Der Oberste Gerichtshof hat am 19. November 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Mag. Schiener in der Finanzstrafsache gegen * S* wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft und der Finanzstrafbehörde gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 24. Juli 2025, GZ 27 Hv 31/25g 14, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * S* – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden von Bedeutung – gemäß § 214 FinStrG vom Vorwurf freigesprochen, er habe im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Österreich als Geschäftsführer der r* GmbH (US 4) unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung an Umsatzsteuer für im Urteil einzeln bezeichnete Kalendermonate vom September 2022 bis zum November 2024 um (im Urteil nach Entrichtungszeiträumen aufgegliedert) insgesamt 200.875,89 Euro bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten.
[2] Dagegen richten sich die jeweils aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft und der Finanzstrafbehörde.
[3] Den Freispruch in Bezug auf die Kalendermonate September 2022 bis Jänner 2024 trägt die Urteilsaussage, der Angeklagte habe die Umsatzsteuerverkürzungen „zumindest bis zur Umsatzsteuerperiode 01/2024“ nicht wissentlich bewirkt (US 6 f, siehe auch US 9). In Bezug auf die verbleibenden vom Anklagevorwurf umfassten Kalendermonate (bis zum November 2024) gründete das Schöffengericht den Freispruch auf mangelnde gerichtliche Zuständigkeit zur Ahndung nach § 53 Abs 1 FinStrG (US 6 iVm US 11).
[4] Die Negativfeststellung zur subjektiven Tatseite (US 6 f) leitete das Erstgericht aus dem objektiven Tatgeschehen ab, insbesondere aus dem Umstand, dass der Angeklagte die nach seiner Schätzung fällige Umsatzsteuerlast mit Verspätungen übererfüllte und überwiegend, wenngleich eine Selbstanzeige nicht formal erstattet worden sei, die Voraussetzungen des § 29 FinStrG erfüllt gewesen wären (US 8 f). Soweit sich die Beschwerden dagegen wenden, gelingt es ihnen nicht, Begründungsmängel im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO prozessförmig aufzuzeigen:
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:
[5] Dem Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat das Erstgericht die „Daten des Steuerkontos (ON 10)“ ohnehin gewürdigt (US 8). Im Übrigen stehen diese Beweisergebnisse der Negativfeststellung zur Wissentlichkeit in Ansehung der Bewirkung der Abgabenverkürzung durch die Verletzung zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen (US 6 f) nicht erörterungsbedürftig entgegen. Mit eigenständiger Bewertung des angesprochenen Verfahrensergebnisses verliert sich die Rüge in einem Angriff auf die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.
[6] Kein Widerspruch (Z 5 dritter Fall) besteht zwischen Urteilsaussagen, wonach die Umsatzsteuervorauszahlungen jeweils nach ihrer Fälligkeit geleistet worden seien (US 6), und solchen, wonach dies innerhalb der Frist des § 29 Abs 2 FinStrG geschehen sei (US 9 f).
[7] Der Einwand von „Scheinbegründung“ (Z 5 vierter Fall) der bekämpften Negativfeststellung versäumt es, die Gesamtheit der diesbezüglichen Urteilserwägungen (US 8 bis 10) in den Blick zu nehmen, und entzieht sich schon deshalb einer sachlichen Erwiderung (RIS-Justiz RS0119370).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Finanzstrafbehörde:
[8] Erkennbar keine notwendige Bedingung für die bekämpfte (Negativ )Feststellung (RIS-Justiz RS0116737) erblickte der Schöffensenat in der Erwägung, das Finanzamt habe die Einschätzung des Gerichts zur subjektiven Tatseite „wohl“ geteilt und wäre bei Vorliegen eines Verdachts einer Straftat „wohl“ zur Anzeige verpflichtet gewesen (US 9). Indem die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) bloß dieses isoliert herausgegriffene Begründungselement kritisiert, Überlegungen zur Anzeigepflicht des Finanzamts anstellt und argumentiert, es liege eine „Scheinbegründung“ vor und die Verneinung der subjektiven Tatseite sei „schlichtweg nicht korrekt“, ist sie nicht nach der Verfahrensordnung ausgerichtet (erneut RIS
[9] Gleiches gilt – mit Blick auf die Beweiswerterwägungen der Tatrichter (US 8 f) – für isolierte Kritik (Z 5 vierter Fall) an der Verwendung des Wortes „offensichtlich“ (US 9) in der Urteilsbegründung (siehe dazu RIS Justiz RS0099494 [T6]).
[10] Da die – nicht erfolgreich mit Mängelrüge bekämpfte – (Negativ )Feststellung zur subjektiven Tatseite dem angestrebten Schuldspruch jedenfalls entgegensteht, geht das übrige, aus Z 5 und 9 lit a erstattete Beschwerdevorbringen von vornherein ins Leere.
[11] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
Rückverweise
Keine Verweise gefunden