.
Vor der Entlassung führte die Erstbeklagte mit der Klägerin ein Entlassungsgespräch, in dem sie der Klägerin erklärte, dass wenn irgendetwas Ungewöhnliches wie Fieber, Schmerzen, eigenartiger Wochenfluss etc. auftreten sollte, sie sich direkt an die Ordination der Erstbeklagten wenden oder das LKH ** aufsuchen soll. Mit der Klägerin wurde ein Kontrolltermin zur Entfernung der (nach zehn Tagen entfernbaren) Steristrips vereinbart, wobei nicht mehr festgestellt werden kann, wann dieser gewesen wäre. Die Klägerin suchte zu diesem Zweck aber nicht die Ordination der Erstbeklagten auf.
Am Mittwoch, den 07.06.2023, nahm der Gatte der Klägerin mit der Ordination der Erstbeklagen telefonisch Kontakt auf und gab gegenüber der Ordinationsgehilfin an, dass die Klägerin unter Schmerzen leidet. [F1] Nach Rücksprache mit der Erstbeklagten und Dr. D* rief die Ordinationsgehilfin den Gatten der Klägerin am Nachmittag desselben Tages zurück, teilte ihm mit, dass die Klägerin bei starken Schmerzen ein Schmerzmedikament einnehmen soll und übermittelte ihm per E-Mail ein Rezept für „Voltaren“. [F2] Weiters teilte die Ordinationsgehilfin mit, dass die Klägerin bei starken Schmerzen jederzeit ins LKH ** oder am Freitag – am Donnerstag war Feiertag und die Ordination geschlossen – in die Ordination zu Dr. D* kommen könne. [F3] Ob der Gatte der Klägerin im Zuge des ersten Telefonats weitere Angaben zu ihrem Gesundheitszustand wie Atemnot und Schlafproblemen machte, kann nicht festgestellt werden. [F4]
Die Klägerin kam danach nicht mehr in die Ordination der Erstbeklagten und suchte auch keinen anderen Arzt oder das LKH ** auf. Erst am 11.06.2023 begab sie sich aufgrund anhaltender Unterleibsschmerzen und einer Schwellung im Unterleibsbereich ins LKH **. Es lag ein Abszess der Klägerin in der Tiefe der Bauchdecke zwischen Bauchfell und Faszie vor. Darüber liegen das subcutane Fettgewebe und die Haut. Der Abszess wurde erst spät im Inflammationsprozess an der Oberfläche (Haut) bemerkbar. Die Wundinfektion verlief verspätet einsetzend und protrahiert, im Zeitraum der stationären Betreuung im Wochenbett ergab sich kein Hinweis darauf. Der unter der Faszie gelegene, schleichend verlaufende Entzündungsprozess wurde erst nach der Entlassung symptomatisch und erst mehr als zwei Wochen nach dem Kaiserschnitt klinisch evident. Offensichtlich ist der Prozess erst dann an die Oberfläche, also durch die Faszie in das subcutane Fettgewebe und in Richtung Haut, getreten, sodass er erkennbar war. Bei schlanken Bauchdecken kann ein Bauchdeckenabszess schneller erkennbar sein, das war aber bei der adipösen Klägerin nicht der Fall.
Es kann nicht festgestellt werden, ob der Entzündungsprozess zum Zeitpunkt der Kontaktaufnahme des Gatten der Klägerin mit der Ordination der Erstbeklagten erkennbar gewesen wäre. Bei heftigen Erkrankungssymptomen kann Schlaflosigkeit zu den typischen Symptomen bei einem Abszess wie Schmerzen im Bauchinneren dazu treten, Atembeschwerden sind eher selten. Bei der Klägerin wurde nie eine Beteiligung der Lunge im Krankheitsverlauf dokumentiert, sodass Atembeschwerden eher nicht auf diese dann später gefundene Abszessbildung hingewiesen haben.
Ex post ist davon auszugehen, dass es äußerst schwierig gewesen wäre, einen Abstrich aus der Tiefe des subfaszialen Raums ohne operativen Eingriff zu machen, wenn man die Klägerin nach der Kontaktaufnahme ihres Gatten am 07.06.2023 untersucht und einen beginnenden Abszess gefunden hätte. Auch wenn das gelungen wäre, wäre der Befundbericht bei gleicher Kulturdauer erst am 14.06.2023 eingetroffen, um antibiogrammgerecht eine spezifische Therapie zu beginnen, also zwei Tage nach der durchgeführten Revisionsoperation. Der Therapieerfolg nach dem 12.06.2023 war sehr wesentlich der chirurgischen Entleerung des Abszesses geschuldet, auch wenn eine neuerliche systemische antibiotische Therapie begonnen wurde, um eine Streuung der Keime und eine Sepsisentwicklung zu verhindern. Retrospektiv hätte der chirurgische Eingriff wohl nicht früher durchgeführt werden können.
Als Keim fand sich eine Prevotella denticola, ein Bakterium, das auf die standardmäßige antibiotische Prophylaxe bei der Sectio, nämlich das lege artis verabreichte Cephalosporin, nicht sensibel war. Es ist kein typischer Keim für eine Infektion nach einer Sectio, sondern ein Bakterium, das üblicherweise im Mund „residiert“. Laut Pflegedokumentationen wurden jedenfalls die erforderlichen Desinfektionsmaßnahmen im Rahmen der Operation durchgeführt und das typische Antibiotikum entsprechend den Leitlinien zeitgerecht präventiv verabreicht. Es ist nicht erforderlich, spezielle bakteriologische Abstriche vor einem Kaiserschnitt durchzuführen. Wenn sich kein besonderer Grund ergibt, muss der im Operationssaal aufgebrachte Wundverband im Rahmen der postoperativen Visiten auch nicht geöffnet oder erneuert werden, weil sich dadurch nur die Gefahr einer Kontamination mit neuen Keimen ergibt. Die Wundinfektion ist, auch wenn der verursachende Keim untypisch war, eine typische Komplikation jeder Operation, über die die Klägerin bei Einwilligung in die Sectio aufgeklärt wurde. Weiterer Risikofaktor für Wundinfektionen bei der Sectio und die Abszessbildung war das Übergewicht (Adipositas) der zum Zeitpunkt der Sectio 162 cm großen und 85 kg schweren Klägerin. Die verwirklichte Komplikation war schicksalshaft. Die durchgeführte Behandlung samt Nachbehandlung erfolgte lege artis.
Die Klägerin fordert von den Beklagten als Solidarschuldnern EUR 15.200,00 (EUR 15.000,00 Schmerzengeld, EUR 200,00 pauschale Unkosten) samt Zinsen und begehrt die Feststellung ihrer Solidarhaftung für sämtliche zukünftigen, derzeit noch nicht bekannten Schäden „aufgrund des Kaiserschnitts vom 26.05.2023 und der damit verbundenen Nachbehandlung“. Zur Haftung der Beklagten dem Grunde nach bringt sie im Wesentlichen vor, mit Ausnahme von Infusionen und der Gabe von Schmerzmitteln sei keine weitere Behandlung oder Abklärung ihrer Schmerzsymptomatik während ihres stationären Aufenthalts erfolgt. Ihr Ehegatte habe ihre nach der Entlassung anhaltenden Schmerzen der Erstbeklagten telefonisch gemeldet und auf ihren unverändert schlechten Zustand hingewiesen. Erst am darauffolgenden Tag habe die Erstbeklagte zurückgerufen und mitgeteilt, eine Verschreibung für ein Schmerzmittel per E-Mail zu übermitteln. Weitere Veranlassungen oder Ratschläge habe sie unterlassen. Wäre sie umsichtig, rechtzeitig und fachgerecht (nach)behandelt sowie belehrt worden, wäre der Abszess nicht aufgetreten oder wäre der Krankheitsverlauf kürzer gewesen. Ihr wären massive Schmerzen und eine gravierende psychische Traumatisierung erspart geblieben.
Der Krankenhausaufnahmevertrag habe eine fachgerechte ärztliche Behandlung und Abklärung ihrer Symptome durch das Personal der Zweitbeklagten, insbesondere während der Abwesenheit der Erstbeklagten, umfasst. Das der Erstbeklagten beigestellte ärztliche Personal sei auch Erfüllungsgehilfin der Zweitbeklagten gewesen, weil sich die Pflichten von Belegarzt und Belegspital überschneiden können und ein Angestellter des Belegspitals – wie visitierende und diensthabende Ärzte der Zweitbeklagten während urlaubsbedingter Abwesenheit der Erstbeklagten sowie Pflegepersonal – Erfüllungsgehilfe zweier Schuldner sein könne.
Die Unterlassung der histologischen Abklärung (ua CRP-Werte), aus der der Bauchwanddeckenabszess aufgrund erhöhter Entzündungsparameter im Blut (Blutsenkungsgeschwindigkeit, CRP) ableitbar gewesen wäre, sei beiden Beklagten vorzuwerfen. Zur Abklärung wären auch ein Ultraschall, eine Magnetresonanztomographie oder eine Computertomographie zur Verfügung gestanden. Aufgrund der Nachbehandlung mit schmerzsenkenden Maßnahmen ohne Abklärung und Ursachenforschung durch die Stationsärztin des Belegspitals habe die Infektion erst ungebührlich spät im LKH ** behandelt werden können. Auch beim unterlassenen, aber gebotenen Pflasterwechsel bei der Schnittstelle hätten sich für einen Abszess sprechende Auffälligkeiten (Rötung, Schwellung) und sofortiger Handlungsbedarf – auch des Belegspitals – wahrnehmen lassen. Ohne medizinische Abklärung der von ihr geschilderten Schmerzen sei in ihrer Entlassung aus der (stationären) Behandlung, aber auch in der unterlassenen Abklärung durch die Erstbeklagte im Anschluss daran ein ärztlicher Behandlungsfehler zu sehen. Die sofortige Reaktion der Ärzte auf ihre Schmerzschilderungen und auf die bald aufgetretenen Symptome hätte die in der Folge aufgetretene Komplikation vermieden oder zumindest deutlich gemildert.
Die Erstbeklagte beantragt die Klageabweisung und wendet ein, die Klägerin sei nach der Sectio aufgrund ihrer Urlaubsabwesenheit von 26. bis 29.06.2023 täglich von anderen Ärzten und am 30.06.2023 von ihr visitiert worden. Die erste Kontaktaufnahme nach der Entlassung aus dem stationären Aufenthalt sei am 07.06.2023 erfolgt, bei der die Klägerin Schmerzen mitgeteilt habe. Sie habe ihr ein Schmerzmittel verschrieben und sie darauf hingewiesen, dass sie bei (weiteren) Schmerzen bzw Problemen jederzeit in das Sanatorium kommen oder auch die Klinik aufsuchen solle. Die Klägerin habe erst am 11.06.2023 das LKH ** aufgesucht. Sie habe sowohl die sectio als auch die Nachbetreuung der Klägerin sach- und fachgerecht vorgenommen und auf den Anruf am 07.06.2023 lege artis reagiert. Ihr sei kein Fehlverhalten vorzuwerfen. Die Entzündung (der Abszess) sei auf einen schicksalshaften Heilungsverlauf zurückzuführen, der durch den adipösen Körperbau der Klägerin begünstigt worden sei.
Die Zweitbeklagte beantragt die Klageabweisung und wendet im Wesentlichen ein, nicht passiv legitimiert zu sein. Der Behandlung der Klägerin sei ein gespaltener Krankenhausvertrag zugrunde gelegen, der zur Aufspaltung der Leistungspflichten zwischen der Belegärztin und dem Belegspital führe. Die Klägerin habe den Behandlungsvertrag mit der Erstbeklagten als freiberuflich tätiger Belegärztin abgeschlossen. Die Erstbeklagte habe die Behandlung und sie die Unterbringung, Verpflegung und die Zurverfügungstellung der für die Durchführung der stationären Behandlung der Klägerin erforderlichen Hilfen zu besorgen gehabt. Da kein vorwerfbares Fehlverhalten der beigestellten Hilfskräfte vorgelegen habe, bestehe keine Haftung im Zusammenhang mit einer allfälligen Überschneidung der Pflichtenkreise bei der Nachbehandlung bis zur Entlassung der Klägerin am 31.05.2023. Soweit sich die Klägerin auf den Zeitraum nach der Entlassung stütze, könne es zu keinen überschneidenden Pflichten mehr gekommen sein. Die Klägerin sei über die Behandlung und die Gefahr von Infektionen und Wundheilungsstörungen aufgeklärt worden. Nach der sectio am 26.05.2023 sei sie täglich visitiert worden. Postoperativ sei eine Schmerztherapie durchgeführt worden. Laut Pflegebericht habe die Klägerin nach der Äußerung von Schmerzen Analgetika bekommen. Sie habe zum Teil Schmerzmedikamente trotz Schmerzen abgelehnt. Bei der Entlassung am 31.05.2023 sei ein unauffälliger Wund- und Bauchbefund dokumentiert worden. Die Behandlung samt der Nachbehandlung im Sanatorium ** als auch die Aufklärung seien lege artis erfolgt. Danach habe keine weitere Behandlung in ihrem Belegspital stattgefunden.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Klage ab. Es traf neben den eingangs zusammengefasst – soweit bekämpft in Kursivschrift – wiedergegebenen die in den Urteilsseiten 4 bis 8 enthaltenen Feststellungen, auf die das Berufungsgericht verweist.
Rechtlich folgerte es daraus, der Erstbeklagten und den Ärzten der Zweitbeklagten sei kein Behandlungsfehler vorzuwerfen, weil sie die Behandlung sowie Nachbehandlung der Klägerin lege artis durchgeführt haben, ihr Handeln dem Leistungsstandard der Berufsgruppe entspricht und ein verantwortungsbewusster, gewissenhafter Durchschnittsarzt ebengleich gehandelt hätte. Das Auftreten des Bauchdeckenabszesses war eine typische Komplikation und schicksalshaft. Da die Klägerin nach ihrer Entlassung aus dem Sanatorium bei der Erstbeklagten weder zur Entfernung der Steristrips etwa 10 Tage nach der Sectio noch zur Kontrolle ihrer angeblichen Beschwerden in Behandlung war, könne auch keine fehlerhafte Nachbehandlung vorliegen. Vielmehr wäre es an der Klägerin selbst gelegen, allenfalls früher die Ordination der Erstbeklagten oder das LKH ** aufzusuchen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die aus den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen Tatsachenfeststellung erhobene Berufung der Klägerin mit dem auf Klagestattgebung gerichteten Abänderungsantrag. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.
Die Beklagten beantragen in ihrer Berufungsbeantwortung , der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung , über die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden konnte, ist nicht berechtigt .
A) Zur Mangelrüge
1. Als Mangelhaftigkeit des Verfahrens rügt die Klägerin, dass das Erstgericht ihrem Antrag auf Beiziehung eines Sachverständigen für Bakteriologie zum Zweck der Verbreiterung der Beweisgrundlage nicht nachgekommen ist. Diesen hat sie in der Tagsatzung vom 15.05.2025 zum Beweis dafür beantragt, dass der Keim Prevotella denticola gegenüber einem „normalen Keim“ eine „spezielle Inkubationszeit“ aufweise, die Infektion bzw der aufgetretene Abszess im direkten Zusammenhang mit dem Kaiserschnitt stehe, und der Keim bzw der Abszess aufgrund seiner speziellen Inkubationszeit von den Beklagten deutlich früher hätte erkannt werden können, wodurch ihr Heilungsprozess deutlich verkürzt worden wäre.
1.1. Weder die nicht konkret behauptete Inkubationszeit des bei der Klägerin festgestellten Keims noch sein allfälliger Zusammenhang mit dem Kaiserschnitt sind entscheidungswesentliche Tatsachen, weil sich daraus rechtlich kein für die Klägerin günstigeres Prozessergebnis ableiten lässt. Für die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zunächst zu klären, ob der Erstbeklagten oder den Ärzten der Zweitbeklagten die behaupteten Behandlungsfehler unterlaufen sind.
1.2. Für die Klärung der Frage, ob der Keim bzw der Abszess von den behandelnden Ärzten bei allenfalls gebotenen Untersuchungen deutlich früher hätte erkannt werden können, hat das Erstgericht den gynäkologischen Sachverständigen Univ. Prof. Dr. E* beigezogen. Dessen Gutachten hat es seinen – im Rahmen der Tatsachenrüge unbekämpft gebliebenen – Feststellungen zugrunde gelegt. Aus diesen ergibt sich, dass die Sectio sowie die Behandlung der Klägerin während ihres stationären Aufenthalts im Sanatorium lege artis erfolgten, der in der Tiefe der Bauchdecke gelegene Abszess erst spät an der Oberfläche der Haut bemerkbar war und sich im Zeitraum der Betreuung der Klägerin im Wochenbett kein Hinweis auf die verspätet einsetzende, erst nach der Entlassung der Klägerin symptomatisch gewordene Wundinfektion ergab.
1.3. Ob ein eingeholtes Sachverständigengutachten die vom Erstgericht getroffenen (hier: medizinischen) Feststellungen rechtfertigt oder ob ein bereits vorliegendes Gutachten ergänzt oder ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt werden soll, sind Fragen der Beweiswürdigung (RS0043320). Die unterlassene Einholung eines weiteren Gutachtens kann demnach nicht unter dem Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend gemacht werden.
2. Als weiteren Verfahrensmangel macht die Klägerin geltend, dass das Erstgericht die von ihr in der Tagsatzung vom 15.05.2025 beantragte Zeugin F* (Anm: Ordinationsgehilfin der Erstbeklagten) nicht einvernommen hat. Die Zeugin führt sie zum Beweis, dass der Zeuge G* (Anm: der Ehegatte der Klägerin) am 07.06.2023 neben starken Schmerzen auch von einer mittlerweile aufgetretenen Atemnot der Klägerin berichtet habe. Dies hätte bei gehöriger Sorgfalt zum Gebot für die Erstbeklagte geführt, den Ratschlag zu erteilen, sofort ärztliche Hilfe aufzusuchen anstatt Schmerzmittel zu verschreiben. Ihr Heilungsverlauf hätte dadurch deutlich verkürzt werden können.
2.1. Das Erstgericht hat in Bezug auf das Telefonat des Gatten der Klägerin mit der Ordinationsgehilfin der Erstbeklagten am Mittwoch, den 07.06.2023, die unbekämpft gebliebene Feststellung getroffen, dass er angab, dass die Klägerin unter Schmerzen leidet. Dazu, ob er im Zuge dieses Telefonats weitere Angaben zu ihrem Gesundheitszustand wie Atemnot und Schlafproblemen machte, traf es eine von der Klägerin im Rahmen der Tatsachenrüge bekämpfte Negativfeststellung.
2.2. Die Zurückweisung des Beweisantrags begründete das Erstgericht damit, dass dieses Beweisthema aufgrund der Aussage der Erstbeklagten hinreichend geklärt wurde, weshalb von der Einvernahme der Zeugin F* Abstand zu nehmen gewesen sei. Bei dieser Begründung handelt es sich um eine vorgreifende Beweiswürdigung, weil das Erstgericht meint, dass der beantragte Zeugenbeweis am festgestellten (bekämpften) Sachverhalt nichts ändern könnte (RS0043099; RS0043308).
2.3. Einen Verfahrensmangel kann die unterlassene Einvernahme der Zeugin F* allerdings nur dann darstellen, wenn die damit unter Beweis zu stellen versuchte Tatsache (hier: Angabe von starken Schmerzen und Atembeschwerden) für die rechtliche Beurteilung relevant ist. Das ist dann der Fall, wenn die Feststellung der zu beweisen versuchten Tatsache das Prozessergebnis zu Gunsten der Klägerin rechtlich ändern würde.
2.4. Ärztliche Aufklärungs- und Belehrungspflichten bestehen nicht nur dann, wenn die Einwilligung des Patienten zur Durchführung einer ärztlichen Heilbehandlung erreicht werden soll, sondern auch dann, wenn dem Patienten eine sachgerechte Entscheidung zu ermöglichen ist, ob er eine (weitere) ärztliche Behandlung unterlassen kann. Wenn der Arzt erkennt, dass bestimmte ärztliche Maßnahmen erforderlich sind, dann hat er den Patienten auf deren Notwendigkeit und die Risken ihrer Unterlassung hinzuweisen (RS0026578; RS0026413 [T5]).
Aus den übrigen unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichts ergibt sich, dass Atembeschwerden – neben Schmerzen im Bauchinneren – zwar eher seltene Symptome bei einem Abszess sind. Atembeschwerden haben im Fall der Klägerin aber eher nicht auf die später gefundene Abszessbildung hingewiesen. Zudem stellte das Erstgericht disloziert in seiner Beweiswürdigung (US 9) unbekämpft fest, dass die Erstbeklagte aufgrund der vom Zeugen G* angeblich geschilderten Krankheitssymptome ohne weiterführende Untersuchung nicht vom Vorliegen eines Bauchdeckenabszesses ausgehen musste. Demnach konnte die Erstbeklagte die Erforderlichkeit einer weiteren Untersuchung der Klägerin wegen eines Verdachts auf eine Abzessbildung nicht erkennen, auch wenn der Ehegatte der Klägerin der Ordinationsgehilfin der Erstbeklagten – dem Beweisthema des Zeugenbeweises entsprechend – mitgeteilt haben sollte, dass die Klägerin nicht nur unter (starken) Schmerzen, sondern auch unter Atemnot leide (vgl ON 38.5, PS 17). Daraus folgt, dass selbst die mit der Einvernahme der Zeugin angestrebte Feststellung der Darstellung einer Atemnot am 07.06.2023 kein für die Klägerin günstigeres Prozessergebnis zur Folge hätte. Abgesehen davon wurde der Ehegatte der Klägerin beim Telefonat mit der Ordinationsgehilfin der Erstbeklagten am 07.06.2023 darauf hingewiesen, dass die Klägerin bei starken Schmerzen jederzeit ins LKH ** oder am nächsten Werktag in die Ordination kommen könne. Die darauf basierende rechtliche Beurteilung des Erstgerichts, dass eine fehlerhafte Nachbehandlung der Klägerin nicht vorliegen könne, weil sie nach ihrer Entlassung bei der Erstbeklagten nicht mehr in Behandlung war und es an ihr selbst gelegen wäre, allenfalls früher die Ordination der Erstbeklagten oder das LKH ** aufzusuchen, bekämpft sie in der Berufung nicht.
3. Zusammengefasst liegen die behaupteten Verfahrensmängel nicht vor.
B) Zur Tatsachenrüge
1. Statt der bekämpften Feststellungen [F1] bis [F4] begehrt die Klägerin nachstehende Ersatzfeststellungen:
„Am Mittwoch, den 07.06.2023, nahm der Gatte der Klägerin mit der Ordination der Erstbeklagen telefonisch Kontakt auf und gab gegenüber der Ordinationsgehilfin an, dass die Klägerin unter Schmerzen leidet. [EF1] Nach mutmaßlicher Rücksprache mit der Erstbeklagten rief die Ordinationsgehilfin den Gatten der Klägerin am Nachmittag desselben Tages zurück, teilte ihm mit, dass die Klägerin bei starken Schmerzen ein Schmerzmedikament einnehmen soll und übermittelte ihm per E-Mail ein Rezept für Voltaren. [EF2] Die Ordinationsgehilfin teilte nicht mit, dass die Klägerin bei starken Schmerzen jederzeit ins LKH ** oder am Freitag - am Donnerstag war Feiertag und die Ordination geschlossen - in die Ordination zu Dr. D* kommen könne, obwohl der Gatte der Klägerin im Zuge des ersten Telefonats über Schmerzen, Atemnot und Schlafprobleme der Klägerin klagte. [EF3/4] “
2. Die Feststellung [F1] wird in Wahrheit nicht bekämpft, weil die Klägerin eine idente Ersatzfeststellung [EF1] anstrebt. Die Feststellung [F2] wird bei Vergleich mit der begehrten Ersatzfeststellung [EF2] nur in einem unwesentlichen Detail bekämpft, das keinen Einfluss auf die rechtliche Beurteilung hat.
3. Das Erstgericht hat die bekämpften positiven und negativen Feststellungen [F3 und F4] nachvollziehbar begründet (US 9 f). Zusammengefasst beurteilte es mit näherer Begründung die Aussagen der Klägerin und des Zeugen G* als nicht überzeugend, weil in auffallendem Widerspruch zur Dokumentation in der Krankengeschichte stehend. Es wies darauf hin, schenkte man den Behauptungen der Klägerin Glauben, hätten alle beteiligten Ärzte und das Pflegepersonal falsche Einträge in ihre Krankengeschichte vorgenommen, die Zeugen unter Wahrheitspflicht falsch ausgesagt und wäre auch die Krankengeschichte des LKH ** unrichtig. Es sei davon auszugehen, dass die Dokumentation den Krankheits- und Behandlungsverlauf der Klägerin richtig wiedergebe. Im Gegensatz dazu sei der Aussage der Erstbeklagten zum Telefonat am 07.06.2023 in Verbindung mit dem Eintrag in der Patientenkartei (Beilage ./2) aufgrund ihres glaubwürdigen Eindrucks zu folgen, auch wenn sie es nicht persönlich geführt habe. Die dagegen erhobene Kritik der Klägerin vermag eine unrichtige Beweiswürdigung des Erstgerichts aus folgenden Erwägungen nicht aufzuzeigen:
3.1. Gegenstand der Tatsachenrüge ist, dass die Unrichtigkeit der erstrichterlichen Würdigung der vorhandenen Beweise aufgezeigt wird. Auf die Zurückweisung eines Beweisantrags (und damit auf einen nicht aufgenommenen Beweis zum Nachweis einer bestimmten Tatsache) kann die Tatsachenrüge hier nicht gestützt werden.
3.2. Die Klägerin meint, ihre wiedergegebene Aussage und jene ihres Ehegatten, des Zeugen G*, sprächen gegen die bekämpfte Feststellung. Mit dem damit ins Treffen geführten Umstand, dass nach einzelnen Beweisergebnissen auch andere, für die Klägerin günstigere Feststellungen möglich gewesen wären, wird keine Unrichtigkeit der erstrichterlichen Beweiswürdigung dargestellt. Die Tatsachenrüge kann nur erfolgreich sein, wenn ein Berufungswerber im Rahmen einer Auseinandersetzung mit sämtlichen Beweisergebnissen aufzeigt, dass und warum das Erstgericht bei richtiger Beweiswürdigung gerade die begehrte Feststellung (und nicht etwa aufgrund anderer vorliegender Beweismittel andere Feststellungen) hätte treffen müssen (6 Ob 177/21d = RS0041835 [T7]), sodass beim Berufungsgericht Bedenken erweckt werden. Wenn die Klägerin ergänzend behauptet, das Erstgericht habe an ihrer Glaubwürdigkeit und jener des Zeugen G* (an der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen) keine Zweifel gehegt, widerspricht dies den Akten. Das Erstgericht hat mit Beispielen begründet dargelegt, weshalb es die Aussagen der Klägerin und des Zeugen G* nicht überzeugend, als dem Prozessstandpunkt geschuldet und mit der vorliegenden Dokumentation in auffallendem Widerspruch stehend beurteilte. Gegen die Richtigkeit und Nachvollziehbarkeit dieser erstrichterlichen Glaubwürdigkeits- und Glaubhaftigkeitsbeurteilung argumentiert sie nicht.
3.3. Ein stichhaltiges Argument, weshalb das Erstgericht der Aussage der Erstbeklagten und ihrem für unbedenklich und richtig erachteten Eintrag in der Krankengeschichte zum Telefonat am 07.06.2023 (Beilage ./2) nicht hätte folgen dürfen, bringt die Klägerin nicht. Mit der Beweiswürdigung des Erstgerichts im Einklang steht im Übrigen das in den Akten dokumentierte Prozessvorbringen der Klägerin. Die Klägerin behauptete am Beginn des Verfahrens – insbesondere vor Vorliegen des Sachverständigengutachtens (ON 21) – gar nicht, ihr Ehegatte habe beim Telefonat am 07.06.2023 neben Schmerzen auch weitere Symptome der Klägerin wie Atemnot erwähnt (vgl ON 1; ON 12.2, PS 2 f). In der Klage behauptete sie nur, ihr Ehegatte habe der Erstbeklagten beim Telefonat von (Anm: nach ihrem Vorbringen seit der Sectio) „anhaltenden Schmerzen“ und einem „unverändert schlechten Zustand“ erzählt. Erst im Antrag auf Erörterung des Sachverständigengutachtens vom 15.11.2024 (ON 27) richtete sie – ohne entsprechende Tatsachenbehauptung – die erkundende Frage an den Sachverständigen Univ. Prof. Dr. E*, ob Beschwerden wie Atembeschwerden, Schlaflosigkeit, starke Schmerzen im „Bauchinneren“ und Schwierigkeiten sich zu bewegen, typische Symptome eines Abszesses sein können. Die Behauptung, ihr Ehegatte habe beim Telefonat am 07.06.2023 auch von einer Atemnot berichtet, stellte sie erst nach der Gutachtenserörterung und der Aufnahme der Beweise unmittelbar vor Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tagsatzung am 15.05.2025 (ON 38.5, PS 24) im oben genannten Beweisantrag auf Einvernahme der Zeugin F* auf.
Gegen die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Klägerin und des Zeugen G* und für die Richtig- bzw Vollständigkeit der Dokumentation der Erstbeklagten am 07.06.2023 in Beilage ./2 spricht ferner, dass die Klägerin – nach ihrer Aussage – im LKH ** von ihrer Atemnot berichtet habe. Jedoch wurde in der Krankengeschichte des LKH ** (Beilage ./A, Seite 42) am 11.06.2023 dokumentiert, dass die Klägerin die Frage nach Atembeschwerden verneint habe („Atembeschwerden zu Hause nein, Krankenhaus nein“), obwohl sie diese seit dem Tag, an dem ihr Ehegatte in der Ordination der Erstbeklagten angerufen hat, seit fünf bis sechs Tagen gehabt haben will.
3.4. Die bekämpften Feststellungen sind von der Aussage der Erstbeklagten und der Beilage ./2 gedeckt. Da die Berufung mit dem bloßen Hinweis auf davon abweichende Aussagen der – vom Erstgericht begründet nicht überzeugend gefundenen – Klägerin und des Zeugen G* keine Bedenken an der Würdigung der Beweise hervorrufen kann, kann der Tatsachenrüge kein Erfolg beschieden sein.
4. Im Ergebnis ist der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt zu übernehmen (§ 498 Abs 1 ZPO).
Da die Klägerin keine Rechtsrüge ausführt, hat eine Überprüfung der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts zu unterbleiben.
5. Der Berufung muss aus den genannten Gründen ein Erfolg versagt bleiben.
Zufolge des vom Erstgericht gemäß § 52 Abs 1 und Abs 2 ZPO ausgesprochenen Kostenvorbehalts bis zur rechtskräftigen Erledigung der Streitsache war im Berufungsverfahren keine Kostenentscheidung zu treffen. Das Erstgericht hat nach Rechtskraft der streiterledigenden Entscheidung gemäß § 52 Abs 3 ZPO über die Verpflichtung zum Kostenersatz für das gesamte Verfahren aller Instanzen mit Beschluss zu entscheiden ( Fucik in Rechberger/Klicka , ZPO 5 § 52 ZPO Rz 2; M. Bydlinski in Fasching/Konecny , ZPO 3 II/1 § 52 ZPO Rz 13; Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 1.68; jüngst 3 Ob 63/24x; 4 Ob 102/23p; 8 Ob 64/23d; vgl auch RS0129336).
Der aus einem Leistungsbegehren von EUR 15.200,00 und einem Feststellungsbegehren bestehende Entscheidungsgegenstand im Berufungsverfahren macht gemäß § 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO eine Bewertung notwendig. Der Berufungssenat sieht sich nach der Aktenlage nicht dazu veranlasst, von der in erster Instanz vorgenommenen Bewertung des Feststellungsbegehrens in der Klage (mit EUR 1.000,00) abzugehen. Es war daher auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt EUR 5.000,00, nicht aber EUR 30.000,00 übersteigt.
Der Ausspruch über die (Nicht-)Zulässigkeit der ordentlichen Revision beruht darauf, dass keine Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu beantworten waren.
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