Das Oberlandesgericht Graz hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Kraschowetz-Kandolf (Vorsitz), die Richter Mag. Russegger und Mag. Reautschnig sowie die fachkundigen Laienrichter:innen Färber (aus dem Kreis der Arbeitgeber:innen) und Zimmermann (aus dem Kreis der Arbeitnehmer:innen) als weitere Senatsmitglieder in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A* , **, vertreten durch Mag. Gerlinde Goach, Rechtsanwältin in Graz , gegen die beklagte Partei B* , **, vertreten durch Mag. Helfried Schaffer, Rechtsanwalt in Gleisdorf, wegen (restlich) EUR 4.933,61 samt Anhang , über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 13. Jänner 2025, GZ **-24, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 877,39 (darin EUR 146,23 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Die Revision ist nicht nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig.
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nur der Anspruch der Klägerin auf Kündigungsentschädigung für den Zeitraum 28. Oktober bis 31. Dezember 2023.
Die Klägerin war seit Juni 2023 bis zum 27. Oktober 2023 als Reinigungskraft bei der Beklagten beschäftigt. Das Dienstverhältnis endete durch Dienstgeberkündigung, wobei die Beklagte eine Kündigungsfrist von vierzehn Tagen einhielt.
Auf das Dienstverhältnis war der Kollektivvertrag für Arbeiterinnen im Hotel- und Gastgewerbe anzuwenden.
Es kann nicht festgestellt werden, ob im fachlichen Anwendungsbereich des Kollektivvertrages für Arbeiter:innen im Hotel- und Gastgewerbe die Anzahl der Saisonbetriebe überwiegt.
Die Klägerin begehrt eine Kündigungsentschädigung von EUR 4.933,61 sA.
Sie begründet ihre Ansprüche, die Beklagte habe das Arbeitsverhältnis termin- und fristwidrig gekündigt. Tatsächlich habe die Beklagte gemäß § 1159 Abs 2 ABGB nur zum Ablauf eines Kalendervierteljahres unter Einhaltung einer sechswöchigen Kündigungsfrist kündigen dürfen. Der Ausnahmetatbestand des § 1159 Abs 2 ABGB liege nicht vor, weil es sich nicht um eine Saisonbranche handle.
Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen.
Sie wendet ein, das Hotel- und Gastgewerbe sei eine Branche, in der Saisonbetriebe im Sinne des § 53 Abs 6 ArbVG, BGBl. Nr. 22/1974 überwiegen. Der Ausnahmetatbestand des § 1159 Abs 2 ABGB sei erfüllt. Daher betrage die Kündigungsfrist für unbefristete Arbeitsverhältnisse laut § 21a Kollektivvertrag nur 14 Tage. Die Kündigung sei fristgerecht erfolgt. Die Klägerin trage die Beweislast für die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit der Kollektivvertragsbestimmung.
Das Erstgericht weist das Klagebegehren ab.
Es folgert rechtlich, n ach den allgemeinen Beweislastregeln trage der Arbeitnehmer, der vom Arbeitgeber unter Berufung auf eine kollektivvertragliche Kündigungsfrist gekündigt worden sei und der unter Berufung auf die gesetzliche Kündigungsfrist des § 1159 Abs 2 ABGB Kündigungsentschädigung beanspruche, im Prozess die Beweislast dafür, dass es sich um keine Branche handle, in der Saisonbetriebe überwiegen. Könne - wie hier - nicht festgestellt werden, ob Saisonbetriebe überwiegen (non liquet), so seien die im Kollektivvertrag festgelegten Kündigungsfristen anzuwenden. Es bestehe daher kein Anspruch auf eine Kündigungsentschädigung.
Gegen das Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin aus dem Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Sie beantragt, das Urteil abzuändern, der Klage stattzugeben und stellt hilfsweise einen Aufhebungsantrag.
Die Beklagte beantragt in der Berufungsbeantwortung , der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung , über die gemäß § 480 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden konnte, ist nicht berechtigt.
1. Die Mängelrüge wendet sich zwar gegen den nach § 179 ZPO ergangenen Beschluss, mit dem das Erstgericht neues, in der mündlichen Verhandlung am 13. Jänner 2025 erstattetes Vorbringen zum Nichtüberwiegen von Saisonbetrieben und den damit zusammenhängenden Beweisantrag (ON 22.5) zurückwies, zeigt soweit aber nicht nachvollziehbar auf, warum dieser Beschluss unrichtig sein soll.
1.1. Das Erstgericht begründet die Zurückweisung ausführlich (Urteilsseite 3 bis 5), soweit die Klägerin in der Tagsatzung vom 13. Jänner 2025 ein ergänzendes Tatsachenvorbringen und Beweisanbot erstattet habe (ON 22.5), sei beides wegen des Verstoßes gegen die Prozessförderungspflicht unzulässig. Mit den Parteien sei bereits in der Tagsatzung vom 23. September 2024 (ON 19.2) ausführlich die Sach- und Rechtslage zur Beweispflicht, ob es sich im Anlassfall um eine Saisonbranche handle, erörtert worden. Dabei sei auch besprochen worden, wie viel ein Sachverständigengutachten koste und sei den Parteien der Erlag eines Kostenvorschusses aufgetragen worden, den beide Parteien nicht erlegt hätten. Das Tatsachenvorbringen und der damit verbundene Beweisantrag, den Zeugen C*, Wirtschaftskammer Österreich, Bundessparte Tourismus und Freizeitwirtschaft dazu einzuvernehmen, hätte bereits zu einem früheren Zeitpunkt erfolgen können. Gerade wegen der umfassenden Erörterung sei der Verstoß gegen die Prozessförderungspflicht auch als grob schuldhaft zu werten. Da die Ladung des Zeugen eine sonst nicht mehr erforderliche zusätzliche Tagsatzung nötig gemacht hätte, hätte die Zulassung des Vorbringens und des Beweisantrages eine erhebliche Verfahrensverzögerung verursacht. Im Übrigen könne die Einvernahme eines Zeugen zur Frage, ob es sich um eine Saisonbranche handle, ein Sachverständigengutachten nicht ersetzen. Es könne daher nicht festgestellt werden, ob Saisonbetriebe überwiegen.
1.2. Gemäß § 178 Abs 1 ZPO hat jede Partei in ihren Vorträgen alle im einzelnen Fall zur Begründung ihrer Anträge erforderlichen tatsächlichen Umstände der Wahrheit gemäß vollständig und bestimmt anzugeben, die zur Feststellung ihrer Angaben nötigen Beweise anzubieten, sich über die von ihrem Gegner vorgebrachten tatsächlichen Angaben und angebotenen Beweise mit Bestimmtheit zu erklären, die Ergebnisse der geführten Beweise darzulegen und sich auch über die bezüglichen Ausführungen ihres Gegners mit Bestimmtheit auszusprechen. Jede Partei hat ihre Vorträge so zeitgerecht und vollständig zu erstatten, dass das Verfahren möglichst rasch durchgeführt werden kann (Prozessförderungspflicht - § 178 Abs 2 ZPO). Die Parteien sollen jedes Vorbringen und jeden Beweisantrag so schnell wie möglich und nicht bloß „scheibchenweise“ erstatten. Jedoch darf eine zügige Erledigung nicht durch unnötiges, „aufgeblähtes“ Vorbringen erschwert werden. Als Sanktion ist allen voran die Möglichkeit der Zurückweisung verspäteten Vorbringens vorgesehen, wenn der Verstoß den Tatbestand von § 179 ZPO erfüllt (Kodek/Oberhammer, ZPO-ON § 178 ZPO Rz 16, 17 (Stand 9.10.2023, rdb.at)). Nach § 179 ZPO können die Parteien zwar bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung neue auf den Gegenstand dieser Verhandlung bezügliche tatsächliche Behauptungen und Beweismittel vorbringen. Solches Vorbringen kann aber vom Gericht auf Antrag oder von Amts wegen zurückgewiesen werden, wenn es, insbesondere im Hinblick auf die Erörterung des Sach- und Rechtsvorbringens (§ 182a), grob schuldhaft nicht früher vorgebracht wurde und seine Zulassung die Erledigung des Verfahrens erheblich verzögern würde. Grobes Verschulden wird bei Vorliegen einer objektiv groben Verletzung der Prozessförderungspflicht vermutet, soweit nicht schon aktenkundige Gesichtspunkte dagegen sprechen. Es liegt an der Partei darzutun, dass ihr Verhalten lediglich leicht fahrlässig oder überhaupt nicht schuldhaft ist (Annerl in Fasching/Konecny
1.3. Die Klägerin begründet aber in der Mängelrüge nicht, warum sie das Vorbringen und den Beweisantrag erst in der abschließenden Tagsatzung präsentierte. Daraus ergibt sich jedenfalls die grob schuldhafte Verspätung des Vorbringens. Es hat sich seit der Erörterung nichts Entscheidendes verändert. Eine Zurückweisung darf zwar nur dann ergehen, wenn das neue (verspätete) Vorbringen auch geeignet ist, eine erhebliche Verzögerung des Prozesses herbeizuführen, so, wenn das Vorbringen neue Beweisaufnahmen notwendig macht, die eine zusätzliche Tagsatzung oder zeitaufwändige Erhebungen erfordern (vgl RS0036877 ; 3Ob61/07b ; Annerl in Fasching/ Konecny³ II/3 § 179 ZPO Rz 78). Die Klägerin legt aber auch nicht dar, dass sich durch die Einvernahme des Zeugen keine solche Verzögerung ergeben hätte. Jedenfalls hätte aber die Zulassung dieses Vorbringen ein entsprechendes Gegenvorbringen und Beweisanbot der Beklagten zu dessen Bestreitung provoziert (vgl Fucik in Rechberger/Klicka ZPO 5 § 179 Rz 5).
1.4. Dass die Klägerin aus Kostengründen den in der Verhandlung am 23. September 2024 aufgetragten Kostenvorschuss nicht erlegte und daher kein Sachverständigengutachten eingeholt wurde, kann keinen Verfahrensmangel begründen, weil nur Gerichtsfehler Verfahrensmängel sein können ( G. Kodek in Kodek/Oberhammer, ZPO-ON § 496 ZPO Rz 21 (Stand 9.10.2023, rdb.at)). Worin aber ein Gerichtsfehler liegen soll, wenn ein Sachverständigengutachten nicht eingeholt wurde, nachdem die Parteien den Beschluss, mit dem der Erlag des EUR 4.000,00 übersteigenden Kostenvorschusses aufgetragen wurde, unangefochten (vgl Spitzer in Kodek/Oberhammer, ZPO-ON § 365 ZPO Rz 6 (Stand 9.10.2023, rdb.at) gelassen und den damit rechtskräftig auferlegten Kostenvorschuss nicht erlegt hatten (§§ 332 Abs 2, 365 ZPO), zeigt die Klägerin nicht nachvollziehbar auf. Soweit sie sich dazu erstmals in der Berufung (vgl Punkt I.3.) auf das Gutachten des Sachverständigen MMag. D* (**, Landesgerichtes Wiener Neustadt) beruft, verstößt dieses Vorbringen gegen das Neuerungsverbot, das für die qualifiziert vertretene Klägerin auch in Arbeitsrechtssachen gilt (§§ 40 ASGG, § 63 ASGG; vgl RS0085785 ; RS0085822 ). Warum dieser Umstand ein früheres Tatsachvorbringen samt Beweisantrag überhaupt verhinderte, begründet die Mängelrüge auch nicht.
1.5. Auch wenn die Mängelrüge behauptet, dass der Wirtschaftskammer Österreich sämtliche statistische Zahlen im Tourismus und der Freizeitwirtschaft vorliegen und sie sich dazu auf Beilagen zur Berufung (vgl. Beilagen ./G und ./H, jeweils Seite 8) stützt, welchen zu entnehmen sei, dass 2023 in Österreich 30.057 Gastronomiebetriebe und 14.872 Hotelleriebetriebe existierten, und dass daher das beantragte Beweismittel tauglich gewesen wäre, im Sinn des Klagevorbringens zu beweisen, dass es sich beim Hotel- und Gastgewerbe um keine Saisonbranche handelt, stellt sie auch damit nicht nachvollziehbar dar ( RS0043049 [T6]), wie die Einvernahme des Zeugen, der nur über Tatsachen berichten, keine Erfahrungssätze anwenden, nicht schlussfolgern, beurteilen oder ableiten darf und sich daher auf die Wiedergabe seiner Wahrnehmungen beschränken muss (vgl Spitzer in Kodek/Oberhammer, ZPO-ON Vor §§ 320 ff ZPO Rz 1 (Stand 9.10.2023, rdb.at)) zum Beweis der behaupteten Tatsache führen hätte sollen. Der Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist aber nur dann gegeben, wenn der behauptete Verstoß gegen ein Verfahrensgesetz abstrakt geeignet war, eine erschöpfende und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern ( RS0043049 , RS0043027 ).
Das Erstgericht hat daher mit zutreffender Begründung (§§ 526, 500 a ZPO) das neue Vorbringen und den Beweisantrag zurückgewiesen.
2. Der Oberste Gerichtshof hat die hier zu beurteilende Rechtsfrage mit Beschluss vom 19. September 2024 grundlegend beantwortet ( 9ObA57/24h ). Die Klägerin erhebt keine Rechtsrüge. Das Berufungsgericht kann auf den Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung aber nur eingehen, wenn er dem Gesetz gemäß ausgeführt wird, wenn also das angefochtene Urteil unter Zugrundelegung des von ihm festgestellten Sachverhaltes als unrichtig bekämpft wird ( RS0041585 ; RS0043603 ; RS0043338 [T32] ).
Die Berufung bleibt daher erfolglos.
3. Die Kostenentscheidung im Berufungsverfahren stützt sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG.
4. Die Bestätigung des erstgerichtlichen Zurückweisungsbeschlusses ist gemäß § 528 Abs 1 Z 1 ZPO unanfechtbar ( RS0036890 [ T2]; RS0036897 ). Da keine Rechtsfragen zu beurteilen waren, liegt auch keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO vor. Es besteht kein Anlass, die ordentliche Revision zuzulassen.
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