Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 10. Dezember 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. BachnerForegger als Vorsitzende, durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Wurzer als weiteren Richter sowie durch die Rechtsanwälte Mag. Wagner und Dr. Hofmann als Anwaltsrichter in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Strubreiter in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt (iVm § 10 Abs 2 RAO) über die Berufung des Kammeranwalts gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der * Rechtsanwaltskammer vom 20. Jänner 2025, GZ D 2/24 22, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Artner und des Kammeranwaltstellvertreters Mag. Kammler
I. zu Recht erkannt:
Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Erkenntnis, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Beurteilung der dem Schuldspruch zugrunde liegenden Tat (auch) als Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt ersatzlos sowie weiters im Strafausspruch aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:
Für das ihm weiterhin zur Last liegende Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt wird * zu einer Geldbuße von 2.000 Euro verurteilt.
Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird der Kammeranwalt auf diese Entscheidung verwiesen.
Dem Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last;
II. den
Beschluss
gefasst:
Vom Widerruf der mit Erkenntnis des Disziplinarrats der * Rechtsanwaltskammer vom 27. Mai 2024 (D 14/23, 12 DV 12/23 verbunden mit D 39/23, 4 DV 22/23) gewährten bedingten Strafnachsicht wird abgesehen, die Probezeit jedoch auf fünf Jahre verlängert.
Gründe:
[1]Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde *, Rechtsanwalt in *, der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt (iVm § 10 Abs 2 RAO) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er einen im Jänner 2021 [von einer Versicherung] für seinen Mandanten erhaltenen Betrag von 2.000 Euro trotz dessen Aufforderungen vom 14. Juli 2022 und 6. Dezember 2022 erst am 25. Jänner 2023 abgerechnet, einen Abrechnungsbetrag von 263,59 Euro an den Mandanten überwiesen und trotz Bestreitung der Honorarforderung, die ihm spätestens mit Anzeige an die * Rechtsanwaltskammer vom 24. Jänner 2023, dem Disziplinarbeschuldigten zugestellt am 25. Jänner 2023, bekannt war, den strittigen Honorarbetrag weder hinterlegt noch an den Mandanten überwiesen.
[3] Über den Disziplinarbeschuldigten wurde unter Bedachtnahme auf das Erkenntnis des Disziplinarrats der * Rechtsanwaltskammer vom 27. Mai 2024 (D 14/23, 12 DV 12/23 verbunden mit D 39/23, 4 DV 22/23) die Disziplinarstrafe der Zusatzgeldbuße in Höhe von 2.000 Euro verhängt.
[4]Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die – der Sache nach auch Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 StPO ( Ratz in WKStPO § 281 Rz 666; RS0085974) relevierende – Berufung des Kammeranwalts wegen des Ausspruchs über die Strafe.
[5] Im Ergebnis zutreffend zeigt die Berufung auf, dass der dem Beschuldigten angelastete Verstoß gegen § 19 Abs 1 und 3 RAO iVm §§ 14 und 43 Abs 2 RLBA 2015 ein Dauerdelikt (vgl 20 Os 12/15p) begründet. Nach den Konstatierungendes Disziplinarrats (ES 9, 17) hat der Disziplinarbeschuldigte trotz der beiden im Jahr 2022 vom Mandanten an ihn gerichteten Ersuchen um Abrechnung und Auszahlung des vom Beschuldigten einbehaltenen Geldbetrags und trotz der Verständigung von der Kontaktaufnahme des Mandanten mit der * Rechtsanwaltskammer im Jänner 2023, deutlich verspätet abgerechnet und den bestrittenen Honorarbetrag bis weit über den 27. Mai 2024 hinaus weder hinterlegt, noch an den Mandanten ausbezahlt. Solcherart hat er einen rechtswidrigen Zustand aufrechterhalten, durch dessen Fortdauer das Disziplinarvergehen weiter verwirklicht wird (RIS-Justiz RS0076137).
[6]Die Verhängung einer Zusatzstrafe setzt nach § 31 Abs 1 erster Satz StGB voraus, dass jemand, der bereits zu einer Strafe verurteilt worden ist, wegen einer anderen Tat verurteilt wird, die nach der Zeit ihrer Begehung schon in dem früheren Verfahren hätte abgeurteilt werden können. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, weil das dem Beschuldigten angelastete Dauerdelikt nicht zur Gänze vor dem Vor-Urteil I. Instanz begangen worden ist ( Ratzin WK² § 31 StGB, Rz 2 mwN). Das angefochtene Erkenntnis nimmt demnach in seinem Strafausspruch zu Unrecht auf das Vorerkenntnis des Disziplinarrats der * Rechtsanwaltskammer vom 27. Mai 2024 (D 14/23, 12 DV 12/23 verbunden mit D 39/23, 4 DV 22/23) Bedacht.
[7] Die sbelastet den Strafausspruch mit Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 StPO.
[8] Aus Anlass der Berufung überzeugte sich der Oberste Gerichtshof überdiesauch vom Vorliegen einer von Amts wegen wahrzunehmenden materiellen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO):
[9]Der neben dem Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung dem Beschuldigten angelastete weitere Vorwurf der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes hat – von Fällen schwerwiegenden Fehlverhaltens, bei denen selbst mit einer auf wenige Personen beschränkten Kenntnis die Gefahr der Beeinträchtigung verbunden ist, abgesehen – dem Erkenntnis nicht zu entnehmende und nach dem übrigen Akteninhalt auch nicht indizierte Konstatierungen zur Voraussetzung, dass das inkriminierte Verhalten einem größeren Personenkreis zur Kenntnis gelangte (RIS-Justiz RS0054876).
[10] Dafür reicht die Feststellung des Disziplinarrats (ES 10), nach der dreiReferentinnen der Rechtsschutzversicherung des Mandanten über dessen Probleme mit dem Beschuldigten im Zusammenhang mit dem Einbehalt und der Abrechnung informiert waren, nicht aus. Daraus erschließen sich weder eine Kenntnis von einem (als disziplinär zu beurteilenden) Fehlverhalten des Beschuldigten, noch eine Kenntnisnahme durch einen größeren Personenkreis. Die im angefochtenen Erkenntnis für diese Konstatierung ins Treffen geführten Inhalte der Beilagen ./2a und ./6 sowie der Schreiben der Versicherungsgesellschaft vom 24. Jänner 2023 (AS 23) und 3. Februar 2023 (AS 93) vermögen die Annahme einer Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes durch das Verhalten des Disziplinarbeschuldigten nicht zu tragen. Demnach war aus Anlass der Berufung die Subsumtion der Tat auch als Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt aufzuheben.
[11] Bei der daher durchzuführendenStrafneubemessung für das dem Beschuldigten weiterhin zur Last liegende Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt war die disziplinarrechtliche Vorverurteilung und der lange Deliktszeitraum als erschwerend, die nicht unbeträchtliche Verfahrensdauer demgegenüber als mildernd zu werten.
[12] Eine Geldbuße in Höhe von 2.000 Euro erweist sich als dem Unrechtsgehalt der Tat und der Schuld des Disziplinarbeschuldigten angemessen. In Übereinstimmung mit der Berufung des Kammeranwalts bleibt für eine bedingte Nachsicht der Geldbuße vorliegend kein Raum.
[13]Eines Widerrufs der mit Erkenntnis des Disziplinarrats der * Rechtsanwaltskammer vom 27. Mai 2024 (D 14/23, 12 DV 12/23 verbunden mit D 39/23, 4 DV 22/23) gewährten bedingten Nachsicht der Geldbuße bedurfte es nicht, die Probezeit war jedoch auf fünf Jahre zu verlängern (vgl 22 Ds 6/24p).
[14]Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.
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