Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Painsi, Dr. Weixelbraun Mohr, Dr. Steger und Dr. Pfurtscheller als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers F*, geboren am *, vertreten durch Dr. Stephan Duschel, Mag. Klaus Hanten, Mag. Clemens Kurz, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Antragsgegner V*, vertreten durch MMag. Christina Toth, MSc, Rechtsanwältin in Wien, wegen Verlängerung eines Landpachtvertrags, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. Februar 2025, GZ 39 R 184/24h 21, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom 17. Juli 2024, GZ 88 MSch 13/23z 15, abgeändert wurde, den
S a c h b e s c h l u s s
gefasst:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidung des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass der Sachbeschluss des Erstgerichts einschließlich seiner Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.
Der Antragsteller ist schuldig, dem Antragsgegner binnen 14 Tagen die mit 1.018,86 EUR (darin 169,81 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens sowie die mit 1.221,90 EUR (darin 203,65 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Antragsgegner ist ein Verein, der Antragsteller ist dessen Mitglied. Der Antragsgegner vergibt Grundflächen an Mitglieder und andere Personen, die diese Flächen bewirtschaften. Das Grundstück Nr 306 inneliegend der EZ * mit einer Fläche von 65.250 m 2 steht im Eigentum der Ö* AG. Der Antragsgegner hat mit der Grundeigentümerin einen „Vertrag hinsichtlich der Übergabe dieser Fläche“ abgeschlossen. Die se Fläche bewirtschaftet seit 2004 der Antragsteller, der deshalb am 23. 9. 2004 ein vom Antragsgegner ausgestelltes Mitgliedsblatt unterzeichnete. Der „jährliche Zins“ betrug zuletzt 1.830,42 EUR. Eine konkrete Vereinbarung hinsichtlich der „Dauer des Pachtvertrags“ gab es nicht. Das vom Antragsteller unterzeichnete Mitgliedsblatt enthält einen Verweis auf das „Handbuch für Mitglieder“. Darin finden sich unter dem Titel „Statuten des Zweigvereins“ zum Thema „Ende der Mitgliedschaft“ folgende Bestimmungen:
„ 1. Die Mitgliedschaft endet durch
[...]
1.4. Rechtswirksamen Widerruf des Grundstücks durch die Ö*. “
[2] Unter Punkt 6 heißt es unter „Zurückstellung der Flächen“:
„ 6.1. Der Widerruf der Überlassung einzelner Grundflächen wird von der örtlichen zuständigen *direktion ausgesprochen, bedarf aber in jedem Fall der Genehmigung der GD.
6.2. Bei Widerruf der Überlassung von vertragsgegenständlichen Flächen sind diese geräumt von allen Fahrnissen und ortsfesten Anlagen zurückzustellen.
6.3. Der zum Zeitpunkt der Rückgabe vorhandene Pflanzenwuchs und Baumbestand ist – mit Ausnahme des Ernteertrags – auf den Flächen zu belassen, soweit über dessen Entfernung keine Sondervereinbarung zustande kommt
[...] “
[3] Der Antragsteller betreibt ein landwirtschaftliches Unternehmen und bewirtschaftet insgesamt 80 ha Fläche. Auf dem nun strittigen Grundstück baut er Kräuter, Mais, Soja und Getreide an. Auch ohne dieses kann er sein landwirtschaftliches Unternehmen weiterführen.
[4] Aufgrund der Bekanntgabe der Grundeigentümerin an den Antragsgegner, dass sie die Fläche benötigt, hat dieser dem Antragsteller am 13. 5. 2020 gegenüber einen „Widerruf der gegenständlichen Fläche erklärt“, dies mit dem Schreiben vom 21. 4. 2021 wiederholt und den Antragsteller aufgefordert, die Fläche bis 31. 12. 2021 zurückzustellen. Eine Rückstellung ist bislang nicht erfolgt. Der Antragsgegner haftet der Grundeigentümerin für eine nicht zeitgerechte Rückstellung der Flächen.
[5] Der Antragsteller begehrt – gestützt auf das Landpachtgesetz (LPG) – die Verlängerung des zwischen ihm und dem Antragsgegner abgeschlossenen Pachtvertrags über die landwirtschaftlich genutzte Fläche des – näher bezeichneten – Grundstücks bis 31. 3. 2027. Er habe dieses auf unbestimmte Zeit gepachtet und jährlichen Pachtzins von zuletzt 1.549,42 EUR bezahlt. Die Beendigung des Vertrags sei ihm unzumutbar, weil die Fläche für seinen Gärtnereibetrieb wesentlich sei und deren Verlust seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit stark einschränke. Das Interesse des Antragstellers an einer Verlängerung des Pachtvertrags überwiege die Interessen der Antragsgegnerin wesentlich.
[6] Der Antragsgegner beantragte die Abweisung dieses Antrags und wendete ein, nur Generalpächter der Fläche zu sein. Die Grundeigentümerin habe sie – zulässigerweise – vom Antragsgegner zurückverlangt, weil sie diese für zwei Projekte als ökologische Ausgleichsfläche benötige. Im Fall der nicht zeitgerechten Rückstellung drohten dem Antragsgegner hohe Schadenersatzzahlungen. Die Rückstellung der Flächen liege im öffentlichen Interesse, die Grundeigentümerin habe bereits ein Enteignungsverfahren eingeleitet. Das öffentliche Interesse an der Schaffung eines zukunftsorientierten, klimafreundlichen, öffentlichen Verkehrsangebots überwiege das Interesse des Pächters an der Fortsetzung des Landpachtvertrags. Überdies hätten die Streitteile vereinbart, dass die Fläche bei Rückforderung durch den Grundeigentümer jedenfalls zurückzustellen sei. Die Rückstellung beeinträchtige die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Antragstellers nicht wesentlich. Der Antragsteller habe die Fläche zu sehr günstigen Konditionen nahezu 20 Jahre nutzen können.
[7] Das Erstgericht wies den Sachantrag ab. Nach § 6 Abs 1 LPG sei Voraussetzung für eine Verlängerung der Dauer des Landpachtvertrags durch das Gericht, dass die Interessen des Pächters an der Fortsetzung die des Verpächters an der Beendigung des Landpachtvertrags überwiegen. Dies sei hier nicht der Fall.
[8] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers Folge und verlängerte den Pachtvertrag antragsgemäß bis 31. 3. 2027. Eine Vereinbarung zwischen den Streitteilen, die Fläche bei Rückforderung durch den Grundeigentümer jedenfalls zurückzustellen, ergebe sich aus den Feststellungen nicht. Ein Überwiegen des Interesses des Antragstellers an der Aufrechterhaltung des Landpachtvertrags sei daher nicht im Sinn des § 6 Abs 2 LPG von vornherein zu verneinen. Die vom Erstgericht hervorgehobenen Interessen der Grundeigentümerin seien nicht diejenigen der Verpächterin. Eine Notwendigkeit, gerade diese Flächen als Ausgleichsfläche zur Entwicklung der von der Grundeigentümerin geplanten Projekte heranzuziehen, sei nicht ersichtlich. Dass dem Antragsteller nach Beendigung des Pachtvertrags nur in geringerem Maß Anbauflächen zur Verfügung stehen, sei eine Einschränkung seiner wirtschaftlichen Lage. Insgesamt sei daher vom Überwiegen der Interessen des Antragstellers an der Fortsetzung des Pachtverhältnisses auszugehen.
[9] Den Entscheidungsgegenstand bewertete das Rekursgericht mit 10.000 EUR übersteigend. Den Revisionsrekurs ließ es nicht zu.
[10] Dagegen erhob die Antragsgegnerin Zulassungsvorstellung verbunden mit ordentlichem Revisionsrekurs, den das Erstgericht über Auftrag des Rekursgerichts direkt dem Obersten Gerichtshof vorlegte.
[11]Im Hinblick darauf, dass gemäß § 12 Z 7 LPG für die Zulässigkeit des Revisionsrekurses die §§ 62–64 AußStrG mit der Maßgabe gelten, dass die maßgebliche Wertgrenze 10.000 EUR beträgt, und die unrichtige Benennung eines Rechtsmittels nicht dessen Behandlung in einer dem Gesetz entsprechenden Weise hindert (RS0036258), ist das Rechtsmittel als außerordentlicher Revisionsrekurs zu werten.
[12] Dem Antragsteller wurde die Beantwortung des außerordentlichen Revisionsrekurses freigestellt, er beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs keine Folge zu geben.
[13] Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil dem Rekursgericht eine auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlief. Er ist im Sinne der Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses auch berechtigt.
[14] Der Antragsgegner vermisst höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu, ob im Rahmen der Interessensabwägung nach § 6 Abs 2 LPG auch auf öffentliche Interessen und Interessen der Grundeigentümerin, die nicht Verpächterin ist, abzustellen sei. Überdies sei die Auffassung des Rekursgerichts korrekturbedürftig, dass die Bestimmungen im Handbuch ungeachtet des Umstands, dass der Antragsteller im von ihm unterzeichneten Mitgliedsblatt dessen Übernahme bestätigt hatte, nicht Vertragsbestandteil geworden seien. Daraus ergebe sich, dass die Beendigung der Mitgliedschaft auch die Beendigung des Pachtverhältnisses nach sich ziehe. Das Erstgericht habe zu Recht bei Beurteilung des Interesses des Antragsgegners auch dessen Konfrontation mit Regressforderungen der Grundeigentümerin einfließen lassen und dies als gewichtig bewertet. Letztlich habe der Antragsteller das Grundstück 20 Jahre lang genutzt und die in § 5 Abs 1 Z 2 LPG genannte Richtpachtzeit von zehn Jahren um das Doppelte überschritten. Die Interessensabwägung hätte daher zugunsten des Antragsgegners ausschlagen müssen.
Hiezu wurde erwogen:
1. Zur Anwendbarkeit des LPG
[15] 1.1. Nach § 1 Abs 1 LPG unterliegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes Verträge, durch die Grundstücke oder der Fischzucht dienende Teichgrundstücke allein oder gemeinsam mit Wohn oder Wirtschaftsräumen oder anderen Sachen vorwiegend zur landwirtschaftlichen Nutzung verpachtet werden (Landpachtverträge). Nutzung im Sinn des LPG ist die landwirtschaftliche Bodenbewirtschaftung zur Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse, zur Haltung oder Züchtung von Nutztieren oder zur Fischzucht (§ 1 Abs 2 LPG).
[16] 1.2. Voraussetzung für die Anwendung des LPG ist daher, dass ein Pachtvertrag vorliegt, der die landwirtschaftliche Nutzung als Grundstück zum Gegenstand hat; die Verpachtung zur landwirtschaftlichen Nutzung muss die Hauptsache bilden ( Mildnerin GeKo Wohnrecht I § 1 LPG Rz 8; 5 Ob 159/17v [Pkt 3] mwN). Dass das hier der Fall ist – und damit die Anwendbarkeit des LPG – wird von keiner der Parteien in Zweifel gezogen.
2. Zu den Voraussetzungen der Verlängerung der Dauer des Landpachtvertrags
[17] 2.1. Gemäß § 6 Abs 1 LPG hat das Gericht auf Antrag des Pächters die Dauer des Landpachtvertrags zu verlängern, wenn die Interessen des Pächters an der Fortsetzung die des Verpächters an der Beendigung des Landpachtvertrags überwiegen.
[18]Gemäß § 6 Abs 2 LPG ist bei der Interessensabwägung nach Abs 1 insbesondere auf die wirtschaftliche Lage der beiden Vertragsteile Bedacht zu nehmen. Die Interessen des Pächters überwiegen insbesondere dann nicht, wenn (unter anderem) 1. ein Grund vorliegt, der den Verpächter zur Aufhebung des Landpachtvertrags nach § 1118 ABGB berechtigt, oder 5. eine von vornherein schriftlich und bestimmt als Grund für die Beendigung des Landpachtvertrags bezeichnete Tatsache eingetreten ist, die in Bezug auf die Beendigung des Landpachtvertrags für den Verpächter als wichtig und bedeutsam anzusehen ist.
[19] § 6 Abs 2 enthält eine demonstrative Aufzählung, die verdeutlicht, unter welchen Umständen der Gesetzgeber eine gerichtliche Verlängerung des Landpachtvertrags als unbilligen Eingriff in die Vertragsfreiheit angesehen und deshalb jedenfalls ausgeschlossen hat ( Mildner in GeKo Wohnrecht I § 6 LPG Rz 7). Für das Vorliegen derartiger Gründe ist der Verpächter behauptungs und beweispflichtig ( Mildner aaO Rz 8).
[20] Gemäß § 6 Abs 3 LPG ist die Verlängerung der Dauer des Landpachtvertrags unzulässig, wenn die Dauer des Landpachtvertrags ausdrücklich auf eine solche Zeit vereinbart wurde, die der maßgebenden Richtpachtzeit (§ 5) entspricht oder diese übersteigt. Die Richtpachtzeit für die Pacht eines einzelnen Grundstücks, das vorwiegend dem Erwerbsgartenbau, dem Weinbau oder dem Obstbau dient oder das nach dem Vertrag vorwiegend in dieser Art genutzt werden soll, beträgt gemäß § 5 Abs 1 Z 2 LPG zehn Jahre.
[21] 2.2. Der Antragsgegner argumentiert mit einem wichtigen Grund nach § 6 Abs 2 Z 1 und Z 5 LPG und will diesen aus dem Mitgliedsblatt ableiten, in dem der Antragsteller nach den Feststellungen auch folgende Passage unterzeichnete:
„ Mit der Übernahme des Handbuchs für Mitglieder wird die Kenntnisnahme der Statuten, der Gartenordnung und der vertraglichen Regelungen als gegeben angesehen. “ [ ... ].
[22] Das Rekursgericht ging – im Gegensatz zum Erstgericht – davon aus, Feststellungen zur Übernahme des Handbuchs seien nicht getroffen worden. Selbst für den Fall der Übernahme könne im Handbuch keine die Beendigung des Pachtvertrags normierende Regel erkannt werden. In diesen Punkten ist die Ansicht des Rekursgerichts nicht zu beanstanden.
[23] 2.2.1 Da § 6 Abs 2 Z 5 LPG davon spricht, dass eine von vornherein schriftlich und bestimmt als Grund für die Beendigung des Landpachtvertrags bezeichnete Tatsache eingetreten ist, die in Bezug auf die Beendigung des Landpachtvertrags für den Verpächter als wichtig und bedeutsam anzusehen ist, auch aus dem Handbuch aber nur abzuleiten ist, dass die Mitgliedschaft des Antragstellers durch rechtswirksamen Widerruf des Grundstücks durch die Grundstückseigentümerin endet, fehlt es schon an einer ausreichend schriftlich und bestimmt bezeichneten Tatsachein Bezug auf die Beendigung des „Landpachtvertrags“. Die Echtheit und Richtigkeit der im Handbuch enthaltenen Statuten wurde in erster Instanz nicht bestritten, sodass sie der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden können (vgl RS0121557).
[24] 2.2.2 Nach § 5.2 ist die Mitgliedschaft unter anderem an die Überlassung eines Kleingartens oder einer sonstigen landwirtschaftlich genutzten Fläche gebunden. Nach § 6.1.4 iVm Pkt 11 endet sie bei rechtswirksamem Widerruf des Grundstücks durch die Ö* mit dem Tag des Endes der Rückgabefrist. Mit Ende der Mitgliedschaft erlöschen gemäß § 6.12 alle Rechte, die sich aus der Zugehörigkeit zum Zweigverein ergeben. Wenn es auch im Sinn der Argumentation des Antragsgegners naheliegt, dass ein Erlöschen der Mitgliedschaft im Verein auch als Grund für die Beendigung des Landpachtvertrags vorzusehen gewesen wäre, fehlt es letztlich an einem ausreichenden, schriftlichen und bestimmt einen solchen Grund im Sinn des § 6 Abs 1 Z 5 LPG nennenden Passus im Mitgliedsblatt und Handbuch. Von einem Landpachtvertrag ist in den Statuten keine Rede.
[25]2.3. Warum im Sinn des § 6 Abs 2 Z 1 LPG ein Grund vorliegen sollte, der den Verpächter zur Aufhebung des Landpachtvertrags nach § 1118 des ABGB berechtigt, lässt sich den Ausführungen im Revisionsrekurs nicht entnehmen. Einer der in § 1118 ABGB genannten Gründe für eine vorzeitige Vertragsauflösung (erheblich nachteiliger Gebrauch, Zinsrückstand oder Neuaufführung des vermieteten Gebäudes, wobei die Anwendbarkeit des letzteren auf den Pachtvertrag fraglich ist; vgl Lovrek in Rummel/LukasKommentar zum ABGB 4 § 1118 Rz 109) liegt nach dem Sachverhalt ebenso wenig vor wie dem vergleichbare wichtige Gründe in Form von wesentlichen Vertragsverletzungen, die zu einem grundlegenden Vertrauensverlust führen ( Lovrek aaO Rz 8). Dass der Antragsgegner nur „Generalpächter“ und der Antragsteller dessen Unterpächter ist, wird bei der Interessensabwägung zu berücksichtigen sein.
3. Zur Interessensabwägung nach § 6 LPG
[26]3.1. Grundsätzlich setzt der Anspruch auf Verlängerung eines Landpachtvertrags nach § 6 Abs 1 LPG das Überwiegen des Interesses des Pächters an der Fortsetzung des Pachtvertrags voraus. Schon die Gleichwertigkeit der Interessen schließt eine Verlängerung aus (RS0114811; 5 Ob 227/22a; 1216 BlgNR 11. GP 8.; Holzer/Hilch/Wilfinger , Pachten und Verpachten in Österreich 4 [2013] 70; Handl in Nora/HolzerJahrbuch Agrarrecht [2011], 191). Ob die Interessen des Pächters an einer Vertragsverlängerung jene der Verpächterin an seiner Beendigung überwiegen, hängt an sich von den jeweiligen Umständen des zu beurteilenden Falls ab, denen im Regelfall keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (RS0114811). Hier liegt aber eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung vor.
[27] 3.2. Grundsätzlich ist bei der Interessensabwägung auf die wirtschaftliche Lage der Vertragsteile Bedacht zu nehmen. Im Gegensatz zur historisch vorgelagerten Reichspachtschutzordnung findet die Interessensabwägung aber nur zwischen den Vertragsteilen statt, agrarpolitische Überlegungen können sich nur im Individualinteresse des einen oder anderen Vertragsteils ausdrücken ( Ryschawy , ImmZ 1970, 165 [167]). Gerade unter Berücksichtigung der Richtpachtzeitbestimmung des § 5 LPG soll bei der Abwägung vor allem auch darauf geachtet werden, ob der Pächter im Rahmen der von ihm eingeleiteten Bewirtschaftungsmaßnahmen und der getätigten Investitionen bereits die Früchte gezogen hat, die er bei einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Pachtgegenstands üblicherweise erwarten kann (1216 BlgNR 11. GP 8; Ryschawy, ImmZ 1970, 165 [167]; Mildner in GeKo Wohnrecht I § 6 LPG Rz 1). Nach dem Willen des Gesetzgebers soll der Grundsatz der Vertragsfreiheit nur insoweit beschränkt werden, als dies zur Sicherung des Arbeitserfolgs des Pächters und der Förderung rationeller und fortschrittlicher Bewirtschaftungsmethoden notwendig ist ( 1216 BlgNR 11. GP 6; Holzer/Hilch/Wilfinger , Pachten und Verpachten in Österreich 4 [2013], 69; Handl in Nora/Holzer Agrarrecht [2011] 192). So wurde in der Rechtsprechung im Einzelfall das Interesse, sein Grundstück als Bauland zu veräußern, als erheblich höheres Interesse des Verpächters gewertet (6 Ob 18/01t).
[28] 3.3. Schon nach dem Gesetzeswortlaut des § 6 Abs 1 LPG hat die Interessensabwägung nur zwischen den Vertragsteilen selbst stattzufinden, sodass die im Revisionsrekurs bemühten öffentlichen Interessen (ebenso wie agrarpolitische Überlegungen) nur insoweit Berücksichtigung finden könnten, als sie sich im Individualinteresse des einen oder anderen Vertragsteils ausdrücken (vgl Ryschawy ImmZ 1970, 165 [167]). Die Verwendung des Worts „insbesondere“ im Sinn des § 6 Abs 2 LPG bezieht sich auf den Umstand der wirtschaftlichen Lage der beiden Vertragsteile, eröffnet aber weder nach Wortlaut noch nach logisch-systematischen Erwägungen den Weg zu einer Berücksichtigung von Interessen (auch) einer von der Verpächterin verschiedenen Grundstückseigentümerin und/oder der Öffentlichkeit.
[29] 3.4. Dessen ungeachtet hat hier die Interessensabwägung nicht zu Gunsten des Antragstellers auszuschlagen. Ihm ist nach den Feststellungen zwar ein gewisses wirtschaftliches Interesse zuzubilligen, die Flächen weiter zu bewirtschaften. Er hat zu diesem Zweck aber insgesamt 80 ha zur Verfügung; auf die hier strittige Fläche entfallen davon ca 8 %. Die Weiterführung seines Unternehmens ist ihm ohne diese Fläche problemlos möglich. Unabhängig von der Frage, zu welchen Zwecken die Liegenschaftseigentümerin die Überlassung an den Antragsgegner widerrufen hat, ist in wirtschaftlicher Hinsicht zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner nach den Feststellungen der Grundeigentümerin für eine nicht zeitgerechte Rückstellung der Flächen einzustehen hat und nach dem unstrittigen Inhalt des Handbuchs die Überlassung der Liegenschaft an den Antragsgegner präkaristisch und somit gegen jederzeitigen Widerruf erfolgte, sodass der von der Eigentümerin erklärte Widerruf jedenfalls zulässig war. Entgegen der Auffassung des Antragstellers handelt es sich dabei nicht um bloße Spekulation, sondern um den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt. Allenfalls dem Antragsgegner aus dem Verzug mit der Rückstellung erwachsene Schäden sind zwar nicht konkret festgestellt; bedenkt man aber, dass der Antragsteller das Grundstück 20 Jahre lang nutzen konnte, was die Richtpachtzeit nach § 5 Abs 1 Z 2 LPG von zehn Jahren weit überstieg, und aus den Feststellungen nicht abzuleiten ist, dass er Investitionen getätigt hätte, die sich noch nicht amortisiert haben, ist – selbst ohne konkrete Feststellungen zu allfälligen wirtschaftlichen Nachteilen des Antragstellers – nicht zu erkennen, dass dessen Interessen diejenigen des Antragsgegners jedenfalls überwiegen. Auf ein Interesse des Eigentümers an der Durchführung des Infrastrukturprojekts kommt es damit gar nicht entscheidend an.
[30]3.5. Dass ein Überwiegen der Interessen des Pächters nur dann auszuschließen wäre, wenn Umstände vorliegen, die bei einem im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten Dauerschuldverhältnis den Verpächter zur außerordentlichen Kündigung berechtigen, lässt sich aus der Entscheidung 5 Ob 227/22a entgegen der Meinung des Antragstellers nicht ableiten, die einen nicht vergleichbaren Sachverhalt betraf.
[31] 3.6. Die Beurteilung des Rekursgerichts, die Interessen des Pächters an der Vertragsverlängerung würden jene des Verpächters an seiner Beendigung überwiegen, ist daher zu korrigieren.
[32] 4. Aus diesen Gründen war in Abänderung der Rekursentscheidung der Sachbeschluss des Erstgerichts einschließlich seiner Kostenentscheidung wiederherzustellen.
[33]5. Nach dem gemäß § 12 LPG anwendbaren § 78 AußStrG hat der obsiegende Antragsgegner Anspruch auf Ersatz seiner tarifgemäß verzeichneten Kosten für die Rekursbeantwortung und den Revisionsrekurs.
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