Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richterin und weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der *2023 verstorbenen H*, wegen Feststellung des Erbrechts zwischen den Antragstellern 1. G*, 2. M*, 3. A*, 4. E*, 5. E*, 6. S*, alle vertreten durch KS Schamberger Rechtsanwalts GmbH in Wien, 7. D*, vertreten durch Mag. Roland Schlegel, Rechtsanwalt in Wien, und 8. M*, vertreten durch Mag. Helwig Schuster, Rechtsanwalt in Melk, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Achtantragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 1. Oktober 2025, GZ 23 R 322/25p 38, den
Beschluss
gefasst:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] 1. Gemäß § 722 ABGB bleibt der letzte Wille wirksam, wenn die Urkunde nur zufällig zerstört wird oder verloren geht, sofern der Zufall oder Verlust und der Inhalt der Urkunde bewiesen werden. Bloß zufällig verletzte oder verloren gegangene Anordnungen sind daher weiter wirksam.
[2] Wer sich auf ein in Verlust geratenes Testament zu seinen Gunsten beruft, muss nicht nur dessen Inhalt beweisen, sondern auch den Umstand, dass der Verlust oder die Vernichtung des Testaments auf einem Zufall beruht und nicht auf den Willen des Erblassers zurückzuführen ist (RS0012797; 2 Ob 19/19m [Punkt 4.] zu § 722 ABGB idF ErbRÄG 2015). Dies gilt auch, wenn sich der Erbansprecher zum Beweis des Inhalts auf eine Fotokopie des Testaments stützen kann (RS0012793; 2 Ob 19/19m [Punkt 4.] zu § 722 ABGB idF ErbRÄG 2015).
[3] 2. Bei Zubilligung eines Anscheinsbeweises kommt es zur Verschiebung des Beweisthemas von der tatbestandsmäßig geforderten Tatsache auf eine leichter erweisliche Tatsache, die mit ihr in einem typischen Erfahrungszusammenhang steht (RS0040274). Der Anscheinsbeweis beruht darauf, dass bestimmte Geschehensabläufe typisch sind und es daher wahrscheinlich ist, dass auch im konkreten Fall ein derartiger gewöhnlicher Ablauf und nicht ein atypischer gegeben ist (RS0040266). Er darf nicht dazu dienen, Lücken der Beweisführung durch bloße Vermutungen auszufüllen (RS0040287). Zur Widerlegung des ersten Anscheins genügt seine Entkräftung durch den Nachweis einer anderen ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeit; eine solche muss nicht noch wahrscheinlicher als der erste Anschein gemacht werden (RS0040196).
[4] Ob nach den festgestellten Umständen ein Tatbestand vorliegt, der eine Verschiebung des Beweisthemas im Sinn eines Anscheinsbeweises zulässt, ist zwar eine (grundsätzlich revisible) Rechtsfrage. Der Lösung dieser Frage kommt allerdings im Hinblick auf die Vielzahl denkbarer Fälle regelmäßig keine erhebliche Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zu (vgl 9 Ob 48/23h [Rz 8 mwN]).
[5] Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, wonach im Fall der von der Erblasserin verlangten Rückstellung des zunächst dem eingesetzten Erben übergebenen und später nicht mehr auffindbaren Originaltestaments ein typischer, in Richtung eines Zufalls deutender Erfahrungszusammenhang fehle, ist nicht korrekturbedürftig.
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