Das Oberlandesgericht Graz hat als Rekursgericht durch die Richterinnen Dr. in Angerer (Vorsitz), Mag. a Zeiler-Wlasich und Dr. in Jost-Draxl in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. A* , geboren am **, Pensionist, **, vertreten durch Dr. Peter Messnarz, Rechtsanwalt in Villach, gegen die beklagte Partei B * , geboren am **, Selbständige, **, vertreten durch die Salburg Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen EUR 39.086,01 samt Anhang (hier: wegen Verfahrenshilfe ), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 28. November 2023, 21 Cg 27/19h-35, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
I. Der Nachtrag zum Rekurs vom 12. Dezember 2023 wird zurückgewiesen .
II. Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird teilweise bestätigt und teilweise dahin abgeändert , dass er lautet:
„ 1. Der klagenden Partei wird Verfahrenshilfe im vollen Umfang für die Begünstigungen des § 64 Abs 1 Z 1 lit a ZPO bewilligt .
2. Das Mehrbegehren auf Bewilligung der Verfahrenshilfe in vollen Umfang auch für die Begünstigungen des § 64 Abs 1 Z 1 lit b, c und d ZPO wird abgewiesen .“
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig .
Begründung:
Mit Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 5. Oktober 2023 wurde die Honorarklage des Klägers abgewiesen. Gleichzeitig mit der Erhebung einer Berufung beantragt er die Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Begünstigungen des § 64 Abs 1 Z 1 lit a, b, c und d ZPO im vollen Umfang.
Mit Beschluss vom 7. November 2023 trug das Erstgericht dem Kläger auf, seinen Verfahrenshilfeantrag durch Vorlage von Nachweisen über die Höhe der von der Rechtsanwaltskammer Kärnten bezogenen Pension, die Höhe der Miete und die Höhe der Unterhaltspflicht gegenüber C* binnen sieben Tagen zu verbessern; § 381 ZPO gelte sinngemäß. Eine fristgerechte Verbesserung erfolgte nur in Bezug auf die Vorlage eines Belegs für die monatlich bezogene Pension.
Mit dem angefochtenen Beschluss weist das Erstgericht den Antrag ab . Es trifft nachstehende Feststellungen:
Der 67-jährige Kläger bezieht eine monatliche Pension in Höhe von EUR 1.899,17 netto, 12mal jährlich. Er ist geschieden. Es kann nicht festgestellt werden, ob er an seine geschiedene Gattin C* monatlich EUR 50,00 an Unterhalt bezahlt. Er bewohnt als Untermieter eine 60 m² große Wohnung. Es kann nicht festgestellt werden, in welcher Höhe er für die Benützung der Wohnung an seine Lebensgefährtin einen Beitrag zur Miete bezahlt. Mit Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 16. August 2022, 41 S 43/22d-1, wurde über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet. In der Zahlungsplantagsatzung vom 13. Juni 2023 verpflichtete sich der Kläger zur Zahlung einer einmaligen Quote von 2 % in der Höhe von EUR 2.447,47. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 21. Juni 2023 wurde der Zahlungsplan bestätigt und das Insolvenzverfahren aufgehoben.
Rechtlich führt das Erstgericht aus, dass das Pensionseinkommen des Klägers dessen notwendigen Unterhalt nicht beeinträchtige. Dieser liege nach der Rechtsprechung zwischen dem notdürftigen und dem standesgemäßen Unterhalt, der abstrakt zwischen dem statistischen Durchschnittseinkommen eines unselbständigen Erwerbstätigen und dem Existenzminimum liege. Das durchschnittliche Pensionseinkommen in Kärnten betrage EUR 2.050,00 brutto bzw EUR 1.779,72 netto, bezogen auf zwölf Monate daher EUR 1.828,73 netto. Das Existenzminimum des Klägers beziffere sich mit EUR 1.289,30. Da der Kläger dem Verbesserungsauftrag nicht nachgekommen sei, sei seine (im Vermögensverzeichnis angegebene) Unterhaltsleistung an seine geschiedene Gattin und seine monatliche Miete nicht zu berücksichtigen. Für die Berufung müsse der Kläger eine Pauschalgebühr von EUR 2.288,00 aufwenden. Sonstige Kosten fielen im Berufungsverfahren nicht an. Gemäß § 9 Abs 1 GEG könne auf Antrag die Zahlungsfrist auch verlängert oder die Entrichtung in Teilbeträgen gestattet werden. Im Hinblick darauf könne der Kläger durch seine Pension die Verfahrenskosten ohne Gefährdung seines Unterhalts bestreiten.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs des Klägers aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss dahin abzuändern, dass dem Kläger die Verfahrenshilfe antragsgemäß bewilligt werden möge.
Die Beklagte und der Revisor beteiligten sich nicht am Rekursverfahren.
Der Rekurs ist teilweise berechtigt .
Im Rekurs führt der Kläger aus, im Zeitpunkt der Einbringung der Berufung sei er im Ausland aufhältig gewesen, sodass ihm die Beibringung diverser Urkunden nicht möglich gewesen sei. Das Erstgericht habe über den Fristerstreckungsantrag vom 16. November 2023 nicht entschieden. Es habe den angefochtenen Beschluss mit 28. November 2023 ausgefertigt, obwohl es gewusst habe, dass er erst am 29. November 2023 aus dem Ausland zurückkehre. Aus dem unter einem vorgelegten Beleg ergebe sich, dass er monatlich einen Betrag von EUR 300,00 an seine aktuelle Lebensgefährtin zu entrichten habe. Der Unterhaltstitel seiner ehemaligen Ehefrau könne wegen Überlastung der Mitarbeiter des BG Villach derzeit nicht vorgelegt werden. Von seiner monatlichen Nettopension habe er noch die Kosten für eine Kranken- und Unfallversicherung zu bezahlen. Sein monatliches Pensionseinkommen liege daher an der Pfändungsgrenze.
1. Wie bereits das Erstgericht zutreffend ausführte, ist die Verfahrenshilfe einer Partei so weit zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, als sie außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten und die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Als notwendiger Unterhalt ist derjenige Unterhalt anzusehen, den die Partei für sich und ihre Familie, für deren Unterhalt sie zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung benötigt. Als notwendiger Unterhalt wird ein zwischen dem „notdürftigen“ und dem „standesgemäß“ liegender Unterhalt angesehen, der abstrakt zwischen dem Existenzminimum (Ausgleichszulagenrichtsatz nach § 293 Abs 1 lit a ASVG bzw unpfändbarer Betrag bei einer Lohnpfändung nach § 291a EO) und dem statistischen Durchschnittseinkommen eines unselbständig Erwerbstätigen liegt ( Fucik in Rechberger/Klicka, ZPO 5 § 63 Rz 3). Bei längerer Verfahrensdauer ist auf die Möglichkeit der Partei Bedacht zu nehmen, während des anhängigen Verfahrens Rücklagen für die Kosten der Verfahrensführung anzusparen ( Schindler in Kodek/Oberhammer, ZPO-ON § 63 ZPO [Stand 9.10.2023, rdb.at] Rz 7).
2. Der Ausgleichszulagenrichtsatz (allgemeiner Grundbetrag) beträgt für das Jahr 2023 für alleinstehende Personen EUR 1.110,26. Das durchschnittliche Nettomonatseinkommen unselbständiger Erwerbstätiger in Österreich betrug 2022 (letzte Veröffentlichung) inklusive anteiligem Urlaubs- und Weihnachtsgeld EUR 2.330,00 (Quelle: Statistik Austria, Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung und Lohnsteuer-/DV-Daten; erstellt am 14. Dezember 2023); für das Jahr 2023 liegt es höher (vgl www.finanz.at/news/gehalt/vergleich-2023-10201 und www.stepstone.at: EUR 2.680,00). Bei einem monatlichen Nettoeinkommen von EUR 1.627,86 (das entspricht EUR 1.899,17 12mal jährlich) beträgt der unpfändbare Betrag im Jahr 2023 EUR 1.263,00 (Existenzminimum-Tabelle 1am). Das Existenzminimum unter Berücksichtigung von einer Unterhaltspflicht beträgt EUR 1.447,20.
3. Bei der Beurteilung, ob die Kosten der Prozessführung den notwendigen Unterhalt beeinträchtigen würden, ist zudem die tatsächliche finanzielle Lage des Verfahrenshilfewerbers den voraussichtlich auf seiner Seite auflaufenden Prozesskosten gegenüberzustellen; dabei ist auf einen durchschnittlichen Verfahrensverlauf abzustellen ( Klauser/Kodek , JN-ZPO 18 § 63 ZPO E 30c). Wie das Erstgericht bereits zutreffend ausführt, würden bei einem Streitwert von EUR 39.086,01 gemäß § 32 TP 2 GGG Gerichtsgebühren für die Berufung in Höhe von EUR 2.288,00 anfallen. Weitere Kosten und Gebühren im Sinne des § 64 Abs 1 Z 1 lit b, c und d ZPO sind für den Kläger jedoch nicht zu erwarten.
4. Unter Zugrundelegung des Durchschnittseinkommens eines unselbständig Erwerbstätigen im Jahr 2022 errechnet sich der Mittelwert zwischen dem Existenzminimum (ohne Unterhaltsverpflichtung) und dem statistischen Durchschnittseinkommen eines unselbständig Erwerbstätigen mit rund EUR 1.800,00. Aus der noch vor Beschlussfassung vorgelegten Lohn/Gehaltsabrechnung des Klägers für November 2023 geht hervor, dass sein monatliches Pensionseinkommen ohne Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen netto EUR 1.627,86 beträgt (AS 327), das monatliche „Nettoeinkommen“ (verglichen mit einem unselbständig Erwerbstätigen) daher noch darunter liegt. Berücksichtigt man das erst im Juni 2023 durch Bestätigung eines Zahlungsplans abgeschlossene Insolvenzverfahren und die weiteren im Rahmen dieses Verfahrens vom Kläger zu tragenden Kosten würde die Zahlung der Pauschalgebühr (selbst in Raten) seinen notwendigen Unterhalt beeinträchtigen. Auch von einer Ansparungsmöglichkeit bis zur erstrichterlichen Beschlussfassung ist nicht auszugehen.
5. Dem Rekurs des Klägers war daher insofern Folge zu geben, als ihm die Verfahrenshilfe für die Begünstigung des § 64 Abs 1 Z 1 lit a ZPO in vollem Umfang zu gewähren ist. Hinsichtlich des Mehrbegehrens war die Abweisung zu bestätigen.
6. Da jeder Partei nur eine einzige Rechtsmittelschrift zusteht (Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels) sind weitere Rechtsmittelschriften, Nachträge oder Ergänzungen selbst dann unzulässig, wenn sie innerhalb der Rechtsmittelfrist angebracht werden (RIS-Justiz RS0041666; RS0036673). Der Nachtrag zum Rekurs vom 12. Dezember 2023 war daher zurückzuweisen.
7. Nach § 528 Abs 2 Z 4 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig.
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