Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richterin Mag a . Berzkovics (Vorsitz) sowie die Richter Mag. Petzner, Bakk. und Mag. Obmann, LL.M. in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 2 StGB über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 11. Juni 2025, GZ **-17, und seine Beschwerde gegen den gleichzeitig gefassten Beschluss gemäß § 494a StPO nach öffentlicher Verhandlung am 22. Oktober 2025 in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag a . Dexer, des Angeklagten A* und seines Verteidigers Rechtsanwalt Mag. Bauer
1. zu Recht erkannt:
Auf die Berufung wegen Nichtigkeit wird keine Rücksicht genommen.
Der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld wird nicht Folge gegeben.
Hingegen wird der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe dahin Folge gegeben, dass die Freiheitsstrafe auf zehn Monate herabgesetzt wird.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
2. den Beschluss gefasst:
Für eine Änderung des Beschlusses auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht besteht kein Anlass.
Mit seiner Beschwerde wird der Angeklagte darauf verwiesen.
gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene Angeklagte A* des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 2 StGB schuldig erkannt und hiefür nach dem ersten Strafsatz des § 269 Abs 1 StGB in Anwendung des § 39 Abs 1 StGB zur Freiheitsstrafe von vierzehn Monaten verurteilt sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Verfahrenskosten verpflichtet.
Mit dem gleichzeitig gefassten Beschluss wurde gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO die bedingte Strafnachsicht zu AZ ** des Bezirksgerichts Salzburg (Freiheitsstrafe von einem Monat) widerrufen.
Dem Schuldspruch zufolge hat der Angeklagte am 13. Februar 2025 in ** die Justizwachebeamtin RI B* durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Vermögen „des Staates“ zu einer Amtshandlung, nämlich zu seiner Verlegung in einen anderen Haftraum, zu nötigen versucht, indem er ihr gegenüber äußerte, er werde „den gesamten Haftraum zerschlagen“, wenn er nicht verlegt werde.
Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig (im Zweifel mit umfassenden Anfechtungswillen; RIS-Justiz RS0099951 [T3]) angemeldete Berufung des Angeklagten (ON 18), die nicht zur Ausführung gelangte. Die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe impliziert nach § 498 Abs 3 StPO die Beschwerde gegen den Beschluss auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht.
Die Berufung ist nur teilweise erfolgreich.
Auf die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit ist gemäß §§ 489 Abs 1, 467 Abs 2 StPO keine Rücksicht zu nehmen, weil er bei der Anmeldung der Berufung nicht ausdrücklich erklärte, welche Nichtigkeitsgründe er geltend machen will und die Berufung nicht ausführte. Amtswegig wahrzunehmende Nichtigkeit haftet dem Urteil nicht an.
Die (nicht ausgeführte) Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Schuld ist nicht erfolgreich, weil gegen die Richtigkeit der im Urteil erster Instanz enthaltenen Feststellungen keine Bedenken bestehen. Der Erstrichter nahm auf Basis der vorliegenden Beweisergebnisse eine sehr ausführliche und für das Rechtsmittelgericht gut nachvollziehbare Abwägung vor, die gemessen am Akteninhalt mit den Denkgesetzen der Logik im Einklang steht und unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Lebenserfahrung überzeugend ist. Entgegen der im Kern leugnenden Einlassung des Angeklagten (ON 6.5 und ON 16.2, 2ff), der lediglich zugestand, den Wunsch der Verlegung in einen anderen Haftraum nachdrücklich geäußert zu haben (ON 6.5, 4), stützte er die Sachverhaltsannahmen zum objektiven Tatgeschehen in nicht zu beanstandender Weise auf die Angaben der Zeuginnen RI B* (ON 6.8 und ON 16.2, 4f) und RI C* (ON 6.9 und ON 16.2, 5 f), deren Schilderungen er aufgrund des von ihnen gewonnenen persönlichen Eindrucks (vgl RIS-Justiz RS0098413 und RS0106588) für überzeugend hielt, die zulässigerweise (ON 16.2, 7f; § 252 Abs 1 Z 4 StPO) verlesenen Angaben des AI D* im Ermittlungsverfahren (ON 6.6) sowie die schriftliche Meldung der RI B* über die Geschehnisse (ON 6.13). Auch unter Berücksichtigung des vom Erstgericht gewonnenen persönlichen Eindrucks vom Angeklagten ist die Wertung der Angaben des Angeklagten als Schutzbehauptung nicht zu kritisieren, zumal sich aus den Akten keine Hinweise darauf ergeben, dass die Zeugen den Angeklagten wahrheitswidrig belastet hätten.
Mit Blick auf das Verhalten des Angeklagten, der im Vorfeld der Äußerung mit einer derartigen Vehemenz mehrfach gegen die Haftraumtüre schlug, dass er Prellungen an beiden Handgelenken erlitt und ambulant in einem Krankenhaus behandelt werden musste (ON 6.5, 5f), und den Wortlaut der inkriminierten Äußerung sind die Feststellungen zu deren Bedeutungsgehalt nicht zu kritisieren.
Auch die Feststellungen zur subjektiven Tatseite sind trotz der leugnenden Angaben des Angeklagten nicht zu beanstanden, sondern sind diese vielmehr zwingender Schluss aus dem Tatgeschehen und – wie hier – bei leugnenden Angeklagten in der Regel methodisch gar nicht zu ersetzen und rechtsstaatlich vertretbar (RIS-Justiz RS0116882 und RS0098671; Ratz in WK-StPO § 281 Rz 452).
Das Rechtsmittelgericht hegt somit im Rahmen der bei der Prüfung der Beweiswürdigung anzustellenden Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der erstrichterlichen Lösung der Schuldfrage.
Erfolg hat hingegen die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe.
Fallbezogen reicht die Strafbefugnis nach dem ersten Strafsatz des § 269 Abs 1 StGB in Anwendung des § 39 Abs 1 und Abs 1a StGB (Pos 04 und Pos 05 in ON 9; jeweils beeinträchtigtes Rechtsgut – wie hier – [auch] Willensfreiheit) bis zu viereinhalb Jahren Freiheitsstrafe.
Erschwerend ist, dass der Angeklagte schon zweimal wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Tat verurteilt worden ist (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB). Schuldaggravierend (§ 32 Abs 3 StGB) sind die Tatbegehung während mehrerer Probezeiten und während des Strafvollzugs sowie das Vorliegen der Rückfallsvoraussetzungen sowohl nach Abs 1 als auch nach Abs 1a des § 39 StGB.
Mildernd ist, dass es beim Versuch geblieben ist (§ 34 Abs 1 Z 13 StGB). Im Rahmen der allgemeinen Strafzumessung ist die psychische Belastung des Angeklagten durch den äußerst verhaltensauffälligen Mitinsassen zu Gunsten des Angeklagten ins Kalkül zu ziehen.
Bei diesem Strafzumessungssachverhalt erweist sich die vom Erstgericht ausgemessene Sanktion als etwas überhöht und solcherart als korrekturbedürftig. Ausgehend von den genannten Strafzumessungsgründen (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) ist auf Grundlage der Schuld des Angeklagten (§ 32 Abs 1 StGB) die Verhängung einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten tat- und schuldangemessen.
Der Anwendbarkeit des § 43 Abs 1 StGB oder des § 43a Abs 3 StGB stehen das belastete Vorleben des Angeklagten sowie die Tatbegehung während des Strafvollzugs und in mehreren Probezeiten entgegen.
Zufolge Verhängung der Untersuchungshaft nach dem Urteil in erster Instanz wird das Erstgericht über die Anrechnung der Vorhaft (§ 38 Abs 1 Z 1 StGB) gemäß § 400 Abs 1 StPO zu entscheiden haben.
Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.
Die Abänderung des Strafausspruchs bedingt den Wegfall des vom Erstgericht gefassten Beschlusses gemäß § 494a StPO, weshalb das Berufungsgericht über den Widerruf der bedingten Strafnachsicht neu zu entscheiden hat ( Jerabek/Ropper in WK StPO § 498 Rz 8).
Fallbezogen beging der Angeklagte die in Rede stehende Tat in der (bereits auf fünf Jahre verlängerten) Probezeit zu AZ ** des Bezirksgerichts Salzburg. Unter Bedachtnahme auf das mehrfach einschlägig belastete Vorleben, die wiederholte Delinquenz in bereits verlängerten Probezeiten, die Wirkungslosigkeit des Vollzugs mehrerer zum Teil auch langjähriger Haftstrafen trotz der Anordnung von Bewährungshilfe und einer bedingten Entlassung sowie die Tatbegehung während des Strafvollzugs ist zusätzlich zu der nun verhängten Freiheitsstrafe auch der Widerruf der bedingten Strafnachsicht zu AZ ** des Bezirksgerichts Salzburg notwendig, um den Angeklagten in Zukunft von strafbaren Handlungen abzuhalten. Solcherart besteht kein Bedarf, den Beschluss nach § 494a StPO abzuändern und ist der Angeklagte mit seiner Beschwerde darauf zu verweisen. Mit Blick auf die zutreffend unterbliebene (inhaltliche) Entscheidung des Erstgerichts über den Widerruf der bedingten Strafnachsichten zu AZ ** und AZ ** sowie der bedingten Entlassung zu AZ ** je des Landesgerichts Salzburg wird das Erstgericht nach § 495 Abs 1 StPO die zuständigen Gerichte von der Verurteilung zu verständigen haben, damit diese eine Widerrufsentscheidung treffen können.
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