Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richterin Mag a . Berzkovics (Vorsitz) und die Richterinnen Mag a .Schadenbauer-Pichler und Mag a . Kohlroser in der Strafsache gegen A* wegen der Vergehen unbefugter Bildaufnahmen nach § 120a Abs 1 StGB über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Leoben gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben vom 23. Juli 2024, AZ 15 HR 69/24w (ON 13 der Ermittlungsakten AZ 69 BAZ 806/24t der Staatsanwaltschaft Leoben), in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss in seinem Punkt 1. aufgehoben .
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.
Begründung:
Die Staatsanwaltschaft Leoben führt zu AZ 69 BAZ 806/24t ein Ermittlungsverfahren gegen den am ** geborenen österreichischen Staatsangehörigen A* wegen des Verdachts unbefugter Bildaufnahmen nach § 120a Abs 1 StGB.
Mit Beschluss vom 27. Juni 2024 bewilligte das Landesgericht Leoben die Anordnung der Durchsuchung der Wohnräumlichkeiten des A* an der Adresse **, samt allfälliger Keller- und Nebenräumlichkeiten (Punkt I.1). Hinsichtlich der Punkt I.2. betreffenden Sicherstellung (Sicherstellung sämtlicher Mobiltelefone, Tablets, Computer und sonstiger Datenverarbeitungsgeräte und elektronischer Speichermedien inklusive Online-Speicher des Beschuldigten) erfolgte keine gerichtliche Bewilligung (ON 4, 3).
Laut Begründung der staatsanwaltschaftlichen Anordnung stehe A* im Verdacht, er habe im Zeitraum von 23. Juni 2024 bis 26. Juni 2024 in ** und ** absichtlich Bildaufnahmen der Genitalien, der Schamgegend, des Gesäßes, der weiblichen Brust oder der diese Körperstellen bedeckenden Unterwäsche anderer Personen, die sich in einer Wohnstätte befinden, ohne deren Einwilligung hergestellt, indem er im Wohnbereich eines von ihm an Urlauber vermieteten Appartements eine als Wecker getarnte Kamera aufstellte, welche auf die dort im Wohnbereich befindliche Sauna und die Couch gerichtet war, und auf diese Weise mehrmals Nacktaufnahmen der B* und des C* herstellte, als diese die Sauna benutzten.
Der Tatverdacht wurde auf die Erhebungsergebnisse der PI **, insbesondere auf die Angaben der Anzeiger B* und C* vor Ort sowie die eigene dienstliche Wahrnehmung der einschreitenden Polizeibeamten, welche die gegenständliche Kamera sicherstellen konnten, gestützt. Nur durch die Auswertung der sicherzustellenden Gegenstände könne – laut Anordnung - festgestellt werden, ob der Beschuldigte (noch) im Besitz von unbefugt angefertigten Bildaufnahmen der B* und des C* sei. Darüber hinaus bestehe aufgrund der Art und Weise der gegenständlichen Tatbegehung (Erwerb und Einrichtung einer getarnten Kamera) der Verdacht, dass der Beschuldigte auch andere Opfer beim Saunagang gefilmt haben könnte. Insofern diene die Anordnung auch der Ausforschung weiterer Opfer (ON 4,3).
Die Staatsanwaltschaft Leoben ordnete am 27. Juni 2024 die Durchführung der gerichtlich bewilligten Anordnung an (ON 4, 3). Die Durchsuchung wurde noch am selben Tag in **, vollzogen (ON 9.2) und diverse Gegenstände sichergestellt (ON 9.1 und 9.2).
Mit Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 15. Juli 2024, AZ 9 Bs 171/24a, wurde der Beschwerde des Beschuldigten, insoweit sie sich gegen die Anordnung der Sicherstellung richtete, als unzulässig zurückgewiesen. Im Übrigen wurde der sich gegen die Bewilligung der Durchsuchung richtenden Beschwerde nicht Folge gegeben.
Am 3. Juli 2024 übermittelte der Beschuldigte elektronisch einen Einspruch wegen Rechtsverletzung und begründete diesen - zusammengefasst - damit, dass die Anordnung der Sicherstellung nicht gerichtlich bewilligt worden sei, sich in den Akten kein Vermerk über ein mit der Staatsanwaltschaft geführtes Telefonat über eine mündliche Anordnung fände, wiewohl „pikant“ sei, dass dem Beschuldigten – nach über einer Stunde Anwesenheit in der Amtsstube der PI ** – suggeriert wurde, dass sie eine mündliche Anordnung der am 28.6.2024 diensthabenden Staatsanwältin der Staatsanwaltschaft Leoben erhalten hätten, und das am 28.6.2024 sichergestellte „Firmenhandy“ (Appl iPhone 12 mini, rot…) und der „Firmenlaptop“ LENOVO nicht im Eigentum des Beschuldigten, sondern in jenem seines Arbeitgebers stünden, weshalb die Sicherstellungen rechtswidrig seien und eine Rechtsverletzung darstellten. Der Sachverhalt indiziere kein derartiges Vorgehen, wobei „die Frage der Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit in der separat erhobenen Beschwerde behandelt“ werde. Beantragt wurde, in Stattgebung des Einspruchs die Rechtsverletzung festzustellen, die Anordnung und Durchführung der bekämpften Ermittlungs- bzw Zwangsmaßnahmen vom 27. Juni 2024, nämlich die zu Punkt I. 2. angeordnete Sicherstellung sämtlicher Mobiltelefone, Tablets, Computer und sonstiger Datenverarbeitungsgeräte und elektronischer Speichermedien (inklusive Online-Speicher) des Beschuldigten zu unterlassen und dem Beschuldigten die gemäß Sicherstellungsprotokoll vom 27. Juni 2024 zu GZ PAD/24/01332242/002/KRIM der PI ** und gemäß Sicherstellungsprotokoll vom 28. Juni 2024 zu PAD/24/01340123/001/KRIM der PI **näher angeführten Objekte wieder auszufolgen und im gegenteiligen Fall den Einspruch dem Landesgericht Leoben zur Entscheidung vorzulegen (ON 6.2).
Die Staatsanwaltschaft erstattete eine Äußerung und legte dar, dass am 28. Juni 2024 eine telefonische Rücksprache der PI ** zunächst beim Journaldienst der Staatsanwaltschaft Leoben erfolgt sei, dann bei der zuständigen Bezirksanwältin, welche in weiterer Folge mit dem Aufsichtsstaatsanwalt Rücksprache gehalten habe betreffend die Frage, ob das Dienst-Handy, welches der Beschuldigte inne hatte, auch von der Sicherstellungsanordnung umfasst sei. Der Polizei sei daraufhin mitgeteilt worden, dass sämtliche Gegenstände in der Gewahrsame des Beschuldigten von der Anordnung ON 4 umfasst seien (AV in ON 1.5 und 1.6). Im Übrigen bedürfe eine Sicherstellung keiner gerichtlichen Bewilligung. Die Sicherstellungsanordnung sei auch zulässig im Sinne des § 110 Abs 1 StPO und verhältnismäßig gewesen. Der Tatverdacht sei vorgelegen, die Sicherstellung sei zu Beweiszwecken erforderlich gewesen, um auszuwerten und herauszufinden, ob sich darauf nunmehr (Nackt-)Aufnahmen der Opfer (und allenfalls weiterer Mieter dieses Appartements) befänden (Beweiszwecke, § 110 Abs 1 Z 1 StPO). Die angeordnete Sicherstellung diene zudem auch der Durchsetzung allfälliger privatrechtlicher Löschungsansprüche der Opfer (§ 110 Abs 1 Z 2 StPO) und zur Sicherung vermögensrechtlicher Anordnungen (§ 110 Abs 1 Z 3 StPO). Es seien in der Sicherstellungsanordnung sämtliche Gegenstände in der Gewahrsame (Innehabung) des Beschuldigten gemeint gewesen. Zudem sei auch die Sicherstellung von Gegenständen zulässig, welche nicht im zivilrechtlichen Eigentum des Beschuldigten stünden (ON 8).
Der Einspruchswerber äußerte sich nicht zur Stellungnahme der Staatsanwaltschaft (ON 1.7).
Nach Weiterleitung des Einspruchs stellte der Einzelrichter mit dem angefochtenen Beschluss fest, dass die Sicherstellung der Kamera/Wärmebildkamera FLIR, schwarz, der Digitalkamera OLYMPUS, blau, des Einmalpasswortgeräts und des USB-Dockinggeräts LENOVO das Gesetz durch Verstoß gegen die gebotene Verhältnismäßigkeit von Ermittlungsmaßnahmen nach § 5 StPO verletze und trug der Staatsanwaltschaft Leoben auf, den gesetzmäßigen Zustand durch ehestmögliche Ausfolgung dieser Objekte herzustellen (Punkt 1.). In dem über Punkt 1. dieses Beschlusses hinausgehenden Umfang wurde dem Einspruch des A* vom 3. Juli 2024 (ON 6) nicht Folge gegeben (Punkt 2.). Schließlich wurden sichergestellte, näher bezeichnete Gegenstände gerichtlich beschlagnahmt (Punkt 3.).
Begründend führte das Erstgericht zu Punkt 1. aus, dass der Einspruchswerber berechtigt darauf hinweise, dass es sich weder bei den beiden Kameras noch beim Einmalpasswort-Gerät oder der USB-Dockingstation um Speichermedien oder Geräte zur Datenverarbeitung handle; dass der Einspruchswerber gerade die Speicher der beiden Kameras als „Verstecke“ für die inkriminierten Dateien verwendet hätte, sei bei lebensnaher Betrachtung nicht so naheliegend, dass eine Sicherstellung gerechtfertigt wäre. Viel eher seien die Bilddaten über das Modem in die Laptops oder Mobiltelefone hochgeladen worden und in weiterer Folge an einem derzeit noch unbekannten Ort abgespeichert worden. Die in Punkt 1. angeführten Objekte seien daher bereits in Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sichergestellt worden; zur Behebung dieses Missstandes sei der Staatsanwaltschaft die ehestmögliche Ausfolgung aufzutragen (ON 13).
Der Beschuldigte ließ den Beschluss unbekämpft, die Staatsanwaltschaft hingegen erhob Beschwerde gegen Punkt 1. des Beschlusses und argumentierte, dass zum Zeitpunkt der Durchführung der Anordnung der Sicherstellung naturgemäß noch nicht bekannt sein konnte, auf welchen Speichermedien der Beschuldigte die inkriminierten Aufnahmen speicherte bzw mit welchen (weiteren) er diese aufnahm, weshalb korrekterweise sämtliche Geräte, auf denen Aufnahmen gespeichert bzw aufgenommen werden können, sichergestellt wurden. Eine Nachfrage der Staatsanwaltschaft Leoben am 25. Juli 2024 bei der PI ** habe ergeben, dass auf der Wärmebildkamera Flir, der Digitalkamera Olympus und der Dockingstation LENOVO tatsächlich keine für den Tatverdacht relevanten Aufzeichnungen gespeichert sind, sodass im Hinblick darauf eine Ausfolgung nach erfolgter Auswertung dieser Gegenstände erfolgen könne und dies auch unter einem von der Staatsanwaltschaft Leoben veranlasst worden sei. Dies ändere aber nichts daran, dass zum Zeitpunkt der Durchführung der Anordnung die Sicherstellung dieser Gegenstände verhältnismäßig und zulässig gewesen sei, um diese der Auswertung durch die Beamten zuzuführen, was ob der Vielzahl der Geräte vor Ort wohl auch nicht möglich gewesen wäre. Das Einmalpasswort-Gerät diene dazu, passwortgesicherte Geräte oder Ordner auch ohne Mitwirkung des Beschuldigten öffnen zu können, sodass die Sicherstellung zur Auswertung der sichergestellten Datenträger (auch weiterhin) erforderlich sei. Mangels einer Rechtsverletzung werde beantragt, Punkt 1. des bekämpften Beschlusses ersatzlos aufzuheben (ON 14).
Am 25. Juli 2024 hob die Staatsanwaltschaft die Sicherstellung der Wärmebildkamera FLIR, der Digitalkamera OLYMPUS und des USB-Dockinggeräts LENOVO auf und ordnete die Ausfolgung an den Beschuldigten an (ON 1.13).
Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist im Ergebnis berechtigt.
Nach § 106 Abs 3 StPO ist der Einspruch binnen sechs Wochen ab Kenntnis der behaupteten Verletzung in einem subjektiven Recht bei der Staatsanwaltschaft einzubringen. In ihm ist anzuführen, auf welche Anordnung oder welchen Vorgang er sich bezieht, worin die Rechtsverletzung besteht und auf welche Weise ihm stattzugeben sei.
Die Rechtsverletzung ist zumindest schlüssig zu behaupten, wenngleich ein konkretes Anführen allenfalls missachteter Gesetzesstellen insbesondere bei unvertretenen Einspruchswerbern nicht verlangt wird. Es ist nämlich nicht die Aufgabe des Gerichts, im Ermittlungsverfahren alle denkbaren Rechtsverletzungen von Amts wegen zu prüfen ( Pilnacek/Stricker in Fuchs/Ratz , WK StPO § 106 Rz 24 [Stand 13.11.2017]). Nur wenn bei Gesamtbetrachtung des Einspruchsvorbringens ein konkreter Vorgang bezeichnet, eine darauf bezogene Verletzung des Einspruchswerbers in einem subjektiven Recht schlüssig behauptet und ein bestimmtes Begehren gestellt wird, auf welche Weise der behaupteten Rechtsverletzung abgeholfen werden soll, ist der Einspruch einer Sachentscheidung zuzuführen (14 Os 110/15f).
Im vorliegenden Fall behauptete der Einspruchswerber ausschließlich eine Verletzung seiner subjektiven Rechte infolge unterlassener gerichtlicher Bewilligung der Anordnung der Sicherstellung, der Sicherstellung von im Eigentum seines Arbeitgebers stehender Gegenstände und eines fehlenden Vermerks über ein Telefonat mit der Staatsanwaltschaft über eine mündliche Anordnung, wohingegen die Frage der „Zweckmäßigkeit“ und Verhältnismäßigkeit der Sicherstellung im Einspruch sogar ausdrücklich ausgeklammert wurde (... wobei die Frage der Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit in der separat erhobenen Beschwerde behandelt wird – vgl Einspruchsvorbringen Seite 4). Indem das Erstgericht eine im Einspruch sohin gar nicht geltend gemachte Rechtsverletzung feststellte, verließ es den durch das Einspruchsvorbringen vorgegebenen Prüfungsrahmen, weshalb der Beschluss im angefochtenen Umfang ohne Kontrolle der inhaltlichen Richtigkeit zu kassieren ist.
Der Rechtsmittelausschluss gründet auf § 89 Abs 6 StPO.
Rückverweise
Keine Verweise gefunden