Das Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen hat durch die Senatspräsidentin Mag a . Fabsits als Vorsitzende, die Richterin Dr in . Meier und den Richter Mag. Schweiger sowie die fachkundigen Laienrichter Färber (Arbeitgeber) und Zimmermann (Arbeitnehmer) als weitere Senatsmitglieder in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A* , **, vertreten durch Dr. Robert Kugler, Mag. Georg Kugler, Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei B* Gesellschaft mbH , FN **, **, vertreten durch die Burgstaller Preyer Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung auf Fortbestand eines Dienstverhältnisses(Streitwert RATG: EUR 24.000,00; GGG: EUR 750,00), über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 28. Mai 2025, **-12, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 2.613,72 (darin enthalten EUR 435,62 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die Revision ist nichtnach § 502 Abs 1 ZPO zulässig .
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war seit 1. Jänner 2010 bei der Beklagten angestellt. Er war definitiv gestellt und unkündbar. Im Falle einer Entlassung sind die Parteien der Entlassungsordnung 2018 unterworfen.
Der Kläger beging am 8. Jänner 2025 eine Dienstpflichtverletzung. Seit 9. Jänner 2025 war er dienstfrei gestellt. Am 13. Jänner 2025 wurde er erstmalig zum Vorfall befragt. Seit 13. Jänner 2025 ist er durchgehend vom Dienst suspendiert.
Am 17. Jänner 2025 wurde gegen den Kläger ein Entlassungsverfahren nach den Bestimmungen der Entlassungsordnung 2018 eingeleitet. Darüber wurde der Kläger mit Schreiben der Beklagten vom 17. Jänner 2025 in Kenntnis gesetzt.
Das Entlassungserkenntnis erging am 21. März 2025 und wurde an diesem Tag mündlich verkündet. Der Kläger wurde für schuldig befunden, seine Dienstpflichten verletzt und dadurch Entlassungsgründe gesetzt zu haben. Die Beklagte gab das „erste“ Entlassungsschreiben am 21. März 2025 eingeschrieben auf.
Der Kläger dachte, dass die Entscheidung über seine Entlassung nun in ** getroffen und er von dort hören werde. „Er konnte nicht genau sagen“, ob es zu einer Entlassung kommen werde oder nicht. Die Beklagte selbst bzw ihr zurechenbare Mitarbeiter signalisierten ihm nicht, dass es zu keiner Entlassung kommen werde.
Bei dem von der Beklagten am 21. März 2025 versendeten (ersten) Entlassungsschreiben kam es zu Problemen bei der Zustellung. Die Beklagte behielt den Sendungsverlauf im Auge. Sie erkannte diesen Umstand spätestens am 26. März 2025, worauf sie sogleich ein weiteres Entlassungsschreiben desselben Inhalts per Einschreiben an den Kläger versendete.
Am 25. März 2025 erhielt der Kläger das erste von der Beklagten versendete Entlassungsschreiben. Am 27. März 2025 erhielt er das zweite Entlassungsschreiben.
Mit seiner am 9. April 2025 eingebrachten Klage begehrt der Kläger festzustellen, dass sein Dienstverhältnis „über den 21.03.2025 bzw über den 27.03.2025 hinaus“ fortbestehe. Begründend bringt er vor, dass er am 21. März 2025 von der Entlassungskommission davon in Kenntnis gesetzt worden sei, dass er nach ihrem Dafürhalten einen Entlassungsgrund zu verantworten habe. Fakt sei, dass es die Beklagte am 21. März 2025 unterlassen habe, eine Entlassung auszusprechen. Der Kläger habe erst am 27. März 2025 ein mit 21. März 2025 datiertes Entlassungsschreiben (Einschreiben), welches am 26. März 2025 abgefertigt worden sei, erhalten. Die Entlassung sei verspätet ausgesprochen worden. Das Entlassungsverfahren sei erst neun Tage nach dem Vorfall, der für die Entlassung herangezogen worden sei, eingeleitet worden. Suspendiert worden sei er erst fünf Tage nach dem Vorfall. Der Beklagten stehe es zwar frei, sich für die Übermittlung ihrer Willenserklärung der Post zu bedienen, sie trage jedoch das Risiko für den angeblichen Verlust der Postsendung und den Umstand, dass diese dem Kläger erst sechs Tage nach der Entscheidung der Entlassungskommission wirksam zugegangen sei. Der Ausspruch der Entlassung sei sohin „mehrfach“ verspätet. Das Entlassungsrecht sei verwirkt bzw habe die Beklagte darauf verzichtet. Selbst wenn man davon ausginge, dass das erste Entlassungsschreiben dem Kläger tatsächlich am 25. März 2025 zugegangen sei, sei davon auszugehen, dass auch diese Entlassung verspätet sei, weil sie ihm vier Tage nach dem Erkenntnis der Entlassungskommission zugegangen sei.
Die Beklagte beantragt Klagsabweisung und wendet - soweit für das Berufungsverfahren von Relevanz - ein, dass die Entlassung nicht verspätet ausgesprochen worden sei. Die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Klägers sei zu jeder Zeit evident gewesen und der Kläger habe davon ausgehen müssen, dass auf das Entlassungsrecht nicht verzichtet worden sei. Die Entlassung sei daher rechtswirksam ausgesprochen worden.
Mit dem angefochtenen Urteil weist das Erstgericht das Klagebegehren auf Grundlage des eingangs dargestellten und unstrittigen Sachverhalts ab. In rechtlicher Hinsicht vertritt es den Standpunkt, dass der Dienstgeber gehalten sei, von seinem Entlassungsrecht bei sonstigem Verlust desselben unverzüglich nach Kenntnisnahme des die Entlassung rechtfertigenden Sachverhalts Gebrauch zu machen. Verzögerungen im Ausspruch der Entlassung könnten nur insoweit anerkannt werden, als sie in der Sachlage, also in der Natur des Dienstverhältnisses oder sonst in den besonderen Umständen des Falls, sachlich begründet seien. Der Unverzüglichkeitsgrundsatz sei nach den Erfordernissen des Wirtschaftslebens und den Betriebsverhältnissen, insbesondere der Organisationsform des Unternehmens zu beurteilen.
Ein wegen eines bestimmten Vorfalls oder Verdachts suspendierter Dienstnehmer dürfe nicht darauf vertrauen, dass der Dienstgeber auf die Geltendmachung dieses Entlassungsgrunds verzichten wolle. Nicht jede Verzögerung des Arbeitgebers lasse auf dessen Verzicht auf die Ausübung des Entlassungsrechts schließen. Im vorliegenden Fall sei nicht von einer Verzögerung oder Verwirkung auszugehen. Die Beklagte habe das Entlassungsschreiben noch am Nachmittag des 21. März 2025 per Post versendet. Der Kläger habe davon schon am 25. März 2025 Kenntnis erlangt. Zwischen dem Entlassungserkenntnis und dem Zugang des Entlassungsschreibens sei dem Kläger von der Beklagten nicht signalisiert worden, dass es zu einer Weiterbeschäftigung kommen werde. Derartiges habe der Kläger auch nicht behauptet.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers aus den Rechtsmittelgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil in Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
A) Zur Mängelrüge:
Der Kläger macht einen Begründungsmangel dahin geltend, dass sich das Erstgericht mit seinem Vorbringen, dass das Entlassungsverfahren verspätet eingeleitet worden und die Entlassung auch aus diesem Grund verspätet sei, nicht auseinandergesetzt habe.
Einen Verfahrensmangel zeigt der Kläger mit diesem Argument nicht auf. In Wahrheit releviert er nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung, zumal das Erstgericht alle zur abschließenden Beurteilung erforderlichen Tatsachenfeststellungen ohnehin getroffen hat.
Überhaupt ist ein Begründungsmangel im Sinne einer primären Mangelhaftigkeit des Verfahrens nur verwirklicht, wenn das Gericht die Begründungspflicht des § 272 Abs 3 ZPO verletzt, also in seiner Beweiswürdigung nicht hinreichend darlegt, warum es die festgestellten Tatsachen als erwiesen angenommen hat ( Rechberger/Klickain Rechberger/Klicka, ZPO 5§ 272 ZPO Rz 3). Die Berufung zeigt nicht ansatzweise auf, inwiefern das Erstgericht bestimmte getroffene Tatsachenfeststellungen in seiner Beweiswürdigung nicht hinreichend begründet habe. Dem Kläger gelingt es daher nicht, einen Berufungsmangel aufzuzeigen.
B) Zur Rechtsrüge:
Da das Berufungsgericht die Rechtsmittelausführungen für nicht stichhältig, die damit bekämpften Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils hingegen für zutreffend erachtet, reicht es aus, auf deren Richtigkeit hinzuweisen und sie - bezugnehmend auf die Argumentation des Berufungswerbers - nur wie folgt kurz zu ergänzen (§ 500a ZPO):
Der Kläger hält seinen Standpunkt, die Entlassung sei verspätet, aufrecht. Er meint zunächst, dass das Entlassungsverfahren verspätet und zwar erst neun Tage nach der Dienstpflichtverletzung und am vierten Tag nach seiner Befragung eingeleitet worden sei.
Diese Kritik ist unberechtigt.
Nach § 2 Abs 1 der unstrittig zur Anwendung gelangenden Entlassungsordnung 2018 ist der B*-Beamte bei begründetem Verdacht der Verwirklichung eines Entlassungsgrunds im Sinne des § 20 Abs 3 unverzüglich vom Dienst freizustellen. Hier erfolgte die Dienstfreistellung des Klägers unverzüglich am Tag nach dem Verkehrsunfall.
Gemäß Abs 2 dieser Regelung hat der Arbeitgeber die zur Klärung des Sachverhalts erforderlichen Erhebungen unverzüglich aufzunehmen und diese zügig durchzuführen und so rasch wie möglich zum Abschluss zu bringen. Dem Verdächtigen ist im Zuge der Erhebungen die Möglichkeit einer Rechtfertigung zu geben. Dem kam die Beklagte am 13. Jänner 2025 (einem Montag) nach. Nach der Einvernahme des Klägers wurde er im Sinne des § 2 Abs 4 der Entlassungsordnung 2018 ohne Verzug noch am gleichen Tag vom Dienst suspendiert und am 17. Jänner 2025 (Freitag) das Entlassungsverfahren eingeleitet.
Die Beklagte kam demnach den Anforderungen des § 2 der Entlassungsordnung 2018 („Vorbereitung des Entlassungsverfahrens“) vollinhaltlich nach. Weshalb die Einleitung des Entlassungsverfahrens am vierten Arbeitstag nach der erfolgten Suspendierung verspätet sein sollte, erhellt sich für das Berufungsgericht nicht und ergibt sich auch nicht aus den Berufungsausführungen, zumal nach § 2 Abs 4 der Entlassungsordnung 2018 vor der Einleitung des Entlassungsverfahrens auch dem Verfahrensanwalt zu berichten war.
Wie bereits das Erstgericht ausführlich und zutreffend dargestellt hat, darf ein wegen eines bestimmten Vorfalls oder Verdachts suspendierter Dienstnehmer nicht darauf vertrauen, dass der Dienstgeber auf die Geltendmachung dieses Entlassungsgrunds verzichten werde.
Der in der rechtlichen Beurteilung des Ersturteils enthaltene Übertragungs- oder Rechenfehler (Entlassungserkenntnis erging 13 [statt richtig 71] Tage nach dem Vorfall) war als solcher eindeutig erkennbar und konnte demnach insofern bereinigt werden, als das Berufungsgericht von der rechnerisch richtigen und durch die Feststellungen gedeckten Tagesanzahl ausgeht.
Der Kläger meint dann noch, dass ihm das Entlassungsschreiben vom 21. März 2025 verspätet zugegangen sei, weil der Sachverhalt mit dem Entlassungserkenntnis vom 21. März 2025 geklärt gewesen sei.
Dem ist zu entgegnen:
Richtig ist allein, dass bei Beendigungserklärungen unter Abwesenden, das heißt bei Einschaltung von Mittlern zwischen den Arbeitsvertragsparteien (zB Post, Botendienst, Arbeitskollege, Familienangehöriger), derjenige, der sich dieser Art der Weiterleitung seiner Erklärung bedient, das Risiko eines Unterbleibens oder einer Verzögerung des Zugangs trägt. Abgesehen davon, dass es bei der Entlassung - anders als bei einer Kündigung - auf die Einhaltung exakter Fristen und Terminen nicht ankommt, sondern nur dem Gebot der Unverzüglichkeit in dem vom Erstgericht ausführlich aufgezeigten Sinn Rechnung getragen werden muss, erhellt sich auch für das Berufungsgericht nicht, worin ein „verspäteter Zugang des Entlassungsschreibens“ begründet sein sollte. Die Beklagte gab das Entlassungsschreiben noch am Tag der Entscheidung der Entlassungskommission am Freitag, dem 21. März 2025 zur Post. Der Kläger erhielt dieses am 25. März 2025 (Dienstag), also am zweiten Werktag und innerhalb es üblichen Postenlaufs nach der Aufgabe.
Die Entlassung erweist sich schon danach als rechtzeitig. Der von der Beklagten in ihrer Berufungsbeantwortung monierten Zusatzfeststellung (zum Unfallszeitpunkt gegen 18.50 Uhr) bedarf es nicht.
Der Berufung ist sohin ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Die ordentliche Revision ist nicht zuzulassen, weil erhebliche Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu lösen waren.
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