Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes DI Dr.Luger als Vorsitzenden sowie die Richter des Oberlandesgerichtes Mag.Ohrnhofer und Mag.Redtenbacher in der Strafsache gegen Ing.M***** S***** wegen des Vergehens der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 und Abs 5 Z 3 iVm § 161 Abs 1 StGB über die Beschwerde des Ing.M***** S***** gegen den Beschluss des Landesgerichtes Leoben vom 19.Juli 2013, 13 Hv 86/13k-18, in nichtöffentlicher Sitzung den
BESCHLUSS
gefasst:
Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen .
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
BEGRÜNDUNG:
Mit dem am 16.Juli 2013 beim Einzelrichter des Landesgerichtes Leoben zu 13 Hv 86/13k eingebrachten Strafantrag vom 4.Juli 2013 (ON 16) legte die Staatsanwaltschaft Leoben dem ***** österreichischen Staatsbürger Ing.M***** S***** und dem ***** österreichischen Staatsbürger DI K***** G***** zur Last, sie hätten seit einem nicht näher bekannten Zeitpunkt nach dem 30.Juni 2004 bis zum 30.Juni 2006 in K***** als leitende Angestellte einer juristischen Person, und zwar als handelsrechtliche Geschäftsführer der W-***** GmbH, grob fahrlässig die Zahlungsunfähigkeit dieser Gesellschaft dadurch herbeigeführt, dass sie kridaträchtig handelten, indem sie entgegen den Grundsätzen ordentlichen Wirtschaftens übermäßigen, mit den Vermögensverhältnissen oder der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Gesellschaft in auffallendem Widerspruch stehenden Aufwand dadurch trieben, dass sie beträchtliche Privatentnahmen tätigten und sich überhöhte Geschäftsführergehälter auszahlten, und hiedurch jeweils das Vergehen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 und Abs 5 Z 3 iVm § 161 Abs 1 StGB begangen.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies der Einzelrichter - soweit für das Beschwerdeverfahren relevant – den wider Ing.M***** S***** erhobenen Strafantrag gemäß § 485 Abs 1 Z 2 iVm § 212 Z 3 StPO im Wesentlichen mit der Begründung zurück, dass die in Ansehung des Strafaufhebungsgrundes der tätigen Reue nach § 167 Abs 1 und 4 zweiter Fall StGB entscheidende Tatsache, ob durch die von DI K***** G***** zu einem Zeitpunkt vor Kenntniserlangung seines Verschuldens und jenes des Ing.M***** S***** durch die Behörden geleistete Schadensgutmachung auch die gesamten durch die Tathandlungen des Ing.M***** S***** verursachten Schäden abgedeckt wurden, nicht hinreichend geklärt sei.
Die gegen diesen Beschluss (rechtzeitig) erhobene Beschwerde des ********** Ing.M***** S***** (ON 22) ist unzulässig.
Gemäß § 87 Abs 1 StPO steht gegen gerichtliche Beschlüsse der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten, soweit dessen Interessen unmittelbar betroffen sind, und jeder anderen Person, der durch den Beschluss unmittelbar Rechte verweigert werden oder Pflichten entstehen oder die von einem Zwangsmittel betroffen ist, sowie gegen einen Beschluss, mit dem das Verfahren eingestellt wird, auch den Privatbeteiligten Beschwerde an das Rechtsmittelgericht zu, soweit das Gesetz im Einzelnen nichts anderes bestimmt. Nach der Intention des Gesetzgebers ist unter der unmittelbaren Betroffenheit der Interessen des Beschuldigten seine aus einem Beschluss resultierende Beschwer zu verstehen (RIS-Justiz RS01125078; EBRV 25 BlgNR XXII. GP 115 zu § 87; Tipold, WK-StPO § 87 Rz 6 mwN). Der für einen Angeklagten aus einer Verfahrenseinstellung resultierende prozessuale Mehrwert der sanktionslosen Verfahrensbeendigung indiziert prima facie eine mit der bloßen Zurückweisung des Strafantrages einhergehende Beeinträchtigung der Interessen des Beschwerdeführers. Diesem Resultat widerstreitet jedoch das Ergebnis der systematisch-logischen Auslegung des § 485 StPO ( Bydlinski in Rummel 3 , § 6 Rz 18 und 27 mwN).
In Anwendung dieser Auslegungsmethode ist zu beachten, dass die Strafprozessordnung in Ansehung des Ganges der „Besonderen Verfahren“ (5. Teil der StPO) und der in diesen Verfahrensarten den Verfahrensbeteiligten eingeräumten Rechte grundsätzlich auf die das schöffengerichtliche Hauptverfahren betreffenden Vorschriften (4. Teil der StPO) verweist (§§ 302 Abs 1, 447, 485 Abs 1 Z 4, 488 Abs 1 StPO) und für die besonderen Verfahren lediglich einzelne (im Einzelrichterverfahren überwiegend das Rechtsmittelverfahren betreffende) Sonderbestimmungen vorsieht. Mit dieser Systematik bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass die Vorschriften für das schöffengerichtliche Verfahren die Grundregeln für das Hauptverfahren bestimmen, die grundsätzlich auch in den besonderen Verfahrensarten zur Anwendung gelangen, soweit die besonderen Vorschriften keine Ausnahmen von diesen Grundsätzen normieren. Demgemäß ist der Regelungsinhalt dieser Sondervorschriften (auch) an Hand einer Analyse ihrer Abweichungen (von den Grundregeln des schöffengerichtlichen Verfahrens) und der diesen immanenten Wertungsunterschiede auszulegen.
Vom schöffengerichtlichen Verfahren abweichend sieht das 23. Hauptstück des 5. Teils der Strafprozessordnung einen Einspruch des Angeklagten gegen die wider ihn (gemäß §§ 210 Abs 1, 484 StPO in der Form des Strafantrages) erhobene Anklage nicht vor. Unzweifelhaft stellt dies eine vom Gesetzgeber bewusst vorgenommene Einschränkung der Rechtsschutzmöglichkeiten des Angeklagten dar, die offenlegt, dass dem Interesse des Angeklagten an der Vermeidung der Publizitätswirkung einer (ungerechtfertigten) Hauptverhandlung ( Birklbauer/Mayrhofer
Darüber hinaus wäre mit der Zuerkennung einer Beschwerdelegitimation eine zweistufig gerichtliche (und im Beschwerdeverfahren abermals umfassende; Tipold , WK-StPO § 88 Rz 3ff und § 89 Rz 11 mwN) Prüfung des Strafantrages verbunden, die eine Ausweitung der Rechtsschutzmöglichkeiten des Angeklagten im Vergleich zu den kollegialgerichtlichen Verfahrensarten (die in diesem Kontext lediglich die Beschwerde gegen erstgerichtliche Beschlüsse, mit denen unter Berufung auf § 213 Abs 4 StPO die Rechtswirksamkeit der Anklage festgestellt wird, vorsehen [ Birklbauer/Mayrhofer , WK-StPO § 213 Rz 33; Bertel in Bertel/Venier, Komm zur StPO § 213 Rz 4]) darstellt. Eine derartige Erweiterung des Rechtsschutzes ist jedoch mit der vom Gesetzgeber mit dem Ausschluss des Einspruchsrechtes im Einzelrichterverfahren eindeutig beabsichtigten Einschränkung der Anfechtungsmöglichkeiten des Angeklagten systematisch nicht in Einklang zu bringen. Letztlich erweist sich eine derartige Beschwerdelegitimation des Angeklagten aber auch insoweit als systemwidrig, als er solcherart die (zweistufige) gerichtliche Prüfung des Tatverdachtes - nach mit § 485 Abs 1 Z 2 und 3 StPO vergleichbaren Kriterien - durch einen Antrag nach § 108 StPO auch unmittelbar nach einer die bloße Zurückweisung des Strafantrages bestätigenden Beschwerdeentscheidung erwirken könnte.
Dass der Angeklagte demgegenüber zur Anfechtung von Beschlüssen, mit denen der Einzelrichter seine örtliche und/oder sachliche Unzuständigkeit ausspricht (§ 485 Abs 1 Z 1 iVm § 450 StPO), berechtigt ist (OGH 27.August 2009 , 13 Ns 44/09p ; RIS-Justiz RS0072997; Bauer , WK-StPO § 450 Rz 6; Venier in Bertel/Venier, Komm zur StPO § 450 Rz 2), steht mit der dargelegten Systematik nicht im Widerspruch. Durch die in sämtlichen Verfahrensarten dem Gericht (im Gegensatz zu den übrigen Einspruchsgründen des § 212 StPO im Wesentlichen undifferenziert) übertragene Pflicht zur amtswegigen Prüfung der (örtlichen und sachlichen) Zuständigkeit (im kollegialgerichtlichen Verfahren: § 213 Abs 4 und 6 StPO; im Einzelrichterverfahren: §§ 38 erster Satz, 485 Abs 1 Z 1 zweiter Fall iVm 450, 468 Abs 1 Z 1 iVm 489 Abs 1 StPO; im bezirksgerichtlichen Verfahren: §§ 38 erster Satz, 450, 468 Abs 1 Z 1 StPO) gibt der Gesetzgeber zu erkennen, dass er der frühzeitigen Zuständigkeitsklärung eine über die bloß verfahrensökonomische Komponente hinausgehende, das Interesse des Angeklagten an einer beschleunigten Enderledigung (§ 9 StPO) unmittelbar tangierende (und über die Einspruchsgründe der Z 1 bis 4 und 7 des § 212 StPO [auf die § 485 Abs 1 Z 2 und 3 StPO verweist] hinausgehende) Bedeutung beimisst. Vor diesem Hintergrund entfaltet die aus der Rechtskraft eines Beschlusses nach § 485 Abs 1 Z 1 erster Fall StPO folgende - gemäß § 38 erster Satz StPO ohne „neue“ Anklageerhebung oder Antragstellung durch die Anklagebehörde vorzunehmende (RIS-Justiz RS0127580) - Abtretung an ein anderes Gericht ebenso wie die mit einem Beschluss nach § 485 Abs 1 Z 1 zweiter Fall StPO drohende Anklage vor einem Gericht höherer Ordnung ( Ratz , WK-StPO § 468 Rz 14) die Interessen des Angeklagten unmittelbar benachteiligende Wirkungen, welche die Beschwerdelegitimation des Angeklagten denklogisch erscheinen lässt.
Aus diesen Erwägungen besteht für die Annahme einer Legitimation des Beschwerdeführers zur Anfechtung der Zurückweisung des wider ihn erhobenen Strafantrages nach § 485 Abs 1 Z 2 StPO kein Anlass, sodass sich seine Beschwerde als unzulässig erweist und sie demgemäß nach § 89 Abs 2 StPO der Zurückweisung zu verfallen hat.
Oberlandesgericht Graz, Abteilung 9
Rückverweise
Keine Verweise gefunden