Das Oberlandesgericht Graz hat als Berufungsgericht durch die Richterinnen Dr. in Angerer (Vorsitz) und Mag. a Zeiler-Wlasich sowie den Richter Mag. Schellnegger in der Rechtssache der klagenden Partei A*, geboren am **, Pensionistin, **, vertreten durch Mag. Gottfried Tazol und andere, Rechtsanwälte in Völkermarkt, gegen die beklagte Partei B* AG, FN **, **, vertreten durch die MUSEY rechtsanwalt gmbh, wegen EUR 56.000,00 samt Anhang, über die Berufung der klagenden Partei (Berufungsinteresse EUR 56.000,00) gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 18. Juni 2025, **-13, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei deren mit EUR 3.736,32 (darin EUR 622,72 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig .
Entscheidungsgründe:
Zwischen den Streitteilen bestand Anfang Februar 2022 ein Versicherungsvertrag über eine private Unfallversicherung mit dem Leistungsbaustein „dauernde Invalidität“ mit einer Versicherungssumme von EUR 100.000,00. Die anzuwendenden Allgemeinen Bedingungen lauten auszugsweise:
„Artikel 6
Was ist ein Unfall
6.1. Ein Unfall liegt vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet.“
Am 3. oder 4. Februar 2022 überzog die Klägerin in ihrem Haus die Betten. Im Zuge des Überziehens der Bettdecke, „als sie gerade die Bettdecke aufgeschüttelt hat“, verspürte sie einen brennenden Schmerz in ihrer linken Schulter.
Die Klägerin begehrt EUR 56.000,00 samt Zinsen, weil sie im Zuge dieses Unfalls eine Rotatorenmanschettenmassenruptur erlitten habe. Als Dauerfolge verbleibe eine aktiv hochgradige Bewegungseinschränkung des linken Arms im linken Schultergelenk. Gemäß den Versicherungsbedingungen gebührten bei einer gänzlichen Funktionsminderung des Arms 80 % der Versicherungssumme, somit EUR 80.000,00. Es sei zumindest eine körperliche Funktionsminderung von 70 % des Armwerts links anzunehmen, weshalb ihr eine Entschädigungsleistung von EUR 56.000,00 zustehe. Es liege eine Krafteinwirkung von außen vor, weil das Gewicht der aufgeschüttelten Decke auf ihren Körper eingewirkt und zum Verletzungsgeschehen geführt habe.
Die Beklagte wendet ein, dass der Unfallbegriff nicht erfüllt sei, weil der Vorgang des Aufschüttelns der Bettdecke bewusst und gewollt stattfinde. Zudem sei es dabei nicht zu einer Rotatorenmanschettenmassenruptur und somit auch nicht zu einer Armwertminderung gekommen. Selbst für den Fall, dass die Klägerin zuvor beschwerdefrei gewesen sei, seien ihre Beschwerden nur durch umfangreiche degenerative Zustände im Rahmen ihrer Grunderkrankung (rheumatoide Arthritis) und die damit verbundene Cortisontherapie, welche die Sehnenschädigung verursacht habe, hervorgekommen. Bedingungsgemäß sei auch dadurch ihre Leistungspflicht ausgeschlossen.
Mit der angefochtenen Entscheidung weist das Erstgericht das Klagebegehren ab . Es trifft die auf der Urteilsseite 2 ersichtlichen Feststellungen. Rechtlich führte es aus, dass kein Unfallereignis im Sinne der Versicherungsbedingungen vorliege. Der Schmerz der Klägerin sei nicht durch ein plötzlich von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis ausgelöst worden, sondern vielmehr während einer normalen Aufschüttelbewegung, also in einer von der Klägerin völlig beherrschten und auch gewollten Situation.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil – allenfalls nach Verfahrensergänzung – in eine Klagsstattgebung abzuändern; in eventu stellt sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.
Die Beklagte erstattet eine Berufungsbeantwortung .
Die Berufung, über die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu entscheiden war, ist nicht berechtigt.
Die Klägerin argumentiert, die Bettdecke bzw deren (durch die Trägheit der Masse vergrößerte) Kraft stelle jedenfalls ein von außen auf den Körper wirkendes Ereignis dar. Selbst Pressbälle beim Fußballspielen seien als Unfall gewertet worden (7 Ob 213/16y).
Dazu ist auszuführen:
1. Nach den Versicherungsbedingungen liegt ein Unfall vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet.
2. Wie das Erstgericht bereits zutreffend ausführt, schadet es nach der Rechtsprechung zu sinngleichen Klauseln zwar nicht, dass eigenes Verhalten zum Unfall beiträgt, oder ihn sogar herbeiführt. Ein gewolltes und gesteuertes Verhalten des Versicherungsnehmers gilt aber nicht bereits als Unfallereignis. Ein Unfall liegt bei einem Vorgang vor, der vom Versicherten bewusst und gewollt begonnen und beherrscht wurde, sich dieser Beherrschung aber durch einen unerwarteten Ablauf entzogen und nunmehr schädigend auf den Versicherten eingewirkt hat, wie etwa das Stolpern bei einem Sprint beim Tennis (RS0082008).
3. Nach der Rechtsprechung liegt etwa eine beherrschte und gewollte Situation und damit kein Unfallvor, wenn während einer normalen Laufbewegung (7 Ob 1019/92), im Rahmen des Aufschlags beim Tennis (7 Ob 118/00d) oder im Zuge einer schnellen, gewollten Drehbewegung eines Fußballspielers mit anschließendem Sprint (7 Ob 5/01p) die Achillessehne reißt, oder beim Anheben eines Kastens ein Deckenplattenbruch an der Lendenwirbelsäule eintritt (7 Ob 76/22k). Ein unerwarteter Ablauf und somit ein Unfalltrotz einer bewusst gewollt begangenen Handlung liegt vor, wenn der Versicherte beim Joggen über eine Baumwurzel stolpert (7 Ob 224/07b) oder wenn beim Umleeren des Inhalts eines kleineren Fasses in ein größeres Fass der Versicherte versucht, das ausrutschende kleinere Fass aufzufangen, indem er mit dem Arm nachfasst (7 Ob 74/01k).
4. In der von der Berufung zitierten Entscheidung (7 Ob 213/16y) traf der Versicherte beim Hallenfußballspiel nicht den Ball, sondern stieß stattdessen mit seinem linken Fuß gegen eine Sprossenwand. Es lag ein Unfall vor, weil die zunächst gewollte Bewegung des linken Beins zum Ball durch den ungewollten Anstoß des Fußes an die Sprossenwand unterbrochen wurde. Sofern die Klägerin „Pressbälle beim Fußballspielen“ als Unfallbeispiel anführt, stellt sie offensichtlich auf die Entscheidung 7 Ob 9/91 ab, wo während des Spiels ein Zweikampf zwischen dem dortigen Kläger und einem weiteren Spieler entstand, im Zuge dessen beide Spieler Ballkontakt hatten (Pressball). Dabei riss die linke Achillessehne und der Kläger kam zu Sturz. Ob die Sehne im Zuge des Sturzes oder im Zuge des Zweikampfes gerissen war, konnte nicht festgestellt werden. Es lag deshalb ein Unfall vor, weil der Kläger die Beherrschung über den Geschehensablauf durch ein unerwartetes Ereignis verloren hatte: Die von ihm gewollte Beinbewegung zum Ball hatte durch das Einwirken eines Dritten eine unerwartete Änderung erfahren.
5. Ein derartiger Fall liegt jedoch hier nicht vor, weil die Bettdecke nicht unerwartet den von der Klägerin intendierten Ereignisablauf veränderte . Die Kraft (oder Trägheit) der Bettdecke stellt im geplanten Bewegungsablauf der Klägerin eine gewollte Einwirkung dar.
6. Das Erstgericht hat daher zutreffend das Vorliegen eines Unfalls im Sinne der Versicherungsbedingungen verneint.
7. Der Berufung kommt kein Erfolg zu.
8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat der Beklagten die richtig verzeichneten Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen.
9. Da keine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu lösen war, kam die Zulassung der ordentlichen Revision nicht in Betracht.
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