Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Dr. Wurdinger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Dr. Steger, Mag. Wessely Kristöfel, Dr. Parzmayr und Dr. Vollmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei MMag. Dr. E*, vertreten durch Dr. Markus Vetter, Rechtsanwalt in Dornbirn, sowie des Nebenintervenienten auf Seite der klagenden Partei D*, vertreten durch die Hirsch Partner Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei A* GmbH, *, vertreten durch Mag. Peter Rittinger, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 29.000 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 10. September 2025, GZ 6 R 90/25k 54, den
Beschluss
gefasst:
I. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
II. Der Antrag der klagenden Partei auf Einleitung eines Vorabentscheidungsersuchens wird zurückgewiesen.
Begründung:
Zu I.:
[1] Die Klägerin stürzte beim Skifahren und zog sich da bei Verletzungen zu. Im Zuge des Sturzes brach einer der von ihr beim Nebenintervenienten erworbenen und von der Beklagten hergestellten Ski.
[2] Die Vorinstanzen wiesen die auf Produkthaftung nach dem PHG gestützte Klage ab, weil der konkrete Sturzhergang nicht festgestellt werden konnte und damit der Klägerin der Nachweis, dass der Bruch des Skis kausal für den Sturz war, nicht gelang.
[3] Die außerordentliche Revision der Klägerin ist mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig .
[4] 1. Gemäß Art 4 der Richtlinie 85/374/EWG (Produkthaftungsrichtlinie) hat der Geschädigte den Schaden, den Fehler und den ursächlichen Zusammenhang zwischen Fehler und Schaden zu beweisen. Auch im Anwendungsbereich des PHG obliegt dem Kläger der Beweis des Produktfehlers und des Kausalzusammenhangs zwischen Produktfehler und Schaden ( RS0117103 ).
[5] Die Entscheidungen der Vorinstanzen stehen mit diesen Grundsätzen im Einklang.
[6] 2. Die Klägerin zieht in ihrer Revision nicht in Zweifel, dass auch nach der dem PHG zugrunde liegenden Produkthaftungsrichtlinie die Beweislast für die Verursachung des geltend gemachten Schadens durch den Produktfehler ausdrücklich dem Geschädigten zugewiesen ist.
[7] Sie argumentiert jedoch, insbesondere wenn der Kausalzusammenhang „aufgrund der Komplexität des Produkts oder der Umstände des Schadens“ nicht nachweisbar sei, müssten Beweiserleichterungen eingreifen, um eine unbillige Benachteiligung des Geschädigten aufgrund objektiver Beweisschwierigkeiten zu vermeiden.
[8] Worin im vorliegenden Fall die besondere Komplexität (des Produkts oder der Schadensumstände) liegen soll, die ihr den Beweis der Schadensverursachung verunmöglicht habe, legt die Klägerin nicht dar. Soweit sie moniert, trotz ihrer glaubwürdigen und lebensnahen Schilderung des Unfallhergangs habe das Erstgericht wegen ihrer angeblich „nicht konsistenten Aussage“ eine Negativfeststellung zu dieser Frage getroffen, läuft ihre Kritik in Wahrheit auf eine Beanstandung der in dritter Instanz nicht anfechtbaren ( RS0043414 [T11]; RS0069246 [T1]) Beweiswürdigung der Vorinstanzen hinaus.
[9] 3. Ihr – angesichts der verschuldensunabhängig ausgestalteten Deliktshaftung nach dem PHG (§ 8) nicht recht verständlicher – Verweis auf § 1298 ABGB lässt unberücksichtigt, dass auch nach dieser Bestimmung eine Beweislastumkehr erst dann Platz greift, wenn dem Geschädigten (unter anderem) bereits der Nachweis des Kausalzusammenhangs gelungen ist; auch im Anwendungsbereich des § 1298 ABGB trifft diesen also die Beweislast für die Kausalität der behaupteten Pflichtverletzung (vgl RS0022686 ).
[10] 4. Auch mit ihren Überlegungen zum Anscheinsbeweis – in Zusammenhang mit der festgestellten Fehlstelle im Lochblech des gebrochenen Skis – zeigt die Klägerin keine Fehlbeurteilung auf. Die Revisionsausführungen zu diesem Punkt übergehen, dass das Erstgericht auf Grundlage der Stellungnahme des Sachverständigen festgestellt hat, dass der Bruch ohne die Fehlstelle in gleicher Form passiert wäre, dieser Fehler also keine Auswirkung auf den Skibruch hatte. Schon vor diesem Hintergrund bleibt kein Raum für einen Schluss vom fehlerhaften Lochblech des Skis auf einen bestehenden Kausalzusammenhang zwischen diesem Produktfehler und dem geltend gemachten Schaden.
[11] 5. Soweit die Klägerin schließlich damit argumentiert, dass der Gerichtshof der Europäischen Union dem Produkthaftungskläger zu C 503/13, Boston Scientific Medizintechnik , insoweit Beweiserleichterungen zugestehe, als es bei Produkten mit einem besonderen Potenzial zur Herbeiführung von Personenschäden (dort: einem Herzschrittmacher sowie einem implantierbaren „Cardioverten Defibrillator“) ausreiche, dass (potenzielle) Fehler solcher Produkte derselben Produktgruppe oder Produktionsserie feststehen, sodass ein Fehler des betreffenden Produkts nicht nachgewiesen zu werden brauche (EuGH aaO Rn 41), ist sie darauf hinzuweisen, dass ihr im vorliegenden Verfahren nicht einmal der Nachweis gelungen ist, dass ihr Sturz und der dabei erlittene Personenschaden auf den Bruch ihres Skis zurückzuführen ist. Ausgehend davon erschließt sich nicht, welche für ihren Prozessstandpunkt positiven Folgerung die Klägerin aus der angeführten Entscheidung abzuleiten gedenkt.
[12] 6. Mangels Kausalitätsnachweis ist auch die weitere Kritik der Klägerin, die Vorinstanzen würden von der Judikatur des Obersten Gerichtshofs zum Konstruktionsfehler wie auch zum Instruktionsfehler abweichen, „wenn sie diesen nicht rechtlich prüfen“, nicht nachvollziehbar. Soweit sie in diesem Zusammenhang sinngemäß moniert, den Vorinstanzen sei ein rechtlicher Feststellungsmangel unterlaufen, weil sie keine Feststellungen „zum im Sturzvorgang konkret durch den gebrochenen, die Bindung nicht auslösenden Ski verursachten Schaden“ getroffen hätten, ist sie auf die Negativfeststellungen zum Unfallhergang zu verweisen. Wenn zu einem bestimmten Thema Tatsachenfeststellungen getroffen wurden, mögen diese auch von den Vorstellungen der Rechtsmittelwerberin abweichen, können diesbezüglich keine rechtlichen Feststellungsmängel erfolgreich geltend gemacht werden ( RS0053317 [T1, T6]).
[13] 7. Wenn die Klägerin auf den schon in ihrer Berufung geltend gemachten Nichtigkeitsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs im Verfahren erster Instanz zurückkommt, so ist darauf nicht einzugehen. Ist das Berufungsgericht – wie hier – in die Prüfung der Frage einer allfälligen im erstinstanzlichen Verfahren unterlaufenen Nichtigkeit eingegangen und hat es eine solche verneint, ist die Wahrnehmung dieser Nichtigkeit im Verfahren dritter Instanz nicht mehr möglich. Eine vom Berufungsgericht im Spruch oder den Entscheidungsgründen verneinte Nichtigkeit des Verfahrens erster Instanz ist nach ständiger Rechtsprechung eine den Obersten Gerichtshof bindende, nicht weiter anfechtbare Entscheidung (R S0042981 ; RS0042917 ). Das kann auch nicht durch die Behauptung umgangen werden, das Berufungsgericht sei auf bestimmte Argumente nicht (ausreichend) eingegangen oder es sei ihm (deshalb) selbst eine Nichtigkeit unterlaufen (R S0042981 [T7, T22]; RS0043405 [T3]).
[14] 8. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Zu II.:
[15] Eine Prozesspartei hat nach ständiger Rechtsprechung keinen verfahrensrechtlichen Anspruch, die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art 267 AEUV vor dem Gerichtshof der Europäischen Union durch das Gericht zu beantragen. Der darauf gerichtete Antrag der Klägerin ist damit zurückzuweisen (RS0058452).
[16] Der Oberste Gerichtshof teilt schon im Hinblick auf die Möglichkeit der Wiederaufnahme bei Vorliegen der Voraussetzungen (hier: § 530 Abs 1 Z 7 iVm Abs 2 ZPO) die unionsrechtlichen Bedenken der Klägerin gegen die Anwendung des Neuerungsverbots nach § 482 Abs 2 ZPO in Berufungsverfahren betreffend Produkthaftungsansprüche nach dem PHG nicht.
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