Das Oberlandesgericht Graz hat als Berufungsgericht durch den Richter Mag. Tanczos (Vorsitz) und die Richterinnen Dr. in Steindl-Neumayr und Mag. a Binder in der Rechtssache der klagenden Partei A*, geboren am **, Bürogehilfin, **, vertreten durch Prutsch-Lang Damitner Rechtsanwälte OG in Graz, gegen die beklagte Partei Dr. B*, geboren am **, Arzt, **, vertreten durch Dr. Edwin Mächler, Rechtsanwalt in Graz, wegen EUR 25.000,--s.A. und Feststellung (EUR 5.100,--) über die Berufung der klagenden Partei (Berufungsinteresse EUR 30.100,--) gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 7. August 2025, **-33, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 3.138,12 (darin enthalten EUR 523,02 USt.) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000,--.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Der Beklagte ist seit 1990 Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe und seit 1998 als Kassenarzt tätig. Der Beklagte verfügt über das Zertifikat ÖGUM Stufe 1. Er besuchte zusätzlich zwar auch die Kurse für ÖGUM Stufe 2 und 3, verfügt aber nicht über dieses Zertifikat. Bei den von den Kassenärzten (wie dem Beklagten) durchzuführenden Ultraschalluntersuchungen handelt es sich um kein erweitertes Organscreening der ÖGUM Stufe 2 oder 3.
Die Klägerin wurde nach der Geburt ihres ersten Kindes am ** im Jahr 2023 erneut schwanger. Anlässlich ihrer zweiten Schwangerschaft konsultierte sie zur geburtshilflichen Betreuung den ihr bis dahin unbekannten Beklagten.
Die Klägerin suchte den Beklagten in seiner Ordination erstmals am 3. Mai 2023 auf. Bei diesem Ersttermin führte der Beklagte eine Ultraschalluntersuchung durch, welche unauffällig war, und bestätigte das Vorliegen der Schwangerschaft.
Das nächste Mal suchte die Klägerin den Beklagten wegen Unwohlsein am 5. Mai 2023 auf, dies aufgrund einer infektionsbedingten Entzündung der Vaginalmukosa.
Am 24. Mai 2023 erfolgte ohne ärztliche Untersuchung die Ausstellung der Schwangerenkartei durch die Assistentin des Beklagten.
Am 1. Juni 2023 führte der Beklagte bei der Klägerin die 1. Mutter-Kind-Pass Untersuchung durch. Der Beklagte stellte bei der Ultraschalluntersuchung, im Rahmen derer er routinemäßig auch eine Nackenfalten- und Nasenbeinmessung mitmachte, eine Schädelsteißlänge von 4,5 cm mit unauffälligen embryonalen Strukturen fest. Der Geburtstermin wurde mit 23. Dezember 2023 festgelegt. Medizinisch lagen zu diesem Termin keine Auffälligkeiten vor.
In weiterer Folge suchte die Klägerin den Beklagten wieder am 19. Juni 2023 auf. Bei dieser kurzen Untersuchung stellte der Beklagte einen Blutdruck 90/60 fest und vermerkte "Kreislauf instabil".
Die letzte vom Beklagten durchgeführte Untersuchung der Klägerin erfolgte am 17. Juli 2023. Es handelte sich um die 2. Mutter-Kind-Pass Untersuchung. Die Klägerin befand sich zu diesem Termin am Anfang der 18. SSW (Schwangerschaftswoche). Die Untersuchung erfolgte zeitgerecht, aber sehr früh innerhalb des im Mutter-Kind-Pass vorgesehenen Intervalls. Die Vermessung des Kindes konnte im Rahmen des Ultraschalls vom Beklagten problemlos durchgeführt werden. Er stellte eine Schädellage und ein Gewicht des Embryos von 180 g fest. Die Plazenta war unauffällig.
Trotz der lege artis erfolgten Ultraschalluntersuchung waren aufgrund der Lage des Kindes feine Organstrukturen des Kleinhirns (Cerebellum) und der Seitenventrikel (= flüssigkeitsgefüllte Ventrikel im Gehirn) damals nicht klar darstellbar. Der Beklagte kam deshalb richtigerweise zum Schluss, dass aufgrund der mangelnden Darstellungen sich entwickelnde Fehlbildungen, möglicherweise das Gehirn und die zerebralen Gesichtsfeldregionen betreffend, nicht auszuschließen waren, was er auch in seiner Dokumentation vermerkte.
Aus diesem Grund empfahl der Beklagte, der damals auch den Verdacht hegte, dass die Klägerin mit ihrem Ehemann blutsverwandt sein könnte, der Klägerin und ihrem anwesenden Ehegatten eine Sonographie-Kontrolle in zehn Tagen, um zu schauen, ob das Kleinhirn bei diesem Termin aufgrund der Lage des Kindes besser darstellbar sein wird. Er erklärte den beiden auch, dass sie statt der Kontrolluntersuchung sogleich ein erweitertes Organscreening der ÖGUM Stufe 2 oder 3 privat durchführen lassen könnten, oder aber – als weitere Option –, wenn im Rahmen seiner Sonographie-Kontrolle in zehn Tagen wiederum ein unklarer Befund vorliegen sollte, dass diesfalls die Klägerin im Anschluss daran auf der Universitätsklinik ein erweitertes Organscreenings der ÖGUM Stufe 2 oder 3 durchführen lassen sollte. Diese Empfehlungen sprach der Beklagte gegenüber der Klägerin und ihrem Ehegatten am Ende der Untersuchung aus. [F1]
Die Klägerin und ihr Ehegatte gaben dem Beklagten keine konkrete Antwort darauf, welche Empfehlung bzw Option sie in Anspruch nehmen werden. Für die Klägerin stand damals die Frage „im Fokus“, ob sie den Flug nach Ägypten antreten kann. Dagegen sprachen keine medizinischen Gründe, was der Beklagte der Klägerin auch in dieser Form mitteilte. Der Beklagte wies die Klägerin an diesem Tag nicht zu einem erweiterten Organscreening der ÖGUM Stufe 2 oder 3 zu. Die Klägerin war im Rahmen der im Mutter-Kind-Pass vorgesehenen Intervalle ohnedies für den 11. September 2023, 9.00 Uhr, beim Beklagten wiederbestellt.
Der Beklagte hielt zum Termin 17. Juli 2023 in seiner doppelt geführten Dokumentation folgende Einträge fest:
- in seiner handschriftlichen Patientenkartei: „SW 18, MKP 2, 180 g, Schädellage; Organscreening: Stufe I? Gehirn, Cerebellum schlecht darstellbar, Seitenventrikel und Kleinhirnüberprüfung, Diät Cerebellum. Sonokontrolle II und III empf., Ehemann verwandt?!“
- im Patientenblatt: „MPK 2, SW 18, für 1 Mo Urlaub in Ägypten, Grav.v.a.Fehlbildung, Organscreening Stufe I unauff., Aufklärung bzgl. höherwertigem Organcreening, dies der Patientin und dem Ehemann erklärt und empfohlen“
- im Mutter-Kind-Pass der Klägerin auf dortiger Seite 15, ganz oben und in der Zeile 4 zum 17. Juli letzte Spalte unter Auffälligkeiten, Verordnungen, Sonstiges: „Organscreening“.
Die gynäkologische Betreuung, im Besonderen die sonografischen und diagnostischen Untersuchungen der Klägerin durch den Beklagten, erfolgten lege artis. Der Beklagte hätte, dem aktuell anerkannten Stand der Kenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechend, weder am 17. Juli 2023 noch zeitlich zuvor bei der Klägerin Fehlbildungen, welche ein Überleben des Kindes nicht ermöglichten, nämlich das Dandy-Walker und/oder Meckel-Gruber-Syndrom, erkennen können. Es liegt keine „Unterschreitung einer Sorgfaltspflicht“ vor. Am 17. Juli 2023 lagen für den Beklagten lediglich „Softmarker“, also bloß subtile Anzeichen, die per se noch nicht für eine entsprechende Diagnose sprechen, vor, hingegen keine Auffälligkeiten, die bereits auf Fehlbildungen des Kindes hingewiesen hätten und auch keine Verdachtsdiagnose, welche auf das Vorliegen pathologischer Fehlbindungen des Kleinhirns sowie Seitenventrikel hingewiesen hätte. Es bestand am 17. Juli 2023 auch keine medizinische Indikation für eine unverzügliche Zuweisung zu einem erweiterten Organscreening der ÖGUM Stufe 2 oder 3. Die vom Beklagten ausgesprochenen Empfehlungen, insbesondere eine Wiedervorstellung zur Kontrolle, entsprachen dem aktuell anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft. Ein pflichtgetreuer Kassengynäkologe hätte in der konkreten Situation und unter Anwendung der üblichen Sorgfalt eines ordentlichen, pflichtgetreuen Durchschnittsarztes die Klägerin nur im Rahmen der üblichen Routinekontrolle laut Mutter- Kind-Pass wieder bestellt, um sich die „Softmarker“ in weiteren Untersuchungen näher anzuschauen und zu kontrollieren. In der vom Beklagten zum Zweck der Verrechnung mit der Krankenkasse erfolgten Dokumentation ist kein Verdacht einer Fehlbildung vermerkt, welche das Kind nicht überlebensfähig machen würde.
Die Klägerin und ihr bei sämtlichen Terminen beim Beklagten anwesender Ehemann entschlossen für sich, aufgrund ihres geplanten Ägypten-Urlaubs, den Rat des Beklagten vom 17. Juli 2023 auf ein höherwertiges Organscreening in Ägypten wahrzunehmen. [F2]
Am 26. Juli 2023 trat die Klägerin mit ihrem Ehegatten den geplanten vierwöchigen Urlaub in Ägypten an. Zwei Tage nach ihrer Ankunft in Ägypten suchte die Klägerin dort den niedergelassenen Arzt Prof. Dr. C* auf, der eine Ultraschalluntersuchung durchführte. Dieser Arzt wies die Klägerin zu einem erweiterten 4D-Screening zu, das am 1. August 2023 bei einem anderen ägyptischen Arzt, Dr. D*, stattfand. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Klägerin in der 20.SSW.
Der Ultraschallbefund aus Ägypten beschrieb eine bilaterale zystische Nierendysplasie mit kleiner Urinmenge in der Harnblase, wobei gleichzeitig nur eine geringfügig reduzierte Fruchtwassermenge (Index: 6cm) bestand. Weiters wurde ein fehlender Kleinhirnwurm (nur) beschrieben und nicht in Form von Ultraschallbildern oder -videos dokumentiert. Die festgehaltene kleinzystisch veränderte Niere bei vorhandenem Fruchtwasser kann, dem aktuell anerkannten Stand der Kenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechend, von einem eher harmlosen passageren Befund bis zum Hinweis auf gravierende Syndrome in viele Richtungen interpretiert werden. Obwohl diese Ultraschallbilder und Untersuchungsergebnisse aus Ägypten nicht geeignet waren, das Dandy-Walker und/oder Meckel-Gruber-Syndrom tatsächlich zu belegen, teilte der ägyptische Gynäkologe Prof. Dr. C* der Klägerin mit, dass derartige Mängel beim Kind vorhanden seien, sodass dieses nicht überlebensfähig sei.
Prof. Dr. C* erklärte der Klägerin, dass das Kind von selbst abgehen oder die Klägerin sich für eine Geburt entscheiden könnte. Die Klägerin entschied sich dafür, das Kind im Rahmen eines unter Vollnarkose durchzuführenden Kaiserschnitts in Ägypten zu entbinden. Sie verschob hierfür ihren geplanten Rückflug nach Österreich. Sie wollte nicht nach Österreich zurück, weil sie der Meinung war, dass das in Österreich geborene Kind weggeworfen werden würde und nicht beerdigt werden könnte. Die Klägerin wollte ihr Kind aber in Ägypten beerdigen, wo sie es besuchen kann.
Die Klägerin brachte das Kind am ** ambulant durch eine unter Vollnarkose durchgeführte Kaiserschnittentbindung in Ägypten zur Welt. Zu diesem Zeitpunkt wog das Kind nur 300 Gramm und war jedenfalls aufgrund der damit verbundenen generellen Unreife in diesem Schwangerschaftsstadium nicht überlebensfähig. Das Kind verstarb 15 Minuten nach der Geburt.
Es ist nicht feststellbar, dass das Kind am Dandy-Walker- und/oder Meckel-Gruber-Syndrom, sohin an Fehlbildungen, welche das Kind nicht überlebensfähig gemacht hätten, litt.
Bei den Syndromen Dandy-Walker und/oder Meckel-Gruber handelt es sich um schicksalshafte genetische Erkrankungen, welche im Mutterleib nicht behandelbar sind. Wenn derartige Fehlbildungen bei einem Kind im Mutterleib vorliegen, kann man daran medizinisch nichts ändern. Beide Syndrome weisen eine insgesamt hohe fetale Mortalität in der Schwangerschaft und Letalität nach der Geburt auf. Eine Kombination beider Syndrome ist äußerst selten, kommt praktisch nur bei konsanguinen (= blutsverwandten) Partnern vor und ist mit dem Leben unvereinbar. Selbst wenn – was nicht feststellbar ist – das Kind am Dandy-Walker und/oder Meckel-Gruber-Syndrom gelitten hätte, so wäre das Kind, je nach Ausprägung der Varianten, auch in Österreich verstorben. Es ist nicht feststellbar, dass die Klägerin – wenn man die Vorgehensweise, die hypothetisch in Österreich erfolgt wäre, mit jener in Ägypten vergleicht – sich physische Schmerzen erspart hätte. Für das tatsächliche „Outcome“ des Kindes und die damit einhergehenden physischen Auswirkungen auf die Kindesmutter wäre es auch vollkommen egal gewesen, wann, also zu welchem Zeitpunkt, die Syndrome zwischen der 20. SSW (frühest möglicher Zeitpunkt der Erkennbarkeit) bis zur 28. SSW erkannt worden wären.
In Ägypten sind Abtreibungen verboten. Das Neugeborene wurde in Ägypten begraben. Die Klägerin flog am 10. September 2023 zurück nach Österreich.
Die Klägerin begehrt vom Beklagten EUR 25.000,-- s.A. Schmerzengeld für den erlittenen Schock- und Trauerschaden sowie die Feststellung der Haftung des Beklagten für sämtliche künftigen nachteiligen Folgen, welche im ursächlichen Zusammenhang mit der gynäkologischen Betreuung bei der Untersuchung vom 1. Juni 2023 und/oder vom 15. Juni 2023 und/oder vom 19. Juni 2023 und/oder vom 17. Juli 2023 und dem dadurch verursachten sehr beschwerlichen Schwangerschaftsverlauf samt Kaiserschnittentbindung eines sterbenden Kindes am ** stehen. Sie bringt – hier relevant - vor, dass der Beklagte die gynäkologische Betreuung der Klägerin und die pränataldiagnostischen Untersuchungen ab dem 1. Juni 2023 nicht lege artis durchgeführt habe. Ihr Standpunkt im Prozess lässt sich wie folgt zusammenfassen: Der Beklagte hätte die Klägerin über das mögliche Vorliegen pathologischer Fehlbildungen, über den unklaren Befund des Gehirns und der zerebralen Gesichtsfeldregion und die indizierte Kontrolle in seiner Ordination in 10 Tagen aufklären und dies dokumentieren müssen. Insbesondere aufgrund der vermuteten Blutsverwandtschaft der Kindeseltern wäre es dem Beklagten möglich und zumutbar gewesen, eine Zuweisung zu einem höherwertigen Organscreening in der 20. bis 22. SSW auszustellen. In diesem Fall hätte die Klägerin die Reise nach Ägypten abgesagt und die weitere Abklärung und Behandlung in Österreich vorgenommen, was eine gesicherte Diagnose mit anschließendem lege artis vorgenommenen Schwangerschaftsabbruch ermöglicht hätte. Der Klägerin wären der weitere Schwangerschaftsverlauf mit Kaiserschnittentbindung und Miterleben des Todeskampfes ihres Kindes in Ägypten samt den damit verbundenen erheblichen körperlichen und seelischen Schmerzen erspart geblieben und es wäre nicht zu einer krankheitswertigen psychischen Alteration gekommen.
Der Beklagte beantragt die Klagsabweisung und wendet ein, dass er der Klägerin im Rahmen der Mutter-Kind-Pass-2-Untersuchung ausdrücklich die erweiterte Ultraschalluntersuchung durch einen ÖGUM-Stufe-2/3-Experten wegen möglicher Beeinträchtigungen im Gehirn-/Gesichtsbereich empfohlen habe, nachdem mangels klarer Darstellbarkeit verschiedener Strukturen auch vor dem Hintergrund der Blutsverwandtschaft zwischen den Eheleuten Fehlbildungen nicht auszuschließen gewesen seien. Solche Beeinträchtigungen (noch dazu in einem solchen frühen Stadium der Schwangerschaft) auszuschließen oder festzustellen, unterliege nicht der Zuständigkeit eines niedergelassenen Gynäkologen mit Kassenvertrag, der im Rahmen von Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen tätig werde. Die Klägerin habe das Organscreening im Rahmen ihres Aufenthalts in Ägypten vornehmen und dort ohne ausreichende Diagnose der behaupteten Fehlbildungen die (in Ägypten verbotene) Abtreibung indirekt über die Kaiserschnittgeburt durchführen lassen. Wenn bei einer pränataldiagnostischen Abklärung in ** eine schwere geistige/körperliche Schädigung des Kindes festgestellt worden wäre, wäre der Klägerin - nach dem Standpunkt des Beklagten - in Österreich ein Schwangerschaftsabbruch mit vorhergehendem Fetozid angeboten worden, wobei die Schwangerschaft genauso lange gedauert hätte wie bei tatsächlich stattgefundenen Verlauf. Durch das Dazwischentreten des Handelns der ägyptischen Ärzte seien der Kausal- und Rechtwidrigkeitszusammenhang nicht mehr gegeben.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Klage ab.
Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus traf das Erstgericht die auf den Urteilsseiten 4 bis 9 ersichtlichen Feststellungen, auf die das Berufungsgericht verweist (§ 500a Satz 1 ZPO).
In rechtlicher Hinsicht leitete das Erstgericht daraus ab, dass der Klägerin der ihr obliegende Beweis einer dem Arzt anzulastenden Pflichtverletzung und deren Kausalität für den eingetretenen Schaden nicht gelungen sei. Die Negativfeststellungen zum Vorliegen des Dandy-Walker- und/oder Meckel-Gruber-Syndroms, die nach den Klagsbehauptungen zur Kaiserschnittentbindung in Ägypten geführt hätten, gingen zu Lasten der Klägerin und hätten auch zur Konsequenz, dass die gegen den Beklagten erhobenen – auf den nicht festgestellten Fehlbildungen basierenden - Vorwürfe ins Leere gingen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin aus den Anfechtungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Tatsachenfeststellung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt (ON 34).
Der Beklagte beantragt in seiner Berufungsbeantwortung, der Berufung keine Folge zu geben (ON 35).
Die Berufung, über die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden konnte, ist nicht berechtigt.
I. Mangelhaftigkeit des Verfahrens:
1. Die Berufungswerberin rügt als Verfahrensmangel, dass das Erstgericht ihren Antrag auf Einräumung einer vierwöchigen Frist zur nochmaligen Anforderung der gesamten Krankenunterlagen samt Bildern und Videos aus Ägypten als verspätet zurückgewiesen hat. Das Erstgericht übersehe nach Ansicht der Klägerin, dass ihr eine frühere Antragstellung nicht möglich gewesen sei, weil ihr erst durch die Ausführungen des Sachverständigen in der Verhandlung vom 3. Juli 2025 klar geworden sei, dass es mehr und/oder qualitativ hochwertigeres Bild- oder Videomaterial von der Geburt und den durchgeführten Untersuchungen geben und dieses zu einer Änderung der gutachterlichen Einschätzung führen könnte. Somit sei das Sachverständigengutachten im Hinblick auf die „möglicherweise“ in Ägypten noch vorhandenen Unterlagen bezüglich der Erkennbarkeit der Fehlbildungen in den letzten pränatalen Untersuchungen und in Bezug auf den Kaiserschnitt auf einer unvollständigen Grundlage erstellt worden. Die Klägerin hätte durch die Einholung der genannten Krankenunterlagen nachweisen können, dass die Fehlbildungen im Sinne des Meckel-Gruber-Syndroms und Dandy-Walker-Syndroms vorgelegen und für den Beklagten bereits spätestens am 17. Juli 2023 erkennbar gewesen seien, womit ihr der Beweis eines haftungsbegründenden Verhaltens des Beklagten gelungen wäre.
2. Das Erstgericht wies den Beweisantrag der Klägerin auf Einräumung einer vierwöchigen Frist zur Einholung weiterer Krankenunterlagen aus Ägypten gemäß § 179 ZPO als verspätet zurück. Die grob schuldhafte Verspätung ergebe sich daraus, dass der Sachverständige bereits im Rahmen der Beweisaufnahmetagsatzung vom 13. Februar 2025 die Vollständigkeit der ärztlichen Unterlagen hinterfragt habe und auch der Beklagte zu den vorgelegten ärztlichen Unterlagen und Ultraschallbildern betreffend die Behandlung in Ägypten stets erklärt habe , dass diese als Beleg für die von der Klägerin behaupteten massiven Defekte, nämlich das Meckel-Gruber- und das Dandy-Walker-Syndrom, nicht ausreichen würden. Die für das Vorliegen eines ärztlichen Kunstfehlers beweispflichtige, anwaltlich vertretene Klägerin hätte sich im Sinne ihrer Prozessförderungspflicht früher um die Beibringung der maßgeblichen Krankenunterlagen bemühen müssen, wobei aufgrund der Aussagen des Ehegatten der Klägerin fraglich geblieben sei, ob überhaupt mehr (als die vorgelegten) Unterlagen in Ägypten vorhanden seien.
3. Nach § 178 Abs 2 ZPO hat jede Partei ihre Vorträge (Vorbringen, Anträge und Beweisanbote) so zeitgerecht und vollständig zu erstatten, dass das Verfahren möglichst rasch durchgeführt und beendet werden kann (
4. Die Klägerin stützt die gegen den Beklagten erhobenen Vorwürfe unzureichender ärztlicher Behandlung und Aufklärung/Beratung maßgeblich auf die Ergebnisse der Untersuchungen und Behandlungen, die sie im Zusammenhang mit ihrer Schwangerschaft und deren Beendigung im August 2023 in Ägypten durchführen ließ. Die Bedeutung der vollständigen ägyptischen Krankenunterlagen musste der anwaltlich vertretenen Klägerin mit Blick auf den Prozessgegenstand von Anfang an klar sein.
In diesem Sinn fragte die Erstrichterin bereits in der vorbereitenden Tagsatzung vom 12. September 2024 nach, ob die Beilage ./A die vollständige Krankengeschichte bildet, was vom Klagsvertreter zunächst bestätigt wurde (ON 7.2, AS 2). In der Tagsatzung vom 13. Februar 2025 legte der Klagsvertreter zusätzlich Ultraschallbilder aus Ägypten vor (ON 15.4, AS 6, vgl ON 15.2 und 15.3, Beilage ./C), wobei der Beklagtenvertreter dazu erklärte, dass diese nicht ausreichend seien, - um die klagsgegenständlichen Fehlbildungen behaupten zu können - andere und mehrere Darstellungen erfolgen müssten und es sich nur um eine dargestellte Schnittebene handle, die nicht aussagekräftig sei (ON 15.4, AS 6). Die Klägerin und ihr Ehemann wurden bereits bei der Tagsatzung vom 13. Februar 2025 zu weiteren möglichen Unterlagen befragt, insbesondere auch dazu, ob es eine Obduktion des Kindes gegeben hat (ON 15.4, AS 11 [Klägerin], ON 15.4, AS 25 [Zeuge E*, der meinte, er könne wegen weiterer Unterlagen noch in Ägypten fragen]). Aus dem schriftlichen Sachverständigengutachten Univ. Prof. Dr. F* (ON 21) ergibt sich, dass die vorgelegten Krankenunterlagen die behaupteten Diagnosen eines Dandy-Walker- und Meckel-Gruber-Syndroms nicht schlüssig belegen, wobei der Sachverständige erläuterte, dass die 3D-Aufnahmen und die Fabdoppler-Bilder diagnostisch wertlos sind. Er wies auf die Schwierigkeit der Interpretation des einzigen Schädelbildes sowie auf das Fehlen weiterer Angaben über diagnostische Maßnahmen beim Kind wie Fotos nach der Geburt, Obduktion, Gewebsentnahmen „etc“ hin.
Vor dem Hintergrund der sich daraus ergebenden mehrfachen Betonung der Bedeutung allenfalls vorhandener weiterer bildlicher Darstellungen (insbesondere auch anderer Gehirnbereiche) sowie von Untersuchungen des Kindes nach der Geburt ist die Berufungsargumentation, dass vor der Gutachtenserörterung in der Tagsatzung vom 3. Juli 2025 für die Klägerin nicht erkennbar gewesen sei, dass ein „mengenmäßiges Mehr“ an Unterlagen relevant sein könnte, nicht nachvollziehbar. Vielmehr musste der Klägerin aufgrund mehrerer Nachfragen in den Tagsatzungen vom September 2024 und Februar 2025 klar sein, dass allenfalls vorhandene weitere Krankenunterlagen für die Verifizierung der Diagnose von besonderem Interesse waren. Dass erst durch die Erläuterungen des Sachverständigen zur österreichischen Dokumentationspraxis deutlich geworden sein soll, dass in Ägypten weitere Krankenunterlagen und Dokumentationen vorhanden sein könnten , überzeugt nicht.
5. Die Klägerin hat grob schuldhaft gegen ihre Prozessförderungspflicht verstoßen, indem sie ungeachtet der dargestellten mehrfachen Erörterungen von Art und Umfang der vorhandenen ägyptischen Krankenunterlagen erst unmittelbar nach der Ankündigung der Richterin, die Verhandlung zu schließen, den Antrag stellte, ihr eine Frist von vier Wochen „zur nochmaligen Anforderung der gesamten Krankenunterlagen samt Bildern und auch Videos, welche von der Klägerin in Ägypten im Rahmen der diagnostischen Untersuchungen sowie Kaiserschnittgeburt angefertigt wurden, sofern sie hinsichtlich der Klägerin angefertigt wurden“ einzuräumen (ON 29.4, AS 19), was eine das Verfahren erheblich verzögernde Vertagung erforderlich gemacht hätte. Hinzu kommt, dass der Antrag angesichts der Relativierung im letzten Halbsatz auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung hinauslief (vgl RIS-Justiz RS0039973, RS0039881).
Das Erstgericht hat den Beweisantrag daher zu Recht zurückgewiesen.
6. Anzumerken ist, dass sich die Rechtsmittelwerberin in der Berufung weiterhin nur auf „möglicherweise“ vorhandene Unterlagen bezieht, ohne zu konkretisieren, ob und welche der einzuholenden Unterlagen bei Einräumung der Frist in Ägypten überhaupt verfügbar gewesen wären. Damit gelingt es ihr auch nicht die abstrakte Eignung des Verfahrensmangels darzutun (RIS-Justiz RS0043027 [T10]; RS0043049 [T6]).
7. Hinzu kommt, dass im Sinne der Ausführungen des Sachverständigen im Stadium der 18. SSW jedenfalls nur „subtile Veränderungen“ im Sinne unspezifischer „Softmarker“ erkennbar sein könnten (ON 29.4, AS 8), die per se noch nicht für eine entsprechende Diagnose sprechen, sondern lediglich Anzeichen einer potentiellen Problematik sind (ON 29.4, AS 9). Vor diesem Hintergrund war beim Termin vom 17. Juli 2023 von vornherein keine Diagnoseerstellung, sondern nur eine Aufklärung über einen weiteren pränataldiagnostischen Abklärungsbedarf bezüglich der Entwicklung des Embryos zu erwarten. Eine solche Aufklärung steht fest. Dies ist Gegenstand der Tatsachen- und der Rechtsrüge.
8. Der behauptete primäre Verfahrensmangel liegt daher nicht vor.
II. Tatsachenrüge:
1. Die Berufungswerberin bekämpft die Feststellungen [F1] und [F2] und strebt stattdessen folgende Ersatzfeststellungen an:
zu F1: „Die Klägerin wurde vom Beklagten nicht über den Verdacht auf Fehlbildungen, die Notwendigkeit einer Kontrolluntersuchung oder die Möglichkeit und Erforderlichkeit eines Organscreenings der Stufe ÖGUM 2/3 aufgeklärt. Lediglich als die Klägerin bereits beim Verlassen der Ordination war, sprach der Beklagte den nicht-deutsch-sprechenden Ehemann der Klägerin an und teilte diesem die Notwendigkeit einer weiteren Untersuchung mit. Die Klägerin war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Hörweite und wurde daher nicht über diese Notwendigkeit informiert.“
zu F2: „Die Klägerin und ihr bei sämtlichen Terminen beim Beklagten anwesender Ehemann entschlossen sich in Ägypten einen niedergelassenen Frauenarzt zur Durchführung einer Kontrolluntersuchung aufzusuchen, weil die Klägerin im Vergleich zu den Untersuchungen während ihrer vorherigen Schwangerschaft und im Hinblick auf die ihr unaufschlussreich vorkommenden Untersuchungen durch den Beklagten ein unwohles Gefühl hatte. Insbesondere suchte sie diesen Arzt auf, da es ihr aufgrund der in Ägypten stattfindenden Baby-Feier wichtig war, das Geschlecht zu erfahren.“
2. Die Erstrichterin stützte die bekämpften Feststellungen zu den Aufklärungen und Empfehlungen, die der Beklagte der Klägerin und ihrem Ehemann angesichts der bei der Ultraschall-Untersuchung am 17. Juli 2023 nicht klar darstellbaren Bereiche des Gehirns und der zerebralen Gesichtsfeldregion zur weiteren Vorgangsweise erteilte, auf die als glaubhaft bewertete, mit der unbedenklichen Dokumentation in der Patientenkartei (Beilage ./2) in Einklang stehende Aussage des Beklagten, die außerdem durch die Einträge im Mutter-Kind-Pass der Klägerin (Beilagen ./B und ./D) gestützt wird (US 12). Als wesentliches Indiz für die Aufklärung der Klägerin wertete das Erstgericht, dass die Klägerin nur zwei Tage nach ihrer Ankunft in Ägypten weitere Untersuchungen (Ultraschall und „4D-Screening“) zur Abklärung der Entwicklung des Embryos veranlasste (Beilage ./A). Die Erklärung der Klägerin, wonach sie intuitiv aus eigenem Antrieb einen ägyptischen Arzt aufgesucht habe, verwarf das Erstgericht vor dem Hintergrund der vom Beklagten authentisch geschilderten, doppelt (in der Patientenkartei und im Mutter-Kind-Pass) dokumentierten Aufklärungen als nicht überzeugend.
3. Es gehört zum Wesen der freien Beweiswürdigung, dass sich die Tatsacheninstanz für eine von mehreren widersprechenden Darstellungen aufgrund der Überzeugung, dass diese mehr Glaubwürdigkeit beanspruchen kann, entscheidet (RIS-Justiz RS0043175, Rechberger in Fasching/Konecny³ III/1 § 272 ZPO Rz 6 und 11). Einer Beweisrüge kann ein Erfolg nur dann beschieden sein, wenn sie gegen die Richtigkeit der vom Erstgericht vorgenommenen Beweiswürdigung stichhaltige Bedenken ins Treffen führen kann ( Klauser/Kodek , JN-ZPO 18 § 467 E 40/2, 40/3). Der bloße Umstand, dass nach den Beweisergebnissen allenfalls auch andere Tatsachenfeststellungen möglich gewesen wären, reicht nicht aus, eine unrichtige oder bedenkliche Beweiswürdigung aufzuzeigen ( Klauser/Kodek , JN-ZPO 18 § 467 E 39/1).
4. In ihrer Berufung wiederholt die Klägerin unter Hinweis auf ihre Parteienvernehmung, dass der Beklagte sie nicht über weiterführende Untersuchungserfordernisse (Organscreening) aufgeklärt habe. Sie meint, dass sich auch aus der Aussage des Beklagten ergebe, dass die Aufklärung unzureichend erfolgt sei, und verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass der Beklagte von den Deutschkenntnissen der Klägerin überrascht gewesen sei und die Frage nach der Blutsverwandtschaft dem nicht Deutsch sprechenden Ehemann der Klägerin gestellt habe. Daraus, dass der Beklagte die hier relevanten Aufklärungen über weitere Untersuchungen erst am Ende der Untersuchung erteilt habe, verwundert gewesen sei, darauf keine Antwort von den Ehegatten erhalten zu haben, und auch nicht nicht wisse, ob diese mit der Beschreibung „Stufe 2 und 3“ etwas anfangen hätten können, leitet die Klägerin ab, dass sich der Beklagte nicht vergewissert habe, ob sein Hinweis auf Kontrolluntersuchungen der Klägerin zugegangen und von dieser verstanden worden sei. All dies mache ihrer Ansicht nach die erstgerichtliche Beweiswürdigung „nicht haltbar“ und die begehrten Ersatzfeststellungen „viel wahrscheinlicher“.
5. Mit ihren Rechtsmittelausführungen gelingt es der Klägerin nicht, Bedenken gegen die sorgfältige und schlüssige Beweiswürdigung des Erstgerichts zu begründen. Dieses setzte sich mit sämtlichen Beweisergebnissen, insbesondere auch mit den im Rechtsmittel relevierten Aussagen der Parteien, eingehend auseinander, wobei es dem Beklagten einen um ehrliche und umfassende Aufklärung des Sachverhalts bemühten Eindruck attestierte, der sich insbesondere auch darin gezeigt habe, dass er die aus „Abrechnungsgründen“ dokumentierten Verdachtsdiagnosen bei den ersten Untersuchungen nicht beschönigt habe. Im Zusammenhang mit der Aussage der Klägerin und auch jener ihres Ehemanns wurde auf Widersprüchlichkeiten und Inkonsistenzen hingewiesen, die nach dem von der Erstrichterin gewonnenen Eindruck auf eine durch die dramatischen Erlebnisse in Ägypten im Nachhinein verzerrte Wahrnehmung der Sachlage deuten würden und nicht überzeugen könnten.
6. Entgegen den in der Berufung angestellten Überlegungen ergibt sich aus der Aussage des Beklagten keineswegs, dass er davon ausging, die Klägerin würde kein Deutsch sprechen (vgl ON 15.4. AS 17 – dachte nicht, dass sie so gut Deutsch spricht). Der Hinweis, dass die Klägerin ihm gegenüber (aktiv) nur sehr wenig kommuniziert habe (ON 15.4, AS 17), lässt auch nicht den in der Berufung gezogenen Schluss zu, der Beklagte habe sich wegen Aufklärungen und weiteren Untersuchungsnotwendigkeiten nicht an die Klägerin als seine Patientin gewandt. Der bei den Untersuchungen anwesende Zeuge E* bestätigte vielmehr, dass die Klägerin mit dem Beklagten gesprochen und ihm das Ergebnis der Untersuchungstermine im Anschluss zusammengefasst habe, wobei er Verständnisprobleme unter Hinweis auf die sehr guten Deutschkenntnisse der Klägerin ausschloss und seine eigenen (schlechteren) Sprachkenntnisse dahingehend relativierte, dass er einem Gespräch durchaus folgen kann (ON 15.4, AS 22f).
Dass die Klägerin und ihr Ehemann auf die Empfehlungen des Beklagten zur weiteren Abklärung der am Untersuchungstag nicht darstellbaren Organe des Kindes nicht antworteten, liegt ohnehin auch dem angefochtenen Urteil zugrunde, wo (als Hintergrund) weiters (unbekämpft) festgestellt wurde, dass für die Klägerin damals die Frage „im Fokus stand“, ob sie den Flug nach Ägypten antreten kann (US 6). Unbekämpft blieb auch die Feststellung, dass der Beklagte „eine Sonographie-Kontrolle in zehn Tagen, um zu schauen, ob das Kleinhirn bei diesem Termin aufgrund der Lage des Kindes besser darstellbar sein wird“ empfahl (US 6). Dazu erwog das Erstgericht unbedenklich, dass die Klägerin dieser Thematik aufgrund ihrer (positiven) Erfahrungen in der ersten Schwangerschaft, wo sich ein auffälliger Ultraschallbefund des Gehirns des Kindes im Rahmen der weiteren Untersuchungen als harmlos erwiesen habe, (noch) keine große Bedeutung beigemessen habe und den Urlaub in Ägypten antreten habe wollen (US 14), zumal medizinische Gründe nicht dagegen sprachen (US 6). Damit lag auch die vom Ehemann der Klägerin angesprochene Gefahr für das Kind, bei der man von der Urlaubsreise Abstand genommen hätte (ON 15.4, AS 22), gerade nicht vor.
Dass die Klägerin in Ägypten genau im vom Beklagten für eine Kontrolle empfohlenen Zeitrahmen einen Gynäkologen konsultierte und aufgrund von dessen Zuweisung ein 4D-Screening vornehmen ließ, begründet im Sinne der schlüssigen Darlegungen des Erstgerichts ein besonderes Indiz dafür, dass sie damit den Empfehlungen des Beklagten zur weiteren Abklärung der Entwicklung/Gesundheit des Embryos folgte.
Die Kritik im Rechtsmittel an der vorliegenden ärztlichen Dokumentation ist unsubstantiiert und ebenfalls nicht geeignet, Bedenken gegen die bekämpften Feststellungen zu begründen.
7. Die bekämpften Feststellungen sind daher nicht korrekturbedürftig.
8. Das Berufungsgericht übernimmt den vom Erstgericht aufgrund einer schlüssigen Beweiswürdigung festgestellten Sachverhalt und legt diesen seiner Entscheidung zugrunde (§ 498 Abs 1 ZPO).
III. Rechtsrüge:
1. Die Klägerin meint, dass das Urteil an sekundären Feststellungsmängeln leide. Nach Ansicht der Berufungswerberin hätte das Erstgericht konkrete(re) Feststellungen dazu treffen müssen, dass der Beklagte davon ausgegangen sei, die Klägerin spreche kein Deutsch, und er sich nicht vergewissert habe, dass seine Aufklärungen und Empfehlungen überhaupt verstanden worden seien. Außerdem vermisst die Klägerin Feststellungen dazu, dass sie sämtliche notwendigen Untersuchungen in Österreich durchführen hätte lassen, weil sie bei jeglicher Gefahr für das Kind - sei es auch nur bei weiterem Aufklärungsbedarf - den Urlaub verschoben oder nicht angetreten hätte, sodass sie nur mangels Aufklärung überhaupt nach Ägypten geflogen sei, wodurch der weitere Behandlungsverlauf und der Schaden der Klägerin, der in den physischen und psychischen Schmerzen durch die in Ägypten gestellten Diagnosen, die dort durchgeführte Kaiserschnittgeburt und den Tod des Kindes liege, erst in der tatsächlich stattgefundenen Form möglich geworden seien.
2. Sekundäre Feststellungsmängel liegen nur dann vor, wenn entscheidungserhebliche Tatsachen nicht festgestellt wurden (RIS-Justiz RS0053317 [T5]). Werden zu einem bestimmten Thema (positive oder negative) Feststellungen getroffen, so ist es ein Akt der Beweiswürdigung, wenn die vom Rechtsmittelwerber gewünschten (abweichenden) Feststellungen nicht getroffen werden (RIS-Justiz RS0053317 [T3]).
3. Das Erstgericht hat ausreichende Feststellungen zu den Aufklärungen und Empfehlungen getroffen, die der Beklagte gegenüber der Klägerin und ihrem bei den Untersuchungen anwesenden Ehemann wegen der aufgrund der Lage des Kindes unzureichenden Darstellungsmöglichkeit des Kleinhirns und der Seitenventrikel am Ende der Untersuchung vom 17. Juli 2023 aussprach (US 6). Darüber hinaus wurde festgestellt, dass sich die Klägerin und ihr Ehemann aufgrund ihres geplanten Ägypten-Urlaubs entschlossen, den Rat des Beklagten vom 17. Juli 2023 auf ein höherwertiges Organscreening in Ägypten wahrzunehmen (US 7), was impliziert, dass die ärztlichen Aufklärungen auch verstanden wurden.
4. Mit ihren Versuchen, den „Zugang“ und das Verständnis der vom Beklagten erteilten Aufklärungen in Frage zu stellen, übergeht die Klägerin prozessordnungswidrig diesen Sachverhalt (RIS-Justiz RS0041585) und wiederholt im Wesentlichen nur ihre Kritik an der erstgerichtlichen Beweiswürdigung.
5. Das im Rechtsmittel skizzierte hypothetische Szenario (wonach die Klägerin sämtliche Untersuchungen in Österreich vornehmen hätte lassen und sie bei einer Behandlung in Österreich im Zusammenhang mit einer hier erlaubten eugenischen Indikation besser betreut worden wäre) widerspricht den erstgerichtlichen Feststellungen, dass sich die Klägerin - im Rahmen ihres Selbstbestimmungsrechts als Patientin - nach Aufklärung über die diagnostischen Möglichkeiten, die auch nicht dringlich waren (US 7), selbst dafür entschied, die angeratenen gynäkologischen und pränataldiagnostischen Untersuchungen sowie den schwangerschaftsbeendenden operativen Eingriff in Ägypten vornehmen zu lassen, wofür sie sogar den Rückflug nach Österreich verschob (vgl US 7 und 8). Die Rechtsrüge orientiert sich auch hier nicht am festgestellten Sachverhalt und ist somit nicht ordnungsgemäß ausgeführt (RIS-Justiz RS0043603, RS0043312; Kodek in Rechberger/Klicka , ZPO 5 , § 471 Rz 16).
6. Die Berufungsargumentation, wonach die Nachweisbarkeit von Fehlbildungen für die Schadensbeurteilung nachrangig sei, vernachlässigt, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt schon kein haftungsbegründendes Fehlverhalten des Beklagten ableiten lässt. Die Klägerin wurde vom Beklagten über den weiteren pränataldiagnostischen Abklärungsbedarf und die diesbezüglichen Möglichkeiten aufgeklärt. Die von ihm erteilten Empfehlungen und die Wiedervorstellung zur Kontrolle waren lege artis. Das alternative Berufungsvorbringen zum Schaden, dass sich im Fall des Nichtbestehens der Fehlbildungen dieser Umstand bei Untersuchungen in Österreich gezeigt hätte und der Fötus überlebensfähig gewesen wäre, verstößt zudem gegen das Neuerungsverbot (§ 482 ZPO).
Die Berufung bleibt daher erfolglos.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Die unterlegene Klägerin hat dem Beklagten die tarifmäßig richtig verzeichneten Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen.
Der Bewertungsausspruch gründet auf § 500 Abs 2 Z 1 ZPO und orientiert sich an der unbedenklichen Bewertung des Feststellungsbegehrens durch die Klägerin.
Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu beantworten war. Die Entscheidung war nur von Tatfragen und den Umständen des Einzelfalls abhängig.
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