Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Korn, Dr. Stiefsohn, Mag. Böhm und Dr. Gusenleitner Helm in der Rechtssache der klagenden Partei E* GmbH Co OG, *, vertreten durch die Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei V* AG, *, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 25.837,96 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse: 19.440,55 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 24. Juni 2025, GZ 2 R 83/25a 81, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom 18. April 2025, GZ 4 Cg 34/21v 76, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass die Entscheidung einschließlich des in Rechtskraft erwachsenen Teils zu lauten hat:
„Das Klagebegehren,
1. die beklagte Partei sei binnen 14 Tagen schuldig, der klagenden Partei 25.837,96 EUR samt 4% Zinsen ab Klagszustellung Zug um Zug gegen Rückgabe des VW Amarok DC Highline TDI 4x4 permanent, Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN): * zu bezahlen; in eventu
2. die beklagte Partei sei binnen 14 Tagen schuldig, der klagenden Partei 11.000 EUR samt 4% Zinsen p.a. zu bezahlen; in eventu
3. es werde mit Wirkung zwischen der klagenden Partei und der beklagten Partei festgestellt, dass die beklagte Partei für jeden Schaden haftet, welcher der klagenden Partei aus dem Kauf des Fahrzeuges VW Amarok DC Highline TDI 4x4 permanent, Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN): * und dem darin verbauten Dieselmotor Typ EA189 zukünftig entsteht;
wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 20.841,15 EUR (darin enthalten 3.008,25 EUR USt und 2.000 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.701,92 EUR (darin enthalten 351,57 EUR USt und 1.500 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 3.464,57 EUR (darin enthalten 253,32 EUR USt und 1.878 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die Klägerin schloss am 14. 10. 2013 mit einer Händlerin einen Kaufvertrag über einen Neuwagen VW Amarok DC Highline TDI 4x4 permanent um 35.956,70 EUR brutto. Vor dem Hintergrund, dass die Klägerin bereits öfters ein Leasing bei der P* in Anspruch genommen hatte, wurde in der dem Kaufvertrag angeschlossenen Preiskalkulation vom selben Tag handschriftlich vermerkt: „Leasing P* 2,1 % KiA 3.500,- Anzahlung 60 Monate Restwert 10%“. Bereits bei Abschluss des Kaufvertrags wurde von der Klägerin der Abschluss eines Leasingvertrags zu diesen Konditionen avisiert und war für sie klar, dass das Fahrzeug geleast werden wird. Nach Abschluss des Kaufvertrags holte die Klägerin alternative Leasingangebote ein. Da sie kein besseres Angebot fand, schloss sie zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt zwischen 1. 2. und 12. 2. 2014 den Leasingvertrag mit der P* ab, die dann auch den Kaufpreis an die Händlerin zahlte. Die Klägerin zahlte die Leasingraten. Nach Ablauf des Leasingvertrags zum 1. 3. 2019 kaufte die Klägerin das Fahrzeug „aus dem Leasing heraus“.
[2] Die Klägerin begehrte aus dem Titel des Schadenersatzes und der listigen Irreführung 25.837,96 EUR (Rückzahlung des Bruttokaufpreises abzüglich eines linear berechneten Benützungsentgelts) Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs; in eventu Zahlung von 11.000 EUR als Kaufpreisminderung; in eventu die Feststellung der Haftung der Beklagten für jenen Schaden, der ihr aus dem Kauf des Fahrzeugs und dem darin verbauten Dieselmotor EA189 entstehe. Der Ankauf des Fahrzeugs sei über Restwertleasing bzw Finanzierung des Ankaufs erfolgt. Schon bei Abschluss des Leasingvertrags sei klar gewesen, dass die Klägerin das Fahrzeug später ankaufen werde. Aufgrund der von ihr während des Leasings getragenen Objekt- verantwortung habe hinsichtlich des geltend gemachten Schadens eine Schadensverlagerung von der Leasinggeberin auf die Klägerin stattgefunden. Die Klägerin mache einen eigenen, bei ihr als Leasingnehmerin eingetretenen Schaden geltend.
[3] Die Beklagte wandte ua ein, dass die Klage unschlüssig sei. Das Fahrzeug sei leasingfinanziert worden. Ein Leasingnehmer könne nicht auf Ersatz eines Teils des vom Leasinggeber an den Verkäufer bezahlten Kaufpreises klagen, weil der Leasinggeber an die Stelle des Käufers in den Kaufvertrag eintrete. Kaufe der Leasingnehmer das Fahrzeug „aus dem Leasing heraus“, könne er nur den Schaden aus diesem Kaufvertrag – nicht aber jenen aus dem ursprünglichen Kaufvertrag – geltend machen.
[4] Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 19.440,55 EUR sA Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs und wies das Mehrbegehren (unbekämpft) ab. Das verbaute Thermofenster stelle eine unzulässige Abschalteinrichtung dar. Die Beklagte hafte wegen einer ihr anzulastenden Schutzgesetzverletzung. Das Erstgericht bejahte die Schlüssigkeit der Klage und die Aktivlegitimation der Klägerin. Auch wenn sie bereits ursprünglich beabsichtigt habe, das Fahrzeug zu leasen, habe sie den Leasingvertrag erst etwa vier Monate nach Abschluss des Kaufvertrags abgeschlossen. Es liege daher ein zivilrechtlich voll wirksamer Kaufvertrag vor.
[5] Das Berufungsgericht gab der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung der Beklagten, die nur mehr die Frage der Aktivlegitimation der Klägerin aufgriff, aus den bereits vom Erstgericht angestellten Überlegungen nicht Folge.
[6] Es ließ die ordentliche Revision zu, weil angesichts scheinbar widersprüchlicher Ausführungen zur bereits beim Kaufvertragsabschluss bestehenden Leasingabsicht eine Klarstellung angezeigt erscheine.
[7] Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Abänderungsantrag, das Klagebegehren zur Gänze abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[8] Die Klägerin beantragt, die Zurück-, hilfsweise die Abweisung der Revision.
[9] Die Revision ist zulässig und berechtigt.
[10]1. Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist bei der Finanzierung des Kaufs eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs durch Leasing für die Aktivlegitimation des leasingfinanzierenden Fahrzeugkäufers danach zu unterscheiden, ob ein Leasingvertrag erst nach dem Erwerb (und unabhängig davon) abgeschlossen wurde oder ob der (in der Regel gleichzeitig abgeschlossene) Kaufvertrag nur der Spezifikation des Fahrzeugs diente und die Leasinggeberin unmittelbar in den Kaufvertrag eintrat (vgl zuletzt 9 Ob 58/25g Rz 12 ff; vgl 10 Ob 69/24f Rz 12 mwN):
[11] Diente ein Kaufvertrag nicht ausschließlich der Spezifikation des Fahrzeugs für den Abschluss eines Finanzierungsleasingvertrags, sondern kam zunächst ein zivilrechtlich voll wirksamer Kaufvertrag zustande und wurde erst nachträglich zur Finanzierung des (nach Leistung einer Anzahlung) restlichen Kaufpreises ein Leasingvertrag (einschließlich Übertragung des Eigentums am Fahrzeug vom Leasingnehmer an den Leasinggeber) geschlossen, wird im Abschluss des Kaufvertrags ein schlüssig geltend gemachter Schaden gesehen und die Aktivlegitimation des Klägers bejaht.
[12] Beabsichtigte der Kläger hingegen von Anfang an, den Erwerb des Fahrzeugs über Leasing zu finanzieren und diente der von ihm mit dem Händler geschlossene Kaufvertrag daher ausschließlich der Spezifikation des Fahrzeugs, das letztlich der Leasinggeber erwerben und dem Kläger zum Gebrauch überlassen sollte, dann bilden der Kaufvertrag und der Leasingvertrag eine vertragliche Einheit. In diesen Konstellationen wird die schlüssige Geltendmachung eines Schadens aus diesem Kaufvertrag (mangels anderer Behauptungen des Klägers) regelmäßig verneint, weil nur dem – unmittelbar in den Kaufvertrag eintretenden – Leasinggeber und nicht (auch) dem Leasingnehmer ein Schaden aus dem Kaufvertrag entstehen kann.
[13]Richtig ist, dass der Leasingvertrag und der Kaufvertrag, wenn sie nach den dargestellten Grundsätzen eine vertragliche Einheit bilden, in der Regel gleichzeitig abgeschlossen werden. Eine bestimmte zeitliche Konnexität zwischen den beiden Verträgen ist aber keine unbedingte Voraussetzung für die Annahme einer vertraglichen Einheit, sondern bloß ein (weiterer) Umstand, der bei der Gesamtbeurteilung zu berücksichtigen ist (9 Ob 58/25g Rz 16).
[14]2.1 Im vorliegenden Fall wurde der Kaufvertrag nach seinem unstrittigen Inhalt ohne Vereinbarung von Zahlungsbedingungen oder einer Anzahlung abgeschlossen. Vielmehr fand sich bereits im Anhang zum Kaufvertrag ein Angebot zu einer Leasingfinanzierung über die P*. Die Klägerin, für die klar war, dass sie das Fahrzeug leasen wird, strebte auch einen Abschluss eines Leasingvertrags zu diesen Konditionen an. Bei der vorliegenden Vertragskonstruktion war zu keinem Zeitpunkt die Klägerin, sondern nach den Feststellungen schon ursprünglich (von vornherein beabsichtigt [vgl 7 Ob 88/23a Rz 11]) die Leasinggeberin zur Zahlung des Kaufpreises aus dem Kaufvertrag verpflichtet. Dass im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags noch nicht abschließend feststand, für welche Leasinggeberin sich die Klägerin entscheiden würde, lag lediglich daran, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt noch alternative Leasingangebote einholen wollte. Das ändert aber nichts daran, dass die Klägerin von Anfang an beabsichtigte, das Fahrzeug im Wege einer Leasingkonstruktion zu erwerben, es also nicht selbst zu kaufen und Eigentum daran zu erwerben. Die Klägerin behauptete auch nicht, zur Zahlung des Kaufpreises an die Fahrzeughändlerin verpflichtet gewesen zu sein. Nach den Feststellungen leistete sie auch nur der Leasinggeberin eine Anzahlung (vgl 9 Ob 58/25g Rz 15).
[15] Aufgrund der festgestellten, bereits ursprünglich vorhandenen Absicht, das Fahrzeug zu leasen, stellt es auch kein entscheidendes, gegen die Annahme eines einheitlichen Vertrags sprechendes Kriterium dar, dass die Klägerin den Leasingvertrag letztlich erst etwa 3,5 bis 4 Monate nach Abschluss des Kaufvertrags abschloss, was überdies auf die vereinbarte Lieferzeit des Fahrzeugs und – nach dessen Übergabe an den Fuhrparkleiter der Klägerin – die für den geplanten Einsatz erforderliche nachträgliche Montage von Ausrüstung zurückzuführen war.
[16]Die Klägerin hat daher aufgrund der gewählten Vertragskonstruktion das Fahrzeug 2013 gerade nicht gekauft und ist nicht Eigentümerin geworden (vgl 9 Ob 98/24p Rz 16 mwN). Vielmehr ergibt die Beurteilung des Gesamtbildes aller Umstände, wobei dem Parteiwillen, der Vertragsgestaltung und dem Vertragszweck besondere Bedeutung beizumessen sind (vgl 5 Ob 220/24z Rz 11), dass der Kauf- und der Leasingvertrag im vorliegenden Fall eine rechtliche Einheit bilden (vgl etwa auch zuletzt 7 Ob 123/25a).
[17] 2.2 Dem steht auch die in der Revisionsbeantwortung zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht entgegen:
[18]Der Entscheidung 8 Ob 22/22a, wonach die dortige Klägerin einen eigenen Schaden geltend machte, der in der Verpflichtung zur überhöhten Kaufpreiszahlung bestehe, lag zu Grunde, dass sie nach dem mit der Händlerin abgeschlossenen Kaufvertrag eine Anzahlung leistete und überdies einen Gebrauchtwagen eintauschte, wofür ihr ein weiterer Betrag auf den Kaufpreis für das Fahrzeug angerechnet wurde. Der Sachverhalt ist mit dem vorliegenden Fall somit nicht vergleichbar.
[19]Dies gilt auch für die Entscheidung 8 Ob 109/23x, zumal auch im vom dortigen Kläger abgeschlossenen Kaufvertrag eine Anzahlung sowie weitere Zahlungsmodalitäten vereinbart waren.
[20]Die Entscheidung 6 Ob 23/24m hatte davon auszugehen, dass (anders als hier) die von den dortigen Klägern aufgestellten Klagsbehauptungen, sie hätten das Fahrzeug im eigenen Namen als „Erstkäufer“ erworben und erst danach einen Leasingvertrag zur Finanzierung des Kaufpreises abgeschlossen, nicht bestritten wurden und die – unbekämpft gebliebenen – Feststellungen dem folgten.
[21]Aus der Entscheidung 10 Ob 7/24p lässt sich für den Standpunkt der Klägerin schon deshalb nichts gewinnen, weil die dort aufgrund der getroffenen Feststellungen verbliebene Unklarheit, ob der Kauf- und der Leasingvertrag eine Einheit bildeten, zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen führten.
[22]3.1 Die Klägerin kann ihre Aktivlegitimation auch nicht mit der Judikatur zu Substanzschäden begründen (siehe dazu ausführlich 9 Ob 98/24p Rz 20 mwN).
[23]3.2 Soweit die Klägerin einen Schaden aus einem Eingriff in ihr nach § 372 ABGB geschütztes Gebrauchsrecht ableiten will, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie gar nicht vorgebracht hat, dass die Beklagte nach Übergabe des Fahrzeugs auf dieses rechtswidrig eingewirkt hätte (vgl 10 Ob 70/24b Rz 20).
[24] 4. Einen Schaden aus dem Leasingvertrag, etwa aus überhöhten Leasingraten, hat die Klägerin im gesamten Verfahren nicht behauptet.
[25] 5. Der Revision der Beklagten war daher Folge zu geben und die Entscheidungen der Vorinstanzen dahingehend abzuändern, dass die Klage abgewiesen wird.
[26]6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO. Entsprechend den Einwendungen der Klägerin zum Kostenverzeichnis der Beklagten war die Anregung zur Unterbrechung des Verfahrens vom 3. 12. 2020 nicht zu honorieren, weil diese bereits mit dem davor erstatteten Schriftsatz vom 21. 9. 2020 verbunden hätte werden können; der Fragenkatalog vom 16. 8. 2024 war nur nach TP 2 RATG (vgl 7 Ob 12/21x Rz 24) und nur mit 50 % Einheitssatz zu entlohnen. Das Vorbringen der Beklagten in den Schriftsätzen vom 19. 4. 2021, 25. 8. 2021, 15. 5. 2023 und 28. 10. 2024, das vom Erstgericht auch nicht zurückgewiesen wurde, war dagegen zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig.
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