Das Oberlandesgericht Graz hat als Berufungsgericht durch den Richter Mag. Tanczos (Vorsitz) und die Richterinnen Dr. in Steindl-Neumayr und Mag. a Binder in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geb. am **, **, vertreten durch Dr. Florian Johann Ernst Knaipp, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B* Limited , **, Malta, vertreten durch Mag. Patrick Bugelnig, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 50.387,65 samt Anhang , über die Berufung der beklagten Partei (Berufungsstreitwert: EUR 50.387,65) gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 25.07.2025, ** - 9, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 3.715,32 (darin EUR 619,22 USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig .
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte betreibt die Website **. Auf dieser Website werden in deutscher Sprache Glücksspiele, wie Blackjack, Roulette und Glücksspiele an virtuellen Automaten (sogenannte „Slot-Games“) angeboten, bei denen die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhängt. Die Beklagte verfügt als privates Unternehmen in Österreich über keine Konzession im Sinne des § 14 Glücksspielgesetz (GSpG), wohl aber über Lizenzen der maltesischen Glücksspielbehörde, der Malta Gaming Authority. Die in ** wohnhafte Klägerin spielte zwischen 19.06.2012 und 03.05.2021 die von der Beklagten online auf der Website ** zur Verfügung gestellten Glücksspiele von Österreich aus. Sie hat bei der Beklagten EUR 217.000,83 eingezahlt und Auszahlungen von EUR 166.695,35 erhalten, sodass sie einen Gesamtspielverlust von EUR 50.387,65 erlitt.
Die Klägerin fordert die Rückzahlung ihres Spielverlustes von EUR 50.387,65 samt Zinsen, den sie als Verbraucherin im Zeitraum vom 19.06.2012 und 03.05.2021 bei den von der Beklagten veranstalteten Online-Glücksspielen erlitten habe. Die Beklagte mit Sitz in Malta veranstalte Glücksspiel auf der Website ** ohne über eine notwendige Konzession nach dem anwendbaren österreichischen Glücksspielgesetz zu verfügen, weshalb die Glücksspielverträge nichtig und rückabzuwickeln seien. Das österreichische Glücksspielmonopol sei nach der Rechtsprechung der österreichischen Höchstgerichte unionsrechtskonform.
Die Beklagte beantragt die Klageabweisung und wendet im Wesentlichen ein, auf das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und ihr komme aufgrund einer Rechtswahl in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen, hilfsweise gemäß Art 4 Abs 2 Rom I -VO, ausschließlich maltesisches Recht zur Anwendung. Selbst nach österreichischem Recht bestünde der Anspruch nicht, weil die gegen das Unionsrecht verstoßenden Monopol- und Konzessionsbestimmungen des GSpG unangewendet zu bleiben hätten. Das österreichische Glücksspielmonopol sei mit dem Unionsrecht unvereinbar, weil es in die Dienstleistungsfreiheit nach Art 56 AEUV eingreife, ohne die strengen, vom EuGH dargelegten Verhältnismäßigkeits- und Kohärenzkriterien für einen solchen Eingriff zu erfüllen. Die Republik Österreich habe es bis dato verabsäumt, auf Basis belastbaren Datenmaterials nachzuweisen, dass die vorgeschobenen Rechtfertigungsgründe (Spielsucht und Beschaffungskriminalität) in Österreich überhaupt veritable Probleme darstellen würden, um den Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen zu können. Das Glücksspielmonopol sei auch wegen aggressiver Werbung des Monopolisten und wegen der unterschiedlichen Regulierung von Spielen mit demselben Gefährdungspotential inkohärent. Das österreichische Glücksspielgesetz (die Konzessions- und Monopolbestimmungen) sei daher aufgrund des unbedingten Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht anzuwenden. § 14 GSpG sei auch deshalb unanwendbar, weil eine Notifizierung der Europäischen Kommission nicht erfolgt sei. Zusammengefasst habe sie ihre Glücksspiele in Österreich auf Basis ihrer maltesischen Glücksspielkonzession rechtmäßig auf Grundlage der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit angeboten, weshalb die Glücksspielverträge weder nichtig noch rückabwickelbar seien.
Mit dem angefochtenen Urteil verpflichtete das Erstgericht die Beklagte zur Zahlung von EUR 50.387,65 zuzüglich 4 % Zinsen seit 28.04.2025 (Punkt 1.) und wies das Zinsenmehrbegehren von 4 % Zinsen aus EUR 50.387,65 vom 04.05.2021 bis 27.04.2025 ab (Punkt 2.). Es traf die eingangs zusammengefasst wiedergegebenen und weitere auf Urteilsseite 2 und 3 enthaltenen Feststellungen, auf die verwiesen wird. Rechtlich folgerte es, die Rechtswahl in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten sei nicht verbindlich und daher der Sachverhalt gemäß Art 6 Abs 1 lit b ROM I-VO 1 nach österreichischem Recht zu beurteilen. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs beurteilte das Erstgericht das im Glücksspielgesetz normierte Monopol- bzw Konzessionssystem als unionsrechtskonform und das von der Beklagten ohne Konzession nach dem Glücksspielgesetz angebotene Online-Glücksspiel als verboten, weil die Beklagte keine neuen Argumente bringe, die Anlass zu einem Abgehen von der gefestigten Rechtsprechung gäben. Da die Klägerin ihre Einsätze auf Grundlage eines unerlaubten und damit unwirksamen Glücksspielvertrags an die Beklagte geleistet habe, könne sie ihren Spielverlust in Höhe des Klagsbetrags bereicherungsrechtlich zurückfordern. Verzugszinsen stünden ihr mangels früherer Mahnung erst ab dem Tag der Zustellung der Klage am 28.04.2025 zu.
Gegen den klagestattgebenden Teil dieses Urteils (Punkt 1.) richtet sich die aus den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Berufung der Beklagten mit dem auf Klageabweisung gerichteten Abänderungsantrag. Hilfsweise stellt sie einen Verfahrensergänzungs- sowie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.
Die Klägerin beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung , der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung , über die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden konnte, ist nicht berechtigt .
A) Zur Verfahrensrüge:
1. Die Beklagte rügt die vom Erstgericht unterlassene, aber von ihr beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens aus den Fachbereichen „04.60 (Marktforschung) und 04.50 (Werbepsychologie)“ zum Beweis dafür, dass die Werbemaßnahmen der E* AG und der D* GmbH im klagsgegenständlichen Zeitraum Verbrauchern hohe Gewinne in Aussicht gestellt, die Risiken des Glücksspiels verharmlost hätten und darauf ausgerichtet gewesen seien, auch Neukunden zu akquirieren und somit den Glücksspielmarkt in Österreich zu erweitern, was dem vorgeschützten Spielerschutzargument zur Rechtfertigung des österreichischen Glücksspielmonopols zuwiderlaufe. Aufgrund dieses Stoffsammlungsmangels habe sie nicht unter Beweis stellen können, dass das österreichische Glücksspielmonopol unionsrechtswidrig sei, weil sich die Werbemaßnahmen des Monopolisten nicht im Rahmen dessen gehalten hätten, was der EuGH als zulässig erachtet. Auf Basis der damit zu treffenden Feststellungen hätte das Erstgericht zum Schluss kommen müssen, dass das österreichische System des Glücksspielmonopols den Kohärenzkriterien widerspreche, sie auf Basis ihrer maltesischen Glücksspiellizenz und der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit gemäß Art 56 ff AEUV rechtmäßig Onlineglücksspiel angeboten habe und die mit der Klägerin geschlossenen Glücksspielverträge wirksam seien.
2. Ein primärer Verfahrensmangel im Sinn des § 496 Abs 1 Z 2 ZPO könnte nur dann vorliegen, wenn das Erstgericht infolge Zurückweisung von Beweisanträgen andere als die vom Beweisführer behaupteten Tatsachen festgestellt hätte ( Pimmer in Fasching/Konecny 3 IV/1 § 496 ZPO Rz 57). In der Mangelrüge zeigt die Beklagte nicht auf, dass und inwiefern sich bei Aufnahme der angebotenen Beweise eine von den Feststellungen des Erstgerichts abweichende Sachverhaltsgrundlage ergeben hätte (RS0043039 [T5]). Damit spricht sie keinen Verfahrensmangel, sondern allenfalls rechtliche Feststellungsmängel im Sinne des § 496 Abs 1 Z 3 ZPO an, die mit der Rechtsrüge aufzugreifen und zu behandeln sind.
3. Der gerügte primäre Verfahrensmangel liegt nicht vor. Das Berufungsgericht übernimmt daher den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt und legt diesen seiner Entscheidung zugrunde (§ 498 Abs 1 ZPO).
B) Zur Rechtsrüge:
1. Die Anwendbarkeit von österreichischem materiellem Recht auf den Sachverhalt ist im Berufungsverfahren nicht weiter strittig.
2. Die Beklagte behauptet das Vorliegen einer Reihe von sekundären Feststellungsmängeln, die aus folgenden Erwägungen nicht vorliegen:
2.1. In Österreich ist gemäß § 3 GSpG das Recht zur Durchführung von Glücksspielen dem Bund vorbehalten (Glücksspielmonopol), der es durch die Vergabe von Konzessionen und Bewilligungen an private Unternehmer (Konzessionswerber) übertragen kann (§ 14 GSpG). Der Oberste Gerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass dieses im GSpG normierte Monopol- bzw Konzessionssystem bei gesamthafter Würdigung sämtlicher damit verbundener Auswirkungen (insbesondere der Werbemaßnahmen der Konzessionäre) auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben des Unionsrechts entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt (RS0130636 [T7]). Diese Rechtsprechung umfasst den gesamten hier klagsgegenständlichen Zeitraum von 19.06.2012 und 03.05.2021 (vgl 6 Ob 31/24d: Februar 2020 bis Jänner 2023; 1 Ob 182/22d: März 2013 bis Jänner 2021; 1 Ob 229/20p: 1 Ob 25/23t: November 2018 bis Dezember 2021; 7 Ob 147/23b: April 2017 bis Juli 2022, 5 Ob 30/21d: Jänner 2012 bis Dezember 2015; uva). Sie wurde jüngst in mehreren Entscheidungen wiederholt und darin ein Verstoß gegen Unionsrecht verneint (RS0130636 [T7], zuletzt 6 Ob 33/25h; 5 Ob 177/24a; uva).
2.2 . Auch wenn das Erstgericht an die dargestellte Rechtsprechung zur Frage der Unionsrechtswidrigkeit nicht gebunden, sondern – im Sinne des Einwandes der Beklagten – gefordert war, diese selbst zu prüfen, konnte es sich an der Judikatur der österreichischen Höchstgerichte orientieren. Dies hat es mangels stichhaltiger Argumente der Beklagten für eine Abkehr von dieser Rechtsprechung auch getan. Eine Bindung der Beklagten an Tatsachenfeststellungen der zitierten höchstgerichtlichen Entscheidungen wird weder vom Erstgericht noch vom Berufungsgericht angenommen.
2.3. Das Erstgericht hätte nach Ansicht der Beklagten entsprechend ihrem Vorbringen Feststellungen treffen müssen: zur Verhältnismäßigkeit der Werbepraktiken des Monopolisten, zur Verhältnismäßigkeit der Geschäftsstrategie des Monopolisten, zur Ausweitung der Geschäftstätigkeit des Monopolisten, zu den Werbepraktiken etwaiger anderer privater Wirtschaftsteilnehmer sowie zum Vorliegen von staatlicher Politik, die darauf abzielt, zur Teilnahme an dem Monopol unterliegenden Glücksspielen zu ermuntern. Aufgrund der vorgelegten Urkunden und des eingeholten (Anm.: „beantragten“) Sachverständigengutachtens hätte das Erstgericht feststellen können und müssen, dass die Werbemaßnahmen sowie die Geschäftsstrategie des Monopolisten im maßgebenden Zeitraum nicht eng auf das Erfordernis begrenzt gewesen sei, die Verbraucher zu den kontrollierten Spielnetzwerken zu lenken; dass die Werbemaßnahmen und die Geschäftspolitik des Monopolisten darauf ausgerichtet gewesen seien, den Glücksspielmarkt in Österreich auch zu Neukunden hin zu erweitern, indem das Glücksspiel verharmlost werde und auch Neukunden zum Glücksspiel ermuntert werden würden; dass die Geschäftstätigkeit des Monopolisten im maßgebenden Zeitraum stetig ausgeweitet worden sei und die Umsätze des Monopolisten stetig – deutlich über der Inflationsrate – gestiegen seien; dass aggressive Werbemaßnahmen privater – nicht konzessionierter – Glücksspielanbieter im interessierenden Zeitraum nicht vorgelegen seien; dass die staatliche Politik darauf abziele, zur Teilnahme an dem Monopol unterliegenden Glücksspielen zu ermuntern.
2.4. Um das Ziel, die Spieltätigkeiten in kontrollierbare Bahnen zu lenken, zu erreichen, müssen die zugelassenen Anbieter eine verlässliche und zugleich attraktive Alternative zu den nicht geregelten Tätigkeiten bereitstellen, was an und für sich das Anbieten einer breiten Palette von Spielen, Werbung in einem gewissen Umfang und den Einsatz neuer Vertriebstechniken beinhalten kann (EuGH Rs C-347/09, Dickinger und Ömer, Rn 64; Rs C 920/19 Fluctus und Fluentum , Rn 39; VwGH Ro 2015/17/0022). Es ist demnach nicht grundsätzlich bedenklich, wenn Monopolinhaber und Konzessionäre neue Spiele anbieten und ihre Dienstleistungen bewerben, um am Glücksspielmarkt – im Verhältnis zu privaten, nicht konzessionierten Glücksspielanbietern – attraktiv zu bleiben und nicht als legale Alternative verdrängt zu werden. Für die Beurteilung der Kohärenz der Organisation des Glücksspielmarkts wären auch die Werbepraktiken etwaiger privater Wirtschaftsteilnehmer (wie aggressive Werbemaßnahmen privater Anbieter zugunsten rechtswidriger Aktivitäten oder die Heranziehung neuer Medien wie des Internets durch private Anbieter) zu berücksichtigen (EuGH C 920/19 Fluctus, Rn 36, 50 ff; vgl auch VwGH 16.03.2016, Ro 2015/17/0022), weil Werbeaktivitäten der Konzessionäre im maßgeblichen Zeitraum als Reaktion auf Werbeaktivitäten der illegalen Anbieter erfolgt sein können, um die Verbraucher zu ihrem Angebot zu lenken (10 Ob 52/16v [Punkt II.6.4]).
Die von der Beklagten ins Treffen geführten Zwecke der Werbemaßnahmen der Konzessionäre führen auch nach Ansicht des EuGH nicht schon dazu, dass eine der Dienstleistungsfreiheit nach Art 56 AEUV entgegenstehende Inkohärenz von das Glücksspielangebot beschränkenden Maßnahmen anzunehmen wäre (EuGH C-920/19, Fluctus und Fluentum , Rn 52 f; OGH 1 Ob 229/20p; 3 Ob 200/21i mwN). Der Oberste Gerichtshof ging in seinem Beschluss vom 30.03.2016 zu 4 Ob 31/16m – den Behauptungen der Beklagten entsprechend – ebenso davon aus, dass die Werbung der Konzessionäre auch den Zweck verfolgt, Personen zur aktiven Teilnahme am Spiel anzuregen, die bisher nicht ohne weiteres zu spielen bereit waren, dass durch zugkräftige Werbebotschaften die Anziehungskraft angebotener Spiele erhöht und neue Zielgruppen zum Spielen angeregt werden sollten und dass die Werbung laufend ausgedehnt wurde. Dennoch erachtete er das im GSpG vorgesehene Monopol-/Konzessionssystem als unionsrechtskonform (RS0130636 [T1-T4]; insb OGH 22.11.2016, 4 Ob 31/16m; auf diesen Umstand hinweisend auch 9 Ob 20/21p). Warum davon abgegangen werden soll, vermag die Beklagte in diesem Verfahren nicht darzulegen.
Die Behauptung, dass die Werbemaßnahmen der Konzessionäre auf eine Erweiterung des Glücksspielmarktes (auf Neukunden) abzielen, blieb inhaltsleer und damit nicht überprüfbar. Im Übrigen kann nicht jedem Werbeinhalt per se eine zu übermäßigen Spielausgaben verleitende Wirkung unterstellt werden. Eine isolierte Prüfung einer individuellen Werbung ist nicht impliziert (EuGH C-920/19, Fluctus und Fluentum , Rn 47). Eine isolierte Betrachtung konkreter Werbetätigkeiten einzelner Konzessionäre – wie sie die Beklagte vornimmt – greift bei der geforderten gesamthaften Würdigung aller Auswirkungen auf dem Glücksspielmarkt im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union demnach zu kurz (VfGH E 945/2016 Rn 2.4.4.). Schon deshalb liegen die von der Beklagten behaupteten Feststellungsmängel in Bezug auf das Werbeverhalten des Glücksspielmonopolisten oder konzessionärs (im Sinne des § 496 Abs 1 Z 3 ZPO) nicht vor.
2.5. Die vom Inhaber des Monopols verfolgte Geschäftspolitik und dessen Werbepraktiken sind bei der Prüfung, ob das Monopol tatsächlich in der Lage ist, die mit ihm beabsichtigten Ziele in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen, nicht die einzigen relevanten Gesichtspunkte (EuGH C-920/19, Fluctus und Fluentum , Rn 48 ff). Die Beklagte, die nur einzelne Aspekte der Kohärenzprüfung oberflächlich beleuchtet, vermag ohne eine gesamthafte Darstellung und Würdigung aller Auswirkungen auf den (gesamten) Glücksspielmarkt und ohne Berücksichtigung seiner Entwicklung im klagsgegenständlichen Zeitraum im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die nicht wirksame Verfolgung der mit der Glücksspielregulierung verfolgten Ziele und damit ihre Unionswidrigkeit nicht aufzuzeigen. Schon deshalb liegen die von ihr behaupteten Feststellungsmängel (im Sinne des § 496 Abs 1 Z 3 ZPO) in Bezug auf die Werbemaßnahmen der Konzessionäre nicht vor (vgl 5 Ob 69/23t; 6 Ob 152/22d; 2 Ob 221/22x).
Auch eine Politik der kontrollierten Expansion von Glücksspieltätigkeiten kann mit dem Ziel in Einklang stehen, diese in kontrollierbare Bahnen zu lenken. Dadurch können Spieler, die verbotenen geheimen Spieltätigkeiten nachgehen, veranlasst werden, zu erlaubten und geregelten Tätigkeiten überzugehen. Eine solche Politik kann sowohl mit dem Ziel, die Ausnutzung von Glücksspieltätigkeiten zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken zu verhindern, als auch mit dem Ziel der Vermeidung von Anreizen für übermäßige Spielausgaben und der Bekämpfung der Spielsucht im Einklang stehen, indem die Verbraucher zum Angebot des Inhabers des staatlichen Monopols gelenkt werden. Bei diesem kann nämlich – so ausdrücklich der EuGH (C-920/19, Fluctus und Fluentum , Rn 38) – davon ausgegangen werden, dass es frei von kriminellen Elementen und darauf ausgelegt ist, die Verbraucher besser vor übermäßigen Ausgaben und Spielsucht zu schützen (VwGH 16.03.2016, Ro 2015/17/0022).
Eine Ausweitung der Geschäftstätigkeit des Inhabers des Glücksspielmonopols erfordert zwar besondere Aufmerksamkeit bei der Prüfung des kohärenten und systematischen Charakters der fraglichen Regelung, eine solche notwendige Ausweitung (Erhöhung des Marktanteils) könnte sich aber ebenso gut aus einer Lenkung der illegalen Tätigkeiten hin zu den kontrollierten Spielnetzen ergeben. Für die Beurteilung der Kohärenz des dualen Systems der Organisation des Glücksspielmarkts wären zudem die Werbepraktiken etwaiger privater Wirtschaftsteilnehmer (wie aggressive Werbemaßnahmen privater Anbieter zugunsten rechtswidriger Aktivitäten oder die Heranziehung neuer Medien wie des Internets durch private Anbieter) zu berücksichtigen (C 920/19 Fluctus, Rz 50 ff). Gerade Werbemaßnahmen der Konzessionäre können (als Lenkungsmaßnahme) ein notwendiges Mittel zur Zielerreichung sein (vgl VfGH E 945/2016 Rn 2.3; VwGH 23.02.2024, Ro 2021/17/0010; VwGH 16.11.2018, Ra 2017/17/0947). Das GSpG kann sich daher selbst bei Hinweisen auf das Vorliegen einer expansionistischen Geschäftspolitik der Konzessionäre – etwa durch das Glücksspiel verharmlosende Werbung – nach der Rechtsprechung des EuGH im Rahmen der Gesamtwürdigung als mit dem Unionsrecht in Einklang stehend erweisen (VwGH 23.02.2024, Ro 2021/17/0010). Konkretes, auf den gesamten Spielzeitraum der Klägerin bezogenes Tatsachenvorbringen, das – unterstellt man seine Richtigkeit – bei gesamthafter Würdigung der Auswirkungen der Werbemaßnahmen auf den Glücksspielmarkt auf eine Unionsrechtswidrigkeit des Konzessionssystems hindeuten würde, hat die Beklagte in erster Instanz nicht erstattet. Es bedurfte daher keiner ergänzenden Feststellungen (RS0053317 [T2]).
2.6. Eine Gleichbehandlung von Glücksspielen online („VLT“) und offline ist nach der Rechtsprechung des EuGH „nicht in vollem Umfang“ geboten, weil das Anbieten von Glücksspielen über das Internet von Besonderheiten geprägt ist (EuGH C-46/08, Carmen Media , Rn 101 ff mwN; vgl auch 3 Ob 72/21s). So hat der EuGH zum Ausdruck gebracht, dass von Online-Glücksspielen im Vergleich zu herkömmlichen Glücksspielen ein größeres Gefahrenpotential ausgeht (C-42/07, Liga Portuguesa , Rn 70; C-46/08, Carmen Media , Rn 102 f; C-3/17 Sporting Odds , Rn 41). Deshalb gelangte der Oberste Gerichtshof zur vom Berufungsgericht geteilten Ansicht, dass für Online-Glücksspiele – von der Beklagten kritisierte – restriktivere Maßnahmen unionsrechtlich zulässig sind (1 Ob 135/21s; 3 Ob 106/21s).
Die Beklagte leitet die Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols wegen horizontaler Inkohärenz auch aus der unterschiedlichen Behandlung von Online-Sportwetten und Online-Glücksspielen trotz desselben Gefährdungspotentials ab. Der Verwaltungsgerichtshof berücksichtigte in seinem zu Ra 2018/17/2048 ergangenen Erkenntnis – im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung des österreichischen Monopol- bzw Konzessionssystems – auch die unterschiedlichen Beschränkungen des Angebots von Online-Sportwetten und Online-Glücksspielen, schloss daraus aber nicht auf eine Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielrechts, zumal nach den landesgesetzlichen Regelungen auch Sportwetten nicht vollständig liberalisiert seien. Anknüpfend daran hielt der Oberste Gerichtshof dazu fest, dass der Rechtsprechung des EuGH nicht zu entnehmen ist (vgl Carmen Media Group , Rn 63, wonach der Umstand, dass von verschiedenen Arten von Glücksspielen einige einem staatlichen Monopol und andere anderen Regulierungsvorschriften unterliegen, für sich genommen nicht dazu führt, dass diese gesetzlichen Maßnahmen ihre Rechtfertigung verlieren), dass nationale Beschränkungen des Angebots von Sportwetten und „herkömmlichem“ Glücksspiel gänzlich ident sein müssten (8 Ob 129/23p mwN; 1 Ob 229/20p). Eine unterschiedliche (bundes- und landesgesetzliche) Regulierung von Online-Sportwetten und Online-Glücksspielen steht der Unionsrechtskonformität des Glücksspielmonopols nach der auf der Rechtsprechung des EuGH (vgl EuGH C-46/08, Carmen Media , Rn 63) fußenden Judikatur des VwGH (Ra 2018/17/0048, Rz 88 ff) und des OGH (5 Ob 30/21d mwN) nicht entgegen, ebensowenig die unterschiedliche Regulierung des Spielautomatenbereichs (VwGH Ra 2018/17/0048, Rz 41 ff). Die Berufung der Beklagten auf tatsächliche Umstände in Deutschland (Beilagen ./17 bis ./19) ist im Übrigen nicht geeignet, eine fehlende sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Regulierung von Online-Sportwetten und Online-Glücksspiel in Österreich und die Unionsrechtswidrigkeit der österreichischen Glücksspielregulierung darzulegen.
2.7. Die Beklagte bringt vor, der Staat Österreich wäre seiner Darlegungs- und Nachweispflicht zur „Erforderlichkeit des Glücksspielmonopols“ nicht nachgekommen, wozu das Erstgericht keine Feststellungen getroffen habe. Da es sich hier um ein Verfahren zwischen privaten Rechtssubjekten handelt, sind die in Judikaten des EuGH zu Verwaltungs- bzw Strafverfahren getroffenen Aussagen über die Darlegungspflicht des Staates nicht heranzuziehen (2 Ob 243/12t [Punkt VII.3.]). Aus den zitierten Entscheidungen des EuGH, C-685/15, Onlinegames , C-390/12, Pfleger , und C-347/09, Dickinger und Ömer , ist für den Standpunkt der Beklagten in einem Zivilverfahren, in dem – anders als in den dort zugrundeliegenden Verwaltungsstrafverfahren bzw Strafverfahren – der Grundsatz der Amtswegigkeit nicht gilt, nichts gewonnen und der von ihr geforderte Schluss (Unanwendbarkeit des österreichischen Glücksspielmonopols) nicht zu ziehen. Das Argument der Beklagten ist daher nicht zielführend. Nach der allgemeinen Regel der Beweislastverteilung im Zivilprozess hat jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu behaupten und zu beweisen (RS0037797). Sie gilt auch bei der Frage der von der Beklagten eingewandten Unionsrechtswidrigkeit der österreichischen Glücksspielregulierung: Grundsätzlich ist die Vereinbarkeit von nationalem Recht mit Unionsrecht als Rechtsfrage von Amts wegen zu prüfen, sodass sich Fragen zu einer Darlegungspflicht (Behauptungslast) nicht stellen. Können aber bei Regelungen, bei denen – wie hier – sowohl der Wortlaut und als auch die erklärte Zielsetzung des Gesetzgebers gegen die Annahme eines Unionsrechtsverstoßes sprechen, ausnahmsweise tatsächliche Umstände zu einem anderen Ergebnis führen, hat sich diese Prüfung an diesbezüglichen Parteienbehauptungen zu orientieren. Dabei trifft die Beklagte die Verpflichtung zur Behauptung entsprechender Tatsachen, weil es sich beim Einwand der Unionsrechtswidrigkeit um eine anspruchsvernichtende Einwendung handelt (RS0129945) und auf den vom EuGH anerkannten Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Bedacht zu nehmen ist (3 Ob 200/21i [Rz 6] mwN; 7 Ob 102/22h [Rz 6] mwN). Die Prüfpflicht des Gerichts setzt dann ein, wenn sich aus dem Tatsachenvorbringen der Parteien konkrete Anhaltspunkte für eine bestimmte unionsrechtliche Problematik ergeben (7 Ob 102/22h mwN). Ein die Berufung stützender sekundärer Feststellungsmangel ist hier nicht erkennbar. Die Beklagte legt auch nicht dar, die Feststellung welcher von ihr konkret behaupteten Tatsachen sie zur rechtlichen Beurteilung der Erforderlichkeit der Glücksspielregulierung in Österreich vermisst.
2.8. Eine Verpflichtung zur Notifizierung der Bestimmung des die Konzessionsvergabe regelnden § 14 GSpG idF des BudgetbegleitG 2011, BGBL I 2010/111, nach Maßgabe der Richtlinie 98/34/EG idF der Richtlinien 98/48/EG und 2006/96/EG hat der Oberste Gerichtshof unter Zugrundelegung einschlägiger Judikatur des EuGH bereits mehrfach unter Zugrundelegung der einschlägigen Judikatur des EuGH verneint (3 Ob 200/21i [Rz 8 ff]; 4 Ob 223/21d; 4 Ob 200/21x mwN; 6 Ob 203/21b; 7 Ob 213/21f; 6 Ob 226/21k [Rz 8] mwN). Auf die ergänzend begehrte Feststellung, dass eine Notifikation der Europäischen Kommission über die Änderungen des § 14 GSpG durch das Budgetbegleitgesetz 2011 nie erfolgt sei, kommt es daher aus rechtlichen Erwägungen nicht an.
2.9. Zusammenfassend ist mangels neuer, stichhaltiger Argumente der Beklagten weiterhin davon auszugehen, dass das österreichische Glücksspielmonopol- und Konzessionssystem im GSpG im Spielzeitraum der Klägerin nicht gegen Unionsrecht verstößt. Einer Ergänzung der Tatsachengrundlage bedarf es nicht, weil die Feststellung der von der Beklagten behaupteten Tatsachen zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung führen würden.
3. Die Beklagte argumentiert, selbst die Vereinbarkeit des Glücksspielmonopols mit dem Unionsrecht könne zu keinem Rückforderungsanspruch der Klägerin führen. Glücksspielverträge seien nämlich zulässig, weil das ABGB solche Verträge als eine eigene Vertragsgattung erfasse (§§ 1267 bis 1274 ABGB). Die fehlende Konzession könne zu keinem Inhaltsverbot, sondern allenfalls nur zu einem (hier irrelevanten) Abschlussverbot führen. Daher seien die Glücksspielverträge wirksam zustande gekommen. Die Argumentation der Beklagten widerspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.
3.1. Ausspielungen, für die eine Konzession oder Bewilligung nach dem GSpG nicht erteilt wurde, sind verboten (§ 2 Abs 4 GSpG). Mangels Glücksspielkonzession der Beklagten in Österreich waren die von ihr online angebotenen Glücksspiele verboten.
3.2. Nach der Rechtsprechung sind Verträge, die – wie hier – zur Durchführung eines verbotenen Glücksspiels abgeschlossen werden, nichtig im Sinne des § 879 Abs 1 ABGB (8 Ob 21/24g = RS0134919; 6 Ob 229/21a [Rz 21]; 3 Ob 197/21y [Rz 13]; 3 Ob 44/22z [Rz 14]; 2 Ob 138/22s [Rz 29]; 7 Ob 155/23d [Rz 18]).
3.3. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist daher auch der Vertrag, mit dem sie – insoweit unstrittig – ohne (inländische) Konzession der Klägerin die Teilnahme an Online-Glücksspielen auf ihrer Website in Österreich ermöglichte, nach § 879 Abs 1 ABGB absolut nichtig (RS0134919). Verbotene Spiele erzeugen nicht einmal eine Naturalobligation (RS0102178 [T6]). Der Verlierer kann die gezahlte Wett- oder Spielschuld zurückfordern, ohne dass dem die Bestimmung des § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB oder § 1432 ABGB entgegenstünde, weil die Leistung nicht „zur Bewirkung“ der unerlaubten Handlung, sondern als „Einsatz“ erbracht wurde bzw um am Spiel teilzunehmen (6 Ob 50/22d; 1 Ob 182/22d mwN; 6 Ob 32/23h; 4 Ob 115/23z; 8 Ob 21/24g mwN). Den Rückforderungsanspruch zu verweigern, widerspräche dem Zweck von Glücksspielverboten (RS0025607 [T1]; jüngst: 6 Ob 70/25z; 10 Ob 10/23b mwN; 6 Ob 77/23a, 6 Ob 32/23h, 6 Ob 50/22d; uva). Der Spielverlust aus dem verbotenen Glücksspiel kann demnach bereicherungsrechtlich zurückgefordert werden (stRsp: RS0025607 [T1]; RS0134152 [T4]; 8 Ob 21/24g mwN).
C) Kosten, Zulassung
Die Berufung bleibt aus den genannten Gründen erfolglos.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat der Klägerin die nach dem RATG richtig verzeichneten Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig, weil zu den interessierenden Rechtsfragen eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs aus zum Teil allerjüngster Zeit vorliegt.
Rückverweise
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