Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Istjan, LL.M., Mag. Waldstätten, Mag. Böhm und Dr. Gusenleitner Helm in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. * GmbH, *, und 2. * GmbH, *, diese vertreten durch die Fritzsche Frank Fletzberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Stephan Riel als Masseverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der *-Aktiengesellschaft (AZ * des *gerichts *), dieser vertreten durch die Riel Partner Rechtsanwaltskanzlei in Wien, wegen 4.361.053,80 EUR sA, Rechnungslegung und Zahlung (Stufenklage) sowie Feststellung (Gesamtstreitwert: 4.381.053,80 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse [richtig:] 4.122.114,70 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. September 2024, GZ 4 R 71/24a 77, den
Beschluss
gefasst:
I. Das Verfahren zwischen der zweitklagenden Partei und der beklagten Partei wird fortgesetzt.
II. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird berichtigt auf „Dr. Stephan Riel als Masseverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der *-Aktiengesellschaft (* des *gerichts *)“.
III.Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird, soweit sie die zweitklagende Partei betrifft, gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Zu I. und II.:
[1] Nach Vorlage des Akts an den Obersten Gerichtshof mit einer außerordentlichen Revision der Beklagten wurde zunächst mit Beschluss des *gerichts * vom 21. 2. 2025 ein Konkursverfahren über das Vermögen der Erstklägerin und sodann mit Beschluss vom 12. 5. 2025 ein solches über das Vermögen der Beklagten eröffnet.
[2] Am22. 7. 2025 (zu 4 Ob 193/24x) stellte der Senat daher mit deklarativemBeschluss die Unterbrechung des Revisionsverfahrens gemäß § 7 Abs 1 IO fest.
[3] Mit Eingaben vom 29. 7. und 4. 9. 2025 gab der Masseverwalter der Beklagten bekannt, dass die Zweitklägerin im Insolvenzverfahren der Beklagten, gestützt auf das Berufungsurteil , Insolvenzforderungen angemeldet habe, die er in der Prüfungstagsatzung bestritten habe, sodass er nunmehr die Fortsetzung des Verfahrens gegen sie beantrage.
[4]Sohin ist (nur) das Revisionsverfahren zwischen der Beklagten und der Zweitklägerin gemäß § 7 Abs 2 IO fortzusetzen, was vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss anzuordnenist (vgl RS0097353, RS0036655). Weiters ist die Bezeichnung der Beklagten von Amts wegen auf den Masseverwalterzu berichtigen (vgl § 235 Abs 5 ZPO; RS0039713 [T6]; RS0039589).
[5] Eine – grundsätzlich ebenfalls von Amts wegen vorzunehmende – Umstellung des Leistungs- in ein Feststellungsbegehren hat hingegen nur zu erfolgen, wenn der Oberste Gerichtshof in der Sache selbst entscheidet, nicht jedochbei Zurückweisung einer Revision (vgl RS0041103 [T9], RS0065967 [T4]).
Zu III.:
[6] Die Streitteile führ(t)en zahlreiche Prozesse über die Frage, ob die Klägerinnen im Jahr 2011 mit der Beklagten einen wirksamen Kaufvertrag über Liegenschaftsanteile der Beklagten schlossen (s dazu insb 2 Ob 35/16k ), dieser Vertrag allenfalls ex tunc oder ex nunc aufgehoben wurde, und welche Rechtsfolgen daraus abzuleiten sind. Konkret legte die Erstklägerin das Kaufangebot an die Beklagte, während die zweitklagende Projektgesellschaft die strittigen Anteile erwerben sollte.
[7] In diesem Verfahren begehren die Klägerinnen mangels Übergabe der Liegenschaft entgangene Mieteinnahmen für den Zeitraum von 1. 9. 2018 bis 31. 8. 2019 von monatlich 363.421,15 EUR (x 12 = 4.361.053,80 EUR).
[8] Das Erstgericht sprach mit Endurteil aus, dass das Klagebegehren mit 4.122.114,70 EUR zu Recht und die eingewandte Gegenforderung nicht zu Recht bestehe, verpflichtete die Beklagte zur Zahlung dieses Betrags samt Zinsen an die Zweitklägerin und wies das Zahlungsmehrbegehren ab.
[9] Das Berufungsgericht gab einer Berufung der Beklagten nicht Folge und ließ die Revision wegen der Einzelfallbezogenheit nicht zu.
[10] Die außerordentliche Revision der Beklagtenist mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig und daher zurückzuweisen .
[11] 1.1 Die Beklagte vertritt in ihrer Revision die Ansicht, dass der von den Klägerinnen behauptete Kaufvertrag aus (näher dargelegten) gesellschaftsrechtlichen Gründen wegen eines Verstoßes gegen die Form- und Zustimmungserfordernisse des § 237 AktGsowie gegen ihre Satzung absolut nichtig sei. Diesen Einwand hätten die Vorinstanzen inhaltlich prüfen müssen, ungeachtet der Rechtskraftwirkung der Parallelverfahren und des Zwischenurteils, mit dem ihre Haftung für den Mietzinsausfall bereits dem Grunde nach bejaht wurde (s dazu 4 Ob 216/22a).
[12] 1.2 Die Vorinstanzen gingen übereinstimmend davon aus, dass die Beklagte im Verfahren über die Anspruchshöhe trotz der Rechtskraftwirkung des Zwischenurteils noch einwenden könne, dass nach Schluss der mündlichen Verhandlung über das Zwischenurteil rechtsbegründende Tatsachen weggefallen oder rechtsvernichtende Tatsachen eingetreten seien (vgl RS0040754 , RS0040756 ). Weiters könnten Tatsachen geltend gemacht werden, die insbesondere eine Wiederaufnahmeklage iSd § 530 Abs 1 Z 7 ZPO rechtfertigen würden, wobei diesfalls gemäß 1 Ob 103/11waber auch die Voraussetzungen einer solchen Klage eingehalten werden müssten. Die behauptete Nichtigkeit des Kaufvertrags aus dem Jahr 2011 wegen des Fehlens eines Hauptversammlungsbeschlusses und einer notariellen Beurkundung iSd § 237 AktG könne jedoch weder als neue Tatsache noch als (zulässiger und rechtzeitiger) Wiederaufnahmegrund qualifiziert werden.
[13] 1.3Mit der bloßen Behauptung, dass sich der im Jahr 2011 gesetzte Verstoß der Beklagten gegen ihre eigene Satzung und das AktG erst nach Rechtskraft des Zwischenurteils im Jahr 2023 „herausgestellt habe“ und „erkannt wurde“, vermag die Revision keine Unvertretbarkeit dieser Beurteilung aufzuzeigen. Nach ständiger Rechtsprechung ist auch ein Zwischenurteil nicht bloß ein Formalakt. Dessen Präklusionswirkung, nämlich die endgültige Abschneidung weiteren Vorbringens über den Bestand des Anspruchsgrundes und über die Einwendungen gegen diesen, ist nichts anderes als die Einmaligkeitswirkung der materiellen Rechtskraft (vgl RS0040864 , RS0040736 ).
[14]Auch mit dem Argument, der Oberste Gerichtshof habe bereits in mehreren Entscheidungen klarstellt, dass die Rechtskraft absolut nichtige Geschäfte nicht erfasse, zeigt die Beklagte kein Abweichen von ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung iSd § 502 Abs 1 ZPO oder sonst eine erhebliche Rechtsfrage auf. Die zitierten Fundstellen stammen aus den Jahren 1914, 1927 und 1929 und werden von Klicka , den die Beklagte als (einzige) weitere Quelle anführt, ausdrücklich als vereinzelt bezeichnet und abgelehnt ( Klicka in Fasching/Konecny 3§ 411 ZPO Rz 150: „Aus den §§ 529 ff ZPO lässt sich iZm der Systematik der Prozessordnung zweifelsfrei der Schluss ziehen, dass der Gesetzgeber dort alle Fälle erschöpfend regeln wollte, in denen das Gericht selbst die Rechtskraft von Entscheidungen beseitigen darf.“).
[15]Inwiefern die Rechtssicherheit durch eine Einschränkung der Rechtskraftwirkung gefördert würde, erschließt sich aus den Revisionsausführungen nicht. Sollte es durch einen Verstoß gegen § 237 AktG und die unterlassene Geltendmachung einer daraus resultierenden Nichtigkeit im Verfahren über den Anspruchsgrund tatsächlich zu einer Schädigung der Gesellschaft und/oder von Aktionären gekommen sein, könnte dies zwar Haftungen nach sich ziehen, ist aber für das vorliegende Verfahren auf Herausgabe von vereinnahmten Mietzinsen an die Klägerinnen irrelevant.
[16]Dass die Vorinstanzen das Vorbringen zu einem Verstoß gegen § 237 AktG als durch das Zwischenurteil präkludiert ansahen, begründet sohin keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung. Daher muss auch nicht untersucht werden, inwiefern dieser Einwand mit rechtskräftigen Entscheidungen aus anderen Verfahren zwischen den Streitteilen in Einklang gebracht werden kann.
[17] 2.1Das Erstgericht verneinte weiters eine Gegenforderung der Beklagten für Verzugszinsen aus dem Kaufpreis mangels Verzugs der Klägerinnen sowie die Zulässigkeit eines Vorteilsausgleichs, weil die Klägerinnen einen Bereicherungs- und keinen Schadenersatzanspruch geltend gemacht hätten. Schließlich fehle es an einem schlüssigen Vorbringen der Beklagten zu konkreten, auf die Liegenschaft gemachten Aufwendungen, dies sowohl der Höhe nach als auch zur Frage der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit iSd § 336 ABGB.
[18] 2.2Die Beklagte behauptet in ihrer Revision zwar, dass sie bei einem Verstoß ihres Vorgehens gegen § 237 AktG als redliche Besitzerin anzusehen sei und dies im Verfahren über die Anspruchshöhe berücksichtigt hätte werden müssen. Wie sich dieser Umstand konkret auswirken würde, lässt sie aber weiterhin offen, sodass darauf nicht näher einzugehen ist.
[19] Weiters wirft die Beklagte dem Berufungsgericht vor, dass es ihre Aufrechnungseinrede zu Unrecht nicht berücksichtigt habe. Beide Vorinstanzen verstanden die Aufrechnungseinrede der Beklagten laut Schriftsatz vom 2. 10. 2023 jedoch dahin, dass sie damit Verzugszinsen geltend mache, weil sie diese mit einem Anspruch auf unternehmerische Zinsen seit Fälligkeit des Kaufpreises mit 6. 5. 2011 begründete. In ihrer Berufung argumentierte die Beklagte demgegenüber, „ entgegen der Ansicht des Erstgerichts hat die Beklagte daher keine Verzugszinsen geltend gemacht, sondern die ersparten Aufwendungen der Klägerinnen ins Treffen geführt “. Die ersparten Aufwendungen der Klägerinnen ordnete das Berufungsgericht sodann dem Thema „schadenersatzrechtlicher Vorteilsausgleich“ zu. Soweit die Beklagte tatsächlich eine Herausgabe eines konkreten, von den Klägerinnen erzielten Nutzens aus dem Kaufpreis gemeint haben sollte, oder die Anrechnung von bestimmten, auf die Liegenschaft gemachten Aufwendungen, ist die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass sie einen solchen Anspruch nicht prozessordnungsgemäß geltend gemacht habe, im Einzelfall aber nicht korrekturbedürftig.
[20] 3.Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft und liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
[21] 4. Da der Fortsetzungsantrag hier keinen selbständigen Zwischenstreit ausgelöst hat, und die Beklagte in der Hauptsache erfolglos blieb, hat sie die Kosten des Revisionsverfahrens gegen die Zweitklägerin zur Gänze selbst zu tragen.
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