Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richter Dr.Sutter (Vorsitz), Mag.Redtenbacher und Mag.Kronawetter in der Strafsache gegen C***** G***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 vierter Fall StGB über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Graz gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 25.Februar 2014, 5 HR 10/14p (ON 86 zu 7 St 247/13v der Staatsanwaltschaft Graz), in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und der Einspruch wegen Rechtsverletzung abgewiesen .
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO)
begründung:
Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 1.Februar 2014 wurde über den am ***** kroatischen Staatsangehörigen C***** G***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 dritter und vierter Fall, 15 StGB die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht-, Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 1 und Abs 2 Z 1, Z 2 und Z 3 lit b StPO verhängt (ON 68). Die wiederholt fortgesetzte Untersuchungshaft besteht weiter.
Der Haftverhängung lag der dringende Tatverdacht zugrunde, C***** G***** habe im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit P***** M***** und weiteren noch zu identifizierenden Personen am 31.Dezember 2012 in Graz in der Absicht, sich aus der wiederkehrenden Begehung von (Einbruchs)Diebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, nachfolgende fremde bewegliche Sachen in einem EUR 3.000,00 übersteigenden Gesamtwert durch Einbruch nachstehenden Berechtigten mit dem Vorsatz, durch deren Zueignung sich (und Dritte) unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen bzw wegzunehmen versucht, und zwar
1. Mag.S***** N***** unbekannte Wertgegenstände, wobei es infolge Betretung auf frischer Tat beim Versuch blieb;
2. M***** S***** Schmuck und Bargeld im Gesamtwert von EUR 13.380,00;
3. DI A***** S***** und Mag.M***** A***** Schmuck im Gesamtwert von EUR 2.400,00;
4. H***** E***** Schuhe im Gesamtwert von EUR 210,00.
Mit seinem am 14.Februar 2014 bei Gericht eingelangten Einspruch wegen Rechtsverletzung brachte der Beschuldigte vor, in seinem Recht nach § 188 Abs 2 StPO dadurch verletzt worden zu sein, dass ihm während seiner Anhaltung in Untersuchungshaft im Zeitraum vom 1.Februar 2014 bis zum 14.Februar 2014 die telefonische Kontaktaufnahme mit seiner Mutter mehrmals verweigert worden sei, und begehrte den gerichtlichen Auftrag an die Staatsanwaltschaft, den entsprechenden Rechtszustand durch Gewährung einer Telefonerlaubnis herzustellen (ON 74a).
Die Anklagebehörde entsprach diesem Einspruch nicht, sondern legte die Akten dem Gericht mit der Stellungnahme vor, dass der Haftzweck der Vermeidung von Absprachen des Beschuldigten mit den bislang unbekannten Mittätern nur durch eine (gänzliche) Untersagung des telefonischen Kontaktes erreicht werden konnte, zumal die Identität des Inhabers des vom Beschuldigten angegebenen Anschlusses nicht überprüft werden könne und eine inhaltliche Überwachung der Telefonate des Beschuldigten in den Räumlichkeiten der Justizanstalt Graz-Jakomini nicht möglich sei.
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Erstgericht dem Einspruch des Beschuldigten wegen Rechtsverletzung Folge und stellte fest, dass dieser durch die Verweigerung des telefonischen Verkehrs mit der Außenwelt in seinem subjektiven Recht nach § 188 Abs 2 StPO verletzt wurde (ON 86).
Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde der Staatsanwaltschaft Graz (ON 95) hat Erfolg.
Gemäß § 106 Abs 1 StPO steht jeder Person, die behauptet, im Ermittlungsverfahren durch Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft in einem subjektiven Recht verletzt zu sein, weil ihr die Ausübung eines Rechtes nach diesem Gesetz verweigert (Z 1) oder eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme unter Verletzung von Bestimmungen dieses Gesetzes angeordnet oder durchgeführt wurde (Z 2) Einspruch an das Gericht zu.
Wenngleich im Ermittlungsakt eine staatsanwaltschaftliche Anordnung, mit der dem Beschuldigten der telefonische Verkehr mit dem von ihm benannten Anschluss verweigert wurde, nicht dokumentiert ist, so geht doch aus den Inhalten der Stellungnahme vom 19.Februar 2014 (ON 80) und der Beschwerde (ON 95) mit hinreichender Deutlichkeit hervor, dass die vom Beschuldigten relevierten Beschränkungen seiner Außenkontakte auf entsprechenden Anordnungen der Anklagebehörde beruhten.
Unzweifelhaft räumt § 188 Abs 2 StPO dem in Untersuchungshaft angehaltenen Beschuldigten das subjektive Recht auf den Telefonverkehr mit anderen Personen und Stellen ein. Beschränkungen dieses Rechts dürfen nach § 182 Abs 2 StPO nur insoweit auferlegt werden, als sie gesetzlich zulässig und zur Erreichung des Haftzwecks oder zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der Justizanstalt notwendig sind. Nach dem Wortlaut des § 182 Abs 2 StPO stellen die inhaltliche Überwachung der Gespräche (§ 188 Abs 2 letzter Satz iVm Abs 1 Z 2 StPO) und die zur einwandfreien Überwachung erforderlichen quantitativen Einschränkungen die einzigen (ausdrücklich) zulässigen Formen der Beschränkungen des Telefonverkehrs dar. Wie von der Staatsanwaltschaft zutreffend dargelegt, steht diese Restriktion der Befugnis zur Einschränkung des Telefonverkehrs in einem unaufgelösten Spannungsverhältnis zur gesetzlichen Ermächtigung, die Kontaktaufnahme zu bestimmten Personen in der Form des Besuchs oder im Wege des Briefverkehrs durch die Untersagung des Besuchs einerseits und die Zurückbehaltung von Schreiben andererseits gänzlich zu unterbinden. Da der Telefonverkehr seinem Wesen nach einen dem Besuchskontakt insoweit vergleichbaren Außenkontakt darstellt, als beide Kommunikationsformen die unmittelbare und zunächst ungehinderte Informationsweitergabe ermöglichen, erweist sich die gesetzliche Ausgestaltung unterschiedlicher Befugnisse zur Einschränkung der genannten Rechte gemessen an der in § 182 Abs 1 StPO zum Ausdruck kommenden Intention des Gesetzes, mit der Anhaltung eines Beschuldigten dem Haftgrund (§ 173 Abs 2 StPO) entgegenzuwirken, als nicht nachvollziehbar. Auch kann dem Gesetzgeber mit Blick auf das für den Haftgrund (insbesondere der Verdunkelungsgefahr) gleichartige Gefährdungspotential des Besuchs- und des Telefonkontaktes nicht unterstellt werden, dass er die Staatsanwaltschaft im konkreten Gefährdungsfall zwar zum Abbruch und auch zur gänzlichen Untersagung eines Besuchs ermächtigen, jedoch die Möglichkeiten zur Beschränkung des Telefonkontaktes auf die bloße Überwachung eingrenzen wollte. Da ein Erfordernis für eine derartige Unterscheidung auch weder aus der gesetzlichen Vorgabe, die Lebensverhältnisse in der Untersuchungshaft jenen in Freiheit soweit wie möglich anzugleichen (§ 182 Abs 2 erster Satz StPO), noch aus verfassungsgesetzlichen Regelungen abzuleiten ist, liegt im Fehlen der (ausdrücklichen) Befugnis zum Abbruch und zur Untersagung der telefonischen Kontaktaufnahme zu bestimmten Personen eine planwidrige Gesetzeslücke vor. Wie bereits dargelegt ist nach der im Gesetz zum Ausdruck kommenden Wertung anzunehmen, dass in Ansehung der Gleichartigkeit des Wesens von Besuchs- und Telefonkontakten und deren Gefährdungspotentials für den Haftzweck die maßgeblichen Voraussetzungen für die Beschränkung dieser Außenkontakte übereinstimmen müssen, sodass die zuvor dargestellte Gesetzeslücke durch die analoge Anwendung der die Beschränkungen des Besuchskontaktes regelnden Bestimmung des § 188 Abs 1 Z 3 StPO zu schließen ist.
Geht man aber von der gesetzlichen Ermächtigung zur Beschränkung des Telefonkontakts in der Form der Untersagung aus, so ist das subjektive Recht auf Telefonverkehr durch die Verweigerung konkreter Kontaktaufnahmen nur dann als verletzt anzusehen, wenn sie zur Hintanhaltung der Gefährdung des Haftzwecks nicht geeignet ist oder aber zum Gewicht der Straftat, zum Grad des Verdachts oder zum angestrebten Erfolg außer Verhältnis steht (§ 5 Abs 1 StPO). Die der Verweigerung der Kontaktaufnahme des Beschuldigten mit dem von ihm angegebenen Telefonanschluss zugrunde liegende Annahme, dass derartige Außenkontakte den (zum Zeitpunkt der Anordnungen der Staatsanwaltschaft bestehenden) Haftzweck gefährden, ist nicht zu beanstanden. Angesichts des Organisationsgrades der Tatbeteiligten, der aus der professionellen Ausführung mehrerer Einbruchsdiebstähle innerhalb weniger Stunden und der trotz des Verlustes des Fluchtfahrzeuges und weiträumiger Fahndungsmaßnahmen erfolgreichen Flucht sämtlicher Täter abzuleiten ist, war gerade von einer Kontaktaufnahme des Beschuldigten mit einem italienischen Telefonanschluss eine Effektuierung der als hafttragend angenommenen Gefahr, dass er diese Telefonate für der Wahrheitsfindung erschwerende Absprachen mit seinen überwiegend noch nicht identifizierten Mittätern nutzen wird, mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Da die technischen Funktionen der handelsüblichen Endgeräte nicht bloß die Weitergabe des Gerätes an Dritte, sondern auch Rufumleitungen und Telefonkonferenzen zulassen, besteht im Rahmen einer telefonischen Kontaktaufnahme selbst im Fall der Identifizierung des Anschlussinhabers die Gefahr, dass das Gespräch von einer anderen Person entgegengenommen wird oder - v.a. - an diesem weitere, nicht identifizierbare Personen teilnehmen (insoweit geht das Gefährdungspotential von Telefongesprächen über jenes von Besuchskontakten weit hinaus). Da es dem Beschuldigten auf diese Weise möglich gewesen wäre, mit den Mittätern ungehindert in Kontakt zu treten, diese zu warnen und mit diesen Absprachen zu treffen, erwies sich eine Beschränkung dieser Außenkontakte als geradezu unvermeidlich, um dem Haftgrund der Verdunkelungsgefahr entgegenzuwirken. Auch ist angesichts der beschriebenen technischen Möglichkeiten nicht mit Erfolg zu kritisieren, dass die Anklagebehörde dem Beschuldigten mit der gänzlichen Untersagung die eingriffsintensivste Beschränkung des Telefonverkehrs auferlegte, weil mit der bloßen Überwachung der Gespräche oder deren anlassbezogenen Unterbrechungen die Ausführung von Verdunkelungshandlungen nicht verhindert, sondern lediglich retrospektiv nachvollzogen hätten werden können. Da die vom Beschuldigten monierten Einschränkungen somit die einzig zuverlässigen Möglichkeiten darstellten, den Haftzweck zu erreichen, dem Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 vierter Fall, 15 StGB schon nach der gesetzlichen Vorbewertung (Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren) eine erhebliche Bedeutung zukommt und der diesbezügliche Verdacht bis zur Dringlichkeit verdichtet war, stehen die (gesetzlich zulässigen) Eingriffe in die Rechte des Beschuldigten auch in keinem Missverhältnis zum Gewicht der Straftat, zum Grad des Verdachts oder zum angestrebten Erfolg.
Demgemäß besteht für die Feststellung einer Rechtsverletzung kein Anlass, sodass in Stattgebung der Beschwerde der angefochtene Beschluss aufzuheben und der Einspruch des Beschuldigten wegen Rechtsverletzung abzuweisen ist.
Oberlandesgericht Graz, Abteilung 10
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