Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Dezember 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Farkas in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Strubreiter in der Strafsache gegen * B* wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 14. Mai 2025, GZ 32 Hv 67/22p 798.3, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch, demgemäß auch im Strafausspruch und im Verfallserkenntnis, aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht St. Pölten verwiesen.
Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Gründe:
[1]Mit dem angefochtenen Urteil wurde * B* – soweit hier von Bedeutung – mehrerer Vergehen der Bestechlichkeit nach § 304 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er (zu Punkt III) in W* als im B* (*) beschäftigter Amtsträger für die pflichtwidrige, nämlich mit seinen konkreten Amts- und Dienstpflichten in Widerspruch stehende Vornahme von Amtsgeschäften Vorteile in Form von Bargeld angenommen, und zwar
C/ zwischen September 2009 und 16. März 2011 insgesamt 2.000 Euro für vier Firmenbuchabfragen und die Erstellung eines Organigramms;
D/ zwischen 14. und 25. September 2011 insgesamt 700 Euro für drei Firmenbuchabfragen sowie die Erstellung eines Berichts und eines Organigramms;
E/ zwischen 28. Mai und 13. August 2013 insgesamt 1.000 Euro für Firmenbuchabfragen und die Erstellung eines Organigramms;
G/ zwischen 25. April und 20. Mai 2014 insgesamt 1.000 Euro für die Erstellung eines Organigramms;
H/ zwischen 2. Dezember 2014 und 17. März 2015 insgesamt 1.000 Euro für vier Firmenbuchabfragen und die Erstellung eines Organigramms;
L/ zwischen 21. Oktober und 10. Dezember 2015 insgesamt 2.200 Euro für die Erstellung eines Organigramms.
[3] Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4]Aus ihrem Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass das Urteil einen nicht geltend gemachten Rechtsfehler (Z 9 lit b) zum Nachteil des Angeklagten aufweist, der von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).
[5] Fehlende Feststellungen zu einem Ausnahmesatz sind als Feststellungsmangel geltend zu machen. Indiziert hingegen der Urteilssachverhalt das Vorliegen eines solchen Ausnahmesatzes, macht das Fehlen diesem entgegenstehender Feststellungen die (hier ausdrückliche [US 31]) rechtliche Annahme seiner Beseitigung unschlüssig und belastet das Urteil mit einem Rechtsfehler (RISJustiz RS0122332 [insbesondere T1, T6, T7]).
[6]Genau das ist hier der Fall. Nach den Feststellungen liegen dem Angeklagten mehrere § 304 Abs 1 StGB subsumierte Taten zur Last, die jeweils mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bedroht sind. Die Verjährungsfrist beträgt somit für jede der Taten fünf Jahre (§ 57 Abs 3 dritter Fall StGB). Nach dem Urteilssachverhalt endete der Tatzeitraum spätestens mit dem 10. Dezember 2015 (US 11; vgl § 57 Abs 2 zweiter Satz StGB), die dadurch ausgelöste Verjährungsfrist für alle Taten (vgl § 58 Abs 2 StGB) mit Ablauf des 10. Dezember 2020.
[7]Feststellungen zu vor diesem Datum gesetzten, verjährungshemmenden Maßnahmen hat das Erstgericht nicht getroffen. Die Anklage (ON 618) wurde im September 2022 eingebracht (vgl US 3). Zu einer Beschuldigtenvernehmung oder sonstigen Maßnahmen im Sinn des § 58 Abs 3 Z 2 StGB „zur Aufklärung des gegen den Täter gerichteten Verdachts“ (zu den Voraussetzungen vgl [Rz 11 mwN]) enthält das Urteil keine Ausführungen.
[8]Dieser Rechtsfehler erforderte die sofortige Aufhebung des Urteils im Umfang des Schuldspruchs, des Strafausspruchs und des Verfallserkenntnisses samt Rückverweisung der Sache an das Erstgericht bei der nichtöffentlichen Sitzung (§ 285e StPO).
[9] Eine Antwort auf das Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde erübrigt sich somit.
[10] Mit ihren Berufungen waren die Staatsanwaltschaft und der Beschwerdeführer auf diese Entscheidung zu verweisen.
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